INFORMATION zur Pressekonferenz mit Landesrat Rudi Anschober OA Assoz.-Prof. PD DI Dr. med. Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner Ärzt/innen für eine gesunde Umwelt 20. August 2015 zum Thema Anschober fordert Aus für Spritzmittel Glyphosat – Neue Studien. Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat vor der Neuzulassung? Studien zeigen massive Gefahren für unsere Gesundheit – Wir brauchen Verbot jetzt! Rückfragen-Kontakt: Mag.a Tina Schmoranz (+43 732) 77 20-120 83, (+43 664) 600 72-120 83 LR Rudi Anschober Seite 2 Anschober fordert Aus für Spritzmittel Glyphosat – Neue Studien. Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat vor der Neuzulassung? Studien zeigen massive Gefahren für unsere Gesundheit – Wir brauchen Verbot jetzt! Glyphosat – ein Stoff, der vielen aus dem Unkrautvernichtungsmittel Round Up bekannt ist – wurde durch neueste Studien als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Alleine in Österreich sind derzeit 37 glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel zugelassen. Einige Baumärkte haben bereits reagiert und diese Produkte aus dem Handel genommen, die allgemeine Zulassung der Nutzung ist jedoch weiterhin aufrecht – trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse der Gefahren und heftigster Kritik und Bedenken von führenden Mediziner/innen. Konsument/innenschutz-Landesrat Rudi Anschober sieht die bisherige Nichtbeachtung des Vorsorgeprinzips – gerade auch für die hauptbelastete Gruppe der Landwirtinnen und Landwirte, welche diesem Gift unmittelbar ausgesetzt sind – als eine Unzumutbarkeit und fordert Gesundheits- und Umwelt- und Agrarministerium auf, hier tätig zu werden und absolutes Vertriebs- und Anwendungsverbot für Österreich zu verhängen. Dieser Forderung pflichtet auch Österreichs führender Umweltmediziner Prof. Dr. Hutter bei. Die EFSA – die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – kann bei deren für Herbst erwarteter Bewertung von Glyphosat nur zur Erkenntnis gelangen, dieses Produkt in all seinen Anwendungsgebieten – entgegen der Interessen der Pestizidlobby – umgehend zu verbieten und vom Markt zu nehmen. Anschober: „Der Schutz von Mensch, Gesundheit und Umwelt muss wichtiger sein als die Gewinninteressen einiger Giftkonzerne!“ Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 3 Hintergrund Glyphosat ist der weltweit am häufigsten verwendete Wirkstoff für sog. Pflanzenschutzmittel. In der EU ist es seit 2002 zugelassen. Es wirkt giftig für Wasserorganismen und wird deshalb als umweltgefährdend eingestuft. In Österreich sind derzeit 37 glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel zugelassen, davon zwei Kombinationsmittel mit anderen Wirkstoffen. In Österreich wird Glyphosat in der Landwirtschaft, im Wein- und Obstbau und im Gartenbau zur Unkrautbekämpfung vor der Aussaat oder nach der Getreideernte im Herbst zur Beseitigung von Getreidestoppeln verwendet. Auf Wiesen und Weiden ermöglicht es die Bekämpfung einzelner ausdauernder Unkrautpflanzen und das Erneuern stark verunkrauteter Grünlandflächen. In anderen Ländern wird es auch bei Getreide-, Raps- und Kartoffelkulturen bis zu sieben Tagen vor der Ernte eingesetzt, um das Abreifen der Kulturpflanze zu beschleunigen und somit einen früheren Erntetermin zu ermöglichen (Sikkation). In Österreich ist mit der am 1.8.2013 in Kraft getretenen Novelle zum Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 der Einsatz von Glyphosat zur Sikkation von Erntegut für Lebensoder Futtermittelzwecke verboten. Gefährliche Pflanzenschutzmittel können in Böden und Grundwasser eindringen, dadurch nicht nur unsere Umwelt belasten, sondern auch über unsere Lebensmittel sowie, wie im Fall vom Glyphosat, durch den direkten Kontakt mit dem Mittel die menschliche Gesundheit gefährden. Ende März dieses Jahres wurde der Wirkstoff von der WHOKrebsforschungsagentur IARC als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ (Kategorie 2a) eingestuft. Der hierzu erst kürzlich erschienene vollständige Bericht legt auch dar, dass der Stoff außerdem das Erbgut verändert. Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 4 Aufgrund dieser neuen Erkenntnis können die Wissenschafter/innen keinen für die Gesundheit unbedenklichen Grenzwert festlegen. Der Mensch sollte bestenfalls gar nicht mit Glyphosat in Berührung kommen. Dazu kommt, dass fertig formulierte, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel eine höhere toxische Wirkung haben können, als der reine Wirkstoff für sich genommen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) muss die Marktzulassung für Glyphosat nun neu untersuchen. Pflanzenschutzmittel erhalten in der Regel eine zunächst auf zehn Jahre befristete Zulassung, danach muss der Stoff erneut für sicher befunden werden, um eine Zulassungsverlängerung zu erhalten. Jeweils ein EU-Mitgliedstaat ist Berichterstatter für diese Überprüfung. Für Glyphosat, dessen Zulassung Ende 2015 ausläuft, ist Deutschland Berichterstatter (zuständig ist das BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung). Trotz der IARC-Einstufung hat Deutschland seinen Bericht, der eine Glyphosataufnahme im Rahmen der gesetzlichen Rückstandshöchstgehalte als unbedenklich einstuft und die Zulassungsverlängerung empfiehlt, im Mai unverändert an die EUBehörde EFSA zugeleitet. LR Anschober: "Angesichts der neuen WHO-Erkenntnisse darf die EUKommission die erneute Zulassung für Glyphosat nicht durchwinken, sondern muss im Sinne des Vorsorgeprinzips für Gesundheit und Umwelt handeln. Mit Milliardengewinnen durch ein seit Jahrzehnten als gesundheitsschädlich diskutiertes Mittel muss jetzt Schluss sein!" Verwendete Mengen in der oö. Landwirtschaft Laut Auskunft der Landwirtschaftskammer österreichweit 300 t Glyphosat Oberösterreich in der Landwirtschaft werden eingesetzt. Umgerechnet auf die oberösterreichische Ackerfläche ergibt sich daraus, Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 5 dass auf Oberösterreichs Äckern jährlich zirka 70 t Glyphosat ausgebracht werden. Daten auf Gemeindeebene bzw. zum Privatgebrauch sind nicht vorhanden. Zumindest letztere dürften aber im Vergleich zu den in der Landwirtschaft ausgebrachten Mengen sehr gering sein. OÖ will Alternativen! In OÖ wird Glyphosat im öffentlichen Bereich bei Straßen und Gehwegen zur Unkrautvernichtung durch die Straßenmeistereien seit über einem Jahr nicht mehr eingesetzt. Grund dafür sind die Bestimmungen des oö. Bodenschutzgesetzes sowie des Bundes-Pflanzenschutzgesetzes. Auch die folgenden oö. Gemeinden verzichten bereits in ihrem Wirkungsbereich Eferding, auf Vöcklabruck, glyphosathaltige Ottensheim, Pflanzenschutzmittel: Tumeltsham, Wels, Waizenkirchen, Schlierbach, Braunau am Inn, Obernberg am Inn, St. Florian, Traun. Außerdem will z.B. die Bauhaus-Kette alle Pestizide mit dem Wirkstoff Glyphopsat, allen voran das weltweit verbreitete und stark in der Kritik stehende „Roundup“ des Konzerns Monsanto, aus den Regalen verbannen – es werden seit Anfang August nur noch Restbestände abverkauft. Umwelt-Landesrat Rudi Anschober: „Ich begrüße diesen Schritt der Gemeinden und der Bauhaus Fachcentren sehr! Ein „wahrscheinlich krebserregendes“ Produkt hat weder im Hausgarten oder auf Gehwegen und noch weniger auf den Feldern, auf denen unsere