4.0 Lernen

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FGZ
Lernen
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Alexander Kallay
22.08.2011
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Titelblatt
Lernen – ein raffiniertes Zusammenspiel komplexester Neurotransmissionen
Über die Informationsspeicherung im Gehirn unter Prüfung von Lernsprichwörtern
Über den Prozess des Lernens; begründet durch Lernsprichwörter
Lernen als vielschichtiger Denkprozess unter Einbezug beider Gehirnhälten
Das Gehirn – die Schaltzentrale des menschlichen Nervensystems
Lernen durch Erfahrung vs. Lernen durch Reflex
Lernen: angeborene und gesellschaftlich aufgezwungene Eigenschaft?
Lernen – nur ein menschliches Phänomen? Gibt es das auch im Tierreich?
Learning by doing
Intrinsisches vs. extrinsisches Lernen
1
Inhaltsverzeichnis
2
Warum habe ich dieses Thema gewählt?
Das menschliche Gehirn ist das wichtigste Organ unseres Körpers. Es steuert alle unbewussten und bewussten Vorgänge. Grund genug, ihm große Beachtung zu schenken. Trotz intensivster Hirnforschung sind heute viele Teile unentdeckt. Motivation genug, die heutigen
Kenntnisse aufzuzeigen. Da der Aufgabenbereich unseres Gehirns unermesslich groß ist,
wollte ich mich auf einen Teil konzentrieren: das Gedächtnis; die menschliche
Informationsspeicherung auf Basis neurobiologischer Grundlagen.
Was passiert in unserem Gedächtnis, wenn wir lernen? Welche Veränderungen laufen ab
beim Wiederholen? Wann vergessen wir den Inhalt nie oder nicht so schnell wieder? Was
bedeutet „vergessen“?
Ein weiterer Grund für die Wahl dieses Themas war, dass ich meine Lernmethode
perfektionieren und somit schauen wollte, was das „Lernen“ auch beeinflussen könnte, im
positiven wie im negativen Sinne; und schließlich: Wie könnte man, neurobiologische
Kenntnisse vorausgesetzt, die Lernprozesse effizienter gestalten und somit das KostenNutzen-Prinzip steigern?
All diese Fragen gaben bei mir den Ausschlag, das Gedächtnis genauer unter die Lupe zu
nehmen.
Was ist das Ziel meiner Maturaarbeit?
Das Ziel ist es, die Gültigkeit dreier Sprichwörter zu beweisen oder zu widerlegen in Bezug
auf die von mir entwickelten Tests. Dabei ist ein Basiswissen auf neurobiologischer
Grundlage notwendig, welches im Anschluss dieses Textes zu finden ist. Dabei liegt es mir
erstens am Herzen, die Abläufe beim Lernprozess sehr detailliert und mit Fachwörtern zu
beschreiben, zweitens will ich die bei den bekannten Redewendungen symbolisierten
Lernformen genaustens untersuchen, mit den erhaltenen Zahlen interpretieren und nachher
mit Resultaten anderer Studien vergleichen, ebenso mit dem aktuellen Forschungsstand.
Somit hat der Leser mehrere Gründe, meine Maturitätsarbeit zu lesen: Er kann sich die
Lernprozesse vor Augen führen, wird über die Zuverlässigkeit der drei selektionierten
Redewendungen informiert, begründet durch repräsentative Tests. Zusätzlich erfährt er etwas
über den aktuellen Forschungsstand und kann die Meinung dazu von einem Spezialisten zur
Kenntnis nehmen, der seinerseits meine Interpretation noch aus einer anderen Perspektive
begutachtet. Damit die Spannung im Text aufrechterhalten bleibt, sind Extrainformationen
eingebaut, die das ganze Teilgebiet abrunden und besser verständlich machen.
Es existieren bereits zahlreiche Arbeiten über die verschiedensten Lernprozesse im Gehirn.
Aufgrund der großen Komplexität variieren die Fokusse stark. Es gibt Dossiers, die sich zum
Beispiel mit dem Einfluss des Hormonsystems auf die menschliche Informationsverarbeitung
beschäftigen. Andere Studien geben Auskunft über die verschiedenen Gedächtnisarten und
ihre Wichtigkeit. Aber es hat meines Wissens noch niemand versucht, Sprichwörter über das
Thema „Lernen“ mit (m)einem Testverfahren zu überprüfen. Somit bereichert meine Arbeit
die schon zahlreich entstandenen Untersuchungen.
