Wie viele Medikamente braucht ein Patient wirklich?

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KHM CMPR CMB CPCM
KOLLEGIUM FÜR HAUSARZTMEDIZIN
COLLEGE DE MEDECINE DE PREMIER RECOURS
COLLEGIO DI MEDICINA DI BASE
COLLEGE OF PRIMARY CARE MEDICINE
PRESSEMITTEILUNG
25. Juni 2014
KHM-Forschungspreis für Hausarztmedizin 2014 – gestiftet von Mepha
Wie viele Medikamente braucht ein Patient wirklich? Eine
Pilotstudie in Schweizer Hausarztpraxen gibt erste
Antworten.
LUZERN – Der mit 30 000 CHF dotierte, von Mepha gestiftete KHM-Forschungspreis für
Hausarztmedizin geht 2014 an die Autoren der in PRAXIS publizierten Studie mit dem
Titel «Systematisches Weglassen verschriebener Medikamente ist bei polymorbiden
Hausarztpatienten akzeptiert und machbar.» Dr. med. Stefan Neuner-Jehle, MPH und PD
Dr. med. Oliver Senn, beide als Hausärzte und als Forscher am Institut für
Hausarztmedizin der Universität Zürich tätig, sowie PD Dr. med. Dipl. Soz. Tanja
Krones, Leitende Ärztin klinische Ethik am Universitätsspital Zürich, konnten mit ihrer
Pilotstudie zeigen, dass bei älteren und polymorbiden Patienten 9% der verschriebenen
Medikamente überflüssig sind.
Eine Checkliste gegen zu viele Medikamente
Die Folgen der Einnahme zu vieler Medikamente sind schwerwiegend. Polypharmazie, d.h.
die gleichzeitige Verordnung von mindesten 4-5 Medikamenten, führt zu einem deutlich
erhöhten Risiko für Heimeinweisungen, Hospitalisationen, verschlechterte Mobilität,
Morbidität und Tod.
Die Studiengruppe um Dr. med. Stefan Neuner-Jehle evaluierte eine Checkliste, um bei
multimorbiden Patienten Medikamente systematisch weglassen zu können. Sie adaptierten
den für die Geriatrie entwickelten und validierten Algorithmus «Good Palliative-Geriatric
Practice» (GPGP) für die Anwendung durch den Hausarzt. Der adaptierte Algorithmus
besteht aus vier Fragen, die der Arzt gemeinsam mit dem Patient bespricht. Dabei werden
alle aktuell verschriebenen Medikamente hinsichtlich tatsächlich gegebener Indikation,
Nutzen-/Risiko-Verhältnis, Dosierung und möglicher Alternativen hinterfragt.
In der prämierten Pilotstudie wurden der Nutzen und die Praxistauglichkeit der neuen
Medikamenten-Checkliste untersucht. 14 Hausärzte im Kanton Zürich testeten die Checkliste
bei insgesamt 63 Patienten über 60 Jahre, die täglich mindestens fünf Medikamente
langfristig einnahmen.
Jedes 11. Medikament überflüssig
Nach Anwendung des adaptierten GPGP-Algorithmus schlugen die Studienärzte ihren
Patienten bei 16% der Medikamente eine Änderung vor. In Absprache mit den Patienten
wurden daraufhin 13% der Verschreibungen verändert - das bedeutet, die Vorschläge
wurden von den Patienten mehrheitlich angenommen. 9% der Medikamente wurden ganz
abgesetzt, jede 11. Verschreibung war also überflüssig. Die durchschnittliche Anzahl
Medikamente pro Patient sank von 8,2 auf 7,4 (p<0,001).
Die Gründe für die Änderungsvorschläge an den individuellen Medikamentenlisten der Ärzte
waren fehlende Indikation (56%), inadäquate Dosierung (21%), das Vorhandsein einer
besseren Alternative (12%) oder unerwünschte Wirkungen (11%). Dies überraschte Stefan
Neuner-Jehle und seine Studienkollegen: «Wir hatten erwartet, dass vor allem
Wissenschaftliche Leitung:
Kollegium für Hausarztmedizin
Präsident: Dr. med. Pierre Klauser
Geschäftsführer: Dr. med. Ueli Grüninger
Landhausweg 26, 3007 Bern
Tel. 031 370 06 70 Fax 031 370 06 79
E-mail: [email protected]
Kongressorganisation:
Healthworld (Schweiz) AG
Heidi Fuchs / Andrea Studer
Sennweidstrasse 46
6312 Steinhausen
Tel. 041 748 76 00 Fax 041 748 76 11
E-mail: [email protected]
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Nebenwirkungen dazu führen, dass Medikamente abgesetzt oder Dosierungen geändert
werden. Dass in der Pilotstudie bei der Mehrzahl der Fälle die Indikation nicht (mehr)
gegeben war, zeigt auf, dass Medikamente manchmal einfach ‚weiterlaufen’, ohne kritisch
hinterfragt zu werden.»
