Fachbereich 11: Human- und Gesundheitswissenschaften Studiengang: Public Health/Gesundheitswissenschaften Bachelorarbeit Kritische Betrachtung gesundheitsfördernder Maßnahmen für chronisch erkrankte Kinder Critical consideration on useful health measures for children with chronic diseases Vorgelegt von: Katharina Kaiser Martrikelnummer: 2512326 Anschrift: Gundlachweg 3b, 28790 Schwanewede Kontakt: 0157/71368190, [email protected] Semester: 6. Fachsemester Erstgutachter: Frau Dr. Martina Wachtlin Zweitgutachter: Frau Nadine Ochmann Abgabedatum: 24.06.2013 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung…………………………………………………………………... 1 2. Medizinische und epidemiologische Betrachtung chronischer Erkrankungen bei Kindern……………………………….2 2.1. Diabetes mellitus Typ 1…………………………………..………………...3 2.2. Neurodermitis ……………………………………………………………….5 2.3. Asthma bronchiale…………………………………………....................... 6 3. Psychosoziale Situation respektive Lebensqualität bei chronisch kranken Kindern……………………………………………...8 3.1. Diabetes mellitus Typ 1……………………………………………………. 10 3.2. Neurodermitis………………………………………………………………..13 3.3. Asthma bronchiale…………………………………………………………. 14 4. Theorie der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss…………………………………………………………….….. 15 4.1. Die drei Arbeitslinien chronisch Kranker ………………………………... 16 4.2. Die Krankheitsverlaufskurve………………………………………………. 18 4.3. Die Formen und Phasen der Krankheitsverlaufskurve……………........21 5. Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderungsmaßnahmen….... 23 5.1. Gesundheitsförderung und Prävention…………………………………... 23 5.2. Vorhandene zielgruppenspezifische Angebote…………………………. 26 5.2.1. Diabetes mellitus Typ 1……………………………………….……27 5.2.2. Neurodermitis………………………………………………………. 28 5.2.3. Asthma bronchiale………………………………………………..... 29 5.3. Qualitätskriterien von Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen……………………………………………….….. 30 6. Ergebnisdarstellung der Schulungsmaßnahmen……………………32 6.1. Diabetes mellitus Typ 1……………………………………………………. 32 6.2. Neurodermitis………………………………………….………………….... 34 6.3. Asthma bronchiale………………………………….……………………… 36 7. Diskussion und Fazit der Arbeit……………………………….………. 38 8. Literaturverzeichnis……………………………………………………….43 9. Erklärung 1. Einleitung Ein zentrales Thema von Public Health ist die zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung und Prävention, „sowie die Wirksamkeit unterschiedlicher Maßnahmen zur Förderung von Gesundheit und Prävention von Krankheiten“ (Deutsche Gesellschaft für Public Health e.V. 2007, 1). Diese Arbeit beschäftigt sich hiermit. Genauer gesagt mit der Betrachtung gesundheitsfördernder Maßnahmen für chronisch erkrankte Kinder, als auch mit der psychosozialen Situation respektive Lebensqualität, die aus den chronischen Krankheiten Diabetes mellitus Typ 1, Neurodermitis und Asthma bronchiale resultiert. Ferner ist Public Health eine multidisziplinäre Wissenschaft, die eine Kooperation und Vernetzung verschiedener Akteure und Bereiche erfordert (vgl. Deutsche Gesellschaft für Public Health e.V. 2007). Auch das Thema dieser Arbeit bedient einen Querschnittsbereich aus Medizin, Psychologie, Soziologie und Gesundheitswissenschaften. Welche psychosoziale chronischen Situation Erkrankungen bei respektive Kindern? Lebensqualität Welche resultiert aus gesundheitsfördernden Maßnahmen gibt es und wie sind diese aus Public Health-Sicht für die Zielgruppe zu bewerten? Diese zentralen Forschungsfragen, die jener Arbeit zugrunde liegen, resultieren daraus, dass „chronische Erkrankungen mit besonderen psychosozialen Belastungen für die Betroffenen und ihre Familien verbunden sind sowie erhebliche Kosten verursachen, sodass in den vergangenen Jahren das Interesse an dieser Thematik gestiegen ist“ (Kamtsiuris et al. 2007, 687). Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden drei der häufigsten chronischen Krankheiten im Kindesalter medizinisch und epidemiologisch dargestellt (vgl. Robert Koch Institut 2011). Die Behandlung und die medizinischen Auswirkungen der Krankheiten werden erläutert. Anschließend wird die psychosoziale Situation respektive Lebensqualität, die aus den Krankheiten resultiert, aufgezeigt. Das Modell der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss greift nochmals als Theorie auf, was zuvor im Kapitel Psychosoziale Situation respektive Lebensqualität bei chronisch kranken Kindern dargestellt wurde. Zudem bildet sie die Basis und das Grundwissen, welches benötigt wird, um chronisch Kranke und deren Situation nachvollziehen zu können und in der Praxis gesundheitsfördernde Maßnahmen zu entwickeln und bewerten zu können. Ausgehend von der theoretischen Basis folgt eine Vorstellung von Maßnahmenkatalogen einer gesetzlichen Krankenkasse. 1 Diese werden abschließend mit dem Qualitätssystem „quint-essenz“ unter Berücksichtigung der Theorie der Krankheitsverlaufskurve bewertet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird keine gendergerechte Formulierung verwendet, obgleich sich diese Arbeit auf beide Geschlechter bezieht. 2. Medizinische und epidemiologische Betrachtung chronischer Erkrankungen bei Kindern Besonders bei chronischen Krankheiten, also bei einer Erkrankungsdauer von mindestens einem halben Jahr und einem stark erhöhten Versorgungsbedarf, „der weit über das Ausmaß der Versorgung gesunder Kinder mit akuten Erkrankungen hinausgeht“ (Schmidt & Thyen 2008, 586), kann es vermehrt zu psychosozialen Belastungen kommen. Des Weiteren besteht bei chronischen Krankheiten unter Umständen ein progredienter Verlauf und/oder die Chance auf eine vollständige Genesung ist verschwindend gering (vgl. Schmidt & Thyen 2008). Die Meinungen über die Definition des Begriffes chronische Krankheit gehen weit auseinander. Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Laut Pschyrembel bedeutet chronisch „langsam sich entwickelnd, langsam verlaufend“ (Pschyrembel 2007, 347). Für den Gemeinsamen Bundesausschuss, welcher sich auf den § 62 SGB V bezieht, ist eine Krankheit dann schwerwiegend chronisch, „wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung)“ (Gemeinsamer Bundesausschuss 2008, 3). Außerdem muss noch zusätzlich entweder „eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 [vorliegen]“, oder „ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60% [vorhanden sein]“, oder „eine kontinuierliche medizinische Versorgung (…) erforderlich [sein], ohne die (…) eine lebensbedrohliche Verschlimmerung (…) zu erwarten ist (Gemeinsamer Bundesausschuss 2008, 3). Neben dieser gesetzlichen und der medizinischen Definition von chronischer Krankheit, wird der Begriff auch soziologisch von Corbin und Strauss in „Weiter leben lernen“ (2010) erklärt. „Der sich manifestierende Verlauf einer chronischen Krankheit ist einer Entdeckungsreise per Schiff vergleichbar, das einen bestimmten Kurs nimmt“ (Corbin & Strauss 2010, 47). Dieses Zitat gibt Aufschluss über die Sichtweise einer chronischen Krankheit nach Corbin und Strauss. Es wird ein bestimmter Kurs genommen. Das heißt ein 2 (Therapie-) Ziel ist klar formuliert. Doch betrachtet man den Begriff Entdeckungsreise, so wird deutlich, dass der Weg unergründet und unklar ist. Eine chronische Krankheit kann jederzeit ungeahnte Verläufe annehmen. Wie sich die Erkrankung bei jedem Betroffenen individuell auswirkt und verhält, kann somit erst beim Leben mit der Krankheit entdeckt werden. Anknüpfend werden drei chronische Krankheiten dargestellt. Diabetes mellitus Typ 1, Neurodermitis und allergisches Asthma bronchiale. Die Auswahl dieser drei chronischen Krankheiten lässt sich damit begründen, dass alle aus epidemiologischer Sicht zu den häufigsten chronischen Erkrankungen zählen. Außerdem haben alle ihren Inzidenzgipfel im Kindesalter. Des Weiteren wurden Krankheiten ausgewählt, die sich nicht nur psychosozial-, sondern auch lebensqualitätsbeeinflussend auswirken. 2.1. Diabetes mellitus Typ 1 Die Erkrankung Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung. Unterschieden wird in Typ 1, Typ 2 und andere Typen. Bei Typ 1 herrscht eine zunehmende bis vollständige Unterversorgung von Insulin, ausgelöst durch die Zerstörung der BZellen. Neuerkrankungen mit Diabetes Typ 1 treten überwiegend bei Kindern und Jugendlichen auf, weswegen im Folgenden diese Form des Diabetes dargestellt wird. Es handelt sich um Diabetes ab einer Nüchtern-Plasmaglukose-Konzentration von 126 mg/dl. Ebenfalls pathologisch ist ein Blutzucker ab 200 mg/dl, 2 Stunden nach einem oralen Glukose-Toleranztest, oder bei sporadischen Messungen (vgl. Pschyrembel 2007). Diabetes mellitus zählt zu den häufigsten chronischen Krankheiten, hierbei werden Typ 1 und Typ 2 Diabetes gezählt. Wiederum 10% der gesamten DiabetesErkrankten haben den Typ 1 Diabetes, in Deutschland etwa 15.000 bis 20.000. Die Inzidenzrate ist steigend, ca. 2.000 Neuerkrankungen gibt es pro Jahr in Deutschland (vgl. Hürter & Danne 2005). Charakteristische Symptome für eine Diabetes Typ 1 Erkrankung sind ein sehr ausgeprägter Durst, Gewichtsabnahme, starkes Hungergefühl, Müdigkeit, sowie massiver Harndrang, grade bei eigentlich schon trockenen Kindern kann es passieren, dass diese wieder einnässen (vgl. Fehm-Wolfsdorf 2009). 3 Die Behandlung der Krankheit übernehmen die Patienten auf Grundlage des ärztlichen Therapieplanes selbst, bzw. vorerst die Eltern der Patienten. Direkt nach, oder auch vor der Diagnose Diabetes mellitus Typ 1 wird das Kind in eine Kinderklinik eingewiesen, in welcher das Kind und die Eltern informiert, aufgeklärt und geschult werden. In den ersten ein bis zwei Jahren findet meist noch eine „Restsekretion von endogenem Insulin [statt]“ (Fehm-Wolfsdorf 2009, 11). Anschließend an diese Remissionsperiode manifestiert sich eine vollständige Unterversorgung mit Insulin, die ein Leben lang durch Fremdinsulin ausgeglichen werden muss (vgl. Vogel 2002). Darüber hinaus muss mehrmals täglich der Blutzucker selbst gemessen werden, um eventuelle Entgleisungen zu vermeiden und die richtige Menge Insulin zu berechnen. Weiter wird der HbA1c-Wert alle zwei bis drei Monate durch einen Arzt bestimmt, welcher angibt, wie die Blutzuckerwerte in den vorangegangenen Monaten waren. Ferner müssen sich die Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 an genaue Kohlenhydratmengen halten, damit sie die Berechnungseinheiten passend zur gespritzten Insulinmenge aufnehmen, wobei eine Berechnungseinheit 10-12 Gramm Kohlenhydraten entspricht (vgl. Wiehe 2006). Die Besonderheit bei Kindern mit Diabetes mellitus Typ 1 ist, dass sie in den ersten Jahren der Erkrankung nicht selbst, oder nur teilweise für die Behandlung zuständig sind. Diese wird von den Eltern übernommen, bis die Kinder sich selbstständig mit der Insulingabe und der Ernährung auskennen. Somit hängt der Behandlungserfolg stark von den Eltern ab. Des Weiteren befinden sich Kinder noch in der Entwicklung, sie haben Wachstumsphasen, nehmen an Gewicht zu und durchleben die Pubertät. In dieser Zeitspanne kann sich der Insulinbedarf ständig ändern und muss somit immer wieder überprüft und angepasst werden (vgl. FehmWolfsdorf 2009). Ferner kann der Aspekt der Multimorbidität bei der Erkrankung Diabetes mellitus Typ 1 hier außer Acht gelassen werden. Es gibt zwar zahlreiche mögliche Spätfolgen bei an Diabetes Erkrankten, allerdings sind Kinder hiervon noch nicht betroffen. 4 2.2. Neurodermitis Bei der Erkrankung Neurodermitis, auch atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem genannt, handelt es sich um eine chronische Hautkrankheit. Charakteristisch ist hierbei der sich in Schüben äußernde, rezidivierende Verlauf. Es ist eine „entzündliche Hauterkrankung mit starkem Juckreiz“ (Simon et al. 2010, 13). Oftmals lässt sich eine Verbindung zu anderen Krankheiten ziehen. Diese sind häufig allergische Erkrankungen, wie allergisches Asthma oder Heuschnupfen. Ferner gibt es meist eine genetische Prädisposition mit Neurodermitis und/oder atopischen Krankheiten. Der Werdegang und die Stärke der Symptome können durch Infektionskrankheiten, Wetterlage, Jahreszeiten und Temperaturen beeinflusst werden (vgl. Simon et al. 2010). Die Krankheit Neurodermitis tritt bei fast 2/3 aller Patienten vor dem 6. Lebensjahr auf. 12 % aller Kinder im Grundschulalter haben Neurodermitis. 