Ein Kriegstagebuch Mein lieber Bruder Fritz starb den Heldentod

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Ein Kriegstagebuch
Mein lieber Bruder Fritz starb den Heldentod fürs liebe teure Vaterland. Am 30./31.Dezember
1914 nachts bei einem Sturmangriff auf einen franz. Schützengraben in Takure erhielt er
einen Oberschenkelschuß . Er kam ins Lazarett zu Rethel. Hier erlag er seiner Verwundung
am 15.Januar 1915. Auf dem Soldatenfriedhof zu Rethel liegt er begraben.
Bei dem Nachlasse, der uns nach einigen Wochen nach dem Tode zugeschickt wurde,
befand sich auch ein Tagebuch von meinem Bruder. In diesem machte er jeden Tag Notizen.
An den Seiten war das Buch mit Blut besudelt.
Ich werde den Inhalt des Buches hier wiedergeben:
Freitag, d. 7.Aug.1914
Abfahrt von Barmen mittags 2 Uhr,mit Ernst Lorenz, Paul Ester (gef.am 30.April 1915 als
Gefreiter d. R. in Belgien), Adolf Weber, Emil Weustenhagen, einer unbekannt.
Samstag, d.8.Aug.1914
Ankunft in Marburg a L. abends ½ 7 Uhr. Quartier bis Sonntag früh bei Wirt Ernst in der
Bahnhofstraße; die Wirtin von Barmen U; nach der langen Fahrt sehr gut geschlafen.
Sonntag, d.9.8.14
Aufgestanden 7 Uhr früh. Um 9 Uhr zur Aushebung in der Kaserne, ausgehoben um 11 Uhr
wurden E.Lorenz, P.Ester und ich als felddiensttauglich (die einen als untaugl. entlassen).
Nachmittags durch Marburg; am Bahnhof empfangen wir Quartiere vom Roten Kreuz beim
Major z D Soller Syboldstr. 17. Zimmer mit 2 Betten. Ausstattung und Beköstigung großartig.
Paul Ester und ich wir schlafen zus. in einem Bett; geschlafen gut.
Montag, d.9.8.14
Antreten 6 Uhr auf dem Kasernenhof. Ewald Gutseel (z.Z. Löschmann auf Bückl(?)), Emil
Westermann (gef. 30.Dez.1914 Frankr.) erschienen von Barmen. Einteilung der Kompanien.
Dauer bis 11 ½ Mittags; zugeteilt dem Reserv Depat 3.
Bis Mittag 3 Uhr Pause. Mittagessen bei Major z.D. Soller. Kost sehr gut. 2 Uhr in der
Baracke, Stube reinigen, Spint säubern. Stube belegt mit 12 Mann.
Einkleidung.Bekanntschaft mit 2 Barmern, Hermann Störte, Fritz Nölling.
bis zum 25.Sept. in Marburg ausgebildet.
25.Sept 14 Freitag abend ½ 10 Abfahrt von Marburg.
100 Kriegsfreiwillige
150 Landwehrleute
Nach Groß-Lichterfelde den (Garde) Schützen überschrieben.
Bis zum
Freitag, d. 16.Oktober 14
schönen leichten Dienst
Freitagmittag 16.10.14 1.45 Uhr
Abfahrt ausrücken die ganze Kompanie( Ersatzabteilung).
2 Transportführer (Leutnants)
100 Kriegsfreiw. ehem. 11. Jäger
150 Landwehrleute ehem. 11. Jäger
90 Landwehrleute ehem. 9.Jäger
27 Radfahrer.
12.30 Uhr war Antreten 1 Uhr hielt der Kommandant eine kurze Ansprache zum Schluß 3X
Hurra auf Kaiser und Reich und für die Braven im Felde. Die Militärkapelle spielte dann: „Heil
Dir im Siegerkranz“ und zum Schluß mit dem Liede: .Muß i denn zum Städtlein hinaus rückt
die Kompanie ab unter Musikbegleitung bis zum Bahnhof. Schnell wurde eingestiegen. Der
Zug setzt sich in Bewegung (1.45). Lautes Hurra-Rufen und die Musik spielt abermals :
„Muss i denn“
3 Uhr Potsdam ..halt
Belegtes Brot mit Kaffee
½ Uhr Genthen
Belegtes Brot mit Kakao und Kaffee und Obst
7 Uhr Halt in Burg b Magdeburg
1 Stunde Aufenthalt
Abendessen Nudelsuppe mit Rindfleischeinlage
9 Uhr Magdeburg
Belegtes Brot mit Kaffee, geschlafen bis 5 Uhr morgens den
17.Oktober (Samstags)
6 Uhr Halt in Nordheim
Kaffee mit belegtes Brot
½ 8 Uhr Göttingen
9 Uhr morgens Eichenberg
10 Uhr Niederhofe
Belegtes Brot, Kaffee, Zigaretten etc.
12 Uhr mittags in Bebra
Mittagessen , Reissuppe mit Fleischeinlage, Kaffee, belegtes Brot. 1 Stunde 10 min
Aufenthalt.
