Projekt Uraufführung

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Musik und Liturgie
Ausgabe 3 / 2015
Weiterführender Beitrag zu "Projekt Uraufführung 'Salve Aeternum'" (S. 8-11)
Interview mit dem Komponisten und Dirigenten Alfred Tubb über das Edieren von Piersons
Original-Partituren
«Extrem bewegende Kompositionen»
Sie haben Piersons Original-Partituren bearbeitet und für ein modernes Orchester, Chor und
Solisten zugänglich gemacht. Wie sind Sie vorgegangen?
Ich habe die Stücke teilweise neu arrangiert. Das Oratorium «Jerusalem», ein fantastisches
Werk, habe ich neu orchestrieren müssen. Die Originalpartitur ist verschollen, hingegen
existierten diverse Kopien des Klavierauszugs in verschiedenen Bibliotheken. Ich begann
2011 damit, das Oratorium zu rekonstruieren und die Orchesterstimmen neu zuzuordnen.
Das dauerte etwa anderthalb Jahre.
War das nicht ein bisschen wie Stochern im Schnee?
Nein, es gab genügend Anhaltspunkte. Ich hatte die vollständigen Partituren der PiersonStücke «Salve Aeternum» und «Die Jungfrau von Orléans» sowie ein Fragment von
«Jerusalem» zum Vergleich. Ausserdem gehörte Pierson eindeutig zur Romantik und
orientierte sich an Zeitgenossen wie Mendelssohn, Brahms, Schumann oder auch Beethoven,
der als Wegbereiter der Romantik galt. Piersons musikalische Sprache ist sehr typisch für all
die neuen Formen, die während der romantischen Blüte entstanden. Sein Kontrapunkt gefällt
mir persönlich ausserordentlich. Bei der damaligen Kritik fiel er damit zwar durch, aber das
Publikum liebte seine musikalischen Ideen, vor allem in Deutschland.
Sie haben auch die Kantate "Salve Aeternum" ediert, die ja im Zentrum unseres
Festkonzertes steht. Was war hier speziell?
Bei "Salve Aternum" – oder "Eternum" nach Pierson – musste ich die handschriftliche Partitur
in moderne Notenschreibung übertragen, stellenweise waren auch Anpassungen nötig. So
setzte Pierson als Bass-Instrument im Orchester eine sogenannte Ophikleide ein, die heute
aber kaum mehr anzutreffen ist. Also schrieb ich die Noten für Tuba und Kontrabass.
Ausserdem nahm ich eine Harfe hinzu, auf die Pierson verzichtet hatte, die aber ein für die
Romantik sehr typisches Instrument ist.
Wie haben Piersons Kompositionen auf Sie gewirkt?
Ich empfinde es als grosses Privileg, dass ich diese Musik so viele Jahre nach ihrer
Entstehung als Erster zu hören bekam, wenn auch zunächst nur elektronisch, gespielt von
einem Computer. Seine Kompositionen wirken auf mich extrem bewegend, stellenweise
dramatisch.
Wie kommt es, dass Pierson mit der Zeit vergessen wurde?
Das ist schwer zu sagen. Komponisten, die nicht mit der Masse gehen, verschwinden
manchmal aus unerklärlichen Gründen vom Radar. Vielleicht fiel er seinerzeit einfach aus der
Mode.
Freuen Sie sich auf die Uraufführung?
Oh ja, unbedingt! Das wird ein grosser Moment sein. Ich weiss zwar von meiner
computergenerierten Version ungefähr, was mich als Dirigent erwartet, aber live vor dem
Orchester zu stehen und zum ersten Mal überhaupt diese Musik zum Leben zu erwecken,
wird von ganz anderem Kaliber sein. Ich freue mich enorm, dass sich das Basler Festival
Orchester auf "Salve Aeternum" eingelassen hat. Und ich bin sicher, sie werden begeistert
sein!
Das Interview führte Irène Dietschi
Alfred Tubb ist ein aus England stammender, äusserst vielseitiger Komponist und Dirigent.
International ist er vor allem bei Blasmusikern bekannt und renommiert: Als ehemaliger
Armee-Angehöriger hat er unzählige Märsche, Konzertstücke und Lieder komponiert und für
Bläser-Ensembles arrangiert. Tubb hat auch für zahlreiche Symphonieorchester Stücke
geschrieben, zudem hat er viele Jahre fürs Fernsehen gearbeitet und mit Filmkompositionen
mehrere Preise gewonnen.
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