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http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=3337
Zwiespältiges zu Syriza
(25.2.2015) Die griechische Regierung appelliert an alle, ihr Zeit zu geben und nicht vorschnell zu behaupten, Syriza breche
Wahlversprechen oder verrate eigene Ideale. Doch Diskussionen mit Vertretern der griechischen Linken hinterlassen einen
zwiespältigen Eindruck, wie etwa bei einer Veranstaltung mit dem Syriza-Umweltsprecher Giorgos Chondros in Wien zu
bemerken war.
Eingeladen hatte die Wiener KPÖ, man drängte sich im größeren Raum des Café 7Stern in Neubau, teilweise stehend und
phasenweise in emotionsgeladener Atmosphäre. Denn manche wollten schon jetzt den Stab über Syriza brechen, weil die
griechische Regierung sich nun doch mit der EU-Troika geeinigt hat und Reformen im Interesse der Bevölkerung nur langsam
anlaufen. Ein Besucher erinnerte aber an den Putsch in Chile 1973 und daran, dass damals linke Proteste eine unheilvolle Rolle
spielten, weil sie letztlich zur Destabilisierung und zum Umsturz beitrugen, bei dem die CIA und mit dieser verbündete Teile
des Establishments die Fäden zogen.
Dieser Genosse meinte, er sei immer auf der Seite der griechischen Kommunisten gewesen, frage sich nun aber, wo sie waren,
als die Menschen für die neue Regierung (und gegen den Druck der EU) auf die Strasse gingen. Er findet es falsch, dass jetzt die
KP gegen die Regierung demonstriert, weil das nur jene stärkt, die diese loswerden wollen. Die KP bringt im Parlament einen
Antrag auf Gesetzesänderung ein, der alle Gesetze aufheben soll, die Syriza beantragte. Typischerweise waren solche Einsichten
aber bei jenen Genossen, die diesen Begriff auf die KPÖ beziehen, am Abend des 24. Februar die Ausnahme. Es sind eher (nicht
nur) Linke, welche sich keiner Partei zugehörig fühlen, sich aber intensiv mit Politik auseinandersetzen, denen Interessen,
Einflüsse, Kräfte und die wahren Machtverhältnisse bewusst sind.
Bei einer linken Regierung in der EU sollte jede/r, die/der sich als links versteht, ja daran denken, dass (auch in Griechenland
selbst) die sogenannte containment policy ("Eindämmung des Kommunismus in Westeuropa") der USA umgesetzt wurde. Mit
Infiltration, Desinformation, Journalisten und Politikern auf der Payroll und nicht zuletzt mit Gladio - siehe z.B. Italien, wo der
Chef der Christdemokraten Aldo Moro seine Bereitschaft, mit der KP zusammenzuarbeiten, mit dem Leben bezahlt hat. "Links"
ist aus Sicht der USA und ihrer Geheimdienste alles, was unabhängig und nicht für amerikanische Konzern- und
Hegemonialinteressen, sondern für die eigene Bevölkerung Politik machen will. So wurden auch die Sozialdemokraten und die
Grünen zurechtgebogen, wobei es hier immer noch Ausnahmen gibt, die sich nicht beugen und instrumentalisieren lassen
wollen. Ebenso leisten integre Konservative dem aufoktroyierten Kurs Widerstand, sowohl außen- als auch wirtschaftspolitisch.
Die Kernfrage ist also, wie man Syriza solidarisch kritisieren kann, damit diese Bewegung nicht in einer Doppelmühle gefangen
ist: passt sie sich an, folgt sie neoliberalem Diktat inklusive Teilhabe an der NATO-Aggression gegenüber Russland. Die
leidende Bevölkerung würde mit leichten Verbesserungen ihrer Lage beruhigt werden, Wesentliches würde sich jedoch nicht
ändern. Oder Syriza hält Druck stand und unterbindet Versuche der Kanalisierung und Infiltration, dann wird umso mehr alles
getan, um diesen Störfaktor in der EU zu eliminieren. Die dritte Möglichkeit ist die Ausweitung einer von Griechenland
ausgehenden Bewegung, die in allen Ländern auf jene bauen könnte, die für Souveränität gegenüber den USA und Politik für
die Bevölkerung eintreten.
