Prof. Dr. Swetlana Franken, FH Bielefeld IKÖ – bereits erfolgreich

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Prof. Dr. Swetlana Franken, FH Bielefeld
IKÖ – bereits erfolgreich? – Ein Blick in die Forschung
Vortrag im Rahmen der Tagung "Interkulturelle Öffnung im DRK" am 22.11.2013
1. Notwendigkeit interkultureller Öffnung von Organisationen
Aufgrund von Globalisierung, internationaler Aktivitäten, demografischer Entwicklung und
Migrationsprozesse in der Gesellschaft sind Organisationen herausgefordert, sich mit der kulturellen
Vielfalt zu beschäftigen. Die Gestaltung des Zusammenlebens einer ethnisch, sozial und kulturell
differenzierten Gesellschaft bedarf einer grundlegenden Reform aller relevanten Institutionen und
Organisationen, die mit dem Schlagwort „Interkulturelle Öffnung“ umschrieben wird (vgl.
Reichwein/Rashid 2012).
Thomas Sattelberger (2013) hat Diversität als Überlebensprinzip für Organisationen der Zukunft
bezeichnet: „Um dem zunehmend disruptiven, unvorhersehbaren und komplexen Wandel zu
begegnen, müssen Organisationen in der Lage sein, aus unterschiedlichen Perspektiven heraus
neuartige Lösungen zu schaffen, statt die alten Problemlösungsroutinen zu wiederholen. Diversity ist
2023 ein zentraler Hebel von Organisationen, um wetterfest und widerstandsfähig zu bleiben und um
souverän auf die steigende Komplexität der Umwelt zu reagieren.“ (Sattelberger 2013, S. 29).
Jeder fünfte Einwohner der Bundesrepublik Deutschland hat einen Migrationshintergrund, unter
Kindern sogar jedes Dritte. Die jüngeren Generationen der Zuwanderer haben gute Qualifikationen
und, als in Deutschland Geborene, meistens keine Sprachprobleme. Von insgesamt fast 16 Millionen
Personen mit Migrationshintergrund verfügen 6,4 Millionen über einen Berufsabschluss, 1,5
Millionen sind Akademiker (Statistisches Bundesamt 2012, S. 160-161). Qualifizierte Migrantinnen
und Migranten bilden ein wertvolles Potenzial für Unternehmen und Organisationen.
Um die Potenziale der Vielfalt zu erschließen, sollen Organisationen mehr Raum für Individualität der
Beschäftigten schaffen und Talente unterschiedlicher sozialer, ethnischer und kultureller
Hintergründe entdecken und fördern. Organisationen brauchen interkulturelle Öffnung!
2. Definition und Ziele der IKÖ
Interkulturelle Öffnung (IKÖ) ist ein Prozess der Organisationsentwicklung, durch den Verwaltungen,
Unternehmen, soziale Dienste, Bildungseinrichtungen und andere Organisationen sich auf die
heutige, von Migration geprägte Gesellschaft einstellen. Das Ziel interkultureller Öffnung ist es,
Menschen mit Migrationshintergrund die gleiche Teilhabe an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
politischen Prozessen zu ermöglichen. Dafür muss zunächst ein Bewusstsein für bestehende
Zugangsbarrieren und Diskriminierung geschaffen werden, um sie dann abbauen zu können. (vgl.
MASFF Brandenburg 2011).
Die interkulturelle Öffnung von Institutionen und Organisationen ist für den Alltag der Menschen mit
Migrationshintergrund von besonderer Bedeutung. Sie ist Teil des strategischen
Integrationsmanagements. Interkulturelle Öffnung ist mehr als Personalauswahl und -entwicklung,
sie betrifft Organisationen mit ihren Leistungen und ihrer Organisationskultur ganzheitlich (vgl.
Reichwein/Rashid 2012, S. 6).
Die Wohlfahrtseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime
werden in Zukunft verstärkt von Menschen genutzt werden, die einen anderen kulturellen und
religiösen Hintergrund haben. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Mitarbeitenden dieser
Einrichtungen rechtzeitig auf die kulturelle Vielfalt einstellen. Die Fähigkeit, auf die Werte der
zugewanderten Menschen einzugehen, wird als "interkulturelle Handlungskompetenz" bezeichnet.
Dazu gehören Offenheit und Bereitschaft, sich auf andere Erfahrungen und Wertevorstellungen
einzustellen und diese zu achten (vgl. Caritas-Verband 2013).