Lebensmittel erzeugt werden, etwas verloren! Ich fordere somit die weiteren Gartenund Baumärkte auf, auf Produkte mit diesem Wirkstoff zu verzichten. Weitere Gemeinden können dem positiven Beispiel der hier genannten Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 6 Vorreiter folgen. Vor allem aber richtet sich mein Appell an Teile der Landwirtschaft und deren Vertreter/innen, sich von solchen ProblemPestiziden zu verabschieden! Es kann nicht sein, dass hier die Interessen der Pestizid-Lobby und deren Profitgier höher eingestuft werden als der Vorsorgegedanke und die Gesundheit von uns Menschen!“ Appell an Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium: umfassendes Verbot zum Schutz aller und insbesondere der Landwirt/innen! Da Glyphosat zwar auch über die Nahrung, verstärkt jedoch über die Haut und die Atemwege in den Körper gelangt, sind besonders direkte Anwender/innen des Mittels gefährdet. Es existieren erschreckende Berichte aus Südamerika, wo das Mittel mit Flugzeugen großflächig über Sojafeldern ausgebracht wird und die in der Nähe lebende Bevölkerung mit erhöhten Krebsraten, Neugeborenensterblichkeit, Missbildungen Fehlgeburten, bei Säuglingen, Immunerkrankungen, Nierenschäden sowie Haut- und Atemproblemen zu kämpfen hat. Die am meisten gefährdete Bevölkerungsgruppe sind hierzulande jene konventionellen Landwirt/innen, die das Mittel selbst anwenden. Oft geschieht dies aus Mangel an Wissen über Alternativen. Es ist also zum Schutz der Landwirt/innen, der Personen die in der Nähe von mit Glyphosat behandelten Feldern leben, von Bauhof-Mitarbeiter/innen in Gemeinden, die noch nicht auf Mittel mit diesem Wirkstoff verzichten, sowie der Bevölkerung im Allgemeinen im Sinne des Vorsorgeprinzips dringend notwendig, den Wirkstoff Glyphosat zu verbieten – zumindest solange, bis die Gefährlichkeit für die Umwelt und die menschliche Gesundheit restlos geklärt ist. Landesrat Anschober appelliert in diesem Sinne an die weiteren zuständigen Referenten in der Oö. Landesregierung mit ihm gemeinsam Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 7 eine Initiative in Richtung Bund zu starten, die das Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln im Sinne des Vorsorgeprinzips zum Schutz der Bevölkerung, insbesondere der besonders betroffenen Landwirt/innen, zum Ziel hat. Anschober: „Ich sehe auch eine Möglichkeit nach dem Bodenschutzgesetz aktiv zu werden. Aus der Notwendigkeit des Vorsorgeprinzips heraus, würde sich auch eine entsprechende Bewertung und ein Verbot nach dem oö. Bodenschutzgesetz anbieten, welches ich in den politischen Diskurs einbringen werde.“ Zusammenhang mit GVO Gentechnik wird hauptsächlich zur Herbizidresistenz von Soja und Mais eingesetzt. Monsanto vertreibt beispielsweise passend zum GlyphosatProdukt „Roundup“ „Roundup-ready“ Saatgut, also solches, das sich von Roundup nicht abtöten lässt. Glyphosat wird also routinemäßig auf Genmais und Gensoja z.B. in den USA und Südamerika versprüht. Oberösterreich hat so wie ganz Europa seit Jahren eine EiweißfuttermittelLücke. Zu deren Deckung wird insbesondere Soja aus Brasilien, Argentinien und den USA importiert. Für Österreich wird die Menge des Sojaschrot-Imports auf aktuell ca. 400.000 t geschätzt, wovon ca. 80 % gentechnisch verändertes (GVO) Soja sind. Dadurch gelangt der „wahrscheinlich krebserregende“ Wirkstoff über glyphosatbelastete Futtermittel auch in die europäische bzw. österreichische Nahrungskette. Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 8 Prof. Dr. Hutter: Kurzexpertise von Ärzt/innen für eine gesunde Umwelt (ÄGU): Glyphosat-Verwendung ist aus vorsorgemedizinischer Sicht sehr kritisch zu betrachten – Wir würden ein Verbot begrüßen Seit Jahren setzen sich ÄGU für eine ökologisch verträgliche Landbewirtschaftung sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ein. Umweltmedizinisch bedeutsam ist dabei vor allem auch die Verringerung des Pestizideinsatzes. Dies ist deshalb wichtig, weil Pestizide nicht nur auf ‚Schädlinge‘ und Begleitvegetation von Kulturpflanzen, sondern auch auf das Ökosystem insgesamt und auf die Gesundheit des Menschen nachteilige Wirkungen haben können. Das Herbizid Glyphosat ist ein gutes Beispiel dafür, wie vielfältig die Wirkungen und auch wie komplex die Forschung und nicht zuletzt wie schwierig (aber auch kontrovers) die Interpretation vorhandener wissenschaftlicher Daten sein kann. Im Folgenden beschreiben wir einige wesentliche umweltmedizinische Aspekte und Fragen zu Gesundheitsrisiken rund um das weltweit verbreitete Pestizid. Glyphosat wurde um 1970 als Breitband-Herbizid entwickelt. Bestimmte Aminosäuren, die Bausteine von Proteinen, können von tierischen Zellen nicht gebildet werden. Tiere sind daher direkt oder indirekt auf pflanzliche Nahrung angewiesen. Pflanzen hingegen müssen in der Lage sein, alle benötigten Aminosäuren selbst zu produzieren. Und genau einer dieser (Shikimisäure-) Stoffwechselweg wird von Glyphosat spezifisch gehemmt (Stephen 2008). Daher dachte man ursprünglich, dass Glyphosat nur für pflanzliche und nicht für tierische Organismen schädlich sein könne. Nachdem einfache Mutagenitätstests ebenfalls unauffällig ausfielen, nahm man lange an, dass dieses neue Herbizid für Menschen unbedenklich sei (BfR 2015, Greim 2015, Kier 2015, 2013). Zweifel kamen zuerst nach Experimenten an menschlichen und tierischen Zellkulturen auf, bei denen nicht Glyphosat alleine, sondern gemeinsam mit seinen handelsüblichen Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 9 Zusatzstoffen eingesetzt wurde. In dieser Zubereitung konnte Glyphosat besser in die tierischen Zellen eindringen und führte dort zu einer Reihe von Schäden, die zahlreiche Biomoleküle betreffen und als unspezifisch anzusehen sind (d.h. es gibt kein bestimmtes Zielmolekül, das besonders betroffen ist). Auch jüngere Studien zeigen, dass die Kombination von Glyphosat mit Zusatzstoffen stärkere Effekte hat als der Wirkstoff alleine (Vincent 2015, Mesnage et al. 2012, 2014, Seok 2011). Dieser Befund könnte letztlich dazu führen, dass Langzeitwirkungen unterschätzt werden, wenn beispielsweise die akzeptable tägliche Aufnahme (TDI; tolerable daily intake) nur auf den aktiven Wirkstoff aber nicht auf die gesamte Mischung abgestellt wird. Für die Schädlichkeit von Glyphosat spielen aber auch andere Stoffe bzw. auch ihr Mangel eine Rolle (Samsel 2015, Jayasumana 2015a,b, Tizhe 2014) sowie die häufige kombinierte Einwirkung verschiedener Pestizide (De Roos 2003). Zur chronischen Niedrigdosis-Belastung gibt es einige interessante Studien, die aber noch keine abschließende Beurteilung erlauben. Laborstudien weisen auf eine hormonähnliche Wirkung hin (mit Beeinträchtigung der männlichen Hormonfunktion), der Wirkmechanismus ist aber weitgehend unbekannt. Dies verursacht insbesondere Sorgen in Bezug auf die Embryonalentwicklung. Expositionsversuche an Tieren wiesen zunehmend auch auf ein krebserregendes Potenzial hin (Guyton 2015, IARC 2015). In der Zwischenzeit liegen auch mehrere Beobachtungsstudien am Menschen vor, die in ihrer Gesamtheit den dringenden Verdacht nahelegen, dass Glyphosat das Risiko für bestimmte Arten von Lymphdrüsenkrebs erhöht. Was man bei der Konstruktion dieses Herbizids übersehen hat, war, dass es im menschlichen wie tierischen Organismus Bakterien in enormen Zahlen gibt (die Zahl übersteigt die der Zellen des menschlichen Organismus), die am Stoffwechsel beteiligt sein können und die größtenteils ebenfalls in der Synthese der Aminosäuren gestört werden. Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 10 Bisher sind zahlreiche Schadwirkungen von Glyphosat beschrieben worden, mit denen man auf Basis des Wirkmechanismus nicht gerechnet hatte. Die am besten untersuchten Effekte: die kanzerogene und endokrine Wirkung sowie die Effekte auf Mikroorganismen fassen wir kurz zusammen. Wirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem (Gress 2015), auf den Atemtrakt (Kumar 2015), auf das Nervensystem (Hernández-Plata 2015) und die Nierenfunktion (Jayasumana 2015 a,b) wurden ebenfalls aufgezeigt, deren Erforschung steckt aber noch in den Anfängen. Kanzerogene Wirkung Die Internationale Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) stufte heuer Glyphosat als Stoff der Gruppe 2A (wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen) (IARC 2015, Guyton 2015) ein. Diese Klassifikation stützt sich zwar, hinsichtlich der humanen Wirkung, auf begrenzte Erkenntnisse (insbesondere bezüglich Non-Hodgkin-Lymphomen), tierexperimentelle Ergebnisse wurden jedoch als ausreichend für diese Einstufung angesehen. Jedenfalls sind die Schlussfolgerungen der IARC von hoher Bedeutung und müssen berücksichtigt werden, insbesondere was weitere Bewertungen dieses Pestizids und vor allem dessen weitere Zulassung betrifft. Die epidemiologische Datenlage ist zwar noch begrenzt. Die wenigen vorhandenen Studien vor allem an Landarbeiter/innen sind aber recht konsistent hinsichtlich der beobachteten Risiken und auch Bioeffektstudien (z.B. Koller et al. 2012) weisen auf ein erhöhtes Krebsrisiko hin. Endokrine Wirksamkeit Ähnlich wie beim Krebsrisiko ist auch hier die Erkenntnislage noch etwas unsicher. Klassische Hormonrezeptoren dürften durch Glyphosat eher nicht angesprochen werden, so dass die herkömmlichen Tests ein endokrines Wirkpotential eher verneinen. Allerdings fanden verschiedene Pressekonferenz 20. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 11 Arbeitsgruppen Hinweise, dass Glyphosat bzw. Glyphosatzubereitungen indirekt hormonelle Funktionen stören können (Abarikwu 2015, Forgacs 2012, Gasnier 2009) bzw. dass verschiedene Schadwirkungen des Stoffes zum Beispiel geschlechtsabhängig sind (Seralini 2012), was auch als Hinweis auf bestimmte endokrine Wirkungen zu werten ist. Hinweise auf eine mögliche Entwicklungstoxizität sind ebenso zu bedenken (Paganelli 2010, Dallegrave 2007). Antibiotikaresistenz Eine bisher kaum beforschte Facette rund um Gesundheitsrisiken von Pestizidanwendungen sind Überlegungen zur Induktion von Antibiotikaresistenzen. Dass dies eine wichtige Fragestellung ist, zeigte sich in einer jüngst publizierten Studie (Kurenbach et al. 2015), die sich mit der Wirkung von Herbiziden auf Bakterien und der Wechselwirkung mit Antibiotika beschäftigt. Die Forscher gingen der Frage nach, wie Bakterien auf Antibiotika reagieren, wenn gleichzeitig Herbizide (Glyphosat, Dicamba, 2,4-D) verabreicht werden. Glyphosat steigerte das BakterienWachstum (Salmonella, E. Coli), obwohl diese mit Antibiotika behandelt wurden. Das bedeutet, dass es zu Antibiotika-Resistenzen durch die Entstehung eines multiresistenten Phänotyps eines potenziellen Krankheitserregers kommen kann. Auch die physiologische Flora könnte beeinträchtigt/beeinflusst werden (You 2015, Ackermann 2015, Krüger 2013). Risikogruppen Neben Kindern und schwangeren Frauen, die aus naheliegenden Gründen als empfindliche Personengruppen