Es scheint, dass die österreichischen Kommunisten noch nicht erkannt haben, wo die hauptsächlichen Probleme liegen und
dass es bereits Menschen gibt, die sich ihnen stellen. Wahrscheinlich kann man die steirische KPÖ davon ausnehmen, da sie seit
Jahren konkret politisch arbeitet. Diesen Umstand hat sie der Tatsache zu verdanken, dass der auch persönlich sehr engagierte
Gemeinderat Ernst Kaltenegger das traditionelle eine Mandat in Graz zu mehreren ausbauen konnte und dann den Sprung in
den Landtag schaffte. Mit einer theoretisierenden KPÖ wäre ihm das nie gelungen, was ihm aber von manchen auch den
Vorwurf einbrachte, zu populistisch zu sein. Menschen, denen er half, weil sie unter ungerechtfertigt hohen Mieten litten,
werden das bestimmt anders gesehen haben.
Giorgos Chondros warnte, dass es "einen Rückfall für Jahrzehnte für die europäische Linke bedeutet, wenn diese Regierung
scheitert", wobei er grosse Hoffnungen auf eine ähnliche Regierung in Spanien setzt. Die dortige Bewegung Podemos ist
allerdings nicht aus einem Bündnis langjährig aktiver Linker hervorgegangen, sondern hat sich im Zuge der sozialen Proteste
gebildet. Gäbe es zwei linke Regierungen in der EU, wäre es leichter, Forderungen gegen den bisherigen Kurs der Union zu
vertreten. Wenn man es so pessimistisch sieht und fast alles von Syriza abhängig macht, blendet man allerdings aus, dass auch
in bestehenden (Regierungs-) Parteien die Unzufriedenheit über die herrschende Linie gross ist, oft jedoch nicht offen darüber
diskutiert wird. Für diese kritischen Kräfte mag Syriza Ermutigung bedeuten, es kommt aber vor allem auf sie selbst an.
Chondros verwies auf die Geschichte der griechischen Linken, die "immer aus der Bevölkerung heraus agierte". So stand die
größte Gruppe im Widerstand gegen die Nazi-Besatzung unter Führung der KP, es war ein breites Bündnis (man machte dann
aber, wie ein Besucher anmerkt, den Fehler, die Waffen abzugeben, was zur weiteren Entwicklung Griechenlands beitrug). "Die
Versöhnungspolitik mit der anderen Seite hat Tradition", erklärt Chondros, deshalb redet Syriza auch mit allen; und schliesslich
braucht man ja die Unterstützung der gesamten Bevölkerung. Chondros appelliert an das Publikum, es solle "Griechenland
nicht mit normalen Maßstäben messen", denn es ist nun mal kein normales Land, es ist nicht mehr Griechenland vor 2010 oder
wie Österreich; "es ist wirtschaftlich und sozial vollkommen demoliert, auch gesellschaftlich".
Es muss aber wohl gewisse Normen geben, die allgemeingültig sind und die man von der Beschreibung eines Zustands
unterscheidet. Wenn Griechenland vollständig außerhalb eines Bezugsrahmens eingeordnet wird, der uns vertraut sein sollte,
lässt sich auch viel schwerer Verbindlichkeit für Griechenland und auch für uns fordern. Man darf nicht vergessen, dass die
Machtdurchsetzung der USA darauf beruht, sich selbst von internationalem Recht zu distanzieren, sich über die UN-Charta
und Konventionen betreffend z.B. Menschenrechte zu stellen. Dies machte Präsident Obama jüngst in einem Interview bei Vox
klar, wo er sich zur Anwendung von Gewalt in internationalen Beziehungen bekannte. Zwar stellt die die Drohung mit Gewalt
und deren Anwendung einen Verstoss gegen die UN-Charta dar, doch bislang sehen EU-Staaten dabei weg oder machen mit,
etwa Deutschland. In einem Papier mit dem Titel "Realitätscheck: Russische Behauptungen - unsere Antworten" (die "Junge
Welt" veröffentlicht den gesamten Text, ich kommentiere ihn hier) begründet das Außenamt die Sanktionen gegen Russland
mit besagtem Passus der UN-Charta, schweigt aber, wenn man wissen will, was gegen Verstösse durch die USA unternommen
wird.