Die interkulturelle Öffnung verfolgt das Ziel, eine Nutzung der Angebote ohne Barrieren, z. B.
aufgrund der kulturellen oder sozialen Lebensverhältnisse oder der Religion, möglich zu machen. Es
ist notwendig, dass die gesamte Organisation (Kommune, Verband etc.) sich auf einen
ressortübergreifenden Handlungsansatz verpflichtet. Die interkulturelle Orientierung soll sowohl in
der Organisation als auch als Haltung in der Belegschaft verankert werden.
Der Prozess der interkulturellen Öffnung findet sowohl auf individueller als auch auf struktureller
Ebene statt. Auf der individuellen Ebene wird vor allem angestrebt, dass die Mitarbeitenden
kulturelle Vielfalt als gesellschaftliche Normalität erkennen, anerkennen und wertschätzen. Sie sollen
befähigt werden, in der differenzierten Gesellschaft handlungsfähig zu sein. Auf der strukturellen
Ebene werden Strukturen und Routinen einer Organisation an die gesellschaftliche Realität
angepasst.
Die Verbesserung der individuellen Handlungskompetenzen kann durch geeignete Fortbildungen
vermittelt werden. Der Ansatz wird durch die Beschäftigung von Beschäftigten mit
Migrationshintergrund auf allen hierarchischen Ebenen unterstützt. Die interkulturelle Öffnung ist
insbesondere auch eine Führungsaufgabe. Die neuen Steuerungsinstrumente, z. B.
Zielvereinbarungen, Leistungsbeschreibungen, Berichtswesen und Controlling, sollen für ihre
Durchsetzung genutzt werden. Die interkulturellen Ziele und integrationsfördernden Maßnahmen
sollen explizit formuliert werden. Interkulturelle Öffnung ist ein andauernder Prozess, der jedoch für
die praktische Umsetzung immer wieder in Projekte gegliedert werden muss. Die Umsetzung betrifft
die Organisationsstrukturen, die Prozesse, das Personalmanagement und die Organisationskultur.
(vgl. Reichwein/Rashid 2012, S. 6).
Interkulturelle Öffnung beinhaltet verschiedene Maßnahmen und Instrumente, die jedoch auf den
spezifischen Kontext und die Institution zugeschnitten werden sollen. Zu den praktischen
Instrumenten der interkulturellen Öffnung gehören spezielle Maßnahmen für die Ansprache
multikultureller Kundschaften (mehrsprachige Informationen u.ä.), Schulungen der Beschäftigten im
Umgang mit den Kunden mit Migrationshintergrund, Weiterbildungen für Führungskräfte im Umgang
mit multikulturellen Belegschaften und Teams etc. Ferner wird eine allgemeine Öffnung der
Personalpolitik (inklusive Personalrekrutierung, Personalführung und Personalentwicklung) für mehr
Migrantinnen und Migranten als Mitarbeitende und Führungskräfte gemeint.
3. Status quo der IKÖ in Deutschland und im DRK
Die interkulturelle Öffnung wird seit einigen Jahren immer wieder und immer öfter in politischen
Debatten eingefordert. Betrachtet man aber die Umsetzung in der Praxis von Kommunen und
Verbänden, findet man insgesamt ein eher heterogenes Bild, wobei man nur in ganz wenigen Fällen
von einer wirklich gelungenen Umsetzung sprechen kann. Ursache hierfür ist unter anderem, dass
das Konzept für interkulturelle Öffnung in Theorie und Praxis unscharf geblieben ist. Betrachtet man
die in den letzten beiden Jahrzehnten verwendeten Definitionen, lässt sich eine Verengung auf
personalwirtschaftliche Fragen feststellen, die die Qualität des Konzeptes und die zu erwartenden
Wirkungen bei der Umsetzung drastisch reduziert.
Die Studie zum Stand der IKÖ in deutschen Kommunen vollzieht diese Entwicklung nach und definiert
interkulturelle Öffnung umfassend und zeitgemäß. Dabei wird es um nicht mehr, aber auch nicht
weniger gehen als die Einbettung des Prozesses interkulturelle Öffnung in die
Modernisierungsprozesse der Kommunen und Verbände, also in die Organisationsentwicklung, die
Personalentwicklung und das Qualitätsmanagement (vgl. Reichwein/Rashid 2012).
