Thesen zum Workshop „Griechenland und die Europäische Union – welche Wege führen aus der Krise?“ 08./09. Mai 2015 Kolleg Postwachstumsgesellschaften in Jena Thesen Griechenland und die Europäische Union: Welche Wege führen aus der Krise? Andreas Gkolfinopoulos, Universität Siegen, 17.04.2015 Trotz des rechtspopulistischen Koalitionspartners Anel („Unabhängige Griechen“) kann die Syriza Regierung als die einzige aktuelle linke Regierung Europas betrachtet werden. Im Schatten der umgesetzten Austeritätsmaßnahmen der vergangenen Regierungen nach Vorgaben der Troika hat Syriza die Mehrheit der Stimmen bei den griechischen Parlamentswahlen vom 25. Januar erhalten, nachdem die Austeritätspolitik eine Reihe von negativen sozialen Effekten, wie die Verschärfung der sozialen Ungleichheiten, 1 verursachte. Die Regierungsprogrammatik Syrizas 2 basiert auf vier Grundsäulen: Bekämpfung der humanitären Krise, Wiederaufbau bzw. Restrukturierung der griechischen Wirtschaft, Arbeitsmarktpolitik und Schaffung neuer Arbeitsplätze, institutionelle und demokratische Transformation des politischen Systems. 3 Diese orientiert sich offensichtlich gegen die neoliberale Austeritätspolitik und wurde von den Stimmen der griechischen WählerInnen unterstützt. In wieweit können aber die Wahlergebnisse in Griechenland das politische System Europas beeinflussen und die neoliberale Hegemonie in Europa brechen? Wie bereits erwähnt, ist die linke Regierung von Syriza „einsam“ in der EU. Von daher sieht ein „linker europäischer Integrationismus“ eher unwahrscheinlich aus, da eine einzige linke Regierung zu schwach ist, die Umsetzung einer linken Politik, wie zum Beispiel Maßnahmen gegen die Austerität und die wachsende Prekarisierung des Arbeitsmarkts, in der EU durchzusetzen. Diese wäre nur wahrscheinlich unter gewissen Umständen: 1) entweder wenn Podemos in Spanien die kommende Wahl im Oktober gewinnen wird, was den anderen europäischen linken Parteien eine neue Dynamik verleihen würde, oder 2) wenn Syriza ihre Programmatik frei und erfolgreich umsetzen könnte und den griechischen Staat aus der ökonomischen Rezession bringen würde. Dann wären wahrscheinlich andere Mitgliedsstaaten mit ähnlichen sozialökonomischen Problemen dazu geneigt, eine ähnliche Programmatik zu entwickeln. Zu diesem Punkt ist die europäische Linke mit einer großen Herausforderung konfrontiert. Laut Chantal Mouffe haben die „Mitte-Links-Parteien“ zu der Etablierung einer neoliberalen Hegemonie beigetragen, da sie keine Alternative zu bieten hätten. 4 Wer kann dann die Interessen der Mitte-Links Basis in Europa vertreten, wenn die Mitte-Links-Parteien sich in der neoliberalen Hegemonie eingefügt haben? Unter Berücksichtigung des Beispiels von Syriza können die linken Parteien die Ersatzrolle der ehemaligen Mitte-Links-Parteien, wie der griechischen PASOK, die eine neoliberale Krisenmanagementstrategie adoptierte, und eine soziale Gesellschaftspolitik garantieren. Der Charakter von Syriza als eine Kraft, die die Wiederherstellung des Sozialstaates und der demokratischen Mitbestimmung inmitten einer neoliberalen Hege- 1 Giannitsis, Tassos/ Zografakis, Stavros: Greece: Solidarity and Adjustment in Times of Crisis, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, IMK Studies, Nr. 38, March 2015. 2 Die sogenannte „Agenda von Thessaloniki“. Vgl. Gkolfinopoulos, Andreas: Syrizas Weg: Nach dem Wahlerfolg, in : Zeitschrift für Marxistische Erneuerung, Nr. 101, März 2015, S. 121-122. 3 Mouffe, Chantal: Für einen linken Populismus, in: Internationale Politik und Gesellschaft. Unter: http://www.ipgjournal.de/rubriken/soziale-demokratie/artikel/fuer-einen-linken-populismus-857/, letzter Zugriff am: 03.04.2015. 