22 % der 5-6 Jährigen und 19,5 % der 9-11 Jährigen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an atopischen Ekzemen (vgl. Simon et al. 2010). „zeichnet Neurodermitis Erscheinungsbildes aus sich und durch ist in eine ihrem auffallende Verlauf Variabilität des interindividuell stark unterschiedlich“ (Rühle 2000, 24). Es gibt zahlreiche Symptome, die auftreten können. Hierzu zählen unter anderem starker Juckreiz, Ekzeme, trockene Haut, Hautinfektionen, einhergehende Nahrungsmittelallergien und Wolle- Unverträglichkeit, sowie eine innere Unruhe und das Unvermögen durchschlafen zu können (vgl. Rühle 2000). Die Behandlung der atopischen Dermatitis kann in drei Bereiche aufgegliedert werden. Zu der externen Therapie gehören verschiedene Cremes mit feuchtigkeitsspendenden Wirkstoffen und Fetten, sowie Ölbäder. Außerdem können auch entzündungshemmende Hautpflegeprodukten die Symptome Inhaltsstoffe der und Neurodermitis Antibiotika lindern. in Diverse Medikamente, die von innen heraus wirken, wie Antibiotika, Antihistaminika und Kortison können zusätzlich die Ausprägung der Erkrankung mindern. Die dritte Ebene der Behandlung sieht diverse Vorsichtsmaßnahmen vor, um Allergene zu vermeiden und die Haut nicht noch zusätzlich zu reizen. Hierbei kann es hilfreich sein, auf Kleidung aus Wolle, Tierhaare in der Wohnung, Nikotin, das Tragen langer Fingernägel und häufiges Duschen zu verzichten. Stattdessen werden 5 Kleidung aus Baumwolle, Baden statt Duschen und ein Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit von vielen Patienten als angenehm empfunden (vgl. Rühle 2000). Je nach Alter der Betroffenen kann die Erkrankung Neurodermitis unterschiedliche Formen annehmen. Bei Schulkindern und Jugendlichen ist „die typische Ausprägung (…) das Beugenekzem, das im akuten Schub eine starke Rötung, Schwellung und gelegentlich auch Nässen aufweist“ (Simon et al. 2010, 16). Weitere charakteristische Areale sind der Hals, Sprunggelenke, Hände, Augenlider, sowie die Rückseiten der Oberschenkel und des Gesäß. Auch die Kopfhaut, Brustund Rumpfbereich können betroffen sein. Schulkinder und Jugendliche befinden sich in der Entwicklung, der starke Juckreiz kann diese behindern. „Nicht allein die zerkratzte Haut stellt ein Problem dar, sondern ebenso die juckreizbedingten Konzentrations- und Schlafstörungen“ (Simon et al. 2010, 16). 2.3. Asthma bronchiale Die Erkrankung Asthma bronchiale lässt sich in Extrinsisches (allergisches) und Intrinsisches (nicht-allergisches) Asthma bronchiale untergliedern. Im Folgenden wird das allergische Asthma bronchiale dargestellt, da sich diese Erkrankung, im Gegensatz zum intrinsischen Asthma bronchiale, im Kindesalter oder Jugendalter manifestiert und in dieser Arbeit chronische Erkrankungen bei Kindern betrachtet werden sollen (vgl. Witt et al. 2009). „Unter dem Asthma bronchiale versteht man eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege“ (Witt et al. 2009, 42). Des Weiteren lässt sich meistens eine genetische Prädisposition mit Allergien aufweisen und/oder die Betroffenen selbst haben Allergien. Resultierend aus der Neigung zu Allergien, ergibt sich eine Exazerbation der Symptome zu bestimmten Jahreszeiten. Weitere definierende Merkmale der Krankheit Asthma bronchiale sind eine Verengung und eine Überempfindlichkeit der Bronchien (vgl. Kroegel 2002). Die Erkrankung allergisches Asthma bronchiale macht etwa 90% aller Asthmaerkrankungen aus, die restlichen 10% beziehen sich auf die nichtallergische Form. In Deutschland leiden 4-6% aller Menschen an Asthma bronchiale. Bezieht man diese Prävalenz nur auf Kinder und Jugendliche, so ergibt sich eine deutlich höhere Erkrankungshäufigkeit von 8-10%. „Vorsichtige 6 Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland pro Jahr bis zu 1000 Personen an den Folgen eines Asthma bronchiale sterben“ (Witt et al. 2009, 42). Unter den Todesfällen sind auch häufiger Kinder und Menschen mittleren Alters (vgl. Witt et al. 2009). Charakteristische Symptome für das allergische Asthma bronchiale sind Atemnot, beziehungsweise eine erschwerte Atmung und Husten, welches oftmals anfallsartig auftritt (Asthmaanfall), sowie eine eingeschränkte Lungenfunktion (vgl. Witt et al. 2009 & Kroegel 2002). Die Behandlung des Asthma bronchiale hat klar definierte Therapieziele. Vermieden werden sollen eine Progression der Krankheit, sowie Asthmaanfälle. Die Lungenfunktion, die physische Belastbarkeit und das Vermögen durchschlafen zu können, soll so gut wie möglich sein. Die Therapie wird individuell nach der Verfassung des Betroffenen, des Schweregrades und der Ausprägung der Krankheit ausgewählt Die anti-asthmatischen Medikamente unterscheiden sich dabei in „Medikamente mit anti-entzündlicher Wirkung und anti-obstruktiver Wirkung“ (Witt et al. 2009, 47). Diese werden je nach Ausmaß der Symptome als Dauer- oder Bedarfsmedikamente verabreicht. Zu den anti-entzündlich wirkenden Medikamenten gehören unter anderem Kortikosteroide und Immunsuppressiva. Zu den anti-obstruktiv wirkenden Medikamenten zählen zum Beispiel Leukotrienhemmer und Methylxanthine. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie ist es sehr wichtig, dass die Betroffenen darauf achten eine Exposition mit Allergieauslösenden Stoffen zu vermeiden, da diese nicht nur die Symptome, sondern auch den Verlauf der Krankheit deutlich beeinflussen können. (vgl. Witt et al. 2009). Besonderheiten bei Kindern mit extrinsischem Asthma bronchiale lassen sich in der Behandlung finden. Hier muss im Speziellen darauf geachtet werden, dass Mundstücke von Inhalatoren verschluckt werden könnten. Darum muss eventuell auf Atemmasken zurückgegriffen werden, um eine Versorgung mit antiasthmatischen Medikamenten, auch im Kindesalter zu gewährleisten (vgl. Paul 2002). 7 3. Psychosoziale Situation respektive Lebensqualität bei chronisch kranken Kindern Der Terminus psychosozial wird häufig verwendet, allerdings ist er weitgehend undefiniert. Er setzt sich aus den Begriffen psychisch und sozial zusammen, welche laut Duden (2006, 816/947), seelisch, die Psyche betreffend und gesellschaftlich bedeuten. Somit lässt sich der Begriff psychosoziale Situation als psychischer Zustand definieren, welcher durch soziale/gesellschaftliche Gegebenheiten beeinflusst/bedingt wird. Die Darstellung der Lebensqualität ist bei chronischen Krankheiten bedeutsam, „durch die zunehmende Erkenntnis des Einflusses psychosozialer Faktoren bei der Entstehung und dem Verlauf von chronischen Erkrankungen“ (Petersen et al. 2004, 228). Sie sind in der Regel nicht heilbar und von längerer Dauer. Die Betroffenen müssen mit ihrer Krankheit leben. Oftmals haben sie dabei Einschränkungen, aufgrund der Erkrankung und Behandlung. Somit ist es besonders wichtig nicht nur medizinische Parameter, wie zum Beispiel Unterdrücken oder Abwesenheit von Symptomen zu betrachten, sondern auch psychosoziale Faktoren mit einzubeziehen. Nur so kann ermittelt werden, ob und inwiefern eine chronische Erkrankung die psychosoziale Situation respektive Lebensqualität eines Betroffenen beeinflusst (vgl. Bullinger 2000 & Petersen et al. 2004). Der Terminus Lebensqualität wird von der WHO wie folgt definiert. „WHO defines Quality of Life as individuals` perception of their position in life in the context of the culture and value systems in which they live and in relation to their goals, expectations, standards and concerns. It is a broad ranging concept affected in a complex way by the person´s physical health, psychological state, level of independence, social relationships, personal beliefs and their relationship to salient features of their environment” (WHO 1997, 1). Lebensqualität ist somit eine persönliche Vorstellung nach selbst gesetzten Standards, von der eigenen Position im Leben. Diese Wahrnehmung bezieht psychische, physische, soziale und mentale Faktoren mit ein und wird auch über die Umwelt definiert (vgl. WHO 1997). Kinder mit chronischen Krankheiten sind einem außerordentlichen Risiko ausgesetzt eine Verhaltens- und/oder eine Entwicklungsauffälligkeit zu entwickeln (vgl. Sticker et al. 2003). Eine chronische Krankheit, einsetzend zum Zeitpunkt der 8 Entwicklung, also im Kindesalter, stellt den jungen Menschen vor eine Doppelbelastung. Zusätzlich zu den alttäglichen Anforderungen, Lernaufgaben, Adaptions- und Ablösungsprozessen, müssen sich chronisch kranke Kinder mit ihrer Krankheit auseinandersetzen, sowie mit allen dazugehörigen Belastungen, wie Behandlungen und Schmerzen. Es ist also deutlich schwieriger für diese Kinder ein psychisch- und sozial-gesunder Mensch, mit einer stabilen, ausgereiften Persönlichkeit zu werden. Es herrschen Faktoren vor, die die Bewältigung dieser Doppelbelastung determinieren, je nachdem wie gefestigt die Kinder in den verschiedenen Bereichen sind, gelingt ihnen die Herausforderung. Jede chronische Krankheit stellt das Kind vor andere Herausforderungen und hat verschiedenste Ausmaße. Somit ist als erste Determinante die allgemeine Erfahrung mit der Krankheit zu nennen. Die Behandlung der Krankheit mit Medikamenten, Therapien, Krankenhausaufenthalten und Schmerzen prägen die Einstellung zur Krankheit. Auch der Verlauf der Krankheit kann den Umgang beeinflussen, Phasen der Stabilität der Erkrankung beruhigen und geben Kraft und Sicherheit. Wohingegen akute Notfälle, Schübe und Neueinstellungen der Behandlung auch psychische Unruhe auslösen können. Der Grad der Einschränkung und die damit verbundene Stigmatisierung sind ebenfalls sehr entscheidend für eine Adaption. Je mehr Einschränkungen und Stigmatisierung eine chronische Krankheit auslösen, umso hilfloser und wütender fühlen sich die Betroffenen. „Zusätzlich spielen Persönlichkeits- und kognitive Entwicklung des Kindes und Reaktionen aus der Familie und Umwelt eine Rolle“ (Sticker et al. 2003, 19). Je gefestigter das Kind in seiner Persönlichkeit ist, umso leichter fällt es ihm Stigmatisierungen, Belastungen und Schmerzen zu verarbeiten. Die Familie ist hierbei besonders wichtig. Sie haben die Aufgabe das Kind zu stärken, Wissen über die Krankheit und die Behandlung zu vermitteln, sowie den möglichen Umgang mit Diskriminierungen aufzuzeigen (vgl. Sticker et al. 2003). Den Eltern chronisch kranker Kinder fällt es oftmals schwer dem kranken Kind Wünsche abzulehnen und konsequent in der Erziehung zu sein. Gründe hierfür können zum einen die allgemeine Belastung der Eltern durch die Krankheit sein, sodass für Strenge, Erziehung und Konsequenz oftmals die Kraft fehlt. Andererseits sind Eltern eher geneigt einem Kind, das Schmerzen hat und Qualen erleiden muss, Dinge zu erlauben und über Verstöße gegen die eigenen Regeln hinwegzusehen, als Kindern, die gesund sind. Wichtig ist hierbei das Kind mit der 9 chronischen Krankheit genauso zu erziehen, zu ermahnen und zu Regeln, sowie Verhaltensweisen anzuhalten, wie ein gesundes Kind. Dieser Umgang kann auch die Sonderstellung herabsetzen, die chronisch kranke Kinder oft haben. Ein großes psychosoziales Risiko birgt die Einstellung, dass ein Therapieerfolg ein Unterdrücken bzw. Auslöschen der Krankheitssymptome sei. Hier müssen Eltern und Mediziner darauf achten, dass die gesamte psychosoziale Lebenssituation der Kinder betrachtet, bewertet und gegebenenfalls überdacht werden muss. In diese ganzheitliche Betrachtung wird die Adaption bei Gleichaltrigen und die psychische Gesundheit mit einbezogen, was im erheblichen Maße für Kinder mit chronischen Krankheiten entscheidend ist, da sie ein großes Risiko haben Stigmatisierungen zu erfahren und psychisch belastet zu sein (vgl. Tröster 2005 & Fehm-Wolfsdorf 2009). 