IKÖ wird bei DRK bereits seit einigen Jahren diskutiert und in Form von verschiedenen Maßnahmen
praktiziert. „Eine bundesweite Bestandsaufnahme zur Interkulturellen Öffnung im DRK wurde
durchgeführt und ausgewertet; ihre Ergebnisse liegen seit Ende 2011 vor. Alle bundeszentralen Lehrund Lernunterlagen werden nach und nach kultursensibel überarbeitet. Die
Qualifizierungsmaßnahme zur Interkulturellen Handlungskompetenz „IKÖ-Manager/in in der
Sozialwirtschaft“ wurde entwickelt und erfolgreich durchgeführt. 116 Fach- und Führungskräfte aus
verschiedensten DRK-Aufgabenbereichen sowie über 700 weitere Mitarbeitende haben daran
teilgenommen.“ (Dr. Schön, Vizepräsident DRK)
Im Rahmen der DRK-Konferenz in Bayreuth 2012 wurde festgestellt: „Interkulturelle Öffnung ist
Führungsaufgabe, sie erfordert ein klares Konzept und eine umfassende Strategie, die von allen
Mitarbeitenden getragen wird. Dazu muss sie in den Köpfen und in den Herzen ankommen.“
„Interkulturelle Öffnung passiert nicht von alleine und sie passiert nicht von heute auf morgen.
Vielmehr ist ein systematischer und zielgerichteter Entwicklungsprozess notwendig, um die
Bedingungen für eine umfassende und gleichberechtigte Teilhabe und damit für die
Chancengleichheit von Menschen mit Migrationshintergrund auch im DRK herzustellen. …Auf allen
Verbandsebenen gibt es schon viele gute Beispiele, vielfältige Ansätze und etablierte Strukturen der
interkulturellen Öffnung in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Aber es gibt auch ungenutzte
Ressourcen und Handlungsbedarfe. Nachhaltige Strukturen, insbesondere im Bereich der
Organisations- und Personalentwicklung, fehlen noch an vielen Stellen. Einen dringenden
Handlungsbedarf sehe ich vor allem darin, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Deutschen
Roten Kreuz auf allen Ebenen nach wie vor unterrepräsentiert sind.“ (Dr. Seiters, Präsident des DRK).
Prof. Weiss, Ministerium für Integration Rheinland-Pfalz, hat im Rahmen der Konferenz verschiedene
Instrumente der IKÖ erläutert: „Bei der Interkulturellen Öffnung geht es darum, ein Leitbild in
Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozessen umzusetzen. Es geht um öffentliche
Sichtbarkeit der interkulturellen Orientierung. In der Organisations- und Personalentwicklung
bedeutet das die Förderung der individuellen interkulturellen Kompetenz der Mitarbeitenden und
deren Aufnahme in Stellenprofile (als Einstellungskriterium). Es bedeutet die Erhöhung des Anteils
von Beschäftigten mit Migrationshintergrund. Dafür können anonymisierte Bewerbungsverfahren
hilfreich und sinnvoll sein. Und interkulturelle Kompetenz muss Teil von Mitarbeitergesprächen bzw.
von Zielvereinbarungen sein. Außerdem braucht es ein konsequentes Weiterbildungsangebot.
Interkulturelle Öffnung schlägt sich außerdem nieder in der interkulturellen Orientierung bei
Produkten und Dienstleistungen, etwa bei dem mehrsprachigen Flyer oder den Broschüren, die an
den Zielgruppen ausgerichtet sein und für sie verständlich sein müssen, bis hin zur entsprechenden
Methodik in Beratungsdiensten und Räumen, die offen sind. Es geht um kontinuierliche
Qualitätsentwicklung und -sicherung: „Einmal ein dreitägiger Workshop zur Interkulturellen Öffnung
allein bringt es nicht!“
Durch die interkulturelle Öffnung kommen vielfältige Vorteile zustande, von denen Unternehmen
und Organisation profitieren können.
4. Positive Wirkungen interkultureller Öffnung in Organisationen
In Wohlfahrtsorganisationen und im öffentlichen Dienst geht es nicht wie in Unternehmen darum,
Profite zu erzielen und sich am Markt zu behaupten, dennoch gibt es auch für diese Organisationen
einige beachtenswerte Vorteile durch die Einführung interkultureller Öffnung (vgl. Franken 2011,
MASFF Brandenburg 2011):
1. Bürgernähe und Kundenorientierung – Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrationshintergrund
zu öffentlichen Einrichtungen werden durch interkulturelle Öffnung abgebaut, indem sie z.B.
