Heidenheimer Zeitung 1.2.2016 Kreis Heidenheim Unesco-Welterbe: Gute Chancen für Eiszeithöhlen Die Eiszeithöhlen im Lonetal und Achtal sollen Unesco-Weltkulturerbe werden. Ganz oben auf der von deutscher Seite eingereichten Liste stehen die im Kreis Heidenheim liegenden Höhlen und in Heidenheim zeigen sich die Experten sehr zuversichtlich. erwin bachmann | 01.02.2016 23 02 Foto: Oliver Vogel Auftaktveranstaltung "Eiszeit-Mammut-Welterbe" im Einkaufszentrum Schlossarkaden Heidenheim Dass die Zuversicht groß ist, zeigte sich gestern in Heidenheim, wo sich Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft, Politik und Kultur eingefunden hatten, um ein nicht nur für diese Region gewichtiges Datum zu feiern: Just am selben Tag endete die Frist für einen Antrag zur Ernennung zum Weltkulturerbe bei der Unesco in Paris – und ganz oben auf der von deutscher Seite eingereichten Liste stehen bekanntlich die vor der Haustür Heidenheims liegenden Eiszeithöhlen im Lone- und Achtal. Prognosen von Experten aus Wissenschaft, Kultur und Politik Den damit verbundenen Beginn der entscheidenden Phase hat ein aus den Schloss Arkaden, dem Heidenheimer Dienstleistungs- und Handelsverein (HDH) und dem Förderverein Eiszeitkunst im Lonetal bestehendes Aktionsbündnis zum Anlass genommen, das ohnehin schon breit in der Bevölkerung verankerte Thema plakativ in die Öffentlichkeit zu bringen. So begleitet das Einkaufs-Center die Antragstellung in Paris jetzt mit einer populär ausgerichteten Präsentation, in deren Rahmen bis zum 6. Februar auch der ElfenbeinSchnitzer Bernhard Röck einen Stand hat. Die Auftaktveranstaltung fand in Form einer von Dr. Manfred Allenhöfer – Vorstandsmitglied des Fördervereins – moderierten Gesprächsrunde verschiedener Protagonisten dieser Sache statt, die für so viele schon zur Herzenssache geworden ist. Auf politischer Bühne findet das Unternehmen „Welterbe“ unter anderem von Kultusminister Andreas Stoch Unterstützung, der sich von der Ausweisung als Weltkulturerbe viel verspricht. Dabei spielen auch touristische Aspekte eine Rolle, wenngleich der erst jüngst zum Vizepräsident der bundesweiten Kultusministerkonferenz gewählte SPD-Mann gestern dazu aufrief, solche Fundstätten, die „Teil des Stolzes auf unsere Identität“ sein könnten, würdig zu präsentieren und nicht zu Freizeit-Attraktionen nach dem Muster von Disneyland zu machen. Tübinger Prähistoriker ist sehr optimistisch Seine Einschätzung, dass man mit sehr guten Chancen ins Antragsverfahren geht, wird auch von wissenschaftlicher Seite geteilt. Der Prähistoriker Prof. Nicholas Conard von der Universität Tübingen – Entdecker der weltweit ältesten Kunst – hat ständig Kontakt mit der Weltkulturerbe– Kommission“ und zeigte sich „sehr, sehr optimistisch, dass wir 2017 gemeinsam feiern werden“. Der in Gestalt des Elfenbein-Mammuts von der Vogelherdhöhle, der Venus vom Hohlenstein und des Löwenmenschen aus dem Hohlenstein-Stadel daherkommenden figürlichen Kunst maß der Experte ein „unglaubliches wissenschaftliches“, darüber hinaus aber auch ein erhebliches ästhetisches Gewicht bei. International anerkannter Archäologe ist auch Prof. Dr. Harald Floss, nach dessen Einschätzung künftig noch einiges zu erwarten ist, was in die Ahnengalerie der Kunst Eingang finden kann. Der Tübinger Eiszeit-Kenner wies darauf hin, dass man derzeit dabei ist, im Lonetal und in kleinen Nachbartälern potentiell neue Fundstätten zu erschließen. Auch auf der Hochfläche der Alb, er nannte die Gegend um Börslingen im Alb-Donau-Kreis, gebe es Hinweise auf neu Fundstellen aus der Zeit des Neandertalers. Die weit in der Vergangenheit liegende Antwort auf seine Frage wird sich erst in Zukunft ergeben: „Wer weiß, was noch alles gefunden wird, vielleicht noch etwas Älteres?