3.1. Diabetes mellitus Typ 1 Unabhängig davon welche Definition verwendet wird, ist die Krankheit Diabetes mellitus Typ 1 eine chronische Krankheit, die sich überwiegend in der Kindheit manifestiert. Die erkrankten Kinder müssen sich ein Leben lang mehrmals täglich Insulin spritzen, den Blutzucker messen, sowie die Mengen an Kohlenhydraten exakt berechnen, um ihren Blutzucker möglichst konstant zu halten. Diese Kinder sind in der Regel zahlreichen psychosozialen Belastungen ausgesetzt und haben ein doppelt so großes Risiko an einer Depression zu erkranken, im Vergleich zu gesunden Kindern (vgl. Fehm-Wolfsdorf 2009). Die Therapie wird zuerst von den Eltern übernommen. Die Gesundheit der Kinder liegt also in der Verantwortung der Eltern und die Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 sind, stärker als gesunde Kinder, auf ihre Eltern angewiesen. Hier besteht die Gefahr einer Überbehütung durch die Eltern. Die Angst vor Blutzuckerentgleisungen, wie einer Hypoglykämie, oder einer Hyperglykämie, die ständigen Kontrollen der Blutzuckerwerte und die regelmäßige Notwendigkeit der Insulininjektionen nehmen den Kinder oftmals die Selbstständigkeit, sowie Spontanität und können zu einer zu starken Eltern-KindBindung führen. Dies kann die Bindung und Beziehung zu gleichaltrigen Kindern noch zusätzlich belasten, denn Kinder mit Diabetes Typ 1 haben oftmals eine Sonderrolle durch die verschiedenen Therapiekonzepte ihrer Krankheit, wie 10 Kontrollieren des Blutzuckers und Einhalten der exakten Kohlenhydratmengen. „Die Heranwachsenden können in die Rolle des `Kranken` bzw. des `an Diabetes Erkrankten` gedrängt werden und negative Effekte auf die soziale Entwicklung sind ein mögliches Resultat“ (Nitzko & Seiffge-Krenke 2009, 115). Hinzu kommen bei einigen Kindern häufige Fehlzeiten in der Schule durch Krankenhausaufenthalte und Arzttermine, die ihnen freie Zeit nehmen, in der sie sich sonst mit anderen Kindern verabreden könnten. Auch durch die vielen Fehlzeiten bedingt, kann es dazu kommen, dass Kinder mit Diabetes so viele Unterrichtseinheiten verpassen, dass sie diese nicht mehr aufholen können und eine Klasse wiederholen müssen, oder die anderen Mitschüler ihnen weit voraus sind. Ferner findet auch oftmals soziale Ausgrenzung der Kinder mit Diabetes statt. Gleichaltrige Kinder und deren Eltern haben Angst vor der großen Verantwortung, grade auch in Notfällen handeln zu müssen, hinzu kommt Unwissenheit über die Krankheit und teilweise auch Bequemlichkeit, weil sie keine speziellen kohlenhydratarmen Lebensmittel kaufen möchten. Aufgrund dessen werden Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 gelegentlich von sozialen Veranstaltungen ausgegrenzt, wie zum Beispiel von Geburtstagsfeiern oder gemeinsamem Spielen mit anderen Kindern. Diese soziale Ausgrenzung kann nicht nur im privaten Bereich, sondern ebenfalls in der Schule stattfinden. Bei Ausflügen, sportlichen Aktivitäten, wie Schwimmen und Klassenfahrten herrscht ein gesteigerter Betreuungsbedarf für Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1. Ist hier keine geschulte Person anwesend, können die Kinder oftmals nicht mitfahren und sie müssen zu Hause bleiben, oder in anderen Klassen am Unterricht teilnehmen. Die zeitaufwändige, mehrmals täglich durchzuführende Behandlung des Diabetes erschwert die Bewältigung werktäglicher Aufgaben, wie die Mitarbeit in der Schule immens. Etwa alle 2 Stunden muss der Blutzucker gemessen, aufgeschrieben und gewertet werden, bei zu niedrigen Werten muss das Kind mit Diabetes schnell wirkende Kohlenhydrate zu sich nehmen. Dies muss das Kind also auch durchführen, wenn gerade eine Klassenarbeit geschrieben oder eine Aufgabe bearbeitet wird, dadurch wird nicht nur das Kind mit Diabetes aufgehalten, sondern auch andere Kinder manchmal gestört (vgl. Wiehe 2006). Zudem verschlechtert eine Unterzuckerung die kognitiven Fähigkeiten beträchtlich. Dies kann besonders in der Schule für die Kinder Auswirkungen und Benachteiligungen nach sich ziehen, wenn sie dem Unterrichtsgeschehen nicht oder nur teilweise Folge leisten können und Arbeiten zu Hause sowie in der Schule 11 nicht mit ihrer eigentlichen geistigen Leistung anfertigen können (vgl. FehmWolfsdorf 2009 & Nitzko & Seiffge-Krenke 2009). Weitere psychosoziale Belastungen durch Diabetes können in der Pubertät auftreten. Durch den erhöhten Bedarf an Insulin in dieser Zeit kann es sein, dass im speziellen Mädchen an Gewicht zunehmen, was sie als sehr störend und psychisch belastend empfinden. Jungen mit Diabetes mellitus Typ 1 hingegen plagen oft andere Befürchtungen. „Besonders angst- und schambesetzt ist für männliche Patienten das Risiko einer sexuellen Funktionsstörung aufgrund der Durchblutungsstörungen“ (Wiehe 2006, 61). Hieraus kann sich eine Scheu vor Liebesbeziehungen mit Gleichaltrigen entwickeln. Nähe, Intimität und Zärtlichkeit auszutauschen, kann sich schwieriger gestalten, wenn die Gefahr einer Unterzuckerung besteht, oder eine Pumpe getragen wird (vgl. Nitzko & SeiffgeKrenke 2009). Eine geschlechtsübergreifende psychosoziale Belastung während der Pubertät kann die innere Zerrissenheit darstellen. Auf der einen Seite findet ein Prozess der Abgrenzung und Abnabelung der Eltern sowie das Ausprobieren von Alkohol und Drogen statt und auf der anderen Seite steht die ständige Kontrolle und Disziplin, die diese Krankheit erfordert. Schamgefühle nehmen bei allen Kindern in der Pubertät zu. Zu regelmäßigen Zeiten bestimmte Mengen an Kohlenhydrate zu essen, sich Insulin zu spritzen, den Blutzucker zu kontrollieren und in Momenten der Überzuckerung nichts Kohlenhydrathaltiges essen zu dürfen, fällt auf. Es kann vorkommen, dass Kinder sich dann absichtlich nicht an ihr Therapiekonzept halten, nicht spritzen, essen, oder messen, um sich wie andere Kinder in ihrem Alter verhalten zu können. Auch steigt die Angst übergewichtig zu werden, da bei der Behandlung von Diabetes zu bestimmten Zeiten gegessen werden muss, oder auch nicht gegessen werden darf. Die Erkrankten können also oftmals nicht auf ihr natürliches Hungergefühl reagieren und achten. „Zum Zweck der Gewichtsreduktion werden darüber hinaus nicht selten Insulininjektionen unterdosiert oder ausgelassen“ (Nitzko & Seiffge-Krenke 2009, 119). Wenn hier nicht eine emotionale und psychische Balance geschaffen und die Behandlung weiterhin kontrolliert fortgesetzt wird, besteht ein erhöhtes Risiko für gefährliche Stoffwechselentgleisungen (vgl. Wiehe 2006 & Nitzko & Seiffge-Krenke 2009). 12 3.2. Neurodermitis Die chronische Hautkrankheit Neurodermitis ist nicht nur körperlich belastend, häufig ist sie für die Betroffenen „auch mit erheblichen psychosozialen Belastungen [einhergehend]“ (Schmid-Ott, Gerhard et al. 2003, 852). Die Lebensqualität bei Neurodermitikern, verglichen mit anderen Patienten mit Hauterkrankungen, ist sozial, psychisch und körperlich am stärksten negativ beeinflusst. Bedingt durch starken Juckreiz leiden über 60% aller Kinder mit atopischer Dermatitis an einem gravierenden Schlafdefizit. Daraus resultiert eine mangelhafte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit im Schulalltag. Des Weiteren kann die Stimmung der betroffenen Kinder getrübt sein. Darüber hinaus erleben die Kinder mit Neurodermitis oft soziale Ausgrenzung und Beleidigungen von anderen Kindern. „Wegen der sichtbaren Hautsymptome leiden die betroffenen Kinder oft unter Stigmatisierungsängsten und erleben auch tatsächlich Hänseleien und sozialen Ausschluss“ (Simon et al. 2010, 53). Aus diesem Erleben kann wiederum bei den an Neurodermitis leidenden Kindern ein aggressives, ängstliches und unsicheres Verhalten resultieren. Dieses Benehmen, als Antwort auf widerfahrene Stigmatisierungen, entfernt die Kinder mit atopischer Dermatitis weiter aus ihrem sozialen Umfeld (vgl. Simon et al. 2010 & Rühle 2000). Die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Neurodermitis bei Kindern erstreckt sich auf verschiedene Lebensbereiche. Besonders im Bereich der sportlichen Aktivitäten erleben sich die Kinder als stark eingeschränkt. Bedingt durch die verstärkte Schweißproduktion beim Sport wird der vorhandene Juckreiz des Betroffenen noch zusätzlich intensiviert. Auch der Berufswunsch und die Familienplanung der Kinder werden durch ihre Erkrankung beeinflusst. Berufe, die häufiges Waschen erfordern, können nicht ausgeübt werden und die Krankheit lässt sich auf eigene Kinder vererben. (vgl. Rühle 2000). 20-30 % aller an atopischer Dermatitis Leidenden haben Symptome einer Depression oder Angststörung, welche eine Behandlung erfordern. Darüber hinaus ist „die Prävalenz psychosomatischer Störungen bei dermatologischen Patienten (…) gegenüber somatisch gesunden Kontrollkollektiven um das 3-fache erhöht“ (Simon et al. 2010, 52). Oftmals wird die Erkrankung von den Betroffenen selbst nur als negativ erlebt und nicht als bewältigbare Aufgabe eingeordnet (vgl. Rühle 2000 & Simon et al. 2010). 13 3.3. Asthma bronchiale „Patienten mit einem Asthma bronchiale leiden mitunter an einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Lebenszufriedenheit“ (Witt et al. 2009, 70). Die Erkrankung hat ganz vielfältige Auswirkungen auf die Lebensqualität. Es kann in psychischen, emotionalen, privaten, beruflichen und sozialen Bereichen zu Belastungen kommen. Besonders gravierend ist die Beeinträchtigung des zirkadianen Rhythmus. Aufgrund von Hustenattacken und Atemnot ist das Vermögen durchzuschlafen, bei vielen Betroffenen nicht gegeben. „Bei 74% ist der Schlaf mindestens einmal pro Woche, bei 64% dreimal die Woche und bei 40% jede Nacht gestört“ (Witt et al. 2009, 99). Resultierend aus der nächtlichen Schlaflosigkeit kann die Konzentrations- und die Leistungsfähigkeit der Kinder mit Asthma bronchiale erheblich beeinträchtigt sein. Besonders belastet in der Schule sind betroffene Kinder, wenn sie Atemnot oder Hustenanfälle in der Nacht vor einer Klassenarbeit hatten. Sie können dann aufgrund des Schlafmangels nicht ihre volle geistige Leistungsfähigkeit abrufen und sind somit gegenüber den anderen Mitschülern benachteiligt. Des Weiteren kann das Schreiben einer Klassenarbeit an sich eine kritische Situation für Kinder mit Asthma bronchiale werden. Stress, Nervosität und Anspannung können hier als Trigger für Asthmaanfälle fungieren. Die Kinder müssen dann eventuell Medikamente zu sich nehmen und ihre Atmung aktiv beeinflussen und kontrollieren, was wiederum ablenkend von der eigentlichen Aufgabe ist, nämlich Schreiben einer Arbeit. „Ein Kind mit Asthma gerät sowieso leicht in die Rolle eines Außenseiters“ (Etschenberg et al. 2001, 47). Durch den Schlafmangel kann das betroffene Kind unruhig und unausgeglichen sein. Des Weiteren haben viele Mitschüler Angst mit einem Kind zu spielen, dass einen lebensbedrohlichen Asthmaanfall bekommen kann. Wenn das an Asthma bronchiale erkrankte Kind im Unterricht an Atemnot und Hustenanfällen leidet oder sogar einen massiven Asthmaanfall hat, wird der weitere Unterrichtsverlauf von der Behandlung gestört. Das Kind muss Medikamente zu sich nehmen und zieht durch Husten und entlastende Körperhaltung die Aufmerksamkeit auf sich. „Das kann zu Problemen mit anderen Schülern führen, wenn darüber nicht offen gesprochen worden ist“ (Etschenberg et al. 2001, 47). Ferner können Kinder mit Asthma bronchiale bei Ausflügen innerhalb und außerhalb der Schulzeit psychosozial benachteiligt sein. 14 Die Betroffenen dürfen keine Orte besichtigen, die staubig, sehr kalt oder verpilzt sind. Ferner dürfen auch keinerlei Tiere anwesend sein. Auch auf andere Allergene und ein striktes Rauchverbot muss geachtet werden. Das macht viele Ausflüge zu einem komplizierten Ereignis und oftmals können die betroffenen Kinder dann nicht, oder nur eingeschränkt, teilnehmen. Kinder mit Asthma sollten Sport betreiben, denn dieser kann die Lungenfunktion verbessern. Allerdings dürfen sie nach Asthmaanfällen und bei Atemnot keinen Sport ausüben. Hinzukommend darf während der Pollenflugsaison Sport für Asthmatiker nicht im Freien stattfinden. Diese Einschränkungen können in der Schule zu Problemen bei der Benotung im Sportunterricht führen (vgl. Etschenberg et al. 2001). 4. Theorie der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss In den nachfolgenden Abschnitten Gesundheitsförderungsmaßnahmen werden vorgestellt und zielgruppenspezifische kritisch bewertet. Um Maßnahmen zu entwickeln und zu bewerten, bedarf es dem Verständnis von chronischer Krankheit an sich, den Auswirkungen für die Betroffenen und ihren Problemen bei der Bewältigung und Akzeptanz der Erkrankung. Aufgrund dessen wird in diesem Abschnitt die Theorie der Krankheitsverlaufskurve vorgestellt, um aus dieser theoretischen Basis das Grundwissen zur kritischen Betrachtung gesundheitsfördernder Maßnahmen zu ziehen. Die Darstellung der drei Arbeitslinien chronisch Kranker hilft als Handlungsgrundlage, chronisch kranke Menschen besser zu verstehen und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Die bereits erwähnte Doppelbelastung chronisch Kranker, die neben alltäglichen Aufgaben zusätzlich die Aufgaben, die eine chronische Krankheit mit sich bringen bewältigen müssen, wird in dem Werk „Weiterleben lernen“ von Juliet M. Corbin und Anselm L. Strauss thematisiert und analysiert. Juliet M. Corbin ist Professorin an der San Jose State University für Pflegewissenschaften. Ihre Themenbereiche sind chronische Krankheit, Arbeitssoziologie und Forschungsmethoden. Anselm L. Strauss war Professor an der University of California in San Francisco. Strauss war spezialisiert auf den Gebieten der Medizinsoziologie, Schmerzbewältigung, Sterben und chronische Krankheiten (vgl. Corbin & Strauss 2010). Die Methodik, die „Weiterleben lernen“ zugrunde liegt, ist die von Anselm L. 15 Strauss und Barney G. Glaser entwickelte Grounded Theory. Sie „ist die Entdeckung von Theorie auf der Grundlage von in der Sozialforschung systematisch gewonnenen Daten“ (Glaser & Strauss 2010, 20). Durch Anwendung verschiedener Systeme, wie Memos schreiben, Kodieren, Vergleichen und Verknüpfen werden Theorien aus zuvor erhobenen Daten generiert. Corbin und Strauss führten Interviews mit 60 Paaren, wobei mindestens ein Partner chronisch erkrankt oder behindert war. Die Daten aus den geführten Interviews bildeten die Grundlage zur Entwicklung der Theorien, die in „Weiterleben lernen“ ausgeführt werden (vgl. Corbin & Strauss 2010). 