Verkündigung am 2.9.12 in Roßfeld Text: 1. Mose 4,3-16 Ansprache: Wie gehen wir mit Neid um? Ist es wirklich geschehen, dass Kain seinen Bruder Abel umgebracht hat? Haben Adam und Eva wirklich gelebt? Ist der Turm von Babel wirklich gebaut worden? Solche und ähnliche Fragen kann man sich stellen, wenn man die ersten Kapitel der Bibel durchliest. Da wird von Adam und Eva und dem Sündenfall erzählt, von Kain und Abel und dem Brudermord, von Noah und der Sintflut, vom Turmbau zu Babel. Liebe Mitchristen, eine von diesen Urgeschichten ist heute Predigttext: die Geschichte von Kain und Abel und dem Brudermord. Wenn Sie mich fragen: „Ist sie wirklich so zu einem genauen Zeitpunkt in grauer Vergangenheit passiert?“, dann antworte ich Ihnen: „Ich weiß es nicht, ob sie genauso passiert ist – und das ist mir auch reichlich gleichgültig.“ Wenn Sie mich aber fragen: „Ist die Geschichte von Kain und Abel wahr?“, dann erwidere ich: „Sie ist wahr. Sie ist so wahr, wie eine Geschichte nur wahr sein kann. Weil sie millionenfach so oder ganz ähnlich passiert ist und leider auch passieren wird, solange es Menschen auf der Erde gibt.“ Es ist erzählte Theologie, erzählte Lehre von Gott und von den Menschen, was wir in den Urgeschichten vor uns haben. Wir heutigen Theologen können daraus lernen, wie man grundlegende Wahrheiten und Weisheiten in Geschichten verpackt – Jesus konnte es genauso mit seinen Gleichnissen. Sehen wir uns diese grundlegenden Wahrheiten an! Kain und Abel opfern – jeder von dem, was er hat: Kain bringt Gott Früchte des Feldes dar, er ist Bauer. Abel bringt Lämmchen dar, er ist Schäfer. So weit, so gut. Was sie zum Opfer bewegt hat, was sie sich vielleicht davon erhoffen, wird nicht erzählt – also ist es nicht wichtig. Aber, und dar- über können wir durchaus verblüfft sein: Gott sah Abel und sein Opfer gnädig an, Kain und sein Opfer aber nicht. Wieso das? Eine Antwort darauf gibt es nicht. Es ist eben so. Die Geschichte sagt damit, dass sie diesen Aspekt ausblendet: „Schiele nicht nach deinem Mitmenschen und danach, was diesem vielleicht besser gelingt. Schiele nicht danach, Kain, was bei Abel klappt. Sondern mach aus dem, was dir zur Verfügung steht, das Beste. Auch dir stehen viele gute Gaben zur Verfügung, Gott hat sie dir geschenkt. Dass Kain neidisch wurde, oder eifersüchtig auf Abel, ist leider die Folge der Geschichte. So reagieren Menschen sehr oft, um nicht zu sagen meistens. Deswegen ist es eine Urgeschichte, weil es um Urwahrheiten, um grundlegende Wahrheiten geht, die immer wiederkehren. Verurteilen oder gar verdammen können wir Kain deswegen kaum, weil wir selbst oft neidisch oder eifersüchtig reagieren – jeder von uns. Aber aus der Geschichte lernen, dazu ist sie da. Wer seine Eifersucht nicht in den Griff bekommen kann, bei dem kann es leicht zu Schlimmerem führen, bis hin zu dem, was Kain mit Abel gemacht hat. Der beste Weg, Eifersucht in den Griff zu bekommen, ist zu wissen, dass wir alle von Gott geliebt sind – jeder von uns, auch Sie. „Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Anerkennung“, so lässt sich diese Lehre mit einem Wortlaut aus den Zehn Geboten umschreiben. „Auch du kannst Anerkennung genug erfahren, Gott gibt sie dir. Schon bei der Taufe sagt er dir, dass du für ihn gut bist, dass er dich anerkennt.“ Gespräch mit Kindern: Worauf kann man neidisch sein? Lied zum Text Ansprache: Gottes Gnade ist groß Dass die Geschichte wegen Kains Eifersucht schlimm weiter geht und Abel diese Eifersucht mit dem Leben bezahlen muss, ist bekannt. Niemand wird sich auch darüber wundern, dass Gott von Kain Rechenschaft fordert: „Wo ist dein Bruder Abel?“, und dass er ihm dann Strafe ankündigt: „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.“ Schlechtes Gewissen macht unruhig und unstet, schlechtes Gewissen ist die Folge einer schlechten Tat. Aber dann gibt es noch eine Wendung, die uns überraschen kann. Kain stellt fest: „Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte“ und „mich wird totschlagen, wer mich findet“. Doch darauf antwortet Gott: „Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden.“ Dann machte Gott ein Zeichen an Kain, damit niemand ihn erschlägt. Wir nennen dieses Zeichen das Kainsmal. Für Menschen typisch ist diese Wendung nicht mehr. Gott verhilft Kain zu einer zweiten, unverdienten Chance. So ist es eine Geschichte von der unverdienten Gnade Gottes. Dass Kain die Gelegenheit bekommt, noch einmal neu anzufangen, hat er nun wirklich nicht verdient. Aber er bekommt sie – wenn auch unter erschwerten Umständen: Zumindest sein Gewissen wird ihn das ganze Leben lang drücken. Gott schenkt uns einen Neuanfang. Er ist bereit, all unsere Sünden zu tilgen. Zeichen dafür ist das Wasser bei der Taufe. Wir haben durch ihn den Rücken frei, noch einmal von neuem zu beginnen. Aber daraus folgt auch: Wenn wir so leben wollen, wie Gott es von uns möchte, sollten wir auch anderen Menschen einen Neuanfang gönnen. Wer Gnade von Gott erfährt, darf Gnade weitergeben. Das geht vor allem auch deswegen, weil wir wissen, dass Gott uns lieb hat. Wer sich geliebt weiß, kann Liebe geben, kann großmütig sein, kann eine neue Chance geben. Amen