einzustufen sind, sind es vor allem Landwirt/innen und andere Pestizidausbringer (v.a. Arbeiter/innen in Gewächshäusern), die hohen Konzentrationen ausgesetzt sein können. Die Ergebnisse zu Lymphomen stammen Untersuchungen von Personen in der Landwirtschaft. Pressekonferenz 20. August 2015 vorwiegend aus LR Rudi Anschober Seite 12 Obwohl Glyphosat im pflanzlichen Stoffwechselweg bzw. für pflanzliche Zellen ungleich schädlicher als für tierische ist, konnten bei Landwirt/innen auch akute Symptome beobachtet werden. Slager et al. (2010) zeigten, dass der Einsatz von Glyphosat zu einer Zunahme der Episoden von Rhinitis bei Landwirt/innen beiträgt. Nicht zuletzt sei in Bezug auf akute Wirkungen auch auf die Verwendung von Pestiziden, auch von Glyphosat, in suizidaler Hinsicht hingewiesen (Thakur 2014, Zouaoui 2013, Roberts 2010). Totalanwendung in Verbindung mit Gentechnik Zur „Unkrautvernichtung“ im Ackerbau als „Total-Herbizid“ konnte Glyphosat erst eingesetzt werden, nachdem Nutzpflanzen eine Toleranz gegenüber dem Glyphosat gentechnisch „eingebaut“ wurde (isoliertes Gen des Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens). Damit kann eine bakterielle Form jenes Enzyms gebildet (EPSPSynthetase) werden, dessen pflanzliche Variante von Glyphosat gehemmt wird. Das bakterielle Enzym kann durch Glyphosat nicht gehemmt werden und damit können die gentechnisch veränderten Pflanzen eine Behandlung mit Glyphosat schadlos überstehen. Zunehmend machen sich jedoch Resistenzen gegen das Herbizid gerade unter Pflanzen breit, die für die Landwirtschaft besonders störend sind (Sammons 2014) und gerade beim Glyphosat hat sich in Zusammenhang mit der Gentechnik in den letzten Jahren eine Verbrauchssteigerung im Gegensatz zur von der Gentechnik versprochenen Einsparung von Pestiziden gezeigt (Coupe 2015). Zunehmend bestehen daher auch Sorgen über mögliche langfristige Auswirkungen auf die Bodenökosysteme. Schlussfolgerungen Obwohl Glyphosat seit ca. 40 Jahren als Herbizid am Markt ist und insbesondere auch in Kombination mit der Pressekonferenz 20. August 2015 Gentechnik weltweit LR Rudi Anschober Seite 13 angewendet wird, ist die Datenlage zur Giftigkeit dieses meistverkauften Herbizids weltweit doch eher dürftig. Das Beispiel Glyphosat zeigt wieder besonders deutlich, dass unsere Annahmen über toxische Wirkmechanismen, die der ursprünglichen Einstufung eines Stoffes zugrunde liegen, vereinfachend und deshalb falsch sein können. Die Wirklichkeit ist viel komplexer und leider erkennen wir oft erst viel zu spät, dass wir uns mit dem großflächigen Einsatz von Wirkstoffen unerwartete Probleme einhandeln. Aufgrund des Fehlens eines bekannten Wirkmechanismus, mangelhafter Datenlage und gleichzeitigem Verdacht von Einwirkungen auf sensible Organsysteme (Fortpflanzungsfähigkeit) ist eine vorsorgeorientierte Betrachtung dringend notwendig. LR Anschober: Maßnahmen und weitere Schritte Maßnahmen in Oberösterreich: Oö. Pestizidstrategie: Bewusstseinsbildung, Ausweich- möglichkeiten und Anregungen für Landwirte zur Verringerung des Pestizideinsatzes, um unsere Gewässer – und damit auch unser Trinkwasser – vor dem Eintrag von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und -metaboliten zu schützen (besteht seit 2011 und wurde 2015 neu aufgelegt) Die Boden.Wasser.Schutz.Beratung Zusammenarbeit mit den Infoveranstaltungen bietet Expert/innen und des zeigt in enger Landes OÖ alternative Unkrautregulierungsstrategien auf. 2013 und 2014 ist es erstmals gelungen, auch den Handel zu diesem Thema umfassend zu sensibilisieren; zahlreiche Informationsveranstaltungen durchgeführt. Pressekonferenz 