4.1. Die drei Arbeitslinien chronisch Kranker Als erstes wird der Begriff der Arbeit aufgegriffen, die chronisch kranke Menschen zu leisten haben. Definiert ist dieser Terminus als gemeinsam oder allein bewältigte Herausforderungen, welche zum Ziel haben „einen Handlungsplan zu realisieren, mit dem ein oder mehrere Aspekte der Krankheit und des Lebens der Kranken und ihrer Partner bewältigt werden sollen“ (Corbin & Strauss 2010, 25). Es wird in drei relevante Typen der Arbeit unterschieden. Die krankheitsbezogene Arbeit, die Alltagsarbeit und die biografische Arbeit. Diese Arbeitstypen bilden sich aus ihren jeweiligen Aufgaben heraus, die allein oder mit Hilfe von anderen bewältigt werden. Zu der krankheitsbezogenen Arbeit gehören verschiedenste Aufgaben, die es, teilweise auch mit der Hilfe von Health Professionals, zu bewältigen gilt. Zu aller erst muss die Krankheit diagnostiziert werden. Sobald dies geschehen ist, kann die Krankheit behandelt und die Symptome können versorgt werden. Hierzu können Medikamente, Operationen, Physiotherapie etc. nötig sein. Im Verlauf muss der Werdegang der Krankheit ständig kontrolliert werden, indem Werte und Parameter überprüft werden und die Behandlung gegeben falls angepasst wird. Hierzu können Arztbesuche oder Krankenhausaufenthalte unerlässlich sein. Ferner kann es zu akuten Schüben und Verschlechterungen kommen, welche möglichst verhindert und wenn das nicht realisierbar ist, bewältigt und überwunden werden müssen. Als weitere krankheitsbezogene Arbeit ist die Wiederherstellung der Aktivität zu nennen, so weit, wie dies erreichbar ist. Physiotherapie, Gehhilfen, mobile Geräte zur Versorgung, sowie eventuelle 16 Selbstdurchführung einzelner Behandlungsschritte können bei der Bewältigung dieser Arbeit helfen. Auch eine psychische Behandlung, zum Beispiel die Besprechung von Sorgen und Ängsten, gehört unmittelbar zur krankheitsbezogenen Arbeit. Die Alltagsarbeit wird je nach Einschränkungen, Stadium, Verlauf und Art der Krankheit teilweise oder komplett nicht mehr von den Betroffenen selbst durchgeführt. Hierzu zählen alltägliche Erledigungen, wie Einkaufen, Haushalt, aber auch Körperpflege und Körperhygiene, sowie das tägliche Ankleiden. Auch in die Kategorie der Alltagsarbeit fällt die Aufgabe wieder aktiv zu werden, bzw. aktiv zu bleiben, wie etwa spazieren zu gehen oder kleinste Aufgaben wieder zu übernehmen. Eine weitere Aufgabe, die erledigt werden muss, ist die Vermeidung der Abkapselung vom sozialen Umfeld oder die Akzeptanz dieser. Umgehen können die Patienten die Isolation etwa durch Telefonate, Treffen von Freunden und Einladungen aussprechen und wahrnehmen. Die dritte Arbeitslinie ist die biografische Arbeit, „d.h. die Arbeit, die für Definition und Erhaltung der Identität notwendig ist“ (Corbin & Strauss 2010, 26). Mit Bewältigung dieser Aufgaben bildet sich also das (neue) Selbstverständnis des chronischen Kranken. Hierzu muss die Krankheit in das Leben, in die eigene Biografie eingebunden werden, dahinter könnte die Akzeptanz der Krankheit als neuer Lebensabschnitt stehen. Darüber hinaus muss der Patient die Krankheit als solche bewältigen, mit allen damit verbundenen Unannehmlichkeiten und sich mit diesen abfinden. Zu der biografischen Arbeit gehört auch der Entwurf einer neuen Identität. Ein neues „Ich“ muss gefunden und angenommen werden, mit eventuellen körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Veränderungen und Einschränkungen. Die krankheitsbezogene Arbeit, die Alltagsarbeit und die biografische Arbeit müssen zum Weiterleben geleistet werden und diese drei Arbeitstypen wiederum erfordern Organisation. Die Ausführung der Organisationsarbeit, die über den anderen drei Arbeitslinien steht, schafft Raum und Zeit für andere Dinge und auch Erholungsphasen, um dieser immensen Arbeitsbelastung gerecht zu werden. Als erstes müssen hierzu die einzelnen Aufgaben wahrgenommen und festgehalten werden, bevor man diese nach Priorität und Bedeutung ordnen kann. Danach können die Aufgaben verteilt werden und es kann abgesprochen werden, wer welche Aufgaben wann erledigt und was jeder Einzelne zur Bewältigung benötigt. 17 Hierbei werden die Aufgaben je nach Art der Arbeit und Profession des Einzelnen delegiert (vgl. Corbin & Strauss 2010). 4.2. Die Krankheitsverlaufskurve „Der sich manifestierende Verlauf einer chronischen Krankheit ist einer Entdeckungsreise per Schiff vergleichbar, das einen bestimmten Kurs nimmt“ (Corbin & Strauss 2010, 47). Nach der Sicherung der Diagnose einer chronischen Krankheit haben die meisten Betroffenen, sowie auch die Health Professionals eine erste Vorstellung davon, wie der Verlauf der Krankheit aussehen kann. Ein Behandlungsplan wird aufgestellt, Informationen über die Krankheit werden gesammelt und Verläufe anderer Betroffener können zusätzlich Aufschluss darüber geben, wie sich die Krankheit entwickeln wird und sich das Leben mit dieser gestalten kann. Ähnlich wie man vor einer Schiffsfahrt auch die Route plant. Trotz dieser etwaigen Vorstellungen der Betroffenen und der Behandelnden kann der eigentliche Verlauf der chronischen Krankheit ganz anders sein, als zuerst geplant und gedacht. Der tatsächliche Ablauf mit allen Schwierigkeiten, Krisen, Wendungen, Änderungen und auch stabilen Phasen, sowie Besserungen wird erst durch den Verlauf der Krankheit selbst erkennbar. Jeglicher Einzelfall ist individuell und unvorhersehbar, da jeder Betroffene anders reagiert auf Behandlungen und die Krankheit selbst. Durch das Leben mit der Krankheit kann der Betroffene sich selbst neu kennen lernen, als chronisch Kranker. Auch die Auswirkungen der Behandlung und der Krankheit an sich auf den eigenen Organismus wird erst im Verlauf spürbar. Zudem kann es in jedem Krankheitsverlauf zu Wendungen kommen. Diese können eine komplette oder teilweise Neustrukturierung des bisherigen „Kurses“ erfordern. Ein aktualisierter Behandlungsplan, eine Neuverteilung der einzelnen Arbeitslinien, eine Änderung der eigenen Vorstellung über die Krankheit, die Zukunft und den weiteren Verlauf können dann nötig sein (vgl. Corbin & Strauss 2010). Die Krankheitsverlaufskurve ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Krankheitsverlauf, obwohl sie sich auf diesen bezieht. Dennoch ist die Darstellung der Krankheitsverlaufskurve allumfassender und kann sich von dem Krankheitsverlauf unterscheiden, weil bei der Bestimmung der einzelnen Phasen 18 der Krankheitsverlaufskurve die Emotionen und Gefühle der Betroffenen und das Wirken der Beteiligten ausschlaggebend sind. Es zählen hierbei nicht nur das Stadium und die Ausprägung der Krankheit. In die Krankheitsverlaufskurve wird die Organisation der einzelnen Arbeitslinien, als auch die Belastung der Krankheit mit einbezogen. Inkludiert sind auch alle beteiligten Personen, wie zum Beispiel Health Professionals, als auch Freunde, Familie, Partner und der Betroffene selbst. Ihr aktives Handeln und die daraus resultieren Ergebnisse sind ausschlaggebend für die Bestimmung der einzelnen Phase. Somit wird die Interferenz der einzelnen Arbeitslinien chronisch Kranker dargestellt. Die Gefühle und Emotionen der Betroffenen spielen in der Krankheitsverlaufskurve eine große Rolle. Je nach Phase kann Angst, Unsicherheit, aber auch Freude oder Resignation vorherrschen (vgl. Corbin & Strauss 2010). Das Auftreten erster Symptome ist der Beginn der chronischen Krankheit und die Suche nach einer Diagnose ist bereits Arbeit. Allerdings beginnt die Krankheitsverlaufskurve erst, wenn eine Diagnose gestellt wurde und die Reaktion des Körpers auf die Krankheit abgeschätzt werden kann. Erst dann kann ein Kurs, ein möglicher Werdegang genannt werden (vgl. Corbin & Strauss 2010). Zuerst wird vom behandelnden Arzt ein Verlaufskurvenentwurf entwickelt. Wie zutreffend dieser auf den tatsächlichen Verlauf ist, ist von dem Stadium und der Art der Krankheit, der allgemeinen Verfassung des Patienten, dem Talent des Arztes, sowie dem Informationsspektrum über die Krankheit abhängig. Anhand des Verlaufskurvenentwurfes kann der Arzt nun einen Handlungsplan bzw. einen Verlaufskurvenplan gestalten. „Dieser Plan verfolgt das Ziel, die Symptome zu bewältigen und den Verlauf der Krankheit zu kontrollieren“ (Corbin & Strauss 2010, 49). Die Realisierung dieser Ziele ist von mehreren Umständen abhängig. Der Handlungsplan muss für den Patienten umsetzbar sein, des Weiteren muss er auf die allgemeine Verfassung des Betroffenen zugeschnitten sein. Auch ist es wichtig, dass die Diagnose eindeutig, klar und richtig ist. Ferner muss die Behandlung anschlagen und wirkungsvoll sein. Die Krankheit an sich determiniert ebenfalls den Erfolg oder Misserfolg bei der Erreichung der Ziele des Verlaufskurvenplans. Die Art der Krankheit, die Symptome, die Progressivität und die krankheitsbezogene Mortalität sind zu berücksichtigen. Abschließend muss entschieden werden, wo die Behandlung und Versorgung des chronisch Kranken stattfinden soll. Bei der Wahl zwischen dem eigenen Zuhause oder einer Einrichtung ist zu bedenken, dass viele 19 Kliniken nur auf kurzzeitige Pflege ausgerichtet sind (vgl. Corbin & Strauss 2010). Es gibt verschiedenste Schwierigkeiten und Besonderheiten bei dem Entwurf eines Verlaufskurvenplanes für chronisch Kranke. Zum einen ist es sehr schwer, den Verlauf und die Entwicklung chronischer Krankheiten voraus zu sehen. Immer wieder können Schübe, Krisen und ungeplante Reaktionen des Körpers auftreten. So wird dann „die Sekundärprävention (…) eher ein Glücksspiel als professionell planbar“ (Corbin & Strauss 2010, 49-50). Eine weitere Schwierigkeit ist die Multimorbidität vieler chronisch Kranker. Verschiedene Behandlungspläne, Medikamente und deren Wechselwirkungen müssen berücksichtigt werden. Chronische Krankheiten haben viele alltagsbelastende Aspekte. Bei der Erstellung eines Verlaufskurvenplanes soll beachtet werden, dass die angestrebten Behandlungen den Betroffenen nicht noch zusätzlich belasten. Außerdem müssen die Maßnahmen finanziell, organisatorisch und zeitlich umsetzbar sein. Trotz des medizinischen Fortschritts gibt es nicht für jede Krankheit die passende Therapie und auch nicht jede Therapie wirkt bei jedem gleich gut. Hinzukommt, dass nicht jeder Patient bereit ist, alle vorgeschlagenen Behandlungen durchführen zu lassen. Bei der Erstellung eines Handlungsplanes muss der Arzt diese Faktoren berücksichtigen. Da hier auch die Gefahr der Non-Compliance groß ist, könnte eventuell das Erreichen des Ziels des Verlaufskurvenplans gefährdet sein. „Darüber hinaus sind chronische Krankheiten teuer“ (Corbin & Strauss 2010, 50). Hier muss also vom behandelnden Arzt auch ganz genau das Kosten-NutzenVerhältnis abgewogen werden, bevor man sich für oder gegen eine Behandlung entscheidet. Der Arzt legt fest, wann und wie er seinen Verlaufskurvenplan dem Betroffenen vorstellt und muss ihn ständig in den verschiedenen Phasen der Krankheitsverlaufskurve prüfen und eventuell anpassen (vgl. Corbin & Strauss 2010). Bevor ein Verlaufskurvenplan aufgenommen und angegangen werden kann, muss er gestaltet werden. Hierbei können der Verlaufskurvenentwurf des Arztes und der des Betroffenen stark auseinander gehen. Der Unterschied lässt sich mit den divergenten Sichtweisen erklären. Der Arzt erstellt seinen Entwurf aus einer weitgehend medizinischen Sicht, wohingegen der Patient auch an sein Privatleben, seinen Partner und an seine Zukunft denkt. Der Arzt und der Partner des chronisch Kranken können die Erstellung des Verlaufskurvenentwurfes des Betroffenen aktiv mitgestalten. Durch Geben oder Zurückhalten von Informationen über die Krankheit 20 oder den eigenen Entwurf, bildet sich der chronisch Kranke eine Meinung über den Entwurf und kann ihn dementsprechend ablehnen oder annehmen. Selbst wenn ein Verlaufskurvenplan erstellt ist, auf den sich der Arzt und der Patient geeinigt haben, „können Paare die vom Arzt vorgeschlagenen Pläne ergänzen, modifizieren oder verändern, damit sie besser zu ihren eigenen kulturellen und religiösen Überzeugungen passen“ (Corbin & Strauss 2010, 56). 