½ 5 Uhr Fulda
Bel Brot, Kaffee
6 Uhr abend in Elm
7 Uhr Salmünster
Abendessen Reissuppe mit Einlage, Kaffee
11 Uhr in Frankfurt
Belegtes Brot, Kakao und Kaffee
Sonntag,den 18.Oktober 14 Morgens 2.10 Uhr Bingerbrück
Abermals Essen, Wurst mit Brot, Kaffee
6 Uhr früh Brot mit Kaffee
9 Uhr früh St.Wendel
Frühstück, weiße Bohnen mit Einlage. ½ Stunde Aufenthalt
11.45 Neunkirchen
Kaffee mit belegtes Brot
12.15 Saarbrücken
Reissuppe, Kaffee,Brot
½ 3 Uhr nachm Hargarten
Reissuppe mit Einlage, Brot
6 Uhr in Dietenhofen
Belegtes Brot, Kaffee
½ 7 Uhr Abfahrt Richtung Luxemburg
Während des Schlafens die Grenze überfahren bei Ernsen
19.10. 4 Uhr in Luxemburg (19.10.)
Der Zug hatte 8 Stunden Aufenthalt
6 Uhr Abfahrt Richtung Belgien
7.15 Uhr Halt in Differdange (Luxemburg)
10.00 Uhr Abfahrt. Die Leute sehr freundlich.
Verpflegung, Weißbrot, Kaffee, Tee, Zigarren, Zigaretten
12 Uhr mittags 1. Belg. Stadt Athus
Auf der Fahrt zerschossene Dörfer zersprengte Eisenbahnbrücken
1 Uhr mittags erste Wache kommandiert bei
Signeux ( Belgien)
Abfahrt 2.45 Uhr
4 Uhr morgens in Virton St. Alard
Sehr schöne Rindfleischsuppe mit Nudeln und Brot
6 Uhr Lamortean
7.45 Uhr franz Grenze überfahren.
Erste Station hält Transport. Führer Leutnant Hamkons hält eine kurze Ansprache mit Hurra
auf Kaiser und Reich und nach dem Lied „Heil Dir im Siegerkranze“ setzt sich der Zug wieder
langsam in Bewegung, geschlafen bis
Dienstag, d. 20.10.morg. 5 Uhr
Auf der Fahrt in Feindesland fortwährend großer Aufenthalt (wegen größerer Transporte)
½ Uhr morgens in Bazailles
10 Uhr morgens in Sedan
Hier Verpflegung. Kaffee, Brot m. Speck
12.30 in Nouvions s. Meuse
1.30 in Mohan
4.45 in Rethel
Vom Roten Kreuz Kaffee und Sauerbrot
Hier war am 30.Aug. ein Gefecht.
7.15 Uhr in Bazanevark
geschlafen bis
Mittwoch d. 31.10.14 morg 5 Uhr
Angekommen am Bestimmungsort St.Souplet.
7.15 Uhr vor die Wagen antreten. In der Nacht wurde auf unseren Zug geschossen ohne zu
treffen. Im Laufe des Vormittags „allgemeine“ Jagd auf Hasen, Kaninchen
½ 12 Uhr aus einer Feldküche Kaffee empfangen. Auf der Jagd 18 wilde Kaninchen und 1
Hasen gefangen, selbige wurden am Lagerfeuer gebraten und verzehrt. Gegen 5 Uhr
nachmittags Abmarsch zur Mühle in St.Souplet, hier übernachteten die Landwehrleute,
schliefen in der Mühle. Wir Kriegsfreiwilligen bauten gegen 7 Uhr unsere Zelte. Vor dem
Schlafengehen bekamen wir noch erst Kaffee a.d. Feldküche. Gegen 9 Uhr abends wurden
die Zelte mit Stroh belegt und wir gingen dann alsbald schlafen. Die Nacht war sehr kühl und
das Stroh feucht infolgedessen sehr schlecht geschlafen und mächtig gefroren. Die ganze
Nacht Kanonendonner vernehmbar.
Donnerstag 22.Okt 1914
½ 7 Uhr raus aus den Zelten. 9.15 Uhr Antreten der gesamten Ersatzabteilung. Einteilen in
Kompanien. Wir bilden die 3. Komp.(Batl. wieder vollzählig). Inspektionsweise in der Mühle
… angewiesen. Komp. zu je 3 Zügen, der dritte Zug sind nur Freiwillige, unsere
11.Inspektion im Hauptgebäude über einem ehem. Taubenschlag, sehr baufällig. Der Bau
wurde etwas vervollständigt und es wurde aus Stroh ein Lager zurecht gemacht. Unsere
3.Komp. bekam den Hauptmann Rohr ein sehr feiner und guter Mensch, bereits Ritter des
Eisernen Kreuzes 2.Klasse.Nachmittags 4 Uhr wurden Liebesgaben verteilt, wir bekamen die
Gaben, welche die ehem. 3.Komp haben sollte. Wollsachen,Zigarren,Zigaretten Seife etc.
gegen Abend kam ein franz.Flieger über unsere Mühle!
9 Uhr Zapfenstreich alles zur Ruhe. Ich schlafe neben 2 Offz.Stellvertreter 1 Oberjäger,
geschlafen gut.
Freitag d.23.Okt.1914
8.30 – 9.45 exerzieren der Kompanie. Der 3.Zug hat den Leutnant von Trotka, bereits Ritter
des Eisernen Kreuzes 1. Klasse.9.45 – 11 Uhr Gewehrreinigen 11 Uhr Gewehrappell. 12.40
Mittagessen ( Reissuppe mit Rindfleischeinlage) Rindfleisch von 2 Kühen, welche Metzger
vom Bataillon geschlachtet wurden. Eine Kuh hatte ein Kalb in sich.
Wo wir hier sind, ist der franz. Truppenübungsplatz genannt „franz.Döberitz“. Nachmittags
Unterricht beim Kompanieführer.