Im Zusammenhang mit Griechenland (und anderen Staaten) bedeutet internationales Recht und dessen Gültigkeit, dass
niemand die Souveränität untergraben darf. Nun spricht aber Chondros selbst von "Vormundschaft" für sein Land, ausgeübt
von der EU-Troika, mit der man sich nun unter anderem darauf geeinigt hat, die Anzahl der Ministerien von 16 auf 10 zu
reduzieren. Als Sparmaßnahme ist derlei natürlich nicht geeignet, sondern bestenfalls ein populistischer Gag, sodass die
Funktion eine andere ist: Griechenland nachdrücklich klarzumachen, dass es nicht souverän regiert wird. Wenn Chondros
Griechenland als "Versuchskaninchen" für den Abbau des Sozialstaates in der EU betrachtet, so kann dies nur ein Teil der
Wahrheit sein, da es um den Ausbau der Kontrolle der USA (in denen Finanzinvestoren und Konzerne das Sagen haben) über
Europa geht. Können in einem Land, dem andere vorschreiben, wieviele Ministerien es hat (es muss dem "freiwillig"
zustimmen), Minister so regieren, wie es die eigene Verfassung vorsieht? Da geht es nicht um den "Sonderfall" Griechenland,
sondern um demokratische Grundprinzipien.
Chondros warnt davor, Griechenland und Syriza falsch zu beurteilen, und erklärt den Österreicherinnen und Österreichern,
dass es in seinem Land auch keinen Mittelstand mehr gibt, was man sich hierzulande ja wirklich kaum vorstellen kann. Es ist
aber genau der richtige Maßstab zu fragen, wer wirklich entscheidet und wie weit dies von der Bevölkerung entfernt ist, von
der in Demokratien alles Recht ausgehen soll (siehe Artikel 1 der österreichischen Verfassung). Es wäre bereits zu weit, wenn
Abgeordnete opportunistisch und naiv agieren, ohne dass sie - ob es ihnen bewusst ist oder nicht - am transatlantischen
Gängelband hängen; doch dann spielen die Interessen der Bevölkerung nicht einmal mehr im Ansatz eine Rolle. Anders als
Chondros und viele andere bei der Diskussion meinten geht es nicht einzig um linke Regierungen, sondern um solche, die nicht
in transatlantische Seilschaften verwickelt sind. Unabhängige Bürgerliche sind besser als Pseudolinke, die von den USA am
Nasenring geführt werden, und unabhängige Linke müssten sowieso überall dabei sein. Dazu gehört auch, die
Sozialdemokratie wieder nach links zu rücken, was bedeutet, sie vom transatlantischen Einfluss zu befreien. Wer in Österreich
das Sagen hat, wird z.B. an der Nicht-Reaktion auf Handy-Totalüberwachung durch NSA und GCHQ deutlich.
Sicher wird viel Falsches über Syriza in den Medien behauptet, etwa dass die Partei Griechenland aus der Eurozone nehmen
wolle (auch Unterstellungen wie: Syriza erpresst Geld mit hungernden Kindern kommen vor). Richtig ist aber - wie man auch
den Aussagen von Chondros entnehmen kann -, dass vieles nur "gestoppt" oder "nicht weiterbetrieben" wird, etwa
Privatisierungen, die konkret bedeuteten, Infrastruktur zu verschenken, die jede nächste Regierung brauchen würde, um
Einnahmen zu verzeichnen. Was Rüstungsbeschaffungen betrifft, die trotz Krise ungebremst weitergingen, legt das
Verteidigungsministerium nun die Verträge offen. Als Österreicher/in denkt man da unweigerlich an die Eurofighter und
weiss, dass Ausstiegsklauseln so eine Sache sind und Griechenland wohl nur den Kurs ändern kann und darauf verzichten
wird, neue Ausgaben zu tätigen, aber eingegangene Verpflichtungen kaum loswerden kann.
Viele griechische Familien waren ohne Strom, was sich zumindest in der Region Attika geändert hat, wo bei den
Kommunalwahlen ebenfalls Syriza gewonnen hat. Waren bisher rund die Hälfte aller Griechinnen und Griechen nicht mehr
krankenversichert, so werden sie seit dem 26. Jänner kostenlos behandelt. Davon profitiert auch Chondros selbst, bei dem sich
zwar "materiell nichts geändert hat", der aber jetzt nicht mehr darauf angewiesen ist, dass "Genossen von der KPÖ" in
Österreich mit ihm solidarisch sind und ihn hier medizinisch versorgen. Im Zuge der Sparpolitik wurden viele Personen
"ungerechtfertigt entlassen", zum Beispiel Reinigungspersonal und Schulwarte, die nun wieder eingestellt werden. Der von der
letzten Regierung über Nacht geschlossene öffentliche Rundfunk wird wieder installiert, sagt Chondros, denn die Regierung ist
der Ansicht, dass Information ein Gemeingut sein muss.