4.3. Die Formen und Phasen der Krankheitsverlaufskurve Krankheitsverlaufskurven sind variabel. In ihrer Form an sich sind sie von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aber auch in ihrer Dauer und in der aufzubringenden Arbeit können sie variieren. Die hierfür zu nennenden Gründe sind die Art der Krankheit und die daraus resultierenden Folgen für den Patienten, die entscheidend sind, aber auch die erstellten Handlungspläne und deren Umsetzung lassen die Variabilität erklären. Krankheitsverlaufskurven lassen sich in verschiedenste Phasen aufgliedern. Diese Unterteilung ist nicht nur für die Analyse hilfreich, sondern auch für die Bestimmung vielfältiger Arbeitstypen, die aus den einzelnen Phasen resultieren. „Grundsätzlich entsprechen die Phasen einer Verlaufskurve dem physischen und physiologischen Stand der Krankheit“ (Corbin & Strauss 2010, 57). Allerdings kann eine deutliche Diskrepanz zwischen physischer und psychischer/emotionaler Verfassung herrschen. Diese Diskrepanz kann sich sowohl in einem guten physischen und zugleich einem schlechteren psychischen Zustand äußern, als auch andersrum. Weiter kann es vorkommen, dass keine ganzheitliche Genesung stattfindet, sondern nur eine psychische oder nur eine physische. Ferner kann ein Patient auch mehrere Krankheitsverlaufskurven gleichzeitig durchleben, z.B. durch Multimorbidität, die aber nicht miteinander verbunden sein müssen. Es gibt akute Phasen, Normalisierungsphasen, Verschlechterungs-, sowie Sterbephasen, instabile Phasen und Phasen der Stabilität (vgl. Corbin & Strauss 2010). In einer akuten Phase äußert sich die Krankheit so massiv psychisch oder physisch, dass der chronisch Kranke unverzüglich stationär oder ambulant behandelt werden muss. Das Ziel dieser Phase ist es den Tod bzw. eine weitere Verschlechterung zu verhindern und eine Besserung bzw. 21 Stabilisierung herzustellen. In der akuten Phase tritt die biografische Arbeit des Betroffenen in den Hintergrund (vgl. Corbin & Strauss 2010). Auf eine akute Phase folgt eine Normalisierungsphase. In diesem Abschnitt erholen sich Körper und Psyche. Es ist eine Phase der Regeneration, in der physische und psychische Funktionen soweit wie möglich wieder hergestellt werden. Die biografische Arbeit in dieser Phase bezieht sich auf die Akzeptanz der Krankheit und die eventuellen Einschränkungen, sowie auf ein Hoffen auf vollständige Genesung (vgl. Corbin & Strauss 2010). In der Verschlechterungs- bzw. Sterbephase kommt es zu einer langsamen oder schnellen Verschlechterung des psychischen und physischen Zustandes, bis hin zum Tod. Der Abwärtsentwicklung wird die hauptsächliche Aufmerksamkeit gewidmet, die Zukunft ist immer ungewiss. Chronisch Kranke setzen sich in der biografischen Arbeit vielschichtig mit dem Tod auseinander und eventuellen Möglichkeiten des Hinauszögerns (vgl. Corbin & Strauss 2010). Herrscht ein Kontrollverlust über die Krankheit vor, befindet sich der Betroffene in einer instabilen Phase. Das Ziel dieser Phase ist es, die Ursachen für die Instabilität zu finden und Stabilität, wenn möglich, herzustellen. Die biografische Arbeit des Betroffenen ist in der instabilen Phase, sich Fragen nach den Gründen der Instabilität zu stellen und zu hoffen, dass bald wieder eine Kontrolle über die Krankheit erreicht wird (vgl. Corbin & Strauss 2010). In einer stabilen Phase herrscht eine völlige Kontrolle über die Krankheit vor. Weder positive noch negative körperliche oder psychische Veränderungen sind erkennbar. „Die Bewältigung zielt darauf ab, diese Stabilität zu erhalten, und abgesehen von kleineren Komplikationen ist sie gewöhnlich Routinesache“ (Corbin & Strauss 2010, 57). Biografisch arbeiten die chronisch Kranken daran, die Gründe für die Stabilität zu finden und zu sichern. Des Weiteren herrscht der Wunsch, dass diese Phase ewig anhält (vgl. Corbin & Strauss 2010). 22 5. Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderungsmaßnahmen Chronische Erkrankungen können nicht geheilt werden. Aufgrund dessen sind kurative Maßnahmen eher ungeeignet. „Sie verlangen eine erheblich stärkere Verankerung von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung im Versorgungssystem“ (Hurrelmann et al. 2009, 16). Gesundheitsförderung sieht eine Förderung der gesunden Ressourcen eines jeden Individuums vor. Auch chronisch kranke Menschen haben gesunde Anteile und Verhaltensweisen (vgl. Antonovsky 1985). Aufgrund dessen ist Gesundheitsförderung bei chronisch Kranken immens wichtig, um diese gesunden Aspekte zu fördern und sie so gesund wie möglich, zu erhalten. Prävention hingegen versucht krankheitsfördernde oder krankheitsverursachende Aspekte zu verdrängen. Die Abwehr krankheitsfördernder Faktoren eignet sich für chronisch kranke Menschen (vgl. Schüz & Möller 2006). 5.1. Gesundheitsförderung und Prävention Den Ursprung hat der Begriff der Gesundheitsförderung in der Salutogenese. Entwickelt wurde das Konzept der Salutogenese zwischen 1970 und 1980 von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky. Er generierte die Fragestellung, was Menschen gesund macht bzw. gesund hält, auch unter nicht optimalen Lebensbedingungen. Antonovsky schuf somit den Begriff Salutogenese als Gegenüberstellung zur Pathogenese, welche fragt, was einen Menschen krank macht. „Die Entdeckung, dass es eine positive Kraft zur Stärkung von Gesundheit gibt, hat die Prävention theoretisch revolutioniert und den Begriff der Gesundheitsförderung geprägt“ (Stöckel 2009, 26). Am 21.11.1986 wurde auf der ersten Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung die sogenannte Ottawa Charta verabschiedet. In dieser Charta wird der Begriff Gesundheitsförderung erstmalig definiert. Gesundheitsförderung hat demnach das Ziel ein ganzheitliches Wohlbefinden zu schaffen, sowie eine entsprechende Lebensweise zu fördern, die es den Menschen ermöglicht selbstbestimmend ihre Gesundheit zu stärken. Gesundheit wird hier definiert als „ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden“ (WHO 1986, 1). Somit ist der Begriff Gesundheit in den Alltag integrierbar und nicht als starres Ziel anzusehen, sondern als eine individuelle Ressource. Durch die Förderung dieser Ressourcen werden alle Menschen befähigt, sich selbst so gesund wie möglich zu erhalten und den Umgang mit Behinderung und 23 chronischen Krankheiten konstituierende Momente zu von meistern. „Grundlegende Gesundheit sind Bedingungen Frieden, und angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Öko-System, eine sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit“ (WHO 1986, 1). Diese Einflussfaktoren auf die individuelle Gesundheit eines jeden Menschen können entweder positiv oder auch negativ auswirkend sein, je nach deren Ausprägung. Zur Erreichung des Ziels von Gesundheitsförderung, allen Menschen Voraussetzungen zu schaffen, damit sie so gesund wie möglich sein können, müssen Sektoren kooperieren und vernetz werden. Hierzu wird in 5 Handlungsfelder untergliedert. Die Gesamtpolitik muss gesundheitsfördernd werden, Gesetze und Steuern müssen überdacht werden. Ferner soll eine gesundheitsfördernde Umwelt geschaffen werden. Auch gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen, innerhalb von Gemeinden bilden eine Grundlage zur Autonomie bei der Förderung von Gesundheit. Durch die Förderung individueller Kompetenzen in Bezug auf Gesundheit, Bildung, Krankheit und sozialen Fertigkeiten werden die Menschen befähigt sich selbst bestmöglich gesund zu halten. Die Neuorganisation von Gesundheitsdiensten hin zu gesundheitsfördernden Einrichtungen bildet den letzten Handlungsbereich, um Gesundheit für Alle verwirklichen zu können. (vgl. WHO 1986). Laut Hurrelmann et al. „geht es bei der Gesundheitsförderung um eine Promotionsstrategie, bei der Menschen durch die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Stärkung der gesundheitlichen Entfaltungsmöglichkeiten erfahren sollen“ (Hurrelmann et al. 2009, 11). Hierzu wird in 5 Schutzfaktoren unterteilt, welche gefördert werden sollen, um eine Verbesserung der Gesundheit zu erzielen. Wirtschaftliche und soziale Faktoren umfassen den Arbeitsplatz sowie die Lebenslage aus sozialer Sicht. Eine Förderung der Umweltfaktoren zielt auf die Verbesserung der Wohnsituation sowie auf die erhöhte Qualität von Wasser- und Luftwerten ab, bezieht aber auch soziale Umweltfaktoren, wie die Nachbarschaft mit ein. Lebensstilfaktoren inkludieren Ernährung, Entspannung, Bewegung und ein möglichst drogenfreies Leben. Eine Förderung von psychologischen Faktoren ist eine Förderung von Selbstschutzmechanismen und Eigenverantwortlichkeit. Als letzter Schutzfaktor ist der Zugang zu Leistungen im Gesundheits-, Pflege-, Beratungs-, Rehabilitations- Bildungs- sowie auch Freizeitbereich zu nennen. Die Förderung dieser 5 Ressourcen wird als Voraussetzung angesehen, um eine 24 Lebenslage zu schaffen, in welcher Gesundheit verbessert werden kann. (vgl. Hurrelmann et al. 2009). Die Gesundheitsförderung und die Prävention haben ein Ziel, jedoch wird dieses bei den beiden Interventionen mit unterschiedlichen Ansätzen zu erreichen versucht. „Gemeinsames Ziel beider Interventionsformen ist, einen sowohl individuellen als auch kollektiven Gesundheitsgewinn zu erzielen: Einmal durch das Zurückdrängen von Risiken für Krankheiten, zum anderen durch die Förderung von gesundheitlichen Ressourcen“ (Hurrelmann et al. 2009, 12). Der Begriff Prävention hat seinen Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts, ausgehend von der Entdeckung von Hygienezuständen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. „`Prävention` (…) wurde im 20. Jahrhundert mehr und mehr zu einem Begriff der Abwehr gesundheitlicher Gefahren“ (Stöckel 2009, 24). Prävention lässt sich als zielgruppenspezifische Intervention definieren, mit dem Ziel Krankheiten zu verhindern oder zu verbessern. Die Maßnahmen der Prävention sind stets an bestimmte Gruppen der Population gerichtet, zum Beispiel an Altersgruppen oder Menschen mit einem ähnlichen Risiko an einer Krankheit zu leiden. Daher muss vor Einführung einer Präventionsmaßnahme epidemiologisch ermittelt werden, welche Krankheit durch welche Risikofaktoren begünstigt wird oder welche Altersgruppe einem signifikanten Risiko ausgesetzt ist, zu erkranken. Unterschieden wird hierbei in Verhaltens- und Verhältnisprävention. Verhaltensprävention zielt darauf ab das Verhalten von Menschen zu ändern, indem gesundheitsschädigendes Verhalten unterlassen werden soll. So wird bei dieser Präventionsform versucht, „bei Individuen Verhaltensänderungen zu erreichen, um sie z. B. dazu zu bringen, mit dem Rauchen aufzuhören, um einer Krebserkrankung vorzubeugen“ (Schüz & Möller 2006, 144). Verhältnisprävention hingegen versucht krankheitsauslösende Faktoren in der Umwelt und dem Umfeld von Individuen zu vermeiden (vgl. Schüz & Möller 2006). 1964 wird erstmalig durch Gerald Caplan die Unterteilung in Primär-, Sekundärund Tertiärprävention vorgenommen. Primäre Prävention richtet sich an gesunde Menschen, die Risikofaktoren ausgesetzt sind, welche zu Erkrankungen führen können. Das Ziel dieser Prävention ist es Neuerkrankungen zu vermeiden. Sekundäre Prävention soll eine Manifestation und Progression von Krankheiten 25 verhindern und bezieht sich somit auf Menschen mit Erkrankungen in Frühstadien. Tertiäre Prävention hingegen zielt darauf ab Rezidive zu vermeiden und Schäden bei Menschen mit bereits manifestierter Erkrankung zu mindern (vgl. Caplan 1964). Die tertiäre Prävention richtet sich an Menschen mit manifestierten Erkrankungen, somit also auch an chronisch Kranke. Diese Form der Prävention umfasst die Rehabilitation. Die primäre und sekundäre Form der Prävention sind weniger geeignet für chronisch Kranke (vgl. Schüz & Möller 2006). Risikofaktoren lassen sich als Dispositionen definieren, „die nach heutigen Erkenntnissen im weiteren Zeitverlauf zu einer Krankheit führen können“ (Hurrelmann et al. 2009, 13). Untergliedert werden Risikofaktoren in Umweltdispositionen, Verhaltensdispositionen und in Dispositionen genetischen, physischen sowie psychischen Ursprungs. Zu Umweltdispositionen zählen zu hohe Ozon- oder Strahlenbelastung. Nikotin und wenig sportliche Betätigung sind verhaltensbezogene Dispositionen Dispositionen. können eine Genetische, genetische psychische Prädisposition und sowie physische psychische Belastungszustände sein (vgl. Hurrelmann et al. 2009). 