3
1.0
Das menschliche Gehirn – ein Einblick
Das Gehirn ist ein hoch komplexes Organ, welches knapp anderthalb Kilogramm wiegt.
Ebenso ist es das wichtigste. Bei unterschiedlichen Reizen wird eine bestimmte Kombination
von Gehirnregionen aktiv, manchmal nur ein Wahrnehmungsfeld. Danach werden die
verarbeiteten Reize zu den Assoziationsfeldern geleitet, die diese weiterverarbeiten.
Bild Assoziationsfelder des Gehirns
Die graue Gehirnrinde, ein zusammengeschobener Lappen, ist ein im Menschen sehr
ausgeprägtes Organ. In diesem halben Quadratmeter pro Hirnhälfte spielen sich Denken,
Erkennen, Erinnern, Kombinieren, Lernen und Vergessen ab. Die zwei grauen Gehirnrinden
sind durch den Balken, eine Brücke aus Nervenfasern, verbunden. Spezifische Lernprozesse
nisten sich mit zunehmendem Alter in einer bestimmten Gehirnhälfte ein. Die beiden
Hörzentren zum Beispiel unterscheiden sich darin, dass sich in den späteren Jahren in 90 bis
95% aller Menschen das aktive Sprachzentrum in der linken Hemisphäre (vom Menschen aus
gesehen) befindet. Geräusche und Musik werden im rechten Hörzentrum verarbeitet. Auch
wissen wir, dass sich das Sehzentrum im Hinterkopf befindet. Nun hat man den Eindruck,
schon eine Menge über unser wichtigstes Organ zu wissen. Jedoch hat die Gehirnforschung
noch lange nicht alle Bereiche des Großhirns erfasst. Eingangskanäle, also die Aufnahme von
Impulsen, und die Verarbeitung der Assoziationsfelder sind noch lange nicht klar umrissen;
man kann sie schlecht zuordnen.
Man stellt sich deshalb in den Neurowissenschaften schon lange die Frage, wo die
„Information“ in unserem Gehirn gespeichert ist. Man weiß, dass Informationen von so hoher
Bedeutung sind, weil man sie, im Gegensatz zu Energie und Materie, nach der Weitergabe
immer noch besitzt. Man kann sogar Nachrichten vervielfältigen, ohne dabei noch mehr
davon aufnehmen zu müssen. Information ist also ein abstrakter Begriff, der weder auf Raum
noch auf Zeit angewiesen ist.
Auf der Suche nach dem Speicher- und Verarbeitungsort unserer Informationen sind wir
gezwungen, in das noch weitaus unbekannte, aber geheimnisvolle Gewebe, die graue
Gehirnrinde, einzudringen. Dieses faustgroße „Ding“ besteht alleine schon aus zehn
Milliarden Nervenzellen. Wie man später erfährt, sind Nervenzellen in verschiedenen Kreisen
miteinander verknüpft, welche ebenfalls wieder untereinander zusammenhängen. Doch wie
ist nun die Rolle einer einzigen Nervenzelle in diesem komplizierten System zu gewichten
und wie sieht sie aus? Dazu betrachten wir zuerst unser Nervensystem.
2.0
Das menschliche Nervensystem
Ohne die Existenz des gesamten menschlichen Nervensystems wären wir nicht nur unfähig,
uns koordiniert zu bewegen und äußerliche Reize wahrzunehmen, wir wären auch nicht in der
Lage, uns einen gewissen Inhalt für eine längere Zeit zu merken. Der Lernprozess wäre
unmöglich. Dieses Organ ist unabdingbar, denn es ist in der Lage, Reize der Sinnesorgane in
elektrische Impulse umzuwandeln und in wenigen Bruchteilen einer Sekunde weiterzuleiten.
Die Hauptaufgabe des Gehirns ist die Speicherung von Informationen, die zuerst von
verschiedenen Körperteilen aufgenommen, dann ans Gehirn übermittelt und schließlich im
Gedächtnis verarbeitet und gespeichert werden. Für diese Informationsverarbeitung, die
entweder bewusst im vegetativen Nervensystem1 oder unbewusst im somatischen
1
Nicht willentlich beeinflussbar
4
Nervensystem2 ablaufen kann, gibt es aber nur zwei wichtige Bestandteile, die dafür
notwendig sind. Erstens die Neuronen, von denen um die 15 Milliarden allein schon in
unserem Gehirn Platz finden. Dazu kommen aber noch andere Zellen, die sogenannten
Gliazellen. (siehe 2.2 Gliazellen) Allein schon im Gehirn beträgt die Gesamtlänge aller
Neuronen etwa 500'0003 Kilometer. Da aber auch die Funktionsweise der Gliazellen sehr
komplex und detailliert ist, beschränke ich mich auf die Neuronen.