“ Prof. Claus-Joachim Kind vom Landesamt für Denkmalpflege war verantwortlich für die Abfassung des 900 Seiten umfassenden Weltkulturerbe-Antrags und hatte dabei von Anfang an darauf geachtet, dass dies nicht in einem isolierten Elfenbeinturm, sondern in einem großen Verbund geschieht. Die Steinzeit ist das Spezialgebiet des Prähistorikers, der sich erfreut zeigt, dass die Eiszeitfiguren und die damit verbundene Thematik nicht allein wissenschaftliche Kreise zieht, sondern bei der Bevölkerung angekommen und dort große Wertschätzung genießt. Zu den Chancen, in Paris zum Zuge zu kommen: „Wie ich hörte, hat der Antrag bei der Unesco Eindruck gemacht.“ Unesco-Antrag gleicht einem Ritterschlag Das gemeinsame Bemühen – „das Wir macht uns stark“ – hob gestern auch Hermann Mader hervor. Als der frühere Heidenheimer Landrat vor nunmehr zehn Jahren den Förderverein Eiszeitkunst im Lonetal mit gegründet hatte, war dem heutigem Vorsitzenden dieses Vereins die Tragweite des Handelns noch nicht bewusst. „Ich habe damals nicht geglaubt, dass dieses Thema einmal diese Bedeutung erlangen könnte,“ bekannte Mader, der zu den Motoren der Eiszeit-Bewegung zählt. Heute spiele man damit in der Champions-League, so der Redner, der allein die jetzt erfolgte Antragstellung bei der Unesco als eine Art Ritterschlag sieht. Für ihn steht außer Frage, dass man die Kulturdenkmäler gut in Szene, das Lonetal richtig vermarkten muss: „Und dazu zählen Erlebnisse.“ Wie es gelingen kann, das Mammut von der hochwissenschaftlichen Seite auf die emotionale Schiene zu bringen, es begreifbar zu machen, zeigt der HDH, der in Anlehnung an seine erfolgreiche Schaf-Schau bei der Landesgartenschau 2006 erneut eine so publikumswirksame Aktion inszeniert hat. Hüter der aus 35 Einzeltieren bestehenden Mammutherde ist Ulrich Grath vom Handelsverein – die Objekte selbst sind in den Schloss Arkaden ausgestellt, wo man jetzt das schönste Mammut wählen kann. Über weit darüber hinaus gehende Vermarktungs-Möglichkeiten denkt Wolfgang Koller nach. Er ist Geschäftsführer der Initiative „Welt-Kultur-Ursprung“ – eine Dachmarke, unter der sich bedeutende Fundhöhlen und die regionalen Präsentationsorte zusammengeschlossen haben. „Wir verstehen uns als Netzwerk für das gesamte Thema,“ sagte Koller und kündigte an, dass die Schloss Arkaden vom 25. April bis 7. Mai auch Schauplatz der gleichnamigen Ausstellung „Welt-Kultur-Ursprung“ sein wird, die gleich nach ihrer Erstpräsentation in Heidenheim gezeigt wird. War denn der Mammut-Schnitzer wirklich ein Mann? Immer ist ausdrücklich von „ihm“, also einem Mann die Rede, der das 40 000 Jahre später zur Weltberühmtheit gewordene Mammut geschnitzt hat. Aber war es wirklich ein Mann? Und stets wird in das einmalige Fundstück das Gleiche hineininterpretiert. Aber war dieser weltweit erste Beleg für figürliche Kunst wirklich das, für das er von der Wissenschaft gehalten wird? Vielleicht war alles doch ganz anders, flüsterte gestern eine Besucherin des Symposiums in den Schloss Arkaden dem ganz der Wissenschaft zugeneigten Journalisten ins Ohr. Und hatte auch gleich eine der gängigen Lehrmeinung voll widersprechende Vermutung parat: „In Wirklichkeit war das kleine Mammut von einer Frau gemacht – und nur als Einkaufszettel für den Mann gedacht...“ bm