5.2. Vorhandene zielgruppenspezifische Angebote Gemäß § 43 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen. Demnach werden im folgenden Abschnitt Krankenkassen-Patientenschulungsmaßnahmen dargestellt. Aus Gründen der Generalisierbarkeit werden alle Maßnahmen von einer Krankenkasse aufgeführt. Bei einer Stichprobe von 7 Krankenkassen wird exemplarisch an der Techniker Krankenkasse ein Maßnahmenkatalog vorgestellt. Dieser Maßnahmenkatalog legt fest, wie eine Maßnahme gestaltet sein muss, damit sie von gesetzlichen Krankenkassen, in diesem Fall der Techniker Krankenkasse, bezuschusst wird. Von der Einhaltung der Konditionen bei der Ausführung der Maßnahmen wird ausgegangen. Im Rahmen dieser Arbeit können nur die Voraussetzungen für Schulungen aufgeführt werden und die Ansprüche der gesetzlichen Krankenversicherung an diese erläutert werden. Eine Darstellung und kritische Betrachtung aller angebotenen gesundheitsfördernden Maßnahmen würde über die Spannweite dieser Arbeit hinausgehen. Hier sind die Grenzen dieser Arbeit erreicht. 26 5.2.1. Diabetes mellitus Typ 1 Für Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 wird von den Krankenkassen eine persönliche Ernährungsberatung empfohlen (vgl. Techniker Krankenkasse 2005). Diese Maßnahme richtet sich an Menschen mit chronischen Krankheiten, welche durch eine Umstellung der Ernährung profitieren würden, sowie an diejenigen Erkrankten, bei denen die Krankheit eine fehlerhafte Ernährung ganz oder zum Teil zur Ursache hat. Diese Beschreibung trifft auf Osteoporose, Allergien, bösartige Neubildungen, Erkrankungen der Haut, Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, Erkrankungen der Verdauungsorgane und Diabetes mellitus zu. Die Ziele der persönlichen Ernährungsberatung sind eine Vermittlung von Wissen über die Entstehung der Krankheit, eine Anleitung zur Reduktion der Medikamente, sowie Strategien zur Vermeidung von Beschwerden. Weitere Ziele sind es, die Teilnehmer dazu zu befähigen, ein gesünderes Essverhalten zu erlangen, auch eine langfristige Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes wird angestrebt. In Einzelberatungen oder in Gruppenberatungen mit bis zu fünf Erkrankten werden Anleitungen gegeben, wie die Ernährungsumstellung erfolgen kann und Risiken erkannt und vermieden werden können. Die persönliche Ernährungsberatung wird entweder von einem Diplom-Ökotrophologen, einem Diätassistenten, einem ernährungsmedizinischen Berater oder von einem Ernährungsmediziner geleitet. Der erste Schulungstermin ist in etwa eine Stunde lang, folgende Termine umfassen mindestens dreißig Minuten. Die Erstattung der Kosten für die Ernährungsberatung kann nur erfolgen, wenn sie ärztlich verordnet wurde. Anschließend muss diese Überweisung von der Krankenkasse geprüft und bestätigt werden. Nach erfolgreicher Prüfung übernimmt die Techniker Krankenkasse bei chronisch kranken Kindern bis zum 18. Lebensjahr alle Kosten der Ernährungsberatung bis maximal 45 Euro für die erste Beratung und bis zu 35 Euro für folgende Schulungstermine. Insgesamt werden fünf Schulungssitzungen erstattet, durch Vorlage des originalen Beleges und der Bestätigung der Teilnahme. Ein Jahr nach der ersten persönlichen Ernährungsberatung und durch eine erneute ärztliche Überweisung kann eine Wiederholung der Schulungsmaßnahme stattfinden. Diese Auffrischung der ersten Beratung wird ebenfalls von der Techniker Krankenkasse erstattet (vgl. Techniker Krankenkasse 2005). 27 5.2.2. Neurodermitis Für Kinder und Jugendliche mit atopischer Dermatitis respektive Neurodermitis werden Neurodermitisschulungen für Kinder und Jugendliche angeboten (vgl. Techniker Krankenkasse 2003a). Diese Schulungen sind speziell für Kinder bis zum 18. Lebensjahr mit atopischen Ekzemen konzipiert. Bei jüngeren Kindern können auch zusätzlich die Eltern an der Schulung teilnehmen, je nach Alter der Kinder werden die Eltern an der Schulung beteiligt. Zielsetzung der Schulungen sollen eine Minderung der Krankheitsschübe, eine bessere Akzeptanz der Krankheit, sowie eine generelle und andauernde Steigerung des Hautzustandes sein. Den Kindern und Jugendlichen wird während den Schulungen vermittelt, wie sie ihre Haut am besten behandeln und pflegen, sowie welche Ernährung für ihre Erkrankung geeignet ist. Des Weiteren wird Wissen vermittelt über auslösende Faktoren für erneute Krankheitsschübe und Strategien der Vermeidung dieser Faktoren werden dargestellt. „Darüber hinaus lernen die Kinder und gegebenenfalls deren Eltern Verhaltensweisen zum richtigen Umgang mit der Krankheit und Strategien gegen den Juckreiz“ (Techniker Krankenkasse 2003a, 1). In praktischen Übungen wird den Kindern und Jugendlichen in Gruppen mit bis zu acht möglichst Gleichaltrigen, die adäquate Hautbehandlung aufgezeigt. Ein Team, bestehend aus Kinder- oder Hautarzt, Ernährungsberater, Psychologe oder Arzt mit verhaltenstherapeutischer Ausbildung und eventuell einer Pflegekraft, leitet die Schulung. Eine Einheit der Neurodermitisschulung umfasst maximal eine Stunde. Die Techniker Krankenkasse übernimmt die Erstattung der Kosten für die Neurodermitisschulung nur, wenn sie ärztlich verordnet wurde. Anknüpfend wird die Überweisung von der Krankenkasse geprüft und muss dann bestätigt werden. Nach erfolgreicher Prüfung übernimmt die Techniker Krankenkasse bei chronisch kranken Kindern mit atopischer Dermatitis bis zum 18. Lebensjahr alle Kosten der Neurodermitisschulung. Maximal 400 Euro werden für die Kinder- und Jugendschulung sowie für die Elternschulung und bis zu 600 Euro für die Schulung mit Eltern und Kinder erstattet. Durch Vorlage der originalen Rechnung und der Bestätigung über die Teilnahme, übernimmt die Techniker Krankenkasse maximal 12 Schulungssitzungen. Durch eine ärztliche Überweisung, frühestens drei Jahre nach der ersten Schulungsmaßnahme Neurodermitisschulung stattfinden, welche kann eine ebenfalls Wiederholung von der Techniker Krankenkasse erstattet werden kann (vgl. Techniker Krankenkasse 2003a). 28 der 5.2.3. Asthma bronchiale Für Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 18 Jahren werden Asthmaschulungen für Kinder und Jugendliche angeboten, in welche die Eltern, bei Bedarf, integriert werden können (vgl. Techniker Krankenkasse 2003b). Die Reduktion von Schulund Arbeitsfehlzeiten, sowie ein selbstständigerer Umgang mit der chronischen Krankheit und eine Verminderung der Anzahl von Asthmaanfällen sind die Ziele dieser Schulung. In kleinen Gruppen mit bis zu sieben Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale werden Vermeidungsstrategien vermittelt, um adäquat auf einen beginnen Asthmaanfall reagieren zu können und ihn bestmöglich zu vermeiden. In praktischen Übungen werden außerdem Techniken von Entspannungs- und Atemübungen gelehrt. „Außerdem gibt es Informationen über die Krankheitsauslöser und darüber, wie die wichtigsten Asthmamedikamente anzuwenden sind“ (Techniker Krankenkasse 2003b, 1). Die Asthmaschulungen für Kinder und Jugendliche werden von einem Team, bestehend aus einem Pneumologen, Internisten oder Kinderarzt, einem Pädagogen oder Psychologen und einem Physio- oder Sporttherapeuten geleitet und durchgeführt. Eine Einheit der Schulung dauert in etwa 4 bis 5 Stunden. Die Techniker Krankenkasse kann die Kosten für die Asthmaschulung rückerstatten, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt. Diese Überweisung wird von der Techniker Krankenkasse geprüft und bestätigt. Die Krankenkasse erstattet bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale vor dem 18. Lebensjahr alle Kosten von bis zu vier Behandlungseinheiten der Asthmaschulung an die Eltern zurück. Die Rechnung und die Bestätigung über die Teilnahme muss vorgelegt werden, damit maximal 475 Euro erstattet werden können. Auch eine Nachschulungsmaßnahme, ein halbes Jahr nach der ersten Schulung, mit bis zu sechs Stunden, werden bis 100 Euro erstattet. Frühestens drei Jahre nach der ersten Asthmaschulung, beziehungsweise 2,5 Jahre nach der Nachschulung, kann eine Wiederholung der Maßnahme stattfinden. Durch Vorlage einer ärztlichen Verordnung wird diese Wiederholungsschulung ebenfalls von der Techniker Krankenkasse erstattet (vgl. Techniker Krankenkasse 2003b). 29 5.3. Qualitätskriterien von Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen Unter § 43 Abs. 2 SGB V Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sind Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke aufgeführt. Rehabilitationsmaßnahmen lassen sich der Tertiärprävention zuordnen (vgl. Schüz & Möller 2006). Die vorrangig aufgeführten Maßnahmenkataloge für Schulungen chronisch kranker Kinder beschreiben demnach präventive Maßnahmen, obgleich sie auch gesundheitsfördernde Aspekte enthalten. Im Folgenden wird „quintessenz“ vorgestellt, ein Instrument zur Bewertung von Qualität in Gesundheitsförderung und Prävention, wobei jedoch ein größerer Fokus auf die Gesundheitsförderung gelegt wird (vgl. Ackermann & Studer 2006). Interventionen der Prävention und Gesundheitsförderung haben das gleiche Ziel. In der Gesundheitsförderung wird mit salutogenetischem Ansatz gesunde Ressourcen eines jeden Menschen zu stärken versucht, in der Prävention werden pathogene Risikofaktoren zu verdrängen versucht. Beide wollen Gesundheit erzielen. „Die beiden Interventionsformen müssen deshalb als sich ergänzend verstanden werden (…) Eine scharfe Abgrenzung (…) von einander ist nicht hilfreich“ (Hurrelmann et al. 2009, 14). Auch laut Faltermaier kann besonders im Hinblick auf chronisch Kranke eine klare Grenze zwischen den beiden Termini nicht angemessen sein. „Ich halte es daher für sinnvoller, den Begriff der Gesundheitsförderung nicht so eng zu führen, dass damit nur Ressourcen thematisiert werden können, sie sollte auch Risiken und den Umgang damit einschließen“ (Faltermaier 2005, 300). Aufgrund des großen Zusammenhanges zwischen Gesundheitsförderung und Prävention wurde das Instrument „quintessenz“ zur Auswertung des eher präventiven Maßnahmenkataloges gewählt. Das Qualitätssystem „quint-essenz“ ist ein Instrument zur Qualitätsbewertung von gesundheitsfördernden und präventiven Interventionen. Nach etwa zehn jähriger Arbeit von Fachpersonen wurde im Jahr 2000 die erste Online-Version von „quintessenz“ vorgestellt. Seit 2001 liegt die Trägerschaft für „quint-essenz“ bei der Gesundheitsförderung Schweiz (vgl. Gesundheitsförderung Schweiz 2012). Das Modell ist in sechs Bereiche untergliedert. Diese Bereiche sind 1. Gesundheitsförderung, 2. Projektbegründung, 3. Projektplanung, 4. Projektorganisation, 5. Projektsteuerung und 6. Wirkungen. Diese sechs Bereiche 30 sind wiederum in 23 Qualitätskriterien aufgesplittet. Die vier Qualitätskriterien zu Gesundheitsförderung sind gesundheitliche Chancengleichheit, Empowerment worunter auch eine Ressourcenorientierung verstanden wird, Settingansatz in der Intervention und Partizipation, also die Einbeziehung der einzelnen Setting-Akteure. Die Projektbegründung ist aufgegliedert in Bedarf des Projektes, Bedürfnisse und ihre Berücksichtigung der einzelnen Zielgruppen, Einbettung der Intervention in Strategien, Rahmenbedingungen des Projektes und Lernen aus anderen vorherigen Interventionen. Unter Projektplanung wird Zielsetzung, Etappierung und Vorgehensweise der Intervention, sowie ihre Begründung und Ressourcensicherung aufgelistet. Zu der Projektorganisation zählen eine zielgruppengerechte Projektstruktur, Qualifikationen der Leitung und Vernetzung mit anderen Akteuren. Die Projektsteuerung umfasst die Bereiche Controlling, Evaluation und Dokumentation der Interventionen, Kommunikation zwischen den einzelnen Beteiligten und Motivation der Leitung des Projekts. Im sechsten Bereich Wirkungen, sind als Qualitätskriterien Zielerreichung und Nachhaltigkeit des Projekts, außerdem auch Valorisierung, also die Aufbereitung und Verbreitung der Interventionsergebnisse zu nennen (vgl. Gesundheitsförderung Schweiz 2012). Anhand von „quint-essenz“ lässt sich zu jeder Phase eine Bewertung einer Intervention vornehmen. Hierbei wird für jede, respektive für alle sich Eignenden der 23 Qualitätskriterien eine Bewertung abgegeben. Die Bewertungsskala umfasst die Einstufungen (++), (+), als positive oder sehr positive Bewertung, (-) und (--) als ausbaufähige oder negative Bewertung. Wichtig ist die Begründung der Einstufung. Nur so lässt sich nachvollziehen, warum eine Intervention Schwächen oder Stärken aufweist. Nach Abschluss der Bewertung kann darauf aufbauend das Projekt überdacht und gegeben falls neu konzipiert werden. Ziel des Instrumentes „quintessenz“ ist es, die Qualität von Interventionen in Gesundheitsförderung und Präventionen zu heben. Demnach darf das Augenmerk nicht nur auf den Schwächen liegen, auch Stärken können weiter ausgebaut werden, um ein so qualitativ hochwertiges Projekt, wie möglich zu erhalten (vgl. Ackermann & Studer 2006). 