2.1
Neuron
Mit einem nur 5–10 μm grossen Zellkern, der sich im Zellkörper Soma befindet, sind die
Neuronen die bedeutungsvollsten und kompliziertesten Zellen. Das Soma bildet auch ein
Protein- oder Peptidmolekül4, das bestimmt, sobald es durch das Axon gewandert ist, mit
welchen Neuronen Kontakt aufgenommen werden muss. Schätzungsweise besitzt ein Mensch
rund 15 Milliarden davon. Sie haben die Aufgabe, einerseits Mitteilungen von anderen
Neuronen zu empfangen und weiterzuleiten. Auch in ihren Kompetenzbereich fällt der
Energiegewinn von Nährstoffen durch Oxidation, ebenso können sie sich selber am Leben
erhalten, weil sie molekulare Schäden selbst reparieren können. Andererseits müssen sie in
der Lage sein, auf diese Einflüsse zu reagieren, wenn diese Neuronen mit einem Sinnesorgan
verknüpft sind. Es leitet nicht nur Impulse weiter, sondern kann sie auch verstärken oder
hemmen. (siehe 2.3 Synapsen)
Das Neuron besteht aus vielen Fortsätzen auf der Zellwand, was bei einer anderen Zelle, zum
Beispiel einer Hautzelle, so nicht anzutreffen ist. Der größte von diesen nennt sich Axon. Er
gibt die Impulse, welche von nochmals anderen Fortsätzen, den Dendriten, erkannt werden,
weiter. Am Ende des Axons, also an der präsynaptischen Membran, befinden sich die
Synapsen5, welche mit den Dendriten anderer Neuronen Kontakt aufbauen können. Ebenso
kann sich eine Verästelung eines Axons mit dem Zellkörper einer anderen Nervenzelle
verbinden; seltener hat man auch schon Verbindungen zwischen zwei Dendriten
beziehungsweise Nervenfasern beobachten können. Man kann sie also als sogenannte
„Outputstationen“ bezeichnen. Die vielen Synapsen sind eine unserer Lebensgrundlage. Sie
sind für die chemische Übermittlung von den Impulsen zwischen der prä- und der
postsynaptischen Membran via dem synaptischen Spalt verantwortlich. Der synaptische Spalt
ist ein sehr schmaler Freiraum zwischen den Endkolben und den Dendriten. Darin befindet
sich eine Flüssigkeit. Somit kann nur durch die Synapsen ein grosses Geflecht von Neuronen
entstehen. Da ein einzelnes Neuron nichts zur Förderung unserer Intelligenz leisten kann, sind
die Synapsen von zentraler Bedeutung. Da jedes Neuron bis zu 10'000 Verbindungen mit
anderen Nervenzellen eingehen kann, ist die Synapse also die Grundeinheit der menschlichen
Fähigkeit, Dinge zu erkennen und zu begreifen.
Bild Neuron
2.2
Gliazellen
Die Gliazellen, von denen zirka zehn Mal so viele vorhanden sind wie Neuronen, bieten den
Neuronen Schutz, versorgen sie mit Nahrung, entsorgen ihren „Abfall“ und beschleunigen
ihre Impulsweitergabe.
Bewusste Aufnahme von Kontakten zur Umwelt über die Sinnesorgane und die dem Willen unterworfene Motorik (Willkürmotorik) (Somatisches Nervensystem, 2011)
3 Distanz Erde-Mond = 384‘000 km
4 Sogenannte „Erkennungsmoleküle“
5 Synapse = Endknöpfchen des Axons
2
5
2.3
Synapsen
Synapsen sind kleine Endknöpfchen an den Enden der verzweigten Nervenfasern. Zwischen
den Synapsen und den Dendriten der nächsten Nervenzelle besteht ein kleiner Spalt6, der wie
ein Schalter funktioniert. Er kann entweder ein- oder ausgeschaltet werden. Die Synapse gibt
die Impulse vom einen an das andere Neuron weiter, und zwar nur in eine Richtung. Ebenso
ist sie ein Teil, der für die Informationsspeicherung verantwortlich ist. Gemäß heutigem
Forschungsstand führen alle Synapsen zu den Lernprozessen. Es sind schätzungsweise 500
Billionen.
Es gibt aber zwei Arten von Synapsen, aktivierende und hemmende. Erstere7 beschleunigen,
letztere8 verlangsamen den Prozess.