Samstag d.24.Okt. 1914
Exercieren mit Felddienstübung
Sonntag d. 25.Okt. 1914
7 Uhr Kirchgang der katholischen Mannschaften nach St.Souplet. 2 Uhr Feldgottesdienst
und Erntedankfest. Die Predigt war sehr ergreifend. Lied: Nun danket alle Gott.
4 Uhr Liebesgabenverteilung pro Mann 6 Zigarren, Schokolade etc.
Montag d.26.Okt.1914
Exercieren mit Geländeübung
Gewehrreinigen etc
Dienstag d.27.Okt.1914
Geländeübung, Gewehrreinigen
Mittwoch d.28.Okt. 1914
Gefechtsübung mit Gewehrreinigen. Empfang von Liebesgaben vom Roten Kreuz Berlin.
Jeder empfängt vom Batl. 20 „Dandeg“ Zigaretten, 20 Zigarren, Schokolade, Leibbinde, 1
Paar Strümpfe, die welche nötig haben, sehr gut wollenes Hemd, wollene Unterhosen,
Mutzpfeifen, Taschenlampe. Am Abend bekommt jeder zum Abend 1Becher Limo,
Abendbrot besonders großartig, nämlich 4 Stück Ravensberger Würstchen. Erhalte die erste
Nachricht von Barmen von Elisabeth Thein, eine Ansichtskarte von 21/10.14
Donnerstag 29.Okt.1914
Morgens Gefechtsschiessen unter den Zügen unserer Komp.auf die von uns selbst
angefertigten Scheiben. Entfernung 650 mtr. Pro Kopf 20 Patronen. 3.Zug ( alles Freiwillige)
beste geschossen 5,1% Treffer.
Nachmittags Unterricht. Liebesgaben pro Mann 7 Zigarren
Freitag d. 30.Okt.1914
Gefechtsübung. Mächtiger Kanonendonner vernehmbar. 12.40 Uhr Alarm. Batl.Antreten
Patronengurte Empfang. Laden und Gewehre zusammen setzen. 4 Uhr 50 mtr von der
Mühle Einschlagen feindlicher Granaten. 1 Blindgänger, 1 krepiert. Sofort abrücken Richtung
Stellung der 133 er Infanterie. Die Franzosen versuchten wie schon so oft da
durchzubrechen unter Vorschicken der Schwarzen. ½ 6 Uhr abends Ankunft einige 100 M
hinter St.Souplet, hier mußten wir in Reserve bleiben, biwakieren ohne Mantel, Zellttuch,
eine Nacht erlebt wie noch nie furchtbar ungemütlich kalt und feucht, etwas Regen. Während
Nacht alles ruhig, kein Schuß vernehmbar.
Samstag 31.Okt. 1914
Gegen 7 Uhr morgens Abmarsch Richtung Schützengräben der 133er. ½ 10 Uhr eine halbe
Stunde vor den Schützen angekommen. Mein Befinden gut mit großem Hunger und Durst,
da seit gestern Mittag nichts gegessen, und in der Eile Lebensmittel mitzunehmen. Auf dem
Marsche getroffen Mainzer Fußart No 3 65er Inf Köln. 24er Art. 4 Art. G.Fußart. Gegen 10
Uhr Befehl daß die 133er Inf bereits abgelöst sind, also: zurück nach Hause zu unserer
Mühle. In der Mühle ist bereits angebracht eine „Kasernenuhr“, eine „Neueste
Nachriichtentafel“ und elektr.Licht. In St.Souplet am Bahnhof feindlicher Flieger in Sicht:
Aufstellung genommen und als er nah genug ist wurde Schützenfeuer eröffnet. Wie toll
wurde geschossen, Schrapnells, Komp. Inf, zwei Maschinengewehre unseres Batl feuerten
mit ihr aber ohne Erfolg, denn es fällt bekanntlich schwer, einen Flieger herunter zu holen.
Bomben hat er nicht auf uns geworfen, obwohl er direkt über uns flog. An unserer Mühle
direkt an der Latrine hat er welche geworfen, aber ohne jemand zu verletzen. 12.40 Uhr
Rückkehr, wir konnten sofort Kaffee empfangen und uns dann ausruhen. 3.45 kommt der
franz.Flieger direkt über unsere Mühle und wirft 2 Bomben, welche vom Wind abgetrieben
wurden, eine Bombe tötete einen Hasen auf dem anliegenden Felde. Abends 7 Uhr Tee mit
Rum.
Sonntag 1.November morgens 1.15 Uhr
Feldflasche mit Kaffee füllen. 2.30 Uhr Abmarsch nach Audrive zur Ablösung der Sächs. 12.
Jägern in den Schützengräben. ½ 5 Uhr Ankunft und Verteilung in den Unterständen.
Selbige sind erstklassig eingerichtet und ausgebaut, eine richtige unterirdische Stadt mit
Straßenbezeichnung darauf durch No3. Diese Stellung wurde allein von den 12er Jägern
erbaut. Unsere Gasse nannten wir „Barmer Gasse“ und den Bau „Villa Heimat“. Der 1. Und
2.Zug nimmt Stellung in den Schützengräben selbige sind 600 M von den feindlichen
Stellungen entfernt. Unser 3. Zug bleibt in Reserve und schickt des Nachts Patrouillen und
Schützenschleier raus. Unserer Stand ist belegt mit den Freunden Hermann Störte, Ernst
Lorenz und ich, wir sind ja auch die „Unzertrennlichen“ Barmer Jungs. 8 Uhr morgens wurde
Kaffee und um 9 Uhr Tee abgekocht ein Stück trockenes Brot dabei und die Kost schmeckte
vorzüglich. Einige Straßenbezeichnungen in diesen Schützengräben; Kommandatenstraße ,
Richard Dietzestr.; nach Auberive, Döberitzerstr.; Jägerstraße; Willi Josamer; zum lustigen
Barbier usw.