31 6. Ergebnisdarstellung der Schulungsmaßnahmen Vor dem Hintergrund der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss werden nun die einzelnen Maßnahmenkataloge der Techniker Krankenkasse nach dem Qualitätssystem „quint-essenz“ bewertet. Die Maßnahmenkataloge der Techniker Krankenkasse sind die Gestaltungs-Voraussetzungen an Schulungen, damit diese bezuschusst werden. Eine Darstellung und Bewertung aller vorhandenen konkreten Maßnahmen würde weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Daraus resultiert, dass nicht alle 23 Qualitätskriterien angewendet werden können, da hier die Maßnahmenkataloge Grenzen aufweisen. So wurden zum Beispiel OutcomeParameter und Evaluationen nicht öffentlich zugänglich gemacht. 6.1. Diabetes mellitus Typ 1 Für Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 wird von der Krankenkasse eine persönliche Ernährungsberatung angeboten. Diese wird nun unter der Berücksichtigung der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss nach dem Qualitätssystem „quint-essenz“ bewertet. Gesundheitsförderung, Hierbei 2. wird nach den Projektbegründung, 3. sechs Bereichen Projektplanung, 1. 4. Projektorganisation, 5. Projektsteuerung und 6. Wirkungen beurteilt. 1. Gesundheitsförderung: Die gesundheitliche Chancengleichheit lässt sich aus Public Health-Perspektive mit einem (-) bewerten. Die Chancengleichheit wird dadurch gesichert, dass 100% der Kosten für die Maßnahme durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden. Somit hat jedes versicherte Kind, egal welchem sozialen Status es angehört, finanziell die Möglichkeit diese Schulung zu besuchen, allerdings muss ein geeigneter Anbieter von den Eltern selbst gefunden werden. Partizipation und Empowerment lassen sich mit einem (+) bewerten. Die Ernährungsweise wird gemeinsam mit dem Leiter umstrukturiert und Strategien werden erarbeitet, damit sich die Kinder langfristig besser ernähren. Der Settingansatz ist in dem Maßnahmenkatalog nicht dargestellt, die Verhältnisprävention wird in der Ernährungsberatung nicht bedient (--). 2. Projektbegründung: In dem Maßnahmenkatalog der Techniker Krankenkasse finden sich keinerlei Angaben zum Bedarf des Projektes, zur Einbettung des Projektes in übergeordnete Strukturen, 32 zu politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Schulung, zu den Bedürfnissen der Zielgruppe, sowie über den Aspekt des Lernens aus anderen Schulungen. Darüber hinaus gibt es keine einheitliche Zielgruppe, respektive die Schulung ist nicht speziell für die Zielgruppe Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 konzipiert (--). 3. Projektplanung: Die Ziele der Schulung sind allgemein gehalten, nämlich gesündere Ernährung und Verbesserung der Gesundheit. In Bezug auf die Zielgruppe lässt sich hier eine negative Bewertung vornehmen (--), da Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 spezielle Ernährungsregeln beachten müssen, die laut Maßnahmenkatalog nicht thematisiert werden. Eine Darstellung und Begründung der Vorgehensweise, Etappierung und Ressourcensicherung liegt nicht vor. 4. Projektorganisation: Es werden keine Angaben zur Vernetzung der Schulung gemacht. Die Qualifikation der Akteure lässt sich mit einem (--) bewerten, da keiner der Akteure auf Kinder und/oder auf Diabetes spezialisiert ist. Auch die Projektstruktur kann mit einem (–) bewertet werden. Welche Akteure beteiligt sind ist zwar klar dargestellt, dennoch werden die Aufgaben der einzelnen Beteiligten nicht klar definiert und geregelt. 5. Projektsteuerung: Zu den Qualitätskriterien Controlling, Evaluation, Dokumentation und Kommunikation der Schulung, sowie zur Motivation der Akteure liegen keine Angaben vor. 6. Wirkungen: Die Zielerreichung des Projekts und die Valorisierung der Ergebnisse werden im Maßnahmenkatalog nicht dargestellt. Die Nachhaltigkeit des Projektes kann mit einem (+) bewertet werden. Durch Wiederholungsmaßnahmen, im Abstand von einem Jahr, nach der ersten Schulung wird eine Nachhaltigkeit gesichert, jedoch ist diese nicht settingspezifisch (vgl. Techniker Krankenkasse 2005 & Gesundheitsförderung Schweiz 2012). Aus Public Health-Perspektive eignet sich die persönliche Ernährungsberatung für die stabile Phase der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss. In einer Phase der völligen Kontrolle der Krankheit kann eine Schulung über die richtige Ernährungsweise hilfreich sein und die Patienten festigen und stärken. Nicht geeignet ist die Maßnahme für akute, instabile, Normalisierungs- und Verschlechterungs- respektive Sterbephasen. In diesen Phasen der immensen Auswirkungen einer chronischen Krankheit, beziehungsweise der Regeneration von dieser, ist eine Behandlung durch Fachpersonen im Bereich Diabetes und durch Kinderärzte zwingend erforderlich. Die Schulung hingegen inkludiert keinerlei 33 notwendigen Fachpersonen, um Kinder in diesen Phasen adäquat zu unterstützen (vgl. Corbin & Strauss 2010). 6.2. Neurodermitis Für Kinder mit der chronischen Erkrankung Neurodermitis wird von der Techniker Krankenkasse eine Neurodermitisschulung für Kinder und Jugendliche angeboten. Unter Berücksichtigung der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss und nach dem Qualitätssystem „quint-essenz“ wird diese Maßnahme bewertet. Hierbei wird nach den sechs Bereichen 1. Gesundheitsförderung, 2. Projektbegründung, 3. Projektplanung, 4. Projektorganisation, 5. Projektsteuerung und 6. Wirkungen beurteilt. 1. Gesundheitsförderung: Mit einem (-) muss die gesundheitliche Chancengleichheit bewertet werden. Es werden zwar 100% der Kosten für die Maßnahme durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen, sodass jedes gesetzlich versicherte Kind, egal welchem sozialen Status es angehört, finanziell die Möglichkeit diese Schulung zu besuchen. Allerdings müssen die Eltern selbst einen geeigneten Anbieter finden, was den Zugang zu dieser Schulung erheblich erschwert. Der Settingansatz ist in dem Maßnahmenkatalog nicht dargestellt. Ferner wird die Verhältnisprävention nicht umgesetzt (--). Partizipation und Empowerment können sehr positiv (++) bewertet werden. Durch praktische Übungen der Hautpflege wird den kranken Kindern der richtige Umgang mit ihrer Erkrankung aufgezeigt und sie werden befähigt, die Pflege auch selbst durchzuführen. 2. Projektbegründung: Der Bedarf der Schulung und die Einbettung dieser in übergeordnete Strukturen, die politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Schulung werden nicht dargestellt. Auch der Aspekt des Lernens aus anderen Schulungen wird nicht erläutert. Die Bedürfnisse der Zielgruppe sind zwar nicht dokumentiert und aufgeführt, aber die Schulung bezieht sich explizit auf die Zielgruppe, nämlich Kinder und Jugendliche mit Neurodermitis. 3. Projektplanung: Im Maßnahmenkatalog werden keine Angaben zu der Begründung der Vorgehensweise, Etappierung und Ressourcensicherung gemacht. Die Zielsetzung des Projektes, die Akzeptanz der Krankheit, den Hautzustand und den Verlauf der Krankheit zu verbessern, sind wirkungs- und 34 veränderungsorientiert und exakt auf die Zielgruppe zugeschnitten. Somit lässt sich diese Qualitätskriterium als sehr positiv (++) bewerten. 4. Projektorganisation: Die Projektstruktur kann mit einem (++) bewertet werden. Welche Akteure beteiligt sind ist klar dargestellt und auch die Aufgaben der einzelnen Beteiligten lassen sich aus dem Maßnahmenkatalog entnehmen. Die Qualifikation kann als sehr positiv (++) bewertet werden, da die Schulung von einem multidisziplinären Team geleitet wird und die einzelnen Akteure zielgruppenspezifisch ausgewählt wurden. Die Vernetzung der Schulung wird nicht dargestellt. 5. Projektsteuerung: Die Qualitätskriterien Controlling, Evaluation, Dokumentation und Kommunikation der Schulung, sowie die Motivation der Akteure werden in dem Maßnahmenkatalog der Techniker Krankenkasse nicht thematisiert. 6. Wirkungen: Über die Valorisierung der Ergebnisse und die Zielerreichung des Projekts werden im Maßnahmenkatalog keine Angaben gemacht. Die Schulung für Kinder und Jugendliche mit Neurodermitis ist eine nachhaltige Schulung, da positive Veränderungen und Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen gefördert werden. Allerdings ist eine bezuschusste Wiederholungsmaßnahme erst nach drei Jahren möglich. Aufgrund dessen wird das Qualitätskriterium Nachhaltigkeit mit einem (+) bewertet (vgl. Techniker Krankenkasse 2003a & Gesundheitsförderung Schweiz 2012). Neurodermitisschulungen für Kinder und Jugendliche eigenen sich aufgrund der multidisziplinären, zielgruppenspezifischen Zusammensetzung der Akteure sowohl für Normalisierungsphasen, stabile Phasen, als auch für instabile Phasen. In instabilen Phasen hat der Betroffene die Kontrolle über die Krankheit verloren. Die vielfältigen Übungen und Maßnahmen der Schulung können den Kindern helfen die Kontrolle wieder herzustellen. In Normalisierungsphasen kann die Schulung die Regeneration von Körper und Psyche unterstützen. In stabilen Phasen der Krankheitsverlaufskurve können die Kinder weiter bestärkt und gefestigt werden. Verschlechterungs- und akute Phasen haben so gravierende Auswirkungen, dass hier eine Schulung nicht die richtige Wahl ist, sondern spezielle Hilfe und/oder stationäre Behandlung notwendig ist (vgl. Corbin & Strauss 2010). 35 6.3. Asthma bronchiale Von der Techniker Krankenkasse wird bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale eine Asthmaschulung für Kinder und Jugendliche empfohlen. Nach dem Qualitätssystem „quint-essenz“ wird diese Maßnahme im Folgenden bewertet Hierbei wird wieder nach den sechs Bereichen 1. Gesundheitsförderung, 2. Projektbegründung, 3. Projektplanung, 4. Projektorganisation, 5. Projektsteuerung und 6. Wirkungen beurteilt. Abschließend wird die Schulung in die Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss eingeordnet. 1. Gesundheitsförderung: Die gesundheitliche Chancengleichheit ist bei dieser Schulung ebenfalls negativ (-) zu bewerten. Es werden zwar 100% der Kosten für die Maßnahme von der gesetzliche Krankenversicherung zurückerstattet, sodass jedes gesetzlich versicherte Kind, egal welchem sozialen Status es angehört, finanziell die Möglichkeit hat diese Schulung zu besuchen. Allerdings wird die Suche nach einem geeigneten Anbieter den Eltern überlassen, was den Zugang zu dieser Schulung für die Kinder erschwert. Partizipation und Empowerment können als positiv (+) eingestuft werden. Atemübungen inkludieren die Kinder und weisen Ihnen Strategien auf, Asthmaanfälle selbstständig abzuwenden. Der Settingansatz ist in dem Maßnahmenkatalog nicht genau erwähnt, dennoch ist dieses Qualitätskriterium negativ (-) zu bewerten, da keine Verhältnisprävention stattfindet 2. Projektbegründung: Das Qualitätskriterium Bedürfnisse der Zielgruppe lässt sich positiv (+) bewerten, obgleich diese nicht dokumentiert und aufgeführt sind. Die Schulung ist aber exakt für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche mit Asthma bronchiale konzipiert. Das Qualitätskriterium Lernen aus anderen Schulungen wird nicht aufgeführt. Auch die politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Schulung, sowie der Bedarf der Schulung und die Einbettung dieser in übergeordnete Strukturen werden im Maßnahmenkatalog nicht erwähnt. 3. Projektplanung: Die Begründung der Vorgehensweise, die Etappierung und Ressourcensicherung der Schulung können nicht bewertet werden, da sie im Maßnahmenkatalog nicht genannt werden. Jedoch sind die Ziele der Schulungen klar formuliert. Selbstständigkeit mit der Krankheit, Vermeidung von Anfällen, Fehlzeiten in der Schule und Krankenhausaufenthalten sind überprüfbare, wirkungsorientierte und realistische Ziele für diese Zielgruppe. Demnach ist diese Qualitätskriterium als sehr positiv (++) zu bewerten. 36 4. Projektorganisation: Die Vernetzung der Schulung kann nicht bewertet werden, da es im Maßnahmenkatalog hierzu keine Angaben gibt. Die beteiligten Akteure sind klar aufgelistet, dennoch sind die Aufgabenbereiche nicht dargelegt. Somit kann die Projektstruktur mit einem (+) bewertet werden. Die Schulung wird von einem Team bestehend aus multidisziplinären und zielgruppenspezifischen Akteuren durchgeführt. Somit kann die Qualifikation als sehr positiv (++) bewertet werden. 5. Projektsteuerung: Dieser Bereich kann nicht bewertet werden, da die einzelnen Qualitätskriterien Controlling, Evaluation, Dokumentation und Kommunikation der Schulung sowie die Motivation der Akteure nicht dargestellt werden. 