Informationen zu Angeboten besser erreichen und Handlungsroutinen der Organisation überdacht
werden. Interkulturelle Teams erreichen die gesamte Gesellschaft besser, da sie mehr Verständnis
für die Bedürfnisse von Einzelnen und Gruppen haben.
2. Kreativität bei der Aufgabenbewältigung – heterogene Teams (unterschiedlich in Alter, Geschlecht,
Herkunft, Fachkompetenz) kommunizieren vielfältiger miteinander als homogen (gleich)
zusammengesetzte Teams, dadurch können gemischte Teams Aufgaben und Herausforderungen
schneller und kreativer bewältigen.
3. Chancengleichheit – Einstellungsverfahren und Personalentwicklungsmaßnahmen, die Vielfalt
berücksichtigen und fördern, wirken sich positiv auf die Erreichung des (politischen) Ziels
Chancengleichheit aus.
4. Verbessertes Betriebsklima und Mitarbeiterzufriedenheit – eine vielfältigere Zusammensetzung
des Personals auch auf der Führungsebene (z.B. mit Menschen mit Migrationshintergrund) wirkt sich
positiv auf das soziale Miteinander innerhalb einer Organisation aus. Personengruppen, die bisher
nur als Minderheiten wahrgenommen wurden, begegnen sich nun auf Augenhöhe oder als
Vorgesetzte.
5. Kostensenkung – zufriedene und motivierte Beschäftigte sind leistungsfähiger, weniger krank und
bleiben ihrer Organisation verbunden.
6. Attraktiver Arbeitgeber für Nachwuchskräfte – bei der Rekrutierung von Fachkräften kann sich
eine moderne, der Vielfalt gegenüber aufgeschlossene Organisation im Wettbewerb um die besten
Arbeitskräfte besser behaupten.
7. Imageverbesserung der Organisation – alle vorgenannten Vorteile, die ein wertschätzender
Umgang mit Vielfalt mit sich bringen kann, führen zu einer positiven Außenwirkung und einem
besseren Image.
Diese Vorteile kommen allerdings nicht automatisch zustande, sondern nur unter bestimmten
Voraussetzungen – bei einer gelebten Wertschätzung der Vielfalt und unter der Bedingung eines
gezielten Managements von interkulturellen Gruppen und Belegschaften.
5. Forschungsergebnisse zu multikulturellen Teams
Interkulturelle Zusammenarbeit in der Praxis kann sich positiv auswirken, neue Perspektiven
eröffnen und neue Ideen und Lösungen hervorrufen. Andererseits kann sie zu Missverständnissen
und Konflikten zwischen den Teammitgliedern führen und Probleme verursachen. Beides geht auf die
unterschiedlichen Kompetenzen, Lebenswege und Erfahrungen interkultureller Mitarbeitenden
zurück, die sich in (oft unbewussten und selbstverständlichen) Werten, Normen und Ritualen
verschiedener Kulturen manifestieren.
5.1. Kulturelle Unterschiede verstehen
Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen verschiedener Kulturen bestehen,
haben Kulturforscher wie Geert Hofstede und Fons Trompenaars anhand umfangreicher Erhebungen
in verschiedenen Ländern analysiert. Als Ergebnis wurden einige Kulturdimensionen abgeleitet, die
auf grundlegenden Wertesystemen verschiedener Nationalkulturen basieren und menschliches
Verhalten beschreiben. Die Kulturdimensionen bilden Orientierungspunkte, die Führungskräften bei
der richtigen Wahl der Führungs- und Motivationsinstrumente helfen. Sie sind jedoch sehr abstrakt
und können die Vielfalt des menschlichen Verhaltens nicht abbilden. Die Rolle der Führungskräfte ist
deshalb, auf die unterschiedlichen Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen bezüglich Führung und
Zusammenarbeit ihrer Mitarbeitenden einzugehen. Wie Führungskräfte damit umgehen, bestimmt
den Erfolg oder Misserfolg interkultureller Teamarbeit.
Es ist nicht eindeutig geklärt, ob homogen oder heterogen zusammengesetzte Teams besser sind. Die
Ergebnisse mehrerer empirischer Untersuchungen zeigen aber: Interkulturelle Teams erbringen
entweder viel bessere oder viel schlechtere Leistungen als monokulturelle Teams (vgl. Köppel 2007).