3.0
Verknüpfung der Neuronen zu einem Nervensystem
Ein einzelnes Neuron kann zwar Impulse von bis zu tausenden anderer Neuronen aufnehmen,
jedoch ermöglichen erst unzählige Verbindungen komplexe Lernprozesse. Auf molarer Ebene
betrachtet, erfolgt die Impulsweitergabe nur in eine Richtung. Zuerst werden sensorische
Rezeptoren gereizt, elektrische Impulse über „zwischengeschaltete“ Nervenzellen ins Gehirn
geleitet und bestimmte motorische Nervenzellen über Nervenzellen im Rückenmark aktiviert.
Diese aktivieren oder hemmen Muskelzellen, um zielgerichtete Bewegungen zu ermöglichen.
Doch für spezifische Leistungen sind exzitatorische9 und inhibitorische10 Neuronen sowie
Rückkopplungsschleifen notwendig. Die Bedeutung ist entscheidend für die Strukturierung
der neuronalen Aktivität. Sie ermöglichen eine gezieltere und differenziertere
Impulsweitergabe. Es ist also ein formgebender Prozess, der den unklaren Aktionen der
aktivierenden Neuronen eine spezifische Form verleiht. Durch Rückkopplungsschleifen
können sich Neuronen auch selber hemmen oder zusätzlich aktivieren. Damit eine
„Daueraktivierung oder –hemmung“ verhindert wird, unterliegen die Schleifen auch anderen
Verbänden von Neuronen. Das Nervensystem bewältigt vielschichtige Aktivitätsmuster. Man
ist sich heute zwar immer noch im Unklaren darüber, welches davon welche Leistung
hervorruft, aber es ist unbestritten, dass ein solches System alle Voraussetzungen für die
„Informationsverarbeitung“ enthält.
Das bisher Behandelte liefert die Voraussetzung für das Verständnis des eigentlichen
Kernthemas:
4.0
Lernen
4.1
Was ist Lernen?
Den Begriff „Lernen“ braucht man oft im Zusammenhang mit Schule. Obwohl ich mich
nachher weitgehend auf diesen Aspekt des Lernens beziehen werde, möchte ich auch noch
veranschaulichen, wie komplex der Oberbegriff „Lernen“ ist. Auf psychologischer Basis
spricht man unter anderem auch vom Lernen von Angst oder der Ausbildung von
Gewohnheiten.
= synaptischer Spalt
z. B.: Acetylcholin
8 z. B.: Noradrenalin
9 aktivierende
10 hemmende
6
7
6
Lernen ist somit Mittel zum Zweck; es ist die Grundlage für die Erfahrungsbildung.
Ausgeschlossen sind logischerweise die durch Vererbung und im Verlauf der Reifung
entstandenen Strukturen. Allerdings ist nicht garantiert, ob man das Gelernte später auch
wirklich anwenden wird. Somit ist Lernen nur eine Möglichkeit, die Chance auf eine bessere
Zukunft zu erhöhen.
Schon ab Geburt beginnt das Kind zu lernen. Lernen ist deshalb nicht begrenzt, sondern das
ganze Leben lang möglich. Somit bilden sich automatisch Erfahrungen. Zusätzliches Lernen
wird die bereits bestehenden Erfahrungen umändern oder neue bilden. Man besinnt sich durch
Lernen auf bisherige Strategien, also auf die Erfahrung, und korrigiert sie wenn nötig.
Erwerben und Bereitstellen von Erfahrungen, die in Zukunft neue Aktivitäten beeinflussen,
sind die wesentlichsten Merkmale des Lernens.
4.2
Was ist mit Gedächtnis gemeint?
Das Gedächtnis ist immer aktiv. Es erhält die Informationen unserer Sinnesorgane über die
Nervenzellen und verarbeitet diese. Somit ist das Gedächtnis der Ort für die Lernprozesse
sowie deren Speicherung. Darin ist nicht nur theoretisches Wissen vorhanden, sondern auch
das Handlungswissen. Dieses beinhaltet Verfahren bzw. „Anleitungen“ zur Lösung von
Problemen. Es ist also ein System, das die Grundlage für die Lernprozesse bildet. Es hat die
Fähigkeit, Informationen für eine bestimmte Dauer zu speichern und abzurufen. Gedächtnis
und Lernen sind voneinander abhängig und werden unter dem Begriff der menschlichen
Informationsverarbeitung zusammengefasst. Man unterscheidet zusätzlich zwischen
explizitem und implizitem Gedächtnis. Ersteres ist gefüllt von Inhalten, die man sich bewusst
gemerkt
hat;
z. B. das altbekannte Schulwissen. Doch man es nicht regelmäßig repetiert, droht der Verlust.