6. Wirkungen: Die Zielerreichung des Projekts und die Valorisierung der Ergebnisse werden im Maßnahmenkatalog der Techniker Krankenkasse nicht dargestellt und können somit auch nicht bewertet werden. Obgleich eine bezuschusste Wiederholungsmaßnahme erst frühestens drei Jahre nach der ersten Schulung möglich ist, wird die Nachhaltigkeit der Schulung aus Public Health-Sicht als sehr positiv (++) eingestuft. Dies lässt sich mit der Möglichkeit einer Nachschulung, ein halbes Jahr nach der ersten Maßnahme erklären. Die InternetNachschulung „Luftikids“ ist speziell für Kinder und Jugendliche mit Asthma bronchiale entwickelt und zielt darauf ab, spielerisch Schulungsinhalte zu vertiefen. Des Weiteren werden Lungenfunktionswerte täglich dokumentiert. (vgl. Techniker Krankenkasse 2003b & Gesundheitsförderung Schweiz 2012). In Phasen der Verschlechterung und akuten Phasen der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss sind chronische Krankheiten so immens negativ beeinflussend, dass hier nicht Schulungen, sondern spezielle Hilfe und/oder stationäre Behandlung notwendig ist. Für Kinder mit Asthma bronchiale in Normalisierungsphasen, stabilen Phasen und instabilen Phasen der Krankheitsverlaufskurve ist die Asthmaschulung jedoch geeignet. In stabilen Phasen kann die Schulung helfen, die Kinder zu befähigen, in dieser Phase zu bleiben. In instabilen Phasen können die Maßnahmen zum Umgang mit Krankheitsauslösern und die Protokollation der Lungenfunktionswerte die Ursache für die Instabilität aufzeigen und somit beschleunigen, dass Kinder diese Phase alsbald verlassen können. Die Normalisierungsphase kann durch die Schulung unterstützt werden, da sie multidisziplinäre Ziele verfolgt und somit für die 37 psychische und die physische Normalisierung hilfreich sein kann (vgl. Corbin & Strauss 2010). 7. Diskussion und Fazit der Arbeit Im nun folgenden Schlussteil dieser Arbeit werden die wesentlichen Ergebnisse zur Beantwortung der Fragestellungen noch einmal kurz und prägnant dargestellt. Darauf folgend werden die Ergebnisse mit den theoretischen Hintergründen der Kapitel 4 Theorie der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss und Kapitel 6.3. Qualitätskriterien von Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen kritisch diskutiert und verglichen. Den Abschluss dieser Arbeit bildet das persönliche Fazit unter Berücksichtigung der Public Health-Perspektive, sowie mögliche Folgen für Praxis und Theorie. Die wissenschaftliche Bearbeitung der ersten Forschungsfrage: Welche psychosoziale Situation respektive Lebensqualität resultiert aus chronischen Erkrankungen bei Kindern? hat aufgezeigt, dass bei den drei betrachteten Erkrankungen drei Bereiche des Lebens beziehungsweise der Lebensqualität der Kinder, besonders belastet sein können. Diese drei Bereiche sind die psychische Gesundheit, die Schule sowie die Entwicklung einer Sonderrolle durch die Krankheit. Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 sind in der Regel zahlreichen psychosozialen Belastungen ausgesetzt. Das Risiko an einer Depression zu erkranken, ist doppelt so groß wie bei gesunden Kindern (vgl. Fehm-Wolfsdorf 2009). 20-30 % aller an atopischer Dermatitis leidenden Kinder haben Symptome einer Depression oder Angststörung. Außerdem ist „die Prävalenz psychosomatischer Störungen bei dermatologischen Patienten (…) gegenüber somatisch gesunden Kontrollkollektiven um das 3-fache erhöht“ (Simon et al. 2010, 52). Auch Kinder mit Asthma bronchiale können in ihrer psychischen Gesundheit beeinträchtigt sein. „Patienten mit einem Asthma bronchiale leiden mitunter an einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Lebenszufriedenheit“ (Witt et al. 2009, 70). Ausgehend von den Daten kann geschlussfolgert werden, dass die Erkrankungen Diabetes mellitus Typ 1, Neurodermitis und Asthma bronchiale im Kindesalter eine belastende Situation in der Schule darstellen kann. Bei niedrigen Blutzuckerwerten sind die kognitiven Fähigkeiten von Kindern mit Diabetes mellitus erheblich 38 beeinträchtigt. So kann es sein, dass sie dem Unterrichtsgeschehen nicht oder nur teilweise Folge leisten können und Arbeiten zu Hause und in der Schule nicht mit ihrer vollen geistigen Leistung anfertigen können (vgl. Fehm-Wolfsdorf 2009 & Nitzko & Seiffge-Krenke 2009). Kinder mit Neurodermitis und Asthma bronchiale können von mangelhafter Konzentrations- und Leistungsfähigkeit im Schulalltag betroffen sein. Durch den starken Juckreiz leiden über 60% aller Kinder mit atopischer Dermatitis an einem gravierenden Schlafdefizit (vgl. Simon et al. 2010 & Rühle 2000). Auch von Asthma bronchiale betroffene Kinder leiden an nächtlicher Schlaflosigkeit aufgrund von Atemnot oder Hustenanfällen (vgl. Etschenberg et al. 2001). Besonders auswirkend auf die psychosoziale Situation respektive Lebensqualität und krankheitsübergreifend ist die Entwicklung einer Sonderrolle der Kinder mit chronischen Krankheiten. Ihnen können Stigmatisierungen und sozialer Ausschluss widerfahren (vgl. Nitzko & Seiffge-Krenke 2009, Simon et al. 2010 & Etschenberg et al. 2001). Somit lässt sich die erste Forschungsfrage Welche psychosoziale Situation respektive Lebensqualität resultiert aus chronischen Erkrankungen bei Kindern? beantworten. Die dargelegten Ergebnisse spiegeln die Theorie der Arbeiten der Krankheitsverlaufskurve nach Corbin und Strauss wieder. Die Lebensqualität ist erheblich negativ beeinflusst und eine chronische Erkrankung bedeutet eine immense zusätzliche Arbeit. Die chronisch kranken Kinder müssen krankheitsbezogene Arbeit leisten, also alldiejenigen Arbeiten, die unmittelbar mit ihrer Krankheit und deren Behandlung in Verbindung stehen. Darüber hinaus müssen Alltagsarbeiten erledigt werden, wie zu Schule gehen, Hausaufgaben machen und Freunde treffen. Auch die biografische Arbeit muss von Kindern mit chronischen Krankheiten erbracht werden. Sie müssen ihre Krankheit akzeptieren, sie in ihr Leben, ihre Biografie integrieren und sich neu identifizieren als chronisch krankes Kind (vgl. Corbin & Strauss 2010). Wenn nun zu diesen Arbeiten psychosoziale Belastungen hinzukommen, kann die Auseinandersetzungen und Erledigung der Aufgaben respektive die Arbeit chronisch Kranker, immens gestört sein. Aus der dargestellten psychosozialen Situation chronisch kranker Kinder, kann geschlussfolgert werden, dass durch die Störung der Arbeitslinien, bedingt durch psychosoziale Belastungen, eine Beeinträchtigung der Lebensqualität entsteht. Aufgrund dessen scheint es besonders wichtig zu sein, chronisch kranke 39 Kinder bei der Bewältigung der Arbeiten zu unterstützen und zu entlasten und darüber hinaus zu versuchen die psychosoziale Situation respektive die Lebensqualität zu verbessern. Daraus resultiert die zweite Forschungsfrage: Welche Gesundheitsförderungsmaßnahmen gibt es und wie sind diese aus Public HealthSicht für die Zielgruppe zu bewerten? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Stichprobe mit 7 Krankenkassen durchgeführt. Exemplarisch wurden hierbei Maßnahmenkataloge der Techniker Krankenkasse vorgestellt und mit dem Qualitätssystem „quint-essenz“ bewertet. Für Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 wird eine persönliche Ernährungsberatung empfohlen. In der Schulung soll Wissen über die Entstehung der Krankheit vermittelt werden, eine Anleitung zur Reduktion der Medikamente sowie Strategien zur Vermeidung von Beschwerden sollen aufgezeigt werden. Darüber hinaus werden von einem Diplom-Ökotrophologen, einem ernährungsmedizinischen Berater oder von Diätassistenten, einem einem Ernährungsmediziner Anleitungen gegeben, wie die Ernährungsumstellung und ein gesünderes Essverhalten erfolgen können (vgl. Techniker Krankenkasse 2005). Für Kinder und Jugendliche mit atopischer Dermatitis respektive Neurodermitis werden Neurodermitisschulungen für Kinder und Jugendliche empfohlen. Eine Minderung der Krankheitsschübe, eine bessere Akzeptanz der Krankheit sowie eine generelle und andauernde Steigerung des Hautzustandes sollen durch die Schulung erreicht werden. Ein Kinder- oder Hautarzt, Ernährungsberater, Psychologe oder Arzt mit verhaltenstherapeutischer Ausbildung und eventuell eine Pflegekraft, zeigen den Kinder hierbei in praktischen Übungen die richtige Hautpflege (vgl. Techniker Krankenkasse 2003a). Für Kinder mit Asthma bronchiale wird eine Asthmaschulung für Kinder und Jugendliche angeboten. In der Schulung werden durch einen Pneumologen, einen Internisten oder Kinderarzt, einen Pädagogen oder Psychologen und einen Physiooder Sporttherapeuten, Vermeidungsstrategien eines Asthmaanfalles vermittelt und in praktischen Übungen werden außerdem Techniken von Entspannungs- und Atemübungen gezeigt (vgl. Techniker Krankenkasse 2003b). Darauf aufbauend lässt sich die zweite Forschungsfrage: Welche Gesundheitsförderungsmaßnahmen gibt es und wie sind diese aus Public HealthSicht für die Zielgruppe zu bewerten? beantworten. Aus der Bearbeitung der 40 einzelnen Schulungsmaßnahmen für chronisch kranke Kinder mit dem Qualitätssystem „quint-essenz“ ergibt sich für jede Maßnahme eine Bewertung aus Public Health-Sicht. Die persönliche Ernährungsberatung, die für Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 empfohlen wird, kann für diese Zielgruppe als eher nicht geeignet eingestuft werden, da keiner der Akteure der Schulung auf Kinder und/oder auf Diabetes spezialisiert ist. Darüber hinaus ist auch die Maßnahme nicht zielgruppenspezifisch. Sie wird für mehrere Krankheiten angeboten, für jedes Alter. Auch wird die Krankheit Diabetes mellitus nicht weiter spezialisiert, in Typ 1 und Typ 2. Die Krankheiten unterscheiden sich aber deutlich in Behandlung und Bedarf. Ferner werden die Aspekte des Empowerments auch nicht ausreichend berücksichtigt, um Kinder zu befähigen mit ihrer Erkrankung selbstständiger umgehen zu können. Die Neurodermitisschulung für Kinder und Jugendliche und die Asthmaschulung für Kinder und Jugendliche können aus Public Health-Sicht als deutlich geeigneter und hilfreicher für die Zielgruppe eingestuft werden. Beide Maßnahmen sind exakt für die Zielgruppe konzipiert. Auch die multidisziplinäre Leitung der Schulung weist Fachpersonen der Dermatologie respektive Pneumologie und Kinderheilkunde auf und ist somit zielgruppenspezifisch. Darüber hinaus ist das Qualitätskriterium Empowerment besonders in der Neurodermitisschulung berücksichtigt worden. Die Kinder werden durch praktische Übungen der Hautpflege dazu befähigt, sich selbst zu versorgen. In der Asthmaschulung ist die Nachhaltigkeit sehr gut gesichert. Die Internet-Nachschulungsmaßnahme „Luftikids“ ist speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten (vgl. Techniker Krankenkasse 2003b). Es werden Schulungsinhalte wiederholt und vertieft, zusätzlich werden täglich Lungenfunktionswerte kontrolliert und eingestuft. Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass aus chronischen Erkrankungen bei Kindern erhebliche Einschnitte und Belastungen in der psychosozialen Situation respektive Lebensqualität resultieren und diese die Arbeit eines chronisch Kranken erheblich erschweren und stören können. Die gesundheitsfördernden Maßnahmen, die für chronisch kranke Kinder mit Asthma bronchiale und Neurodermitis empfohlen werden, lassen sich als geeignet und hilfreich einstufen. Die Maßnahme für Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 jedoch ist ungeeignet für die Zielgruppe, sofern dies anhand der Maßnahmenkataloge beurteilt werden kann. Eine Teilnahme, Darstellung und abschließende 41 Bewertung an konkreten Schulungsmaßnahmen ist unbedingt notwendig. Für die Forschung und Praxis ergibt sich somit eine zukünftige Aufgabe, die im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich war. Darüber hinaus besteht für alle drei Erkrankungen das Problem des Zuganges zu diesen Maßnahmen. Laut der Maßnahmenkataloge ist „ihre TKGeschäftsstelle (…) Ihnen bei der Suche nach einem geeigneten Anbieter gern behilflich“ (Techniker Krankenkasse 2005, 1). Bei der Durchführung der Stichprobe, ergab sich jedoch ein anderes Bild. Keine der angefragten Krankenkassen konnte und wollte konkrete Anbieter nennen. Diese Ergebnisse sprechen für Lücken in der Versorgung chronisch Kranker und in der Vernetzung von Akteuren und Institutionen. Aus Public Health-Perspektive ist hier ein dringender Handlungsbedarf anzusehen. Die Vernetzung von konkreten Anbietern von gesundheitsfördernden Maßnahmen und Krankenkassen muss gestärkt werden, die Angebote spezialisiert und erweitert werden. 42 8. 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