Montag, den 2. Nov.1914
Unsere Gruppe von Abends 7 Uhr bis 3. Nov. Abends 7 Uhr Schützenschleier. Gestanden
bzw gelegen von 9-11 Uhr, von 1-3 Uhr, von 5-7 Uhr, von 1-3 Uhr mittags den 3. Nov. Sehr
interessant, die Franzosen ca 30M gegenüber, beim leisesten Geräusch feuerten dieselben.
Unsere Stellung den Franzosen unbekannt, folgedessen die Schüsse in der Gegend.
Donnerstag d. 3.Nov.
Nichts Bedeutendes. Abkochen wie immer
Mittwoch d. 4. Nov
Nichts Neues
Donnerstag d. 5. Nov.
Morgens 10.50 Uhr gesehen wie unsere Artillerie (Feldhaubitze Nr.83) einen franz. Flieger
herunter schoß, ein Schrapnell direkt in den Apparat. Ein sehr interessanter Anblick wie das
Flugzeug wie ein getroffener Vogel herunter „kollerte“. Im Flugzeug waren 2 Insassen und
ausgerüstet war er mit einem Maschinengewehr, beide Insassen tot. Der Apparat liegt
südlich von St.Souplet vor den deutschen Schützengräben.
Freitag den 6. Nov. 1914
Vorposten. Ein Pionier wurde erschossen! Ernst und ich Doppelposten an einer Brücke.
Heimatlieder gesummt.
Samstag, d.7. Nov. 1914
Nichts Wichtiges
Sonntag, d.8.Nov 1914
Liebesgaben, pro Mann 6 Zigaretten, 5 Zigarren
Montag d.9.Nov 1914
Ernst und ich verschiedenmal auf umgemachtem Boden Kartoffeln ausgemacht, da Hunger
auf Bratkartoffeln. Die Kartoffeln wurden geschmort in Schmalz, geschmeckt wie noch nie.
Dienstag d. 10.Nov.1914
Abermals Hunger nach Kartoffeln. Wieder einige gefunden, welche ebenfalls geschmort
wurden. Wieder Liebesgaben Zigaretten, Zigarren empfangen, auch jeder eine halbe Tasse
Kognak. Abends v,6-8 und 12-2 Vorposten.
Mittwoch, d.11.Nov 1914
Morgens ½ 4 Uhr abgelöst von den 12 er Jägern, Abmarsch zur Mühle. Die Nacht kalt.
Nachmittags Liebesgabenverteilung, pro Mann 10 Zigaretten, 15 Zigarren fehlende
Wollsachen, Tabak etc. Von Tante Emma 3 Liebesgabenpaketchen. Freund Hermann Störte
erhält die Nachricht, daß sein Bruder (25 Jahre) im Feldlazarett in Frankreich am 1.11.
gestorben ist, selbiger war während des Feldganges erkrankt. – Sehr traurige Stimmung.
Donnerstag,d.12.Nov.1914
9.30 – 10.30 Gewehrreinigen 11.00 Appell in Gewehr. Von der Kompanie kann man kaufen
Zigarren, Zigaretten, Schokolade, Butter, Heringe, Wurst, Bier. Die Kompanie hat fast 300
Liter Bier zur Verfügung. Am Abend kauft jeder 1 Liter Bier. Wie der Hauptmann fragt,wer
kein Bier trinkt,tritt keiner vor. In unserer Scheune haben wir dann schön gefeiert. Viele
Lieder wurden gesungen, welche mir etwas Heimweh erzeugten.
Freitag, d.13.Nov 14
9-11 Uhr Felddienstübung anschließend Liebesgabenverteilung, Zigarren, Zigaretten etc.
Nachmittags gegen 2 Uhr wurden wir gegen Typhus geimpft mit der linken Brustseite beim
Einspritzen.
Samstag,d.14.Nov.1914
Abmarsch 2 Uhr nach St.Souplet einquartiert. Sehr schmutziges Nest; eine alte zerfallene
Scheune muß eingerichtet werden. Ernst entdeckt inzwischen eine andere Bude einen
ehem. Pferdestall. Wir beziehen den Stall mit 2 Oberjägern und 7 anderen Kameraden
(Störte, Zander, Kammerzell, Roux, Enke, Rusikat und Brüggendiek). Er wird sehr wohnlich
gemacht. Ein Ofen requiriert, eine Backwanne dient als Rauchfang.
Nur einen Mangel hat die Stube nämlich: an den Wänden sitzt Fliege an Fliege, so daß die
ganze Bude schwarz von Fliegen ist, die einem sehr lästig werden, besonders wenn der
Ofen brennt, werden die Biester rein wild und stechen wie verrückt; es wird dann oft eine
Fliegenjagd veranstaltet. Kameraden die in der Scheune liegen, veranstalten jeden Abend
eine Rattenjagd mit einem „ requirierten“ Köter.