Die Arbeitsleistungen der interkulturellen Teams stehen im engen Zusammenhang mit der Qualität
des Teammanagements, insbesondere mit den Kompetenzen des Teamleiters. Der Umgang der
Führungskräfte mit Diversität beeinflusst, ob Teammitglieder unterschiedlicher Kulturen und
Nationalitäten erfolgreich zusammenarbeiten oder nicht. Nur wenn sich die Beteiligten zu einer
Einheit formieren können, kommen Synergien zustande (vgl. Kühne 2011).
5.2. Probleme in multikulturellen Teams
Der Vordenker und Experte auf dem Gebiet der interkulturellen Managementforschung, Geert
Hofstede, betont eher Konflikte statt Synergien, die in interkulturellen Teams entstehen (vgl.
Hofstede 2006). Kulturunterschiede erschweren oft die Kommunikation und verursachen Konflikte.
Werden multikulturelle Gruppen mit homogenen verglichen, so können folgende Nachteile
interkultureller Zusammenarbeit festgestellt werden (vgl. Köppel 2007, Kühne 2011):




Leistungsnachteile vor allem zu Beginn der Arbeit,
ein höheres Stressniveau,
eine geringere Arbeitszufriedenheit,
weniger Gruppenzusammenhalt.
In interkulturellen Teams ist jedes Mitglied durch seine kulturelle Herkunft geprägt, vertritt andere
Werte, Normen und Arbeitsweisen. Nur wenn ein multikulturelles Team eine positive
Gruppenentwicklung durchlebt und Zusammenhalt und emotionale Bindungen entwickelt, kann es zu
Synergieeffekten, einer höheren Leistung und Arbeitszufriedenheit kommen.
5.3. Aufgaben der Führungskräfte in multikulturellen Teams
Führungskräfte als Leiter von multikulturellen Teams spielen in diesem Prozess eine entscheidende
Rolle und müssen folgende Aufgaben bewältigen:




kulturelle Unterschiede der Teammitglieder erkennen, anerkennen und wertschätzen,
interkulturelle Teamentwicklung unterstützen und mitsteuern,
interkulturelle Konflikte rechtzeitig aufdecken und schlichten,
interkulturelle Synergien nutzbar machen und fördern.
Um diese Herausforderungen umzusetzen, braucht eine Führungskraft ein hohes Maß an kultureller
Sensibilität. Um Vielfalt zu managen, braucht ein Teamleiter vor allem ein Gespür für kulturelle
Unterschiede. Er muss sensibel auf Diversität reagieren. Das Knigge-Wissen über die
Verhaltensregeln in verschiedenen Kulturen reicht hier nicht aus. Notwendig ist die Einsicht, dass die
eigene Kultur nicht als Maßstab gelten darf und keine Kultur als besser oder schlechter beurteilt
werden darf. Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern gegenüber vorurteilsfrei begegnen (vgl.
Wietasch 2012).
Darüber hinaus braucht ein Teamleiter Kenntnisse über Gruppendynamik und praktische
Kompetenzen für die Steuerung der Teamentwicklung. Hierbei kann das Stufenmodell nach
Zeutschel/Thomas behilflich sein.
5.4. Stufenmodell der Teamentwicklung
Das Stufenmodell der multikulturellen Teamentwicklung nach Zeutschel/Thomas (2006) beschreibt
einen typischen Prozess der Teamentwicklung und zeigt die Gefahren und zugleich die
Lösungsmöglichkeiten durch die Führungskraft auf jeder Stufe auf:
Stufe 1: Zu Beginn wird die Zusammenarbeit in der Regel von einer Kultur innerhalb des Teams
dominiert. Der Teamleiter sollte dafür sorgen, dass alle Kulturen gleichwertig und gleichberechtigt
sind. Die Dominanz darf sich nicht verfestigen.
Stufe 2: Im weiteren Verlauf bilden sich im Team einzelne kulturhomogene Kleingruppen heraus, die
parallel an Teilaufgaben arbeiten, die ihren Stärken entsprechen. Diese so genannte Koaktion ist
ebenfalls wenig produktiv und soll zeitlich eingegrenzt werden. Die Führungskraft sollte sich um
einen intensiven Informationsaustausch zwischen den Kleingruppen und um den Zusammenhalt des
Teams bemühen.