Wenn behauptet wird, dass Griechenland ohnehin einen aufgeblähten öffentlichen Dienst habe und nun noch mehr Leute
einstellen wolle, so ist das falsch, erklärt Chondros. Denn der Anteil des öffentlichen Sektors war nie höher als anderswo in der
EU, und die Neuaufnahmen erfolgen in Bereichen, wo dringend Personal benötigt wird, wie in Spitälern und im Bereich
Bildung. "Außerdem verdienen die Griechen ohnehin weniger", was vielleicht auch deutlich macht, warum uns gering
erscheinende kolportierte Summen als Mindestlohn nicht ganz so wenig sind (er soll stufenweise auf 751 Euro angehoben
werden). Wichtig ist die Änderung des Steuerrechts, denn "die Reichen müssen zur Kasse gebeten werden", sie müssen die
Krise bezahlen. "Natürlich ist keiner von uns wirklich zufrieden, denn wir wollten alles haben", gesteht Chondros ein, der vor
der Wahl bei Veranstaltungen in Deutschland und Österreich immer wieder betonte, dass die absolute Mehrheit das Ziel ist
(geworden sind es 36%).
Man müsse sich "über die Kräfteverhältnisse im Klaren sein", und letztlich lastet alles auf Regierungschef Alexis Tsipras und
Finanzminister Yanis Varoufakis. Gefragt nach fehlenden Reparationszahlungen und einem Ersatz für Zwangskredite während
des Zweiten Weltkriegs meint Chondros, dass dies ein "offenes Thema" zwischen Griechenland und Deutschland ist. Diese
Diskussion werde geführt, anscheinend aber nicht so offensiv, als dass man davon etwas mitbekäme (sodass bei
Veranstaltungen immer jemand diese Frage anspricht). Eine Vertreterin von Podemos erhofft sich anscheinend Unterstützung
von Syriza und den Anwesenden, denn die Bewegung müsse die Zeit bis zur Wahl überbrücken und dann gewinnen auch im
Interesse der Linken in Europa. Denn wenn zwei Länder links regiert werden, macht das die Eliten nervös; so sieht es auch
Chondros.
Innerhalb der Linken gibt es eine Diskussion, ob Syriza nicht Wahlversprechen breche, wenn das Bündnis nicht für einen
Austritt aus dem Euro eintritt (dafür sind manche bei Syriza). Eine Besucherin engagiert sich bei Transform und meint, der
Spielraum für eine linke Regierung in der EU gehe ja wohl gegen Null. Dem widerspricht Chondros, denn "sie kann so weit
gehen wie wir es ihr ermöglichen". Zum Teil wird die Debatte auch innerhalb der Linken so geführt, "als ob jetzt alles möglich
ist", doch man legt Syriza Steine in den Weg, wo es nur geht. So fand die Wahl zum schlechtestmöglichen Termin (vorverlegt)
statt und war für die frühere Regierung und für Merkel und Schäuble "fast eine win-win-Situation".
Wenn Syriza siegt, ist die neue Regierung in ein paar Monaten sowieso weg vom Fenster, weil sie unter dem Druck der EU
nichts verwirklichen kann, dachte man. Und wenn die alte Regierung gewonnen hätte, wäre alles wie gehabt gewesen. Nach
der Wahl wollte die EU sofort den Geldhahn zudrehen und man machte den Menschen Angst, dass Syriza ihnen ihre
Ersparnisse wegnimmt, sodass in den ersten Wochen über 22 Milliarden Euro bei griechischen Banken abgehoben wurden. EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte ganz offen, dass er davon ausgehe, auch in der nächsten Regierung
"freundliche Gesichter", also seine "Freunde" zu sehen.
Wie auch Podemos kritisiert eine Besucherin, dass es keine Ministerinnen in der Regierung Tsipras gibt, was eine fatale Optik
erzeugt. Chondros reagiert ungehalten und erklärt, dass der Regierung "Unterministerinnen" angehörten, welche die gleichen
Rechte hätten wie Minister. Dann ist es schlecht kommuniziert, erwidert die Frau, doch Chondros schiebt den Medien den
schwarzen Peter zu. Gerne hätte ich ihn und die anderen im Raum darauf hingewiesen, dass als als "Frauen sind nur
Staatssekretärinnen" und "das sollen Linke sein?" rüberkommt, weil ich diese Kritik auch vor ein paar Tagen bei einer
Diskussion über das frauenpolitische Erbe Johanna Dohnals gehört habe. Doch Chondros will davon nichts wissen, obwohl
man in Österreich und Deutschland mit dem Begriff "Unterminister" nichts anfangen kann und keine Nicht-Minister kennt, die
Ministern gleichgestellt sind.
