F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben big Ehe im Altertum Unterrichtsplanung (10 Einheiten) für das Modul Alltagsleben a. Prolegomena Ich habe mich entschieden, für die Unterrichtsplan aus dem Modul „Alltagsleben“ das Thema Ehe und Familie zu wählen. Das Thema ist in meinen Augen für den Unterricht aus mehreren Gründen relevant: -Ehe und Familie sind Motive die uns in der lateinischen (und griechischen!) Literatur permanent begegnen. -Ehe ist auch heute ein sehr aktuelles Thema, Stichworte: Gleichgeschlechtliche Ehe, Polygamie (islamische Gesellschaft), Patchworkfamilie, Familie im klassischen Sinn als Auslaufmodell (?). -Antike Philosophen, Staatsmänner und Juristen beschäftigten sich intensiv mit diesem Thema. Beispiele: Platon in der Politea („Eugenik“), frühe Stoiker (Ablehnung der Ehe wegen der zu engen emotionalen Bindung), Cicero (De re publica, De officiis: Familie als Keimzelle des Staates). -Die Thematik ermöglicht auch einen emotionalen Zugang zu den Texten. -Durch die Behandlung von Ehe und Familie wird auch der von allen Seiten stets eingeforderte „Genderaspekt“ des Unterrichtsfaches betont. -Das Thema ließe sich eventuell auch gut in das Modul „Liebe“ einfügen, es ist folglich quasi multifunktional anzuwenden. Kernteil des Moduls sind mehrere Lateinische Texte, welche sich mit den folgenden zentralen Fragestellungen auseinandersetzen: -Welche Auffassung von Geschlechterrollen waren im Altertum vorherrschend? (Einstieg, Einheiten 1 und 2) -Welche Idealtypen herrschten bei der Wahl eines Ehepartners vor (männliche/ weibliche Tugenden, Einheiten 3,4) -Welche exempla des guten Ehepartners bzw. ehelicher Treue überliefert uns die Antike? (Einheit 5) -Inwiefern widmeten sich herrschende Politiker dem Thema Ehe? (Einheit 6) -Welche Hochzeitsriten gab es bei den Römern? (Einheit 7) 1 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben -Wie sahen theoretische Überlegung zur Ehe im Altertum aus? (Einheit 9 und 10) Da manche der Texte bereits anspruchsvoller sind und Themen betreffen, die eher für reifere Geister zugänglich sind, ist diese Modulplanung für eine siebte Klasse gedacht und ausgearbeitet. Ferner sind Übungszettel und Material für Wiederholungen angefügt. Die Powerpointpräsentation dient als Stütze für den Unterricht und ist nicht als Ersatz für eigenes Mitschreiben und Mitdenken seitens der Schüler gedacht. Dies wird der zu unterrichtenden Klasse auch explizit mitgeteilt. Zur Vertiefung des Themas seitens der Lehrperson werden diverse Titel der Sekundärliteratur herangezogen, welche im Literaturverzeichnis angeführt sind. Zusätzlich habe ich noch Powerpointfolien zu den einzelnen Autoren angefertigt, welche sich für ein jedes beliebiges Modul einsetzen lassen. Auf diesen Folien sollen kurz und knapp die wichtigsten Informationen zu den Autoren für die Schüler aufbereitet werden. Alle Texte sind mit kurzen Fußnoten ausgestattet, welche die wichtigsten grammatischen und lexikalischen Besonderheiten der Texte erläutern. Alle Texte sind, wenn nicht anders angegeben, von mir selbst übersetzt. Die Übungsblätter sind in der Regel mit Lösung zu den Übungen ausgestattet, es sei denn, die Aufgaben umfassen kreatives Schreiben oder ähnliche Arbeitsaufträge. b. Zu den Texten Für jede Unterrichtseinheit habe ich Texte aus dem Gesamtbereich der lateinischen Literatur (Plinius, Valerius Maximus, Sueton, Cicero, Lucan) bzw. Ergänzungstexte (Texte aus und Plutarch) in