2013.02.15 VW 19 Brixit - Æqui

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Æqui-£ibria
Brixit und unabhänge Schotten
Konsequenzen für den Londoner Markt
(Versicherungswirtschaft 2013/4 S. 19)
In seiner lange erwarteten Rede vor dem britischen Unterhaus am 23.1.2013
versprach Premier David Cameron er werde Neuverhandlungen mit der EU
hinsichtlich des Grades der vom Vereinigten Königreich erwarteten
Souveraintiätsaufgabe an die supranationale EU sowie hinsichtlich der britischen
Netto-Beiträge fordern. Führten diese zu einem ihn zufriedenstellenden Ergebnis so
werde er anlässlich eines nach der nächsten Unterhauswahl 2015, spätestens aber
2017 anzusetzenen Referendums den britischen Wähler den Verbleib des Landes in
der EU nahelegen, anderenfalls werde er sich auf die Seite der einen Austritt
fordernden Insulaner schlagen. Die damit geschaffene Schwebeposition schafft für
den Londoner Versicherungsmarkt eine jahrelange Unsicherheit hinsichtlich des
politischen Umfelds, aus dem sich z.B. Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit
ableiten.
Cameron’s Position ist aus innenpolitischer Hinsicht geschickt gewählt:
 Sie nimmt der schon seit langem einen Austritt ohne weiteres Federlesen
verlangenden UKIP (UK Independence Party) den Wind aus den Segeln
 Sie stellt Abgeordnete der Tories (Cameron’s Partei) zufrieden, schon seit
2007 gegen die schleichende Erosion der nationalen Souverainität
protestierten und die bislang befürchteten ihre eigene 2015er Wiederwahl
könnte durch eine erstarkende UKIP gefährdet sein
 Sie stellt die eigentlich eher internationaler Kooperation aufgeschlossene
Labour Party vor das Dilemma Cameron’s neue Linie
Neuverhandlungen/Referendum mit zu tragen oder aber als sich elitär über
den Volkswillen hinwegsetzend zu gelten.
Das Colbert Traditionen verhaftete Frankreich ärgert sich schon seit langem über den
durch Grossbritannien in die EU geschleppten marktwirtschaftlichen Geist. Ohne den
in Margaret Thatcher Tradition krämerischen Mitgliedsstaat d‘outre-Manche könnten
französische Elite-Bürokraten noch mehr entscheidende Eurokratie-Positionen
okkupieren und im nationalen Interesse instrumentalisieren. Ausserdem würde einer
neuen kontinentalen Francophonie Vorschub geleistet. Mit anderen Worten:
Frankreich dürfte bemüssigt sein die von Cameron geforderten Neuverhandlungen zu
torpedieren und so den Brixit zu erzwingen. Das Beharren auf der
Finanztransaktionssteuer Tobin Tax diente der Schwächung des Londoner
Finanzplatzes.
Ein EU-Austritt entspräche der generellen Gemütsverfassung der britischen
Bevölkerung. Sprachlich und emotional fühlt man sich eher den US-Waffengefährten
(Weltkriege, Falklands etc.) und den einstigen Kolonien bzw. Dominions (Australien,
Neuseeland, Kanada) zugehörig, von denen bis zum EU-Eintritt in den früheren
1970ern noch Käse und Butter kamen.
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Weniger begeistern von Cameron’s va-banque-Spiel ist hingegen die exportorientierte
britische Wirtschaft. Im Fall eines tatsächlichen Austritts befürchtet sie isoliert
dazustehen.
Konsequenzen für die britische Assekuranz könnten sein:
 Ende der Dienstleistungs-und Niederlassungsfreiheit. Unklar wäre ob dies
lediglich für noch nicht in kontinentalen EU-Gefilden agierende britische
Versicherer gälte oder auch für solche, die dort bereits aktiv sind. Im letzteren
Fall würde wohl die Deckung von kontinentalen Risiken ab sofort illegal,
kontinentale Niederlassungen bedürften wieder der Zulassung durch die
jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden.