In Österreich bezeichnet Staatssekretär eine Person, die zwar einen Minister vertreten kann, jedoch diesem weisungsgebunden
ist und kein Stimmrecht im Ministerrat hat. Deutschland hat sowohl beamtete Staatssekretäre als auch parlamentarische
Staatssekretäre; doch Chondros meint in Wirklichkeit Vizeminister, die es bereits bei früheren Regierungen gab. Eine Übersicht
über die neue griechische Regierung zeigt, dass es zum Teil sowohl Vizeminister(innen) als auch Staatssekretäre gibt, aber nur
zehn Ministerien und ebenso viele Minister. Man diskutiere in Griechenland selbst eher über die Größe der Regierung, sagt
Chondros, der zu "den wirklich wichtigen Themen" übergehen will. Klar, denn selbst wenn man in wenige Ministerien viele
Kompetenzen packt, fragt sich, warum dann nicht fünf Ministerinnen und fünf Minister ernannt werden.
Florian Rötzer setzt sich mit der "Revolte gegen den Krawattenzwang" bei Syriza auseinander, der ja nur darin besteht, Anzug,
aber meist keine Krawatte zu tragen, und schreibt: "Viril ist die neue Regierung auch deswegen, weil sie zwar die
Ministerposten löblicherweise auf 10 eingedampft, aber dafür keinen Platz mehr für eine Frau gefunden hat. Gerade einmal
fünf Frauen dürfen bei der Dominanz der linken Syriza in untergeordneten und wenig bedeutsamen Rollen von insgesamt 41,
wenn ich richtig gezählt habe, mitregieren. Maria Kollia-Tsaroucha ist Vizeministerin für Makedonien-Thrakien, Tasia
Christodoulopoulou ist Vizeministerin für Immigration, Eleni Kountoura ist Vizeministerin für Tourismus und Nantia Valavani
die Vizeministerin für Finanzen. Zoi Konstantopoulou ist Vorsitzende Parlaments. Im Global Gender Gap Index 2014 belegt
Griechenland einen nicht gerade rühmlichen 91. Platz, im Jahr zuvor war es noch Platz 81. Frauen sind in stärkerem Maße von
der Krise betroffen und Fragen der Gleichstellung gelten in ökonomisch schwierigen Zeiten mehr denn je als Gedöns. Ist das für
die griechische und europäische Linke kein relevantes Thema mehr?"
Apropos Optik: eine Frau moniert, dass Medien sich so sehr an Äußerlichkeiten klammern, statt Inhalte in den Mittelpunkt zu
stellen. Nun trägt aber Syriza selbst dazu bei, etwa mit dieser Episode: "Varoufakis' Durchschlagskraft zeigte sich vor Kurzem
bei einem Treffen mit 20 Großanlegern im Londoner 'Reform Club'. Dort herrscht Krawattenpflicht. Er weigerte sich - und die
gesamte Delegation zog in eine andere Location. Eigensinn überzeugt!" So berichtet "Woman" (13.2.2015) unter dem Titel "Ein
Mann mit Power(Frau)" über den neuen Finanzminister und seine Ehefrau Danae Stratou, die Künstlerin ist und aus einer
Industriellenfamilie stammt. Mit rasiertem Kopf, ohne Anzug, mit Lederjacke und Motorrad - so wird Yanis Varoufakis immer
wieder beschrieben und man zitiert aus seinem Blog, die stets gleichen Passagen ("Woman" und "Madonna", 21.2.2015, das eine
Samstagsbeilage zur Zeitung "Österreich" ist; Titel des Artikels dort: "Sie macht ihn stark!").
"Man hat mir oft geraten, den Mund zu halten. Doch mein Plan ist, solche Ratschläge zu ignorieren", schrieb Varoufakis etwa.