Letzteres betrifft die angewöhnten Fertigkeiten, die man auch nach einer langen Pause wieder
schnell in den Griff bekommt.
Bis heute ist unklar, welche Teile das Gedächtnis im Gehirn einnimmt.
4.2.1 Informationsselektion
Nicht alle Informationen unserer Sinnesorgane werden in unserem Gehirn aufgenommen.
Zuerst werden sie sortiert und nur die wichtigsten gespeichert. Ohne diese Selektion würde
man in einer Informationsflut ersticken; die mentale Kontrolle über sich verlieren. Ordnung
dabei schafft nicht, wie man annehmen würde, die Grosshirnrinde, sondern das limbische
System, welches sehr eng mit den Sinnesorganen kooperiert; sie sind grundlegend für unser
Gedächtnis.
Pro Sekunde werden 109 Bits11 Informationen aufgenommen. Davon werden aber nur 102 Bits
wirklich im Gehirn weiterverarbeitet. Neben unbewussten Auslesevorgängen kommt auch der
Mensch ins Spiel, indem er bewusst viele Informationen mit bereits im Gehirn gespeicherten
Inhalten vergleicht und nach Assoziationen sucht. Dies geschieht, wenn man bewusst
Zusammenhänge herzustellen versucht; Verstehen heisst dieser Vorgang. Dabei werden die
ausgewählten Informationen wieder auf 107 Bits pro Sekunde angereichert. Sie werden an das
Individuum angepasst. Somit kann erklärt werden, warum die Realität unterschiedlich
wahrgenommen wird. Denn Denken und Handeln jedes Einzelnen basiert auf diesen wenigen
und auf das Individuum angepassten Informationen.
Dieses oft implizite Phänomen ist wie ein Filter; es schützt den Menschen vor einer
„Systemüberlastung“ und hält Ordnung, Orientierung und physische Selbstkontrolle aufrecht.
11
109 Bits = 19 Milliarden Bits
7
Bild. „Flaschenhals der Wahrnehmung“  siehe S. 90 Buch 6
4.2.2 Die Konsolidierung – Informationsverarbeitung
Wie jeder heute weiß, gibt es das Kurzzeitgedächtnis, vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher
eines Computers, bei dem die Information für kurze Zeit abrufbar ist, nachher aber durch neue
Information überschrieben wird. Warum sind uns aber gewisse Ereignisse aus dem
Kindesalter immer noch präsent? Diese Informationen waren so eindrücklich, dass man sich
mit ihnen lange beschäftigt hatte. Sie wurden auch im Kurzzeitgedächtnis
zwischengespeichert und nachher im Langzeitgedächtnis fest verankert. Doch was war der
Grund auf neuronaler Ebene? Es gab strukturelle Veränderungen. Da sich Neuronen selber
nicht verändern können, müssen es zwangsläufig die Verbindungen zwischen den Neuronen,
also die Synapsen, sein, die den Unterschied ausmachen. Die im Hippocampus, einem Teil
des limbischen Systems, vorhandenen Nervenzellen sind gut modifizierbar. In diesem
wichtigen Teil unseres Gehirns findet der Aufbau der Gedächtnisspuren statt, dort entstehen
nämlich die komplexen neuronalen Regelkreise mit unglaublich vielen Neuronen. Es werden
dort laufend Synapsen gebildet und der Regelkreis wird immer grösser und leistungsfähiger.
Diese allmähliche Bildung nennt man Konsolidierung, anders ausgedrückt die Organisation
des gelernten Materials. Da der Hippocampus nicht Sitz des Langzeitgedächtnisses ist, drängt
sich die Frage auf, wo genau die Informationen gespeichert werden. Darauf hat die
Hirnbiologie noch keine präzise Antwort gefunden, denn die Bereiche und die
Zusammenhänge sind nur in groben Umrissen bekannt.
4.2.3 Gedächtnisarten
4.2.3.1 Ultra- und Kurzzeitgedächtnis
Nachdem die Informationen über das sensorische Gedächtnis weitergeleitet worden sind,
gelangen sie in das Ultrakurzzeitgedächtnis und sind für zirka 1 Sekunde festgehalten.
Nachher erfolgt un- wie auch bewusst eine Selektion (siehe 4.6) dieses Realitätsabbildes.