Stufe 3: In dieser Phase kommt es zur Integration verschiedener Verhaltensmuster und
Vorgehensweisen. Die Leistung der Gruppe steigt. Der Teamleiter soll gemeinsame Ziele betonen und
die Zusammenarbeit intensiv koordinieren, um die nächste Stufe zu erreichen.
Stufe 4: Das ist die höchste Entwicklungsstufe eines multikulturellen Teams, die sich durch Innovation
und gemeinsames Lernen auszeichnet. Das Team entfaltet seine Stärken und erreicht interkulturelle
Synergie. Die Teammitglieder tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus, lernen voneinander und
empfinden sich als Einheit.
5.5. Synergieeffekte in multikulturellen Teams
Unter diesen Voraussetzungen kommen die Vorteile multikultureller Teams zustande (vgl. Franken
2011, Rößler 2013):
1. Die Fülle unterschiedlicher Perspektiven hilft bei der Problemlösung und fördert die
Kreativität und Innovationen.
2. Ein multikulturelles Team leidet weniger unter Betriebsblindheit und Gruppendenken, es
kommt einfacher zu vielen verschiedenen Ansätzen, Alternativen und Lösungswegen.
3. Die Qualität von Lösungen ist in multikulturellen Teams häufig besser. Sie verfügen über
einen größeren Wissensschatz als homogene Teams und können multikulturelle Kunden
besser verstehen.
Damit die multikulturellen Teams ihre Vorteile entfalten, bedarf es spezieller Voraussetzungen und
Maßnahmen.
6. Praktische Empfehlungen für erfolgreiche interkulturelle Zusammenarbeit
Die international erfahrene Managerin Barbara Wietasch nennt in ihrem Buch „Global Management ein Tanz mit den Eisbergen“ folgende Aspekte, die bei der Führung multikultureller Teams wichtig
sind: ein Bewusstsein der eigenen kulturellen Prägung, Offenheit für die andere Seite, ein
vorsichtiges Herantasten an die Situation und ein auf die Situation abgestimmtes Vorgehen (vgl.
Wietasch 2012).
Führungskräfte können den Erfolg multikultureller Teams beeinflussen, wenn sie folgende
Empfehlungen beachten (vgl. Rößler 2013, Wietasch 2012):







Auswahl der Teammitglieder. Je mehr Nationalitäten und Kulturen ein Team vereint, desto
besser arbeiten interkulturelle Teams zusammen. Ein Team aus nur zwei Kulturen leidet oft
unter ihrer Gegnerschaft. Drei-vier Kulturen können eine ausgewogene Gleichberechtigung
erreichen. Außerdem sollten die Teammitglieder Werte wie Toleranz und Neugierde
gegenüber anderen vertreten. Sensibilität statt Vorurteile sowie Respekt statt Ablehnung
sollte die Zusammenarbeit prägen
Geeignete Aufgaben- und Zielsetzung. Multikulturelle Teams sind vor allem dann
erfolgreich, wenn sie komplexe, Kreativität erfordernde Aufgaben bewältigen müssen. Oder
wenn sie mit multikulturellen Kunden zu tun haben.
Erwartungen, Ziele und Regeln klären. Mitarbeiter haben verschiedene Erwartungen,
Wahrnehmungen und Vorstellungen, die den eigenen Denk- und Arbeitsstil und die
Zusammenarbeit betreffen. Zu Beginn der interkulturellen Zusammenarbeit sollten eine
Abfrage der Erwartungen und die Klärung gemeinsamer Ziele und Regeln stehen.
Mehr Zeit geben. Man sollte einem interkulturellen Team vor allem zu Beginn der Arbeit
mehr Zeit zur Verfügung stellen als einem monokulturellen Team.
Mitarbeitergespräche führen. Wer ein Team führt, muss kommunizieren, integrieren und
motivieren können. Insbesondere in Mitarbeitergesprächen bekommen Führungskräfte eine
Vorstellung von den Erwartungen und Einstellungen der Teammitglieder.
Verständnis für religiöse Gepflogenheiten zeigen. Feiertage unterschiedlicher Kulturen und
Religionen kennen und wertschätzen, Zeit für das Beten und die Einhaltung religiöser Gebote
zulassen. Speiseangebot bei Besprechungen und in der Kantine sollte entsprechend der
religiösen Gepflogenheiten berücksichtigt werden.