deutscher Übersetzung ausgewählt. Im Appendix finden sich weitere Texte als „Materialreservoir“, sollte man einmal mit den Texten schneller fertig werden als erwartet oder einem in Aporie befindlichen Kollegen aushelfen müssen. Diese Texte werden nur in „Rohfassung“ geliefert, da a) eine komplette Kommentierung und Übersetzung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde b) ein jeder Lateinlehrer sowieso in der Lage sein muss, die Texte entsprechend zu bearbeiten. Durch die Zusammenstellung der Ergänzungstexte wird es auch ermöglicht, diverse „Bausteine“ dieser Planung durch andere zu ersetzen, beziehungsweise den Schwerpunkt des Moduls zu verlagern. (Beispiel: Der Pliniusbrief wird weggelassen, dafür das Chorlied aus Senecas Medea in das Modul integriert.) 2 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben c. Einheiten 1.Einheit: Einstieg Aufbau: Einstieg mit einem Vortrag des Lehrers zu dem Modul. Theoretische Einführung in die Thematik: Was versteht man unter Ehe im Altertum. Erklärung der Begriffe Polygamie, Monogamie u.Ä.. Nennung zentraler Begriffe (connubium, uxor, maritus, nubere, in matrimonium ducere, pater/ mater familias) und Erklärung derselben. Weitere zentrale Punkte der Inputphase sollen folgende Themen sein: Arrangierte Ehe, Trennung der Stände (Heiratsverbot zwischen Patriziern und Plebejern bis 445), politische Heirat (z.B. zwischen Julia und Pompeius), Scheidung (Nicht derart mit Tabus behaftet wie im christlichen Sinn). Text: Dig.23,2,2;2,2 (juristische Definition von Ehe) Nuptiae sunt coniunctio maris et feminae et consortium 1 omnis vitae, divini et humani iuris communicatio. Nuptiae consistere non possunt nisi consentiant omnes, id est qui coeunt2 quorumque in potestate sunt. (ÜS: Eine Hochzeit ist eine Vereinigung von Mann und Frau, eine Gemeinschaft für das ganze Leben und die Teilhabe am menschlichen und göttlichen Recht. Ehen können nicht bestehen, wenn nicht alle ihre Zustimmung geben. Gemeint sind diejenigen, die heiraten und diejenigen, deren Macht die Heiratenden unterworfen sind. Da die erste Einheit primär aus einer Einleitung in die Thematik seitens des Lehrers besteht, sind nur diese zwei kurzen Textstücke für die Stunde vorgesehen. Realien: Begriff und Definition von Ehe im Altertum, Einfluss der Eltern auf Eheschließung, soziale Bedingungen für Eheschließung, Begriffe zum Thema Ehe. 1 2 Consortium,i n.: Gemeinschaft Coire: h. sich vereinigen, heiraten 3 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Grammatik: Kurze Wiederholung von Verben, welche mit einem anderen Fall als im Deutschen verbunden werden, ausgehend vom Verb „nubo“ (weitere Beispiele: adiuvo, sequor (Akkusativ), parco, nubo (Dativ)) Lernziel: Schüler sollen zentrale Begriffe der lateinischen Sprache, welche die Ehe betreffen erklären können. Ferner sollen sie die juristische Definition aus den Digesten (23,2,2) (in deutscher Sprache) wiedergeben und einen kurzen Überblick über die Ehe im Altertum geben können. 2.Einheit: Frauen bei Griechen und Römern Aufbau: Anknüpfung an die Theorie der vorangegangenen Stunde, kurze Wiederholung in Form von Brainstorming (Lehrer schreibt von den Schülern genannte Schlagworte an die Tafel, veranschlagte Zeit: ca. 10 Min.). Darauf folgt ein weiterer, kurzer Vortrag des Lehrers über die Stellung der Frau in der griechischen Gesellschaft. Dabei sollen folgende Themen angesprochen werden: „Frauenarbeit“ (Textilproduktion), Frauen in der Demokratie (Kein Mitspracherecht), Hetärenwesen, Gynaikeion. An diese Darstellung knüpft dann die Besprechung und Übersetzung des Textes an. Text: Cornelius Nepos, praef. 