Sonntag, d.15.Nov.1914
8 Uhr Kirchgang der kath. Mannschaften. Mittags 2 uhr wurden die evang. Mannschaften zur
Kirche geführt, welche unmittelbar in unserer Nähe ist. Es wurde am Anfang das schöne Lied
gesungen: „Wir treten um Beten vor Gott den Gerechten“, wobei die Kirchenorgel mitspielte,
es bekam mir ganz heimisch als ich mal wieder eine Orgel spielen hörte. Der Feldprediger
hatte eine schöne Predigt, er predigte über: „ Denn wir sollen Gottes Kinder heißen“.Zum
Schluße sangen wir dann noch 4 Strophen von dem schönen Lied. „Jesu geh voran“, und
nach dem Segen: „ unseren Ausgang segne Gott, unseren Eingang gleichermaßen“.Alles
wirkte wunderbar heimatlich. Eine Kollekte wurde dann auch abgehalten, für die verm.
Kameraden und für die Hinterbliebenen der Gefallenen. Nachmittags 4 Uhr 3 Feldkochkessel
Kakao gekauft und bekam jeder von unserer Stube eine Tasse voll, wobei ein schönes
Butterbrot gegessen wurde. Butter hatten wir ja vom Markender gekauft und einige als
Liebesgaben eingefangen. Am Abend wurde wie bald jeden Tag Liebesgaben verteilt, in
Zigarren,Zigaretten etc. In Zigarren und Zigaretten schwimmt man bald.
Montag, d. 16. Nov.1914
Dienstfrei. Quartiere und Vorplätze in Ordnung bringen. Abends Liebesgaben Zigarren
Zigaretten und Butter.
Dienstag, d. 17.Nov.14 (9-11Uhr)
Felddienstübung bis St.Marie a Py hier liegen 65er Inf. aus Köln. Das Dorf ist wie alle total
zerschossen und verbrannt. Nachmittags 3-4 Uhr Gewehrreinigen. Abends 7 Uhr
konstatierte ich aus einen Taschentuch und Stroh eine Ratte um uns einen Spaß zu machen.
Unser Inspektionsführer Oberjäger Böger ist besonders rattenscheu. Vorher wird erst einen
Vortrag gehalten, daß eine Ratte dagewesen wäre – große Aufregung- alle Löcher werden
nun mit Glasscherben zugestopft, gegen ½ 10 Uhr … alles in Ruhe. Die Ratte werfe ich nun
durch Zufall wohl einem Oberjäger direkt auf die Brust und ziehe sie schnell wieder zu mir.
„Eine Ratte, eine Ratte“ heißt es nun, eine Panik entstand kaum zu beschreiben, alles wurde
abgeleuchtet, Kerzen eingesteckt und mit Taschenlampen nun auf Suche, natürlich
erfolglos, dazu das verbissene Lachen von uns allen. Noch einige Male wird der Spaß
wiederholt, aber auf einmal reißt der Bindfaden von der „Ratte“ und der eine Oberjäger
(Leonhardt) hält siegesbewußt mit Beleuchtung der Taschenlampe vom Oberjäger Böger,
genannt „Nils“ die Ratte gefangen in seiner Hand. Nachdem Ruhe und alles schlummert
einen schönen Witz verlebt zu haben ein.
Mittwoch, d. 18.Nov.14 (Buß und Bettag)
Dienstfrei. Heute bekam ich wohl die Strafe für den Rattenspaß, denn eben (Morgens 9.Uhr)
will ich mich wie immer am naheliegenden Bache (Py)waschen, der Boden ist fest gefroren
und das Brett vom Bache ist ebenfalls glatt vom Frost, ich stehe eben drauf und lieg auch
schon mit meiner ganzen hinteren Hälfte des Körpers im Bach schon war das Bad fertig.
Schnell zurück und andere Wäsche angezogen und der Schaden war wieder geheilt. Den
Kirchgang morgens 10 Uhr konnte ich leider folgedessen nicht mitmachen. Nachmittags 4
Uhr merkte ich doch, daß ich mich das unfreiwillige Bad eine Erkältung zu gezogen habe,
denn meine Nase läuft wieder mächtig und der Schnupfen ist da. Bemerke noch, daß ich mit
Hilfe des Kameraden Bruggendiek (cand med) aus dem Bache heraus kam.
Donnerstag, d. 19.Nov 1918
9-11 Uhr Felddienstübung etc. Mittags…: Essen von der Feldküche Gulasch mit
Salzkartoffeln. (-?-) (ANMERKUNG: Fragezeichen im Text)
Freitag d. 20 Nov. 1914
Morgens 4.15 Uhr Abmarsch nach den Schützengräben in Auberive zur Ablösung der 107
er Inf. Ankunft 5.20 Uhr. Abends von 6- 8 Uhr und nachts von 12-2 Uhr in den von uns
angelegten Gräben zu 2 Gruppen Posten stehen. Von unserer Wohnung bis dort sind 30
Minuten durch den Laufgraben. Die Nacht sehr kalt.
Samstag, d. 21. Nov.1914
Morgens abkommandiert im Dorf Auberive Holz zu holen. Bin schon im Dorf als die
Franzosen wieder Granaten und Schrapnells reinschiessen. Es brummt mächtig. In meiner
Nähe 20 mtr von mir wurden 2 12er Jäger von Schrapnells getroffen, welche kurz darauf
ihren Verletzungen erlagen. Ich selbst mußte auf Befehl von einem Offz.Stellvertreter von
107 er Sanitäter holen. Währen der Zeit fing im 2 Zuge unserer Komp. ein Unterstand an zu
brennen, dabei explodierten Patronen und einer v.d. Kameraden wurde im Gesichte an der
Nase verwundet. Abends von 6-8 Uhr und von 12-2 Uhr wieder Posten in den Gräben. Ernst
und ich … nebeneinander, wir erzählen uns viel von der Heimat, von 12-2 geht die Zeit
ziemlich schnell herum, rauchen in Deckung Zigaretten, alle 10 Minuten ist eine verqualmt,
also mit Ablösung sind 20 Minuten rum. Der Genuß von Zigaretten in der Kälte ist überaus
groß!
