Kain und Abel

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Kain und Abel
1. Mose 4, 1 - 16
Die Einleitung der Geschichte
Bauer und Schäfer
1. Mose 4, 1 - 2
Annäherung an den Text: Die schöne Zeit des Paradieses ist vorüber, die Menschen richten
sich in der Welt ein, in der sie leben (müssen). Es beginnt der Kreislauf von Leben und Sterben,
von Saat und Ernte, Arbeit und Lohn. Eva schenkt zwei Jungen das Leben: Kain und Abel. Sie
stehen für zwei uralte Versuche des Menschen, sein „Brot“ zu verdienen: Kain wird
„Ackermann“, Abel „Schäfer“.
Hintergrundinformationen: Der Mensch, aus der Nähe Gottes vertrieben, muss seinen
Lebensunterhalt „im Schweiße seines Angesichts“ – verdienen. Kain wird „Ackermann“, ein
Bauer, der seinem Acker in harter Arbeit seinen Ertrag abzuringen sucht. Abel wird Schäfer, ein
nomadisierender Kleinviehzüchter, der mit seiner Herde nach Wasser und Weidemöglichkeiten
sucht. Auf dem Hintergrund der Welt des Alten Orients ist damit eine konfliktreiche Beziehung
beschrieben, die bis in unsere Zeit angedauert hat. Im Alten Orien zogen die wandernden
Nomaden nach dem Frühjahrsregen weit in Steppe und Wüste, um dort Nahrung für ihre Tiere
zu finden. Im Sommer, wenn die letzten Halme abgefressen waren, kehrten sie zurück ins
Kulturland, um ihre Tiere auf den abgeernteten Feldern der Ackerbauern zu weiden. Dass es zu
Streitigkeiten kam, ist selbstverständlich. Da waren die Tiere vieleicht auf ein Feld geraten, das
noch nicht abgeerntet war, oder die Bauern wollten zu viel für die Weiderechte haben.
Der Hauptteil der Geschichte
1. Erfolg und Misserfolg
2. Eine letzte Warnung
3. Die Tat
4. Die Folgen
1. Mose 4, 2 – 5
1. Mose 4, 6 – 7
1. Mose 4, 8
1. Mose 4, 9 - 12
Annäherung an den Text:
1. Was erzählt wird, mag heutigen Lesern zuerst wie ein Bericht aus einer anderen Welt
erscheinen. Doch die Geschichte erzählt in der Sprache und in Bildern ihrer Zeit von einen
Konflikt, der so alt ist, wie Menschen zurückdenken können: Abel bringt Gott ein Opfer, „und
der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer“. Aber „Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig
an“. Kain fühlt sich ungerecht behandelt und ist im höchsten Grad „sauer“, wie wir heute sagen
würden. Ja er ist so sauer, dass er seinen Bruder nicht mehr ansehen kann. Er senkt vielmehr
finster seinen Blick.
2. Die Gott in den Mund gelegte Frage an Kain: „Warum ergrimmst du?“, zeugt nicht gerade von
großem Einfühlungsvermögen, oder? Wird Gott nicht ein paar Zeilen vorher als die Ursache der
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Ungerechtigkeit beschrieben? Und dann auch noch dieser frömmelnde Nachsatz: „Wenn du
fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben.“ Ja, hat Kain nicht versucht, „fromm“ sein
Opfer zu bringen? Aber es ist nicht angenommen worden. Soll er sich vielleicht einfach in sein
Schicksal ergeben? Klar, dass jetzt die Sünde auf Kain lauert, die Sünde, gegen das von außen,
von Gott auferlegte Schicksal zu protestieren, etwas zu unternehmen, das diese Ungerechtigkeit
aus der Welt schafft.
3. Und Kain unternimmt etwas. Er diskutiert nicht lange, dreht die Dinge nicht zaudernd hin und
her. Kain ist ein Mann der Tat. Er schafft die Ungerechtigkeit, die ihn bedrückt, aus der Welt,
oder besser, er versucht sie aus der Welt zu schaffen, indem er seinen Bruder erschlägt.