Gemeinsamkeiten herstellen und stärken. Durch Gemeinsamkeiten unter den
Teammitgliedern erwächst gegenseitiges Vertrauen und Verständnis. Verbindende



Erlebnisse, ein gemeinsamer Arbeitsplatz oder regelmäßige Treffen fördern das Wir-Gefühl
und bauen Vorurteile ab.
Sprachförderung. Nicht alle Teammitglieder beherrschen die Arbeitssprache gleich gut.
Probleme bereitet oft die wörtliche Übersetzung von Begriffen, das Ausdrücken von
Emotionen. Sprachförderung durch Kurse und Mentoren-Programme, bei denen Kollegen
ähnlicher Kultur- und Sprachprägung die Mitarbeiter unterstützen, können diesen Tendenzen
entgegenwirken.
Organisationskultur und Kommunikation. Die interne Kommunikation ist ein Mittel zur
Förderung des Verständnisses für interkulturelle Unterschiede. Der Technologiekonzern
Bosch startete dazu zum Beispiel die Diversity-Kampagne „Vielfalt ist unser Vorteil“. Die
Ford Werke Köln haben eine Initiative „Gegenseitige Wertschätzung am Arbeitsplatz“
durchgeführt.
Vielfältige Führungsstruktur. Ein weiterer Baustein für mehr Verständnis kann das
Widerspiegeln von Vielfalt in der Führungsstruktur schaffen. Wenn Führungskräfte aus
verschiedenen Kulturen kommen, sind sie für interkulturelle Zusammenarbeit eher
sensibilisiert. Außerdem zeigt die Organisation, dass Mitarbeitende unabhängig von ihrer
Herkunft die Karriereleiter nach oben kommen können.
Nur unter diesen Voraussetzungen kann interkulturelle Öffnung erfolgreich realisiert und die oben
genannten positiven Wirkungen erzielt werden. Die interkulturelle Öffnung ist ein langfristiger,
systematischer Prozess, der ganzheitlich und nachhaltig gestaltet werden sollte. Um die
Veränderungen nicht nur in den sichtbaren Routinen und Strukturen, sondern auch in den Köpfen
(und Herzen) zu erreichen, braucht man einen langen Atem und viel Geduld.
Literaturquellen
Business Wissen (2013): Interkulturelle Teams führen, www.business-wissen.de/interkulturelleteams (12.10.13)
Caritas Verband (2013): Interkulturelle Öffnung,
http://www.caritas.de/glossare/interkulturelleoeffnung?searchterm=Interkulturelle+%c3%96ffnung
(12.10.13)
Franken, Swetlana; Kowalski, Susann (Hrsg.): (2006): Nutzung des Potenzials junger Akademiker mit
Migrationshintergrund für die Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsbericht des Forschungsprojektes,
FH Köln.
Franken, Swetlana (Hrsg.): Frau, Migrantin, Führungskraft. Akademiker Verlag, Saarbrücken, 2011.
Hofstede, Geert (2006): Lokales Denken, globales Handeln. Taschenbuchverlag.
Köppel, Petra (2007): Konflikte und Synergien in multikulturellen Teams, Dissertation, Gabler.
Kühne, Astrid (2011): Interkulturelle Teams: Neue Strategien der globalen Zusammenarbeit, Gabler.
MASFF Brandenburg (2013): Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes
Brandenburg, Projekt Vorteil Vielfalt, Interkulturelle Öffnung, http://www.vielfaltbrandenburg.de/?cat=12 (12.10.13)
Reichwein, A.; Rashid, K.: Interkulturelle Öffnung in Kommunen und Verbänden, Expertise im Auftrag
der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2012,
Rößler, Annette (2013): Diversity zahlt sich aus, www.business-wissen.de/diversity (12.10.13)
Sattelberger, Thomas (2013): Die Arbeitswelt von morgen, In: Personalmagazin 05/2013, S. 28-29.
Statistisches Bundesamt 2012: Bevölkerung mit Migrationshintergrund. https://www.destatis.de/DE/
Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Migrationshintergrund20102201170
04.pdf?__blob=publicationFile (28.10.13)
Weißbach, Barbara; Schülken, Theo; Hüttig, Doreen (2007): Zufriedenheit und Einstellung –
wesentliche Faktoren bei der Arbeit in multikulturellen Teams. http://www.idmdiversity.org/files/Weissbach2007.pdf (05.11.13)
Wietasch, Barbara (2012): Global Management - ein Tanz mit den Eisbergen, Linde Verlag, Wien.
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