Sonntag (Totensonntag) , d. 22.11.14
Klarer Novembertag. Am Abend unsere Gruppe gemütlich in unserem Unterstand
beisammen, es wurden beim Klange einer Mundharmonika wieder Lieder gesungen und
auch Erlebnisse erzählt; und es erzählt ein Gefreiter, daß er, wie er die Nacht hier
ankommen dringend sein Bedürfnis vollbringen mußte, und sich drum zwischen zwei Gräben
nahe hinter unserem Unterstand wo mehrere Kameraden ruhen, gesetzt habe. Er erzählt da,
wie es ihm ins Herz schnitt, als er solches merkte, er sprang sofort auf und nahm stramm
Haltung vor den Gräben ein und bat um Verzeihung und verschwand.
Montag d. 23. Nov 14
Von 6-8 Uhr morgens auf Wache. Abends von 10-12 Uhr und morgens von 4-6 Uhr auf
Wache.
Dienstag, d. 24. Nov. 14
Abends von 7-11 Uhr nachts im vorgeschobenen Schützengraben den Unterstand
ausbauen. Schwierige Arbeit im Kalkboden.
Mittwoch, d. 25.Nov 14
Morgens von 4 bis Abend 12 am Unterstand gearbeitet. Mittags 12 Uhr bekamen wir die
Feuertaufe. Die Franzosen schiessen mächtig Granaten und Schrapnells und Gewehrkugeln
schlagen neben, hinter und vor uns ein. Ein furchtbarer Lärm. Unsere Kompanie hält die
Vorderseite Stellung besetzt. Außer unserer l. und schweren Artillerie schießt keiner von uns.
Gegen 4 Uhr nachm verstummt der Lärm und es wird weiter am Bau gearbeitet. Essen
bekommen wir oft abends 71/2 Uhr. An diesem Tage kommen 240 Überläufer nach
St.Souplet.. In St.Souplet wurden 13 Mann verwundet, davon 2 tot. Von uns selbst wurde
keiner verletzt. 12 Uhrabends zur Ruhe.1.15 Uh aber schon wieder geweckt in den
unfertigen Unterstand ziehen, denn wir konnten immer einen Durchbruchsversuch der
Franzosen wehren. In der Nacht unbeschreiblich gefroren.
Donnerstag, d. 26.Nov.14
Ganzen Tag im Unterstand garbeitet und fertig gemacht. Nachts von ½ 12 Uhr bis ½ 2 Uhr
Wachposten für die Gruppe. Wegen der Müdigkeit in meinen Knochen habe ich fast gut
geschlafen.
Freitag, d. 27. Nov.14
Morgens ½ 7 Uhr wieder raus. Die Reihe war an mich Kaffee zu holen.1/2 4 Uhr bis ½ 6 Uhr
nachmittags Posten. Abends in den franz. Stellungen ein großer Jubel und Trubel mit
Musikkapelle spielen Marseillaise, engl und russ. Nationalhymne und brüllten feste „Vivelo
france“ etc. Die Sachsen (12er Jäger) haben dieselben feste und nicht zu knapp ausgelacht.
Samstag, d. 28.Nov. 14
Morgens von ½ 8 bis 1/2 10 Gruppenposten. Abends ½ Uhr nachts ebenfalls
Gruppenposten.
Sonntag, d. 29.11.1914
½ 8 Uhr bis ½ 10 Uhr Posten. Abends von ½ 8 Uhr bis ½ 10 Uhr Schützenschleier vor den
Drahtverhauen. Die 12er Jäger singen feste Vaterlandslieder in den Schützengräben mit
Hurrarufen. Nachts von ½ 2 bis ½ 4 wieder Schützenschleier auf dem Bauche liegend.
Montag, d.30.11.1914
Abends von 1/2 6 bis ½ 8 Uhr Gruppenposten und dann Beobachtungsposten. Die Nacht
ruhig.
Dienstag, den 1.12.1914
Am Tage Ruhe. Schöner klarer Novembertag. Abends von ½ 8 – ½ 10 im strömenden
Regen Beobachtungsposten der Gruppe. Bis 11 Uhr Sachen gepackt bis Morgens den
Mittwoch, d. 2 Dez 1914
5 Uhr Abmarsch. Ablösung durch 107er Inf. müde und matt gegen 6 Uhr im alten Quartier in
St.Souplet im Kuhstall „Villa Ostende“ Ankunft. Es gab sofort Kakao. Nachmittags von 2-5
am Bahnhof St.Souplet Unterstand bauen. Bombensicher und für den Winter einbauen.
Jeder Stand für 18 Mann berechnet. Mit Ablösung wird gearbeitet. Die Nacht famos ohne
Störung geschlafen.
Donnerstag,d.3. Dez.1914
Morgens von 8-11 Uhr im Regen weiter ausschachten. Nachmittags von 2-4 Uhr Hof
säubern und Misthaufen „in Ordnung bringen“. Dann Liebesgabenverteilung. Pro Mann 20
Zigarren ein PäckchenTabak,und Schokolade und Wollsachen.