Nach dieser Verarbeitung werden die übrig bleibenden im KG abgelegt. Dort können zirka 7
Einheiten12 für ungefähr 15 Sekunden gespeichert werden. Dabei spielt aber die Komplexität
eine Rolle. Man differenziert zwischen dem Ultrakurzzeit- und dem Kurzeitgedächtnis13.Für
den Informationsübergang von UKZG zu KZG ist dringend Zeit für die Verinnerlichung
notwendig; und zwar möglichst in den nächsten Sekunden. Gehemmt werden kann diese
Festigung durch fehlendes Interesse und mangelnder Assoziationsmöglichkeiten, verhindert
durch Störungen wie Schmerz; letzterer lässt die elektrisch kreisenden Ströme und
Schwingungen der Sinnesinformationen im Gehirn stoppen und die bisher Gespeichertes
vollständig löschen.
4.2.3.2 Langzeitgedächtnis
Merkmale des Langzeitgedächtnisses14 sind die grosse Speicherkapazität und die Möglichkeit,
Informationen nach langen Zeitperioden wieder abrufen zu können. Gründe für eine
erfolgreiche Informationsspeicherung im Langzeitgedächtnis sind das Verstehen und das
Silben, Wörter, Zahlen, Buchstaben
Später UKZG bzw. KZG
14 Später LZG
12
13
8
Interesse. Auf molekularer Ebene besteht eine Erinnerung aus Proteinen. Der Aufbau des
Proteins aus der RNA ist ein Prozess, der nicht gestört werden darf; ebenso wie stressartige
Erlebnisse, die die Transmitterausschüttung hemmen und so ganze Synapsenverbände
blockieren können.
4.3
Plastizität
Dieser Vorgang im Gehirn ist unsere Lebensgrundlage. Ohne diese Fähigkeit wäre ein
Mensch unfähig zu denken. Mit der Plastizität verändert sich unsere Gehirnstruktur, indem
Synapsen entweder verstärkt oder sogar neu gebildet oder abgebaut werden. Dies geschieht
das ganze Leben lang, jedoch nimmt die Geschwindigkeit der Veränderungen mit
zunehmendem Alter immer mehr Zeit in Anspruch. Für die Aufnahme von Informationen
sind die Dendriten verantwortlich. (Bild Dendrit genau) Je mehr intakte Dendriten, desto
grösser die Informationsübertragung pro Zeit. Je mehr Verknüpfungen zwischen aktiven
Zellen, desto leistungsfähiger ist der Mensch. Dieses biologische Phänomen ist sinnbildlich
für das Lernen.
Es ist vielerorts verbreitet, dass ein größeres Hirnvolumen mehr geistige Leistungen erbringt
als ein kleines. Diese Behauptung sit falsch, weil die Funktionsfähigkeit des Gehirns von den
aktiven und intakten Dendriten abhängt, die Informationen aufnehmen, und nicht von den
geschädigten.
4.4
Erregungsübertragung interneuronal
Die Dendriten empfangen die elektrischen Signale, das Axon leitet sie weiter und an dessen
Ende werden durch das elektrische Potential Transmitter in den synaptischen Spalt freigesetzt.
Darin wird durch den elektrischen Puls ein Bläschen mit den Überträgerstoffen angestoßen
und zur präsynaptischen Membran katapultiert, mit der es nachher verschmilzt und platzt.
Dabei werden die Transmitter freigesetzt. Bekannte sind Acetylcholin, Noradrenalin und
einige Aminosäuren. Danach wandern diese durch den synaptischen Spalt zu den Rezeptoren.
Beim Andocken an diese wird wieder ein elektrischer Impuls ausgelöst, weil die
Durchlässigkeit für bestimmte Ionen in der postsynaptischen Membran erhöht wird. Beim
Transmitter „Acetylcholin“ strömen Natrium-Ionen ein und Kalium-Ionen heraus. Gewisse
Überträgermoleküle gelangen nicht bis zu ihrem Rezeptor. Diese werden im synaptischen
Spalt aufgefangen und von der Acetylcholinesterase abgebaut. Na+ würden herausströmen
und K- einströmen, wenn es sich um eine hemmende Synapse handeln würde. Wenn das Axon
von einer Markscheide aus Myelin umgeben ist, wird das Signal schneller weitergeleitet.