4 2 monie innerhalb der EU fordert, verleiht der Partei ihren radikalen Charakter, auch wenn der Begriff „radikal“ bezogen auf Syriza in Griechenland höchst umstritten ist, da Syriza in ihrem Thessaloniki-Wahlprogramm keine sozialistische Übergangsstrategie anbietet. Die Frage der Realisierung der vorgesehenen Politik für Syriza hängt mit der Konstellation der Kräfteverhältnisse in Europa eng zusammen. Damit kann beantwortet werden, ob nationale oder europäische Auswege aus der Krise existieren. Europäische Auswege gibt es nur innerhalb der Eurozone, was eigentlich Unterordnung an den Direktiven der ehemaligen Troika und der aktuellen „Institutionen“ 5 bedeutet. Das ist die Entwicklung des Szenarios, was wir gerade im Rahmen der Verhandlungen zwischen Griechenland und den Europartnern erleben, nämlich eine Verhandlung seitens der griechischen Regierung für soziale Maßnahmen als Ersatz für die umgesetzte Austeritätspolitik der vergangenen griechischen Regierungen. Dieser „Streit“ rund um die anzuwendende Politik in Griechenland führt zu einem Dilemma für Syriza: Verteidigung und Ausbau des Sozialstaates, wie das die Maßnahmen gegen die humanitäre Krise anstreben, oder Fortsetzung der Austeritätspolitik bzw. der Hegemonie des Neoliberalismus? Angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse in der EU würde der nationale Ausweg aus der Krise den Austritt aus der Eurozone bedeuten, da es sich um eine Rückkehr zur früheren nationalen Währung der Drachme handeln würde. Eine solche Initiative würde natürlich eine Abwertung durch den Staat bedeuten, was einer Vermeidung eines großen Anteils der zu zahlenden Schulden gleichkommen würde. Diese ist eine typische Maßnahme, die viele Staaten adaptiert haben, nachdem sie sich für viele Jahre in Rezession befanden und unbezahlbare Schulden akkumulierten. Der so genannte Grexit wird aber weitere (positive oder negative) ökonomische Effekte für die EU und die deutsche Wirtschaft beeinflussen. Die Effekte einer solchen Politik für Griechenland sind aber umstritten, auch unter den Wirtschaftsexperten von Syriza. Unumstritten ist aber, dass sichere Schlussfolgerungen für eine solche Entscheidung besonders schwierig gezogen werden können, da die Reaktionen der Märkte unvorhersehbar sind. Eine Maßnahme, die sich positiv für die griechische Wirtschaft auswirken könnte, ist ein Schuldenerlass bzw. Schuldenerleichterung. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme für einen verschuldeten Staat wurde auch für die BRD mit dem Londoner Schuldenabkommen 1953 bewiesen. 6 Sogar die BRD hat schon aus diesem Grund einen Schulderlass im Jahr 1992 für Polen akzeptiert. 7 Obwohl diese Maßnahme zur Regierungsprogrammatik von Syriza gehört, wurde diese von den Partnern und vor allem von den deutschen Partnern kategorisch ausgeschlossen. 8 Gleichzeitig ist es deutlich geworden, dass Tsipras‘ Unterstützung im inner- und außerparlamentarischen Rahmen für den Wandel sucht. Seine Reise nach Lateinamerika 2012, sein Besuch im Vatikan, seine Reise nach Moskau, die von Europa kritisiert wird, sowie die Forderung nach Entschädigung der NS-Verbrechen, verraten auch seine Neigung zu Konfrontation mit den Partnern. Ist Syriza fähig oder willig die Interessen der griechischen Bevölkerung gegen die Interessen der etablierten Mächte innerhalb der EU in Stellung zu bringen? Gibt es mögliche Unterstützer der Syriza Politik innerhalb der EU? Welche werden die Reaktionen nach einem möglichen nationalen Ausweg sowie nach einem europäischen Ausweg aus der 5 Der Begriff Troika wurde von den Begriffen „Institutionen“ und „Brussels Group“ nach dem Übereinkommen vom 20. Februar 2015 zwischen Griechenland und seinen Partnern ersetzt. 6 Sachs, Jeffrey, D.: The Roadblock to a Sovereign Bankruptcy Law, in: Cato Journal, Vol. 23, No. 1, 2003, S. 74. 7 Ebd. Förderl-Schmid, Alexandra/ Schnauder, Andreas: "Schäuble: Vielleicht war die Eurozone eine Verführung", ein Interview mit Wolfgang Schäuble. Unter: http://derstandard.at/2000012916317/SchaeubleVielleicht-war-die-Eurozoneeine-Verfuehrung, letzter Zugriff am: 05.04.2015. 8 3 Krise sein? Diese sind die zentralen Fragen, die dieses Thesenpapier mit den Teilnehmern des Workshops kritisch hinterfragen soll.