Freitag, d. 4.Dez.1914
Morgens von 8-11 Ausschachten von neuen Unterständen. Nachmittags 2 Uhr
Löhnungappell 2 … (10,60 M). 3 Uhr wurde der 3.Zug am Bahnhof St.Souplet photographiert
mit unserem Herrn Leutnant von einem Landsturmmann photographiert. Am Morgen wurde
die ganze Kompanie wieder mit sämtl. Offz. v.d. Landst. photographiert. 4 Uhr wurde die
Kompanie gegen Typhus geimpft. Am Abend bei Postverteilen gab es wieder 10 Zigarren
und 20 gute Zigaretten.
Samstag,d.5.Dez.1914
Morgens von ½ 9 Uhr an Anzug in Ordnung bringen, ebenfalls die Stiefel säubern. 2-3 Uhr
Gewehrreiningen. 4 Uhr Appell im Anzug und Gewehr. Abends wieder 10 Zigarren und 20
Zigaretten.
Sonntag,d.6.Dez.1914
Freiwilliger Kirchgang der kathol und evang. Mannschaften.Von 11 Uhr die 3+4 Komp.
Predigt großartig gefallen. Als Einleitung Sologesang v. einem Offiz. 1 Oberjäger und 1
Schützen ( Schütze ist Opernsänger) als Lied: „ Herre meine Seele“. Gemeinsamer Gesang:
„ Wir treten zum Beten“. Sologesang zum Schluß v. Offiz. und Oberjäger: „ Deutsche Völker
freuet… Jubelt laut Germania.“ Es wurde eine Kollekte abgefallen zum Besten der
Hinterbliebenen gefallener Kameraden.
Montag, d. 7.Dez 1914
Morgens von 8-11 Uhr Ausschachten an die neuen Unterstände. Nachmittags 2-5 Uhr
ebenfalls Erdarbeiten.
Dienstag, d. 8.Dez.1914
Abkommandiert an die Dreschmaschine (franz.) Weizen von 8-12 morgens. Von 2-5 Uhr
ebenfalls Dreschen. Abends Liebesgaben, Zigaretten und Zigarren.
Mittwoch den 9.Dez.1914
Abkommandiert zur Ortswache mußte sofort wieder wegtreten, da keine Arbeit da.
Donnerstag den 10.Dez 1914
Morgens 5 Uhr Abmarsch zu den Schützengräben der 107er links von den letzten
Stellungen. 7 Uhr Ankunft. Die Stellungen sind für sich gut, aber die Unterstände sind
miserabel, fast durch alle tropft es. Unsere Bude trägt den richtigen Namen „Militär
Brausebad“, Tag und Nacht geöffnet. Andere wieder heißen: „ Zur Tropfsteinhöhle“ und auch
„Sanatorium für Lungenkranke“. Nachmittags von 12-2 Uhr Beobachtungsposten unserer
Gruppe. Der franz.Vorposten ist gut zu sehen.
Freitag,d. 11.Dez-1914
Morgens von 4-6 Uhr Beobachtungsposten. Abends von 8-10.15 Uhr Schützenschleier und
von 2.45 – 5 Uhr saumäßiges Wetter.
Samstag, d.12.Dez 1914
Morgens starkes Schießen v.d. franz. Artillerie.
Montag, d. 14.12.1914
Sehr schönes Wetter. Artilleriekampf auf beiden Seiten. Abends Schützenschleier von ½ 6
bis 8 Uhr und von ½ 1 bis 2.45 Uhr, wieder durchnäßt.
Dienstag, den 15.12.1914
Dezembergewitter
Mittwoch, den 16.12.1914
Trübes Wetter
Donnerstag, den 17.12.1914
Sehr schönes klares Wetter
Freitag, d. 18.12.1914
Frostwetter. Von ½ 2 bis ½ 4 Uhr morgens Posten; wieder Sturm und Regen.
Samstag, d. 19.12.1914
Klares Wetter
Sonntag, d. 20.12.1914
Wieder naßes Wetter. Am Abend von 8-10.15 Uhr Schützenschleier im schlimmsten Regen.
So ein Schleier noch nie erlebt. Wir müßen besonders gut aufpassen. Von der Division
gemeldet, daß die Franzosen voraussichtlich angreifen. Franz. haben ihre Drahthindernisse
schon durchschnitten! Man hört auf Posten von den Franzosen Wagengerassel,
Kommandos etc. Im Schützengraben selbst doppelte Sicherheit.
Montag, d. .21. Dez.1914
Morgens früh ½ 7 Uhr aus den Schützengräben abgelöst durch 107er Inf. Wir waren über
alle Maßen froh und glücklich, daß wir aus der Tropfsteinhöhle herauskamen. Um ½ 9 Uhr
Ankunft in St.Souplet in der Mühle. 3. Komp muß hier die z.Teil fertigen Unterstände
beziehen, unsere Gruppe bekommt einen sehr feinen Stand; kaum sind wir eingezogen, ist
starker Kanonendonner vernehmbar und um 11 Uhr kommt der Befehl zum Abrücken, es
geht in Stellung der 133er Inf zu. Leider 5. und 6. Division schon erfolglos angegriffen und
sind die Angriffe am Drahtverhau zusammengebrochen. Gegen 3 Uhr Ankunft an der
Res.Stellung der 133er. Die 4. Und die 1. Komp. mußte sofort einschwärmen, da die
Franzosen schon einen Graben besetzt haben, die Komp. kommt aber nicht mehr zum
Angriff, die Res.der 133er stürmten den Graben wieder und nahmen so ca. 200 Franzosen
gefangen, welche kurz darauf an uns vorbei geführt wurden. Die meisten waren verwundet.