Stets das gleiche Bild von Stratou und Varoufakis wird in "Woman", "Madonna" und "Österreich" gezeigt (hier am 24.2. unter
einem Bericht über die zu spät an die EU geschickte "Reformliste": "Power-Frau an der Seite des Ministers"). Was diese Liste
betrifft, schreibt der Wirtschaftsblogger Oeconomicus: "Unter Bezugnahme auf einen PDF-Leak kommt zerohedge zu der
Annahme, dass besagtes draft aus der Feder von Declan Costello, einem Ökonomen aus dem Directorate General for Economic
and Financial Affairs of the European Commission stammen könnte." Er bildet das Dokument ab und meint dazu: "Damit
wären die zeitlichen Unstimmigkeiten hinsichtlich des verzögerten Eintreffens der Agenda hinreichend erklärt.
Wir erinnern
uns, aus dem griechischen Finanzministerium war zu hören, dass der erste Entwurf des Reformplanes am Montag um die
Mittagszeit nach Brüssel abgeschickt wurde, worauf es im Verlauf des Nachmittags eine Telefonkonferenz gegeben habe.
Nach
dieser tel. Abstimmung soll das Papier nochmals modifiziert worden sein."
Mit anderen Worten: die EU verfasst selbst, was Griechenland ihr vorlegt, und Oeconomicus, der Varoufakis immer wieder
gegen Medienkritik verteidigte, schreibt: "Sollte die vorliegende Reform-Agenda von der griechischen Regierung tatsächlich
umgesetzt werden, dürften so manche Hoffnungen bei der Bevölkerung schwinden und das bisherige goodwill für Syriza,
Tsipras und Varoufakis erheblich erschüttern." Wie Desinformationen über Syriza (oder über Russland und die Ukraine) und
die mediale Darstellung anderer Politiker, vom good boy Obama und seinen Vasallen bis zum bad boy Putin, wird nicht
zufällig auf bestimmte Weise berichtet, sondern man schafft Bilder, die sich verfestigen sollen. Man kreiert ein Rebellen-Image,
das tatsächlich zu einem Rebellen gehört, oder das von fehlender Rebellion ablenken soll. Ein echter Rebell mit Krawatte ist
allemal besser als ein Pseudo-Rebell, bei dem Kleidung etwas suggerieren soll, das keine Substanz hat.
Der Ex-NSA-Mitarbeiter Wayne Madsen schreibt: "For a finance minister who is to -- if we believe the dire warnings from the
corporate press -- challenge the austerity measures dictated to Greece’s previous failed conservative and social democratic
governments by the «Troika» of the IMF, ECB, and European Commission, Varoufakis has had a past close relationship with the
global entities with which he is expected to battle." Er ist, wie z.B. rumänische Politiker, mit jenen Netzwerken verbandelt, zu
denen der berüchtigte Investor und regime changer George Soros gehört. Daher meint Madsen: "The warning signs that
Varoufakis is a 'Trojan horse' for the global bankers are abundant. First, Varoufakis served as an economic adviser to the failed
PASOK social democratic government of Prime Minister George Papandreou, the man who first put Greece on the road to
draconian austerity measures. Varoufakis now claims that he was ardently opposed to Papandreou’s deal with the Troika but
no one will ever know how much the now-anti austerity finance minister agreed to while he was advising Papadreou on the
proper course of action to settle Greece’s enormous debt problem."
Und er rät Griechenland, sich an die Geschichte vom trojanischen Pferd zu erinnern und sich gegen trojanische Pferde in der
neuen Regierung zu wappnen. Der Autor Robert Misik, der für die SPÖ eine Diskussionsreihe unter dem Motto "Genial
dagegen" organisiert und auch sonst immer wieder von der Partei eingeladen wird, hat sich mit Desinformationen über
Griechenland befasst. Allerdings konstruiert er auch, dass Skepsis gegenüber Varoufakis etwas mit Antisemitismus zu tun
habe: "In den dunklen Seiten des Internets, rechter Blogs und Springers Kampfpostillen ist gerade kein 'Argument' blöd genug,
um die Schrecklichkeiten der Syriza-Minister anzuprangern. Eine besonders lustige Variante durfte man dieser Tage erleben:
Da enthüllte ein antisemitisches Hetzblog, dass die 'Syriza-Regierung von George Soros kontrolliert' wird – weil Finanzminister
Yanis Varoufakis immer wieder anerkennend über den Investor, Mäzen und Denker Soros spricht."