4. Die Frage Gottes ist unvermeidlich: ‚Kain, wo ist dein Bruder Abel?’ Hatte Kain wirklich
gehofft, die Welt ‚in Ordnung’ bringen zu können, indem er sich seines Bruders entledigte? Er
weist die Verantwortung von sich: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Doch die Weigerung,
sich mit seiner Tat zu identifizieren, hilft Kain nicht weiter. „Was hast Du getan?“ Erst jetzt wird
Kain deutlich, dass diese Tat kein Befreiungsschlag war, sondern dass das Blut seines Bruders zu
Gott schreit. Nichts wird mehr so sein wie früher. Kain wird „unstet und flüchtig sein auf
Erden“. Verzweifelt spricht (betet?) er zu Gott: „Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie
tragen könnte.“
Hintergrundinformationen:
1. Der Sinn dieser Geschichte wird deutlich, wenn nach dem Sinn des Opfer gefragt wird, das
Kain und Abel darbringen. Im Alten Orient sind Opfer immer Dankopfer. Mit dem Opfer dankt
der Opfernde Gott für den erzielten Ertrag. Zugleich aber bittet er um Beistand und Hilfe für
seinen weiteren Weg, die kommende Ernte, den kommenden Ertrag. Wenn daher berichtet wird,
dass Abels Opfer angenommen wurde, steht seine Sache gut. Das Gegenteil davon erlebt Kain.
Warum ist das so? Es wird nicht berichtet, dass Abel besonders geschickt und fleißig gewesen
wäre, nein, wir würden heute sagen, alles, was er in die Hand nahm, glückte ihm, einfach so, ohne
dass man erklären könnte, warum das so war und ist. Kain dagegen macht diese Erfahrung nicht.
Auch hier wird nicht berichtet, er sei faul oder ungeschickt gewesen, nein, alles geht Kain schief
und daneben, ohne sein Verschulden und Zutun. Wir können seine Empörung verstehen, seinen
Unmut nachempfinden.
Das sind Erfahrungen, die nicht auf Kain und Abel beschränkt sind, sondern die auch uns
erfreuen oder bedrücken. Erfolg oder Misserfolg auf Gottes unerforschlichen Ratschluss
zurückzuführen, ist heute ein fremder Gedanke. „Glück gehabt!“ „Pech gehabt!“ ist unsere
vordergründige Erklärung. Wir wünschen uns vom „lieben Gott“, dass es den Guten gut geht
und die Bösen ihre Strafe erhalten. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, haben schon die
Menschen vor 3000 Jahren gewusst und es in den Geschichte vom Leiden Hiobs zu verstehen
versucht. .
In der Erzählung von Kain und Abel können wir hierzu viel lernen: Sie sucht zu zeigen: Im
Leben geht es nicht vordergründig „gerecht“ zu, nicht so, dass wir uns darauf verlassen könnten,
dass Leben gelingt, wenn wir nur das Richtige tun. Erfolg und Misserfolg, Gelingen und
Misslingen sind ohne für uns erkennbare Maßstäbe verteilt. So ist das Leben, so grausam und
unvorstellbar dies uns auch vorkommen mag. Aber die Geschichten der Bibel machen uns nichts
vor, reden die Dinge nicht schön, sondern erzählen von den Erfahrungen, die Menschen vor uns
mit dem Leben gemacht haben. So ermöglichen sie uns, unser eigenes Leben besser zu verstehen,
vermitteln uns neue tiefere Einsichten als uns heutzutage zum Beispiel die Fata Morgana „Vom
amerikanischen Traum“ vorzugaukeln versucht: “Du schaffst es, du musst es nur wollen!“, und:
„Jeder kann es vom Tellerwäscher zum Millionär bringen.“ wenn sie Gebets.