Diese Schicht verhindert Kurzschlüsse; bei Epilepsie ist dies etwa der Fall. An der
postsynaptischen Membran der nächsten Zelle führt es zu einem elektrischen Potenzial. Wenn
diese Informationen von den Sinnesorganen kommen, nennt man die Nervenbahn eine
afferente Bahn, wenn sie schon verarbeitet wurden und auf dem Weg zu den Effektoren
(Muskeln etc.) sind, nennt man dies eine efferente Bahn.
Bild Synapse
4.5
Lern- und Denkprozesse
Wie in 4.3 schon erwähnt, wird im Lernprozess zwischen dem „Kurzzeitgedächtnis“ und dem
„Langzeitgedächtnis“ unterschieden. Nun will man noch genauer beschreiben:
Informationen für sehr kurze Zeit behalten zu können heißt Kurzzeitgedächtnis; also ein
temporäres Gedächtnis, das durch Konzentration auf andere Inhalte vollständig durch diese
9
überschrieben wird. Das Kurzzeitgedächtnis ist daher ein Denkprozess; die Neuronen sind
aktiv und erzeugen oder leiten Impulse weiter. Jedoch wird keine Veränderung der Synapsen
festgestellt.
Für längere Zeit Informationen speichern zu können, ist eine Fähigkeit, die unter dem Begriff
„Langzeitgedächtnis“ zusammengefasst wird. Dabei gehen diese im Unterschied zum
Kurzzeitgedächtnis nicht verloren. Jedoch muss man zwischen einem „täglichen“ und einem
„echten Langzeitgedächtnis“ unterscheiden, weil ja nicht alle Informationen in diesem
Gedächtnis das ganze Leben lang behalten werden. Hier spricht man von der Verknüpfung
von Neuronen, weil das Langzeitgedächtnis wahrscheinlich auf der Veränderung der
Synapsen beruht. Dauerhaftes Wissen ist also verschlüsselt im Gehirn gespeichert. Die
Anordnung der Neuronen und deren Verbindungen zu anderen sind sinnbildlich für die
Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ebenso werden Nervenverbindungen nicht verändert oder neu
gebildet, sondern man stellt eine Wandlung der prä- und/oder der postsynaptischen Membran
in der Synapse fest. Es ändert die Empfindlichkeit der Membranen und/oder die Ausschüttung
der Neurotransmitter wird erhöht oder verringert. Jedoch kann die Information auch im
Langzeitgedächtnis verloren gehen. Um diesem vorzubeugen, muss man das Gelernte
repetieren; es also mehrmals vor Augen führen. Wenn man sich emotional mit dem Gelernten
identifizieren kann, dann ist die Abnahmegeschwindigkeit kleiner als bei Ereignissen mit
gefühlsloser Wirkung.
Was man noch nicht weiß, ist, welche Verknüpfungsmuster welchen Denkfähigkeiten
entsprechen. Ebenso unklar ist, welche Ablaufmuster welchen Denkprozessen entsprechen.
Jedoch weiß man, dass Lernen auf der Veränderung neuronaler Verbindungen beruht. Aber
nicht jede Aktivierung ruft eine Veränderung hervor.
Man kann auch von 3 Gedächtnisstufen sprechen. Zuerst erhält man die Information, dann
speichert man sie und ruft sie vielleicht zu einem noch unbekannten Zeitpunkt ab. Dabei ist
Lernen der Aufnahme-, das Gedächtnis der Speicher- und das Abrufen der Leistungsvorgang.
Bild Grundmodell vgl. Abb. 1 (3) S. 3
4.6
Der Einfluss der Logik auf Behalten und Vergessen
Betrachtet man den Vorgang des Einprägens, fällt auf, dass sinnlose Wörter in einer sinnlosen
Reihenfolge viel mehr Wiederholungen benötigen als zusammenhängende Sätze, um sie zu
lernen. Test? Der Fortschritt ist bei beiden Lernprozessen anfangs gross, flacht mit der Zeit
aber ab. Foucault brachte dies auf den Punkt: „Die Lernzeit wächst proportional dem Quadrat
der Silbenzahl.“ (Zitat, S. 108, Buch 6 die einfachen Lernformen  IS: bitte Zitat
einfügen!) Diese Behauptung ist jedoch generell, normabhängig und lässt sich aufgrund
verschiedener Lernformen nicht personalisieren; keine Beachtung würde die unterschiedliche
Motivation eines Individuums finden, welche den Lernfortschritt positiv oder negativ
beeinflussen könnte. Bartlett fand heraus, dass man nur die wichtigsten Handlungen und
Details lernt, die spannend und interessant wirken; dieser Vorgang wird hauptsächlich von
den Gefühlen gesteuert. Die Wiedergabe des Behaltenen basiert auf diesen Einzelheiten und
der individuellen Gemütslage.