Wahrscheinlich findet Misik ebenso wie Transatlantiker in der SPÖ und in Medien, für die er bezahlt schreiben darf, nichts
Schlimmes daran, dass Soros Putsche finanziert. Und deshalb spricht er auf diesem Weg eben auch "anerkennend über den
Investor, Mäzen und Denker Soros". Womit wir beim Thema SPÖ wären, die von der KPÖ gerne gegeißelt wird: "Alles Gerede
seitens sozialdemokratischer Politiker von einem notwendigen Kurswechsel in Europa ist Schall und Rauch. Weder das
Schulterklopfen Faymanns, des französischen Präsidenten oder des Parlamentspräsidenten Schulz hat dazu geführt, daß die
von Syriza auf die Tagesordnung gesetzte Richtungsänderung in der EU von diesen Leuten entsprechende Unterstützung
gefunden hätte. Mehr noch, Österreichs Finanzminister konnte sich unter den Augen Faymanns als Schoßhund unter die
Scharfmacher um den deutschen Finanzminister mischen.
Wie von der Sozialistischen Jugend vor die Entscheidung gestellt: Eine marktkonforme 'Demokratie' mit Merkel oder ein
solidarischen Europa mit Tsipras, hat sich Faymann mit traumwandlerischer Sicherheit für ersteres entschieden. Das sollten die
sozialistischen und sozialdemokratischen Freunde Syrizas nicht vergessen. Die Solidarität mit Griechenland kann nur zur
Konfrontation mit den Herrschenden führen." Autor Michael Graber geht zwar korrekterweise darauf ein, dass Syriza auch in
den Reihen der SPÖ einige Fans hat, verkennt aber die wahren Machtverhältnisse. Nicht Faymann bestimmt den Kurs der SPÖ
(oder kann als Kanzler so agieren, wie es die Verfassung vorsieht), sondern jene, die ihre Seele an die USA verkauft haben.
Was Hollande betrifft, scheint er - vielleicht wirkt der einstige unabhängige Kurs Frankreichs auch innerhalb der NATO doch
noch nach - aufrechter zu gehen als Schulz oder Merkel. Dies kann man anhand einer gemeinsamen Pressekonferenz von
Hollande und Merkel am 20. Februar erkennen, wo der französische Präsident dementierte, dass es (wie wieder einmal von
Poroschenko behauptet) russische Panzer in der Ukraine geben soll, während die Bundeskanzlerin einfach schwieg. Und Martin
Schulz erhielt zwar gerade einen Orden von Faymann für angebliche "Verdienste um die Republik Österreich", ergreift aber
sofort die Flucht, wenn man ihn auf die Einflussnahme der USA auf die SPÖ und die dabei angewandten Methoden anspricht.
Wie aber schreibt Michael Graber? "Die Regierungen und ihre Medien werden in den nächsten Wochen und Monaten mit
weiteren Konfrontationen seitens der griechischen Regierung zu rechnen haben. Denn Syriza wird den Druck der humanitären
Katastrophe und der griechischen Bevölkerung zum Unterschied von den früheren Regierungen nicht schlucken, sondern an
die europäischen 'Partner' weitergeben. Es wär falsch an dieser Entschlossenheit der Syrizaregierung zu zweifeln." Falsch
gedacht - es sind nicht "die Regierungen und ihre Medien", sondern Medien, die Interessen von USA und NATO dienen und
Politiker, die sich da ebenfalls zu unterwerfen haben. Wobei das Gefügigmachen der Politik durch Infiltration, Manipulation,
Überwachung, medialen, persönlichen und politischen Druck erfolgt (dieser ist oft öffentlich sichtbar, man denke an die Rolle
von Ratingagenturen, an Strafzahlungen und an den Druck, der durch US-Vasallen in Politik und Medien und unter Experten
auf politische Akteure ausgeübt wird).
Mirko Messner kommentiert unter dem Titel "Umfallen als Fortbewegungsart": "900.000 Unterschriften hat der ÖGB für eine
Lohnsteuerreform gesammelt, und es war auch ein Votum für sein Vermögenssteuer-Konzept. SPÖ-Chef Faymann hat unter
großem medialen Aufwand verlautbart, er übernehme die ÖGB-Forderungen in die SPÖ-Agenda, und hat sie zum Knackpunkt
der Verhandlungen mit der ÖVP erhoben. Die erste Andeutung, dass das alles nicht so ernst gemeint sei, kam vor einiger Zeit
vom Bundespräsidenten Fischer. Der 'Kompromiss' müsse im Verzicht auf Vermögenssteuern zugunsten von
Vermögenszuwachssteuern bestehen. Seitdem hat keiner der SP-Verhandler mehr ernsthaft von einer Vermögenssteuer
gesprochen. Und vor wenigen Tagen zeigte der Wiener Bürgermeister Häupl die Richtung an, in die sich die SPÖ diesbezüglich
tatsächlich bewegt: Weg von einer Vermögenssteuer, und – wie gesagt – hin zu einer Vermögenszuwachsbesteuerung. Damit
hat er lediglich wiederholt, was Fischer bereits 'geraten' hatte."