2. Ist das alles, mag der eine oder andere fragen?. Nein, sicher nicht. Dass die Dinge ungleich
verteilt sind, ist eine Erkenntnis, die auch die ‚Heiden’ haben. Was ist denn das Besondere, was
uns neue Perspektiven eröffnet? Die Geschichte führt dies „ungerechte“ Verteilung der Dinge
auf Gott zurück. Damit will sie sagen, dass die Dinge nun einmal so sind, wie sie sind. Aber das
ruft erst recht unseren Protest hervor, drängt uns zur Haltung Kains, der die Sache selbst in die
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Hand nimmt. So wird Kain zum Prototyp des modernen Menschen, der sich nicht in sein
Schicksal fügt, sondern die Welt verändern will. Vor allem soll sie gerechter werden und diese
„göttlichen“ Ungerechtigkeiten ein Ende finden. Alle sollen gleich viel haben, gleich gesund, frei
und glücklich sein. Dafür sind wir bereit zu kämpfen, dafür haben die Menschen sich seit
Generationen gegenseitig umgebracht. Kain ist kein Einzelfall. Kain, das sind wir oder
wenigstens doch die erste Lösung, die uns einfällt. Was soll da die Frage: „Warum ergrimmst
du?“ „Warum senkst du deinen Blick?“ und der Hinweis:“ Wenn du es gut (richtig) tust (Luther
übersetzt hier, wenn du fromm bist), kannst du frei den Blick erheben.“ Wie könnten wir
angesichts dieser Situation nicht finster schauen?
3. Kain jedenfalls sieht keinen Ausweg. Er schlägt zu. Und wir verstehen ihn selbst dann noch,
wenn wir uns unversehens in Abels Situation wiederfinden. Wer sind denn heute die, denen alles
gelingt, alles zum Guten gereicht, denen – um es in der Sprache der Überlieferung zu sagen –
Gott sich ständig gnädig zuwendet? Wenn wir etwas lernen wollen, sollten wir fragen, was Abel
dazu beigetragen hat, dass die Dinge hätten anders laufen können. Kann es ihm verborgen
geblieben sein, dass bei Kain alles schief lief? Hätte er nicht etwas von Gottes Zuwendung an
seinen Bruder weitergeben können?
4. Das heißt nicht, dass damit Gottes Frage „Wo ist dein Bruder Abel?“, beantwortet wäre. Aber
es macht deutlich, dass die Frage Abels: „Wo ist mein Bruder Kain?“ die Dinge in eine andere
Richtung gewiesen hätte.. Kains Mord aber verändert alles. Nichts ist mehr so, wie es vorher war.
Kain, der zunächst noch schnippisch gefragt hat: „Soll ich (etwa) meines Bruders Hüter sein?“,
bricht unter den Folgen der Tat zusammen. „Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen
könnte!“
Der Schluss der Geschichte
Das Ende der Gewalt
1. Mose 4, 13 - 16
Annäherung an den Text: Kain wird plötzlich klar, dass der Brudermord zwischen ihm und
Gott steht, dass er seine Heimat verspielt hat und keine Bleibe mehr finden wird. Nach den
Gesetzen dieser Welt ist er „vogelfrei“. Jeder, der ihn trifft, darf, ja muss ihn erschlagen. Doch
Gott, und das ist uns vielleicht nur schwer verständlich, stellt Kain, den Mörder, unter seinen
Schutz. Er zeichnet ihn, nicht als Mörder, sondern als Menschen, der trotz seiner Tat immer
noch unter Gottes Schutz steht, und den man nicht einfach erschlagen kann.
Hintergrundinformationen: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn!’ heißt das Gesetz der Blutrache,
das Gesetz der Wüste, das Gesetz der Vergeltung. Das ist nicht Gottes Gesetz, erzählt uns diese
Geschichte. Selbst der, der Unvorstellbares getan hat, steht als Gottes Kind unter einem letzten
Schutz Gottes. Keiner soll ihn erschlagen, keiner hat das Recht, Rache an ihm zu üben. So finden
wir hier zu Beginn der Bibel Perspektiven, die den Umgang mit Menschen, was immer sie getan
haben, noch heute bestimmen können.
Die Botschaft
Die Welt ist, wie sie ist, Gottes Welt. Sie ist und bleibt für den Menschen oft unerklärlich. Glück
und Unglück, Erfolg und Misserfolg sind nicht nach unseren Gerechtigkeitsvorstellungen
verteilt. Dies zu verändern, um das vermeintlich eigene Recht - gar mit Gewalt - durchzusetzen,
birgt die Gefahr, die Maßstäbe für das Gute zu verlieren, den Bruder zu erschlagen und damit
erst recht aus allen Sicherungen herauszufallen. Doch Gott hält seine Hand auch über den, der
gefehlt hat.