20. August 2015 wurden LR Rudi Anschober Seite 14 Broschüre „Garteln ohne Gift“: Versorgt Privatgärtner/innen mit Tipps für einen gesunden Garten (zu bestellen unter [email protected]) Projekt „Pestizidfreie und bienenfreundliche Gemeinde“: Einige Pilotgemeinden werden von GLOBAL 2000 auf dem Weg zur Pestizidfreiheit begleitet. Weiterführende Initiativen unterstützt von LR Anschober, die das Bewusstsein für gute Produkte, für bio und/oder regional stärken sollen, sind etwa die Schulobstaktion, im Zuge derer LR Anschober eine finanzielle Unterstützung beim Kauf von Bio-Obst und -Gemüse gewährt hat. Das Netzwerk „Appetit auf Zukunft“, wo Konsument/innen und regionale (Bio-) Hersteller/innen über Foodcoops vereint und gefördert werden. Forderungen: Österreich darf im Sinne des EU-Vorsorgeprinzips einer Neuzulassung des Wirkstoffs Glyphosat auf EU-Ebene nicht zustimmen, solange der wissenschaftliche Dissens zur Risikobewertung von Glyphosat innerhalb der WHO bzw. zwischen den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Behörden fortbesteht. Es muss sich im Gegenteil vehement dagegen aussprechen! Landesrat Anschober wird sich mit dieser Forderung direkt an die Gesundheitsministerin wenden. Sollte die Zulassung für Glyphosat in der EU verlängert werden, muss das Bundesministerium für Gesundheit bzw. das Bundesamt für Ernährungssicherheit die Zulassung österreichweit stark einschränken bzw. ganz beenden. Insbesondere die Anwendungsbereiche Haus- und Kleingarten sowie alle weiteren nicht beruflichen Nutzungsbereiche Unkrautbeseitigung Anwendungen, auf an Grünanlagen kommunaler Verkehrswegen und andere Ebene sowie (Bahnstrecken Autobahnen) sollten aus der Zulassung ausgenommen werden. Pressekonferenz 20. August 2015 und LR Rudi Anschober Seite 15 Die erst kürzlich veröffentlichen Test-Ergebnisse eine Obst- und Gemüseuntersuchung von Global 2000 beweisen: Bio-Produkte sind der Garant für gesundes, unbelastetes Essen. Wir brauchen daher eine Stärkung und einen weiteren Ausbau der biologischen Landwirtschaft in OÖ – so können wir optimal unsere Gesundheit, aber auch die Güte von Grundwasser und Böden für die nächsten Generationen bewahren. Dies ist zugleich eine wirtschaftliche Chance: Die Nachfrage nach Bio-Produkten ist bereits seit einiger Zeit größer als das Angebot. Schrittweiser Ausstieg Österreichs aus GVO-Futtermitteln: Zwar dürfen in Österreich keine gentechnisch veränderten Lebensbzw. Futtermittel angewendet werden; es werden aber nach wie vor große Mengen an glyphosatbelasteten GVO-Futtermitteln aus Südamerika und den USA importiert. Auf diesem Weg gelangt Glyphosat in die Nahrungskette des Menschen. Unterstützung von Forschungsprojekten: Welche (mittel- und langfristigen) Auswirkungen hat Glyphosat im Körper, auch und v.a. dann, wenn es nicht isoliert, sondern zusammen mit anderen Pestiziden auftreten, z.B. Durchführung von HumanbiomonitoringStudien - Untersuchung von Landwirt/innen im konventionellen und im ökologischen Landbau. Ein Forschungsschwerpunkt in dieser Hinsicht könnte eine große Chance für die neue oö. Medizin-Fakultät sein. TTIP verhindern: In den USA ist der Einsatz von Glyphosat in noch deutlich höherer Konzentration erlaubt als in Europa. Wenn TTIP kommt, werden wir uns hier auf Kompromisse einlassen müssen, was LR Anschober jedoch entschieden ablehnt. Die anhängigen TTIP-Verhandlungen könnten noch heuer dazu führen, dass die EU trotz aller Glyphosat wissenschaftlichen verlängert. Bedenken Andernfalls die könnten Zulassung für Klagen von Pflanzenschutzmittelkonzernen drohen, wenn die EU ihren Markt nicht für sie öffnen will. Pressekonferenz 20. August 2015