9: Unterschiede in der Behandlung von Frauen bei Griechen und Römern Contra3 ea pleraque nostris moribus sunt decora, quae apud illos4 turpia putantur. Quem enim Romanorum pudet uxorem ducere in convivium? Aut cuius non mater familias primum locum tenet aedium atque in celebritate versatur? 7 Quod multo fit aliter in Graecia. Nam neque in convivium adhibetur nisi propinquorum, neque sedet nisi in interiore parte aedium, quae gynaeconitis appellatur; quo5 nemo accedit nisi propinqua cognatione6 coniunctus. (Im Gegensatz dazu sind gemäß unseren sittlichen Auffassungen viele Dinge ehrenhaft, welche bei ihnen [den Griechen] für schändlich gehalten werden. Welchen Römer würde es denn mit Scham erfüllen, seine Frau zu einem Gelage mitzunehmen? Oder wessen Mutter, die Familienoberhaupt ist, wurde im Hause nicht einen Ehrenplatz einnehmen und bei gesellschaftlichen Veranstaltungen 3 Contra (Adv.): Im Gegensatz dazu, hingegen illos: gemeint sind die Griechen 5 Quo=dadurch 66 Cognatio, tionis f.: das Verwandtschaftsverhältnis 4 4 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben anwesend sein? In Griechenland ist das vollkommen anders. Denn die Frau wird weder bei einem Gelage zugelassen, es sei denn, die Gäste sind Verwandte. Sie hat auch keine (eigenen)n Raum außer im inneren Teil des Gebäudes, welches „Gynaeconitis“ genannt wird. So kommt es, dass keiner ihr nahe kommen kann, außer durch ein nahes Verwandtschaftsverhältnis." Realien: Gynaikeon, Lebenswelt der Frau, Convivien, Mitspracherecht der Frauen. Grammatik: Wiederholung der unpersönlichen Verben (me paenitet huius rei), Präpositionen als Adverbien (Beispiel: contra). Lernziel: Schüler sollen einen kurzen Einblick in die Lebenswelt von Frauen im Altertum bekommen. Außerdem soll dargelegt werden, dass es trotz vielfacher Gemeinsamkeiten Unterschiede zwischen der griechischen und römischen Kultur gibt. Diese Einheit soll als Vorbereitung für die folgenden Einheiten dienen, da die Idealbilder eines Ehepartners, die in den folgenden Stunden behandelt werden, in der Auffassung von „Mann“ und „Frau“ festgelegt sind. Außerdem sollen durch den Text die oben genannten grammatischen Phänomene quasi anamnetische wieder in das Gedächtnis der Schüler zurückgerufen werden. 3.Einheit: Der ideale Ehepartner I Aufbau: Diese und die folgende Einheit sollen nach den theoretischen Erörterungen der vorangegangenen Stunden sich mehr auf Arbeit mit Texten verlagern. Der ausgewählte Text, ein Pliniusbrief, ist recht umfangreich, inhaltlich recht einfach, grammatisch etwas schwieriger zu verstehen. Deshalb plane ich für die Behandlung dieses Textes zwei volle Einheiten ein. Der Behandlung des Textes geht eine kurze Einleitung zum Autor voran. Als Unterrichtsform dient für die Textbehandlung die Partnerarbeit. Zwei Schüler übersetzen den Text gemeinsam mithilfe eines Wörterbuches und füllen das zugehörige Arbeitsblatt aus. Der Lehrer fungiert währenddessen als Grammatik-ÖAMTC. Eventuell wird als Hausübung das Ausfüllen des Arbeitsblattes aufgegeben. Text: 5 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Plin.ep.IV 19: C.Plinius Calpurniae Hispullae7 suae s. (alutem dicit) 1 Cum sis pietatis exemplum, fratremque optimum et amantissimum tui pari caritate dilexeris, filiamque eius ut tuam diligas, nec tantum amitae 8 ei affectum 9 verum etiam patris amissi repraesentes10, non dubito maximo tibi gaudio fore cum cognoveris dignam patre dignam te dignam avo evadere11. 