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Die Zuhörer
Für die Kleinen ist die Geschichte von Kain und Abel schon in vielem verständlich und
nachvollziehbar. Sie fürchten nur zu oft, benachteiligt oder vernachlässigt zu werden. Um so
deutlicher können sie sich mit Kain identifizieren und seine Wut nachempfinden. Dass Kains Tat
keine Lösung ist, verstehen sie und können auch schon der Frage nachgehen, wie die Geschichte
verlaufen wäre, wenn Abel geteilt hätte.
Für Schulkinder liegt die Problematik ähnlich wie bei den Kleinen. Um ihren Platz im Leben zu
finden, haben sie gelernt, auf ihr Recht zur Gleichbehandlung zu pochen und Kains Zorn, wäre
auch ihr Zorn. Dass Mord keine Lösung ist, steht außer Zweifel, vielleicht aber auch, dass
Mörder hart bestraft werden sollten. Hier ein Nachdenken über Gottes Entscheidung, Kain
nicht zum „Abschuss“ freizugeben, einsetzen.
Jugendlichen und junge Erwachsenen dürfte es nicht leicht fallen, zu akzeptieren, dass es Gott, und das
meint hier, dass die Realität unseres Lebens unvermeidlich „Ungerechtigkeit“ schafft. Führt das
Bestreben, die ‚Zustände’ um jeden Preis ändern zu wollen (Modell Kain), weiter, oder gibt es
Alternativen, die von der Gewissheit getragen werden, dass die ganze Welt in Gottes Hand liegt?
Erzählperspektiven: Anknüpfend an die Rahmengeschichte zu Gottes Garten, kann die
Geschichte in den Zusammenhang der frühisraelitischen mündlichen Überlieferung gestellt und
als fiktive „Gutenachtgeschichte“ erzählt werden. Um die unterschiedlichen Sichtweisen und
mögliche Lösungen darzustellen, bietet ein Erzählen aus subjektiver Sicht weiterführende
Ansätze. Ein Beobachter erzählt, der Kain und Abel heranwachsen gesehen hat und ihre
Möglichkeiten und Fähigkeiten in die Geschichte einzubringen versteht. Die Geschichte könnte
ebenso aus der Perspektive Kains oder Abels erzählt werden.
Phantasiearbeit Gleichgültig, ob die Handlung beim Erzählen in das Milieu altorientalischer
Fellachen und Kleinviehnomaden, in die Szenerie der Moderne oder unter Verzicht auf jeglichen
konkreten Hintergrund erzählt wird, scheint es doch sinnvoll, das Schwergewicht des
phantasievollen Hineindenkens auf die inneren Vorgänge der handelnden Personen zu legen. Wie
empfindet Kain die Ungleichheit, warum sieht Abel die kommenden Schwierigkeiten nicht, wie
lebt Kain mit seiner Schuld und wie denkt er später über seinen Versuch, die Ungerechtigkeit des
Lebens durch einen Mord auszugleichen?
Erzählskizze
Kain und Abel waren Brüder, Kain war Bauer, Abel wurde Schäfer .Beide gaben sie ihr Bestes
und hofften auf Gottes Segen. Abel gelang alles. Soviel sich Kain auch mühte, der Erfolg blieb
ihm versagt. Weil Gottes Segen so ungleich verteilt war, erschlug Kain im Zorn seinen Bruder
Abel. Als Gott fragte: „Wo ist dein Bruder Abel?“, antwortete Kain trotzig: „Soll ich meines
Bruders Hüter sein?“ Als Strafe für seine Tat mußte Kain unstet und flüchtig umherirren. Immer
hatte er Angst, selbst auch erschlagen zu werden. Doch Gott stellte Kain trotz seiner Tat unter
seinen Schutz.
Horst Heinemann: Biblische Geschichten für Kinder erzählen, S. 57-63, Atelea-Verlag, Fuldatal
2010
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