 Ausser Betracht fallen von in London platzierten Rückversicherungsabgaben
was die Netto-Solvabilität der kontinentalen Zedenten betrifft. Dies liesse sich
dadurch verhindern, dass Grossbritannien versucht mit der EU eine
Aequivalenz der Aufsichtssysteme zu vereinbaren (equivalency). Zwar
erscheint der regulatorische Ansatz der britischen FSA (demnächst Bank of
England ) mehr als kompatibel mit kontinentalen Standards, doch könnten EU
Behörden zu Zeiten einer allgemeinen Verstimmung über den britischen
Alleingang sich sehr viel Zeit mit einer solchen Entscheidung nehmen.
Nicht klar ist ob zum Zeitpunkt eies solchen britischen Referendums überhaupt
Schottland noch Teil von Grossbritannien sein wird. Das schottische Referendum
über die eigene Unabhängigkeit dürfte wohl bereits im August 2014 abgehalten
werden. Der schottische Premier Alex Salmon ist ein leidenschaftlicher Anhänger des
eurpäischen Gedankens.Seine(Scottish National Party erhielt in den 2011er Wahlen
die Mehrheit, möglicherweise ein Hinweis auf die Erfolgsaussichten des
Referendums. Andererseits aber erklärten sich in einer IPSOS Mori Meinungsumfrage
von Anfang Januar 50% der befragten Schotten gegen eine solche Unabhängigkeit,
39% dafür und 11% gaben an noch unentschlossen zu sein. Schottland zahlt seit
Jahrzehnten wesentlich generösere Sozialleistungen als Grossbritaniien, auch ist das
Uni-Studium dort immer noch gratis. Schottische Wähler stehen vor dem Dilemma,
dass sie zwar als Patrioten die Unabhängigkeit wünschen, andererseits aber nicht auf
die aus dem Süden kommenden budgetären Subventionen verzichten wollen. Der
schottische „Anschluss“ datiert auf das Jahr 1707 und resultierte aus der
wirtschaftlichen Schwächung, die die fehlgeschlagene Darien (Panama)
Kolonialisierung zur Folge gehabt hatte. Seit 1603 bereits waren die beiden Throne in
Personalunion vereinigt gewesen.
Derzeit streiten sich die europarechtlichen Geister ob ein unabhängiges Schottland
automatisch neuer EU Staat würde (eine Art partieller Rechtsnachfolge) oder aber mit
dem Hut in der Hand einen langwierig zu prüfenden Beitittsantrag stellen müsste.
Letztere Position vertreten die britische Regierung (mit dem Ziel patriotische Schotten
zu verunsichern) sowie die spanische (welche in Catalunia ein paralleles Szenario
fürchtet).
Das Diagramm, welches auf wenig fundiert geschätzten Wahrscheinlichkeiten beruht,
legt nahe, dass wir es mit nur mit 30%iger Wahrscheinlichkeit 2017 nach wie vor mit
einem intakten und EU-zugehörigen Vereinigten Königreich zu tun haben dürften.
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In London agierende internationale Versicherer könnten 2017 oder im Vorgriff auch
schon früher also durchaus einen Umzug z.B. nach ins eher in der EU verbleibende
Edinburgh erwägen. Weitere Alternative wäre auch noch Irland, jedenfalls nach
Wiedererstarken des abgerutschten sovereign ratings der irischen Republik.
Eine Seite
Schottisches
Referendum 2014:
Austritt aus Union?
Zustimmung: p=40%
Ausscheiden von
Schottland, für
Rumpf-UK
Referendum ohne
Belang
UK Referendum
zwischen 2015 und
2017: Austritt aus EU?
Zustimmung: p=50%
EU ohne Rumpf-UK,
aber mit Schottland
Ablehnung: p=50%
EU mit 2 UKNachfolgestaaten,
Status Quo: Union
1707, EU Mitglied
1.1.1973
Zustimmung: p=50%
UK bleibt ungeteilt
EU-Mitglied
Ablehnung p=60%
Schottland bleibt Teil
von UK, stimmt mit
über EU Referendum
ab
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Ablehnung: p=50%
Gesamt-UK verlässt
die EU
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