2 Summum est acumen summa frugalitas; amat me, quod castitatis indicium est. Accedit his studium litterarum, quod ex mei caritate concepit. Meos libellos habet lectitat ediscit etiam. 3 Qua illa sollicitudine cum videor acturus12, quanto cum egi gaudio afficitur! Disponit13 qui nuntient sibi quem assensum quos clamores excitarim, quem eventum iudicii tulerim. Eadem, si quando recito, in proximo discreta velo sedet, laudesque nostras avidissimis auribus excipit. 4 Versus quidem meos cantat etiam formatque14 cithara non artifice aliquo docente, sed amore qui magister est optimus. 5 His ex causis in spem certissimam adducor, perpetuam nobis maioremque in dies futuram esse concordiam. Non enim aetatem meam aut corpus, quae paulatim occidunt ac senescunt, sed gloriam diligit. 6 Nec aliud decet tuis manibus educatam, tuis praeceptis institutam, quae nihil in contubernio15 tuo viderit, nisi sanctum honestumque, quae denique amare me ex tua praedicatione consueverit. 7 Nam cum matrem meam parentis loco16 vererere17, me a pueritia statim formare laudare, talemque qualis nunc uxori meae videor, ominari solebas. 8 Certatim ergo tibi gratias agimus, ego quod illam mihi, illa quod me sibi dederis, quasi invicem elegeris. Vale. [ÜS: Da du ein Beispiel für richtiges Verhalten bist, deinen besten Bruder, der dich im höchsten Maße liebt, mit gleicher Zuneigung geschätzt hast, seine Tochter liebst als wäre sie die deine, ihr nicht nur die Liebe einer Tante, sondern auch ihres verlorenen Vaters gewährst, hege ich keine Zweifel, dass es dich freuen wird, wenn du vernimmst, dass sie sich entwickelt, wie es deiner Würde, der ihres Vaters und Großvaters entspricht. Ihre geistige Schärfe ist sehr groß, ebenso ihre Redlichkeit. Sie liebt mich, das ein Zeichen ihrer sexuellen Treue ist. Von welcher Sorge wird sie geplagt, wenn ich im Begriff bin 7 Calpurnia Hispulla= Tante der dritten Gattin des Plinius. Der Brief handelt von der Gattin. Amita= Tante (väterlicherseits) 9 Affectus= hier Liebe 10 Representare= hier: darbieten 11 Evadere= hier: werden, sich zeigen 12 Agere= vor Gericht auftreten (Plinius übte den Beruf des Anwalts aus) 13 Disponit= stellt Sklaven auf, welche 14 Formare= begleiten (Die Verse mit der Kithara) 15 Contubernium tuo= h.: im Umgang mit dir 16 Loco parentis= wie eine Mutter 17 Vererere: Kurzform von verereris, du verehrst 8 6 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben vor Gericht zu sprechen, von welcher Freude erfasst, wenn ich vor Gericht gesprochen habe. Sie stellt Sklaven auf, die ihr melden sollen, welchen Beifall, welche Zurufe ich hervorgerufen, welchen Erfolg ich vor Gericht verbuchen konnte. Dieselbe Frau ist es, die, wenn ich etwas vortrage, hinter einem Vorhang verborgen sitzt und unsere Lobreden mit sehr gierigen Ohren aufnimmt. Sie singt auch meine Verse und begleitet sie mit der Kithara ohne dass sie irgendein Künstler darin unterricht ,sondern nur mithilfe der Liebe, welche der beste Lehrer ist. Aus diesen Gründen werde ich äußerst zuversichtlich, dass zwischen uns ein andauerndes, noch größeres einträchtiges Zusammenleben sich einstellen wird. Sie liebt nicht meinen Körper oder mein Alter (Dinge, die bald vergehen und alt werden), sondern meinen Ruhm. Nicht anders gehört es sich für ein