Die Teilnehmer der Pilotstudie bewerteten den Algorithmus als gut praktikabel und
akzeptierbar (Mittelwerte zwischen 3,2 und 4,2 Punkten auf einer 5-teiligen Likert-Skala). Der
Zeitaufwand dafür betrug durchschnittlich 15 Minuten. Nach Angaben der Ärzte beurteilten
die Patienten den Medikamenten-Check als sehr positiv (Mittelwert von 4,6 von max.5).
Wichtiger Impuls für den Umgang mit Polypharmazie in der Hausarztpraxis
Der Präsident der KHM-Forschungspreis-Jury, Prof. Dr. med. Alain Pécoud, bewertet die
Studie als «äusserst wichtig für die Schweizer Hausärzte, die zunehmend Patienten mit einer
langen Medikamentenliste betreuen. Die prämierte Studie bietet einen möglichen
systematischen Ansatz, um dem Problem der Polypharmazie in der Hausarztmedizin zu
begegnen.»
Nach dem erfolgsversprechenden Ergebnis dieser prämierten Pilotstudie plant die
Forschungsgruppe nun eine randomisiert-kontrollierte Wirksamkeitsstudie mit harten
klinischen Endpunkten, um die langfristigen Auswirkungen einer systematischen Anwendung
des adaptierten GPGP-Algorithmus für die Patienten zu evaluieren.
Preisverleihung in Luzern
Die Verleihung des KHM-Forschungspreises 2014 und die Präsentation der prämierten
Forschungsarbeit durch die Preisträger findet am 26. Juni 2014 um 16.15 Uhr an der 16.
Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM/CMPR) im KKL in Luzern
statt (www.khm-kongress.ch/khm2014).
Originalpublikation der Studie
Neuner-Jehle S, Krones T, Senn O. Systematisches Weglassen verschriebener Medikamente ist bei
polymorbiden Hausarztpatienten akzeptiert und machbar. PRAXIS. 2014;103(6):317-322.
Über das KHM
Das Kollegium für Hausarztmedizin (KHM) wurde 1994 als gemeinnützige Stiftung zur Förderung der
medizinischen Grundversorgung in der Schweiz gegründet. Das KHM wird von den Schweizerischen
Gesellschaften für Allgemeinmedizin (SGAM), Allgemeine Innere Medizin (SGIM) und Pädiatrie (SGP)
sowie von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und den fünf
medizinischen Fakultäten der Schweiz getragen. Im Zentrum des Engagements des KHM und seiner
Mitgliedsorganisationen steht die Sicherung und Förderung einer qualitativ hochstehenden und
quantitativ ausreichenden medizinischen Grundversorgung in der Schweiz. Zentrales Element der
Forschungsförderung des KHM ist der mit 30‘000 CHF dotierte «KHM-Forschungspreis
Hausarztmedizin», der 2014 zum achten Mal verliehen und von der Mepha Pharma AG (Schweiz)
gestiftet wird.
Wichtige Informationen
Präsidiales KHM-Forschungspreissymposium
Nach der Verleihung des KHM-Forschungspreises 2014 und der Präsentation der prämierten
Forschungsarbeit durch die Preisträger wird Prof. Dr. med. Drahomir Aujeski, Klinikdirektor und
Chefarzt Allgemeine Innere Medizin am Inselspital Bern, als Gastreferent das Thema der Preisarbeit
mit seinem Vortrag «Zuviel Medizin» in einen breiteren Zusammenhang stellen (www.khmkongress.ch/khm2014/forschungspreis).
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Ein zweites Mal übergeben wird der KHM-Forschungspreis 2014 am Westschweizer Pendant des
Luzerner KHM-Kongresses, der 16ème Journee de formation du Collège de Médecine de Premier
Recours (CMPR), am 4. September 2014 in Lausanne (www.cmpr-congres.ch/cmpr2014).
Presseunterlagen
Ausführliche Unterlagen zur preisgekrönten Arbeit und – ab 26. Juni 2014 – auch Fotos der
Preisvergabe in Luzern können unter folgendem Link: www.khm-kongress.ch/khm2014/presse
heruntergeladen werden.
KHM-Forschungspreis Hausarztmedizin 2015
Eingabefrist für den KHM-Forschungspreis für Hausarztmedizin 2015 ist der 1. Dezember 2014
(weitere Informationen unter www.kollegium.ch/rd/d.html).
Kontakt und weiterführende Informationen
Pressestelle KHM-Forschungspreis Hausarztmedizin
Dr. Winfried Suske
Healthworld (Schweiz) AG
6132 Steinhausen
041 748 76 29
[email protected]
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