Die Inf. hatte wenige Verluste. Wir müssen in unserer Stellung bleiben; am Abend
bekommen wir sehr starke Artillerie: Feuer, Granaten und Schrapnells platzen unmittelbar in
unserer Nähe von uns. Eine Granate Blindgänger saust 3 M von uns in die Erde; erst spät in
der Nacht ist alles ruhig. Die Nacht, die ich da verlebt habe, ist mir unvergeßlich, naße und
kalte Füße, unbeschreiblich gefroren, schlafen konnte man ja nicht. Lebensmittel hatten wir
keine mitgenommen. Um1/2 1 Uhr nachts kommt eine Feldküche, … aus Trinkbechern
wurde gegessen, auch gab es für jeden Kaffee. Gegen 5 Uhr morgens (22.12.1914) kommt
auch Brot und Speck und Liebesgaben-Zigarren. 1 Uhr in der Nacht wurde auch die
gefallenen Kameraden v. 133er in der Nähe von uns begraben.
Dienstag, den 22. Dez. 1914
Mittags um ½ 12 Uhr Abmarsch in die Quartiere, gegen ½ 2 Uhr Ankunft, sofort Mittagessen
und Kaffee und geschlafen bis
Mittwoch, d. 23.Dez. 1914
Morgens 8 Uhr bis ½ 9 Uhr Antreten der Komp. zum Quartier in Ordnung bringen.
Donnerstag, d. 24.Dez.1914
Morgens von 8-12 Uhr am Bahnhof Unterstände bauen, ich blieb zurück, um unser Quartier
auszuschmücken und den Weihnachtsbaum fertig zu machen. Nachmittags 2 Uhr Empfang
von Liebesgaben (Weihnachtssachen) aller Art, großartig. Abends 6.30 Uhr Weihnachtsfeier
des Batl in der Scheune. In der Scheune alles ausgeschmückt mit Tannenbäumen… viele
Lichter brennen,in der Mitte ein 10 M hoher Weihnachtsbaum, der Anblick einfach blendend,
heimatlich. Eine Bühne ist errichtet, worauf nun die Batl Kapelle spielt. Der Feldprediger
erscheint um 6.45 Uhr, er predigt von der Geburt Jesu Christi und in den Zwischenräumen
spielt die Musik passende Stücke dazu. Die Feier selbst ergreifend. Unser Major, welcher am
23.12.14 zum Oberstleutnant befördert wurde und heute am heil. Abend den Befehl
bekommt, das 87er Regiment beim 8.Korps zu führen, hält eine kurze Ansprache –
Abschiedsrede – worauf er sich die Tränen unterdrücken konnte, er sagte: „Ich scheide mit
blutendem Herzen vom Batl.“ und zum Schluß: „Lebt wohl Garde-Schützen, Gott mit Euch.“
An dem Weihnachtsfest nahm er noch teil. Das Weihnachtsfest wurde auch noch in unserer
Gruppe gefeiert: Der Baum wurde angezündet, viele schöne Weihnachtslieder gesungen.
Auch wurde von Hermann Hemmerzell + Eugen Wirth schöne Gedichte vorgetragen. Unser
Hauptmann mit dem 3. Zugführer besuchten um 8.15 Uhr die Quartiere + und wünschten uns
ein frohes Weihnachtsfest. Bis Abends 11 Uhr haben wir gefeiert und uns dann schlafen
gelegt. Den ganzen Tag über und auch des Nachts mußten wir in Bereitschaft liegen, sofort
fertig zum Abmarsch, weil den ganzen Tag, bis noch spät Abends Kanonendonner,
Gewehrfeuer ist + und die Franzosen überall angreifen. Mein Weihnachtspaket empfing ich
auch gerade glücklich + wurde feste schon gefuttert.
Freitag, d. 25. Dez 1914 (Weihnachten)
Schönes Frostwetter, alles reifig.
Samstag, d.26.Dez 1914
Morgens 9 Uhr Antreten des Batl. Abschied vom Major. Die Musik spielt in der Form: „Ich
hatt einen Kameraden“. Der Major (jetzt Oberstleutnant) geht durch die Reihen, bis zum
fertigstehenden Auto. Als sich das Auto in Bewegung setzt, erscholl vom ganzen Batl. Ein
dreifaches :“Horrido-Joho!“
Sonntag, d.27.Dez 1914
Wieder Regenwetter
Montag, d.28.Dez 1914
10 uhr Gewehrappell + Waffenreinigen. Nachm gegen 2 Uhr Impfen gegen Typhus.
Bereithalten zum Abmarsch.
Dienstag, d. 29.Dez.1914
Morgens 9 Uhr. Abmarsch durch St. Souplet, Marie a. Py, Sommpy, bis Tahure ( 15 km
Marsch) ½ 1 Uhr Ankunft. Quartiere in einer Scheune. Hier alles rheinische Regimenter;
vorläufig 8.Korps, 16 Division zugeteilt. Nachmittags einen Barmer von der Kemnastr.
Getroffen namens Wilf. Kammann von 9.Komp. Inf. Reg 29.
Mittwoch, d. 30. Dez.1914
Artilleriekampf. Hier in Tahure noch 30 franz. Zivilbevölker.
Schluß des Kriegstgb. Hier in Tahure erlitt Ernst Lorenz den Heldentod, Hermann Störte
einen Schuß durch das Schulterblatt und mein Bruder Fritz eine Verwundung (Schuß) am
rechten Oberschenkel; er wurde nach Rethel gebracht, wo er seiner Verwundung am
15.Januar 1915 erlag.
A.Isbg
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