In meiner Wortmeldung frage ich all jene, die theoretisch kritisieren und Syriza gar keine Chance geben wollen, wie sie mit der
Situation der Regierungspartei SPÖ umgehen würden (auf ein PASOK-Schicksal - von 45% auf 4,7% bei den Wahlen 2015 - für
die SPÖ zu hoffen kann es ja wohl nicht sein). In der Partei haben derzeit Transatlantiker das Sagen; die Auswirkungen davon
merken alle (und sie betreffen auch uns alle), aber viele erkennen nicht, woran es liegt, kritisieren, dass Forderungen jahrelang
gestellt, aber nicht ernsthaft umgesetzt werden. Andere wiederum ahnen oder wissen, was Sache ist, haben aber keinen Plan,
wie man etwas ändern könnte. Und nicht wenige, nicht nur bei der Sozialistischen Jugend, sind vom Syriza-Wahlsieg begeistert
und wünschen sich mehr Syriza in der SPÖ. Soll man diese Menschen aufgeben und sagen, soll die SPÖ den Bach runtergehen?
Weil es um viel mehr geht, ist auch die Solidarität aller erforderlich, denn es geht um das Grundproblem wie auch in
Griechenland und anderswo: Souveränität erlangen, sich vom Druck der USA befreien.
Chondros meint, dass die Linken "eine offene und ehrliche Diskussion" mit der Sozialdemokratie führen müssten, zumal ja die
Sparpolitik in der EU nicht durchgeboxt worden wäre ohne die Zustimmung der Europäischen Sozialdemokraten. Man müsste
noch ergänzen, dass es ohne Sozialdemokratie (und Grüne) auch nicht den völkerrechtswidrigen Kosovokrieg gegeben hätte,
denn z.B. auf eine schwarzgelbe Koalition in Deutschland, die diesen gewollt hätte, wären die Reaktionen der Bevölkerung viel
heftiger gewesen. Wobei man aber auch feststellen muss, dass es mit der CDU und dem früheren Kanzler Kohl eine deutsche
Kriegsbeteiligung nicht möglich gewesen wäre. Wenn man Chondros aber auf die NATO anspricht (Syriza ist für den Austritt
Griechenlands), kommen nur vage Sager von wegen, man sähe am Ukraine-Konflikt, dass das Bündnis aus der Zeit des Kalten
Krieges seine Existenzberechtigung verloren hat und dass es bei diesem Thema einen "Nachholbedarf der linken Kräfte" gibt.
Das ist ein bisschen wenig, wenn es eine der wichtigsten, wenn nicht die zentrale Frage in der EU ist, von der alles andere
abhängt und deren entsprechende Beantwortung auch eine Abkehr vom neoliberalen Kurs mit sich bringt oder erleichtert.
Syriza könnte einmal anfangen, dies breit zu thematisieren, zum Beispiel über "Botschafter" wie Chondros, die für die
griechische Regierung bei Veranstaltungen in EU-Ländern werben, wo sie dann auch von Medien interviewt werden. Auch zur
Flüchtlingspolitik fällt diesem aber nicht mehr ein als dass man mit dem Ansturm, der oft in Griechenland oder Italien strandet,
solidarisch verfahren müsse. Dass man gegen jene auftreten muss, deren regime change-Strategien Tod, Flucht und letztlich
auch Tod auf der Flucht produzieren, scheint zumindest für Chondros ein abwegiger Gedanke, obwohl die argentinische
Präsidentin Kirchner so auf die x-te amerikanische "Koalition gegen den Terror" bei den Vereinten Nationen reagiert hat. Und
eben hat dies auch Delcy Rodriguez getan vor dem UN-Sicherheitsrat getan, die Außenministerin Venezuelas, eines Landes, in
dem ein Putschversuch scheiterte. Was sich Frauen trauen, sollte doch für eine linke Männerregierung nicht zu gewagt sein?!
Alexandra Bader
[email protected]
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