Das Prinzip ist jedoch offensichtlich, dass sich mit zunehmender Zahl die Wiederholungen
häufen; bei sinnlosen mehr als bei sinnvollen Begebenheiten. Solche Zustände herrschen nur
vor dem ersten Lernvorgang. Was geschieht da genau? Es muss dabei zwischen
mechanischem und inhaltlichem Lernen unterschieden werden:
Sinnlose Silbenabfolgen wie Mei, Lut, Oar wirken unecht und tendieren zu keinem
repräsentativen Ergebnis, weil die Lerntechnik jedes einzelnen unterschiedlich ausfallen
würde und man somit keine Vergleiche ziehen könnte. Warum eine Teststudie mit Silben?
Denn nur auf diese kann sich der Leser nicht vorbereiten und ebenso wenig irgendwelche
10
Assoziationen herstellen. Die berühmte Vergessenskurve (Bild!) von Ebbinghaus zeigt, dass
rein auswendig gelernte Silben ohne häufige Wiederholungen rasch vergessen werden. Diese
Feststellung war nur aufgrund der Unlogik möglich. Allerdings lernt heute kaum jemand
sinnlose Inhaltsstoffe.
Effizientes und schnelles Lernen von sinnvollen Sachverhalten beruht daher zusätzlich auch
auf Verständnis; der Unterschied zum reinen Aneignen von Lernmaterial ist das Begreifen der
Essenz und die Assimilation mit Vorwissen. Beim ersten Einprägen wird versucht, die
sinnvollen Silben zu ordnen und sie unter Oberbegriffen zusammenzufassen. Ausserdem kann
man sie inhaltlich in Zusammenhang bringen. Auch das Erkennen der Hauptthemen ist von
Vorteil. Dies sind aber nur Bruchteile vieler Techniken. Die Anpassung an die
Gesamtsituation und –überblick ist ausschlaggebend.
Bower baute die Erkenntnis von Ebbinghaus noch aus. Er fand heraus, dass sich sinnvolle
Wortpaare leichter lernen lassen, wenn man sich dies in Abhängigkeit vorstellt. Das
Herstellen von Beziehungen unter den Wortern zu logischen Begriffspaaren, eine Hierarchie
also erleichtert den Lernvorgang massgebend. Das Ordnen des zu lernenden Stoffes in Oberund Untergruppen erhöht zudem die Erinnerungsfähigkeit.
Damit man aber nicht vergisst, was man gelernt hat, muss man es rasch möglichst
wiederholen; Meumann beschreibt die erste Repetition als die wichtigste und die folgenden
nur noch zu deren Fixierung. Diese Vergessensart nennt sich die Interferenztheorie. Test? Bei
reell scheinenden Geschichten ist es einfacher, die Spreu vom Weizen zu trennen. Nach
Ebbinghaus ist ein Gedicht nach 24 Stunden noch zu 50% wortwörtlich abrufbar. Begrifflich
geordnete und gelernte Wörter können besser abgerufen werden. Parallel zu der ersten Art der
Vergessensmethode steht die physiologische Spurenzerfalltheorie. Dort werden
Nervenbahnen wortwörtlich aufgelöst.
4.7
Rückwirkende Hemmung bzw. Nachreifen
Nach Ebbinghaus und G. E. Müller wird das vorher Gelernte durch anschliessende
Ablenkungen in seiner Fixierung beeinträchtigt. Je weniger anstrengende Aktivitäten nach
dem Lernen folgen, desto positiver wirkt sich das auf das Behalten aus. Der
Fixierungsvorgang des Gelernten im Ruhezustand läuft schneller als im Wachzustand ab.
Test?
Bei Multitasking, wie etwa paralleles Musikhören, setzt die notwendige Nachreifung eben
nicht ein.
4.8
Alterseinfluss
Ein Kind benötigt mehr Zeit für die gleiche Stoffmenge, die zu lernen ist, als ein Erwachsener. Jedoch kann es die erworbenen Kenntnisse länger speichern. Für den Erwachsenen gilt
genau das Umgekehrte.¨ Mit zunehmendem Alter nimmt die Proteinsynthese mehr und mehr
ab, was aber nicht heisst, dass nicht mehr gelernt wird. Daraus folgt, dass sich die
Synapsenanzahl immer mehr verringert und die Zellkörper kleiner werden. Es sterben nicht,
wie früher gedacht Neuronen ab, sondern die Hirnrinde verdichtet sich.
11
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