Mädchen, das von deinen Händen erzogen, von deinen Weisungen unterrichtet wurde, welches im Umgang mit dir nichts sah außer Gutes und Anständiges, welches schließlich mich auf deine Fürsprache hin zu lieben begann. Denn da du meine Mutter wie deine eigene verehrst, hast du von meiner Kindheit mich erzogen und geformt und prophezeit, ich werde der Mann sein, der ich (heute) für meine Frau bin. Wir danken dir quasi im Wettstreit dafür, dass du mich ihr, dass du sie mir gegen hast und du uns gleichsam für uns ausgewählt hast.] Einige schwierige Stellen aus dem Text werden vom Lehrer im Vorhinein erläutert. Realien: Plinius als Autor, Idealtypus einer Ehefrau anhand von Plinius‘ Schilderung seiner Gattin im Brief an deren Tante Calpurnia Hispulla. Ehevermittlung/-empfehlung Grammatik: Wiederholung folgender grammatischer Phänomene: Indirekter Fragesatz (nebst Zeitenfolge), Futur AcI, konjunktivischer Nebensatz, Abl. instrumenti Lexis: Schüler sollen die genauen Bedeutungen zentraler Begriffe aus dem Text (z.B. pietas, caritas, studium litterarum, frugalitas) im Wörterbuch nachschlagen, zu Papier bringen und schließlich auch (in der zweiten Einheit) präsentieren. Lernziel: Schüler sollen in dieser Einheit vor allem ihre Kompetenz im Übersetzen und im Umgang mit dem Wörterbuch zeigen beziehungsweise verbessern. Hierzu eignet sich der Text sehr gut, da man 4. Einheit: Der ideale Ehepartner II Aufbau: 7 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Fortsetzung der vorigen Einheit, Schüler übersetzen den Text fertig und präsentieren schließlich Text: s.o. Realien: Frauen und Bildung (studium litterarum), Musizieren als weibliche Betätigung Grammatik: s.o. Lernziel: Die Teams sollen ihre Übersetzungen und Ergebnisse ihrer Wörterbuchrecherche präsentieren. Diese werden dann mit dem Lehrer gemeinsam besprochen. 5. Einheit Plautius und Orestilla- Liebe bis in den Tod Aufbau: Diese Unterrichtsstunde soll hauptsächlich aus Textlektüre und Grammatikwiederholung bestehen. Wie üblich wird der Autor (Valerius Maximus) vom Lehrer mithilfe der PP-Präsentation kurz vorgestellt. Betont wird vor allem die Wichtigkeit der exempla für die Rhetorik. Text: Val.Max.IV, 6,3 Cum M.Plautinus imperio senatus classem sociorum sexaginta nauium in Asiam reduceret Tarentumque appulisset18, atque ibi uxor eius Orestilla, quae illuc eum prosecuta fuerat, morbo oppressa decessisset19, funerata ea et in rogum inposita inter officium unguendi et osculandi stricto ferro incubuit. quem amici, sicut erat, togatum et calceatum corpori coniugis iunxerunt ac deinde subiectis facibus utrumque una cremauerunt. quorum ibi factum sepulcrum est,Tarenti etiam nunc conspicitur, quod uocatur των δυων φιλουντων. nec dubito quin, si quis modo extinctis sensus inest, Plautius et Orestilla fati consortione20 gestientes vultus tenebris intulerint. saneque, ubi idem et maximus et honestissimus amor est, aliquando praestat morte iungi quam distrahi uita. [ÜS: Als Marcus Plautinus, der auf Befehl des Senates eine Flotte der Bundesgenossen von sechzig Schiffen nach Asien bringen sollte, bei Tarent angelegt hatte und seine Frau Orestilla, die ihm gefolgt war, von einer Krankheit erfasst wurde und verstarb, da stürzte er sich nach ihrer Leichenfeier und 18 Appeller: anlegen Decedo: hier: versterben 20 Consortione fati= indem sie ihr Schicksal (=den Tod) teilen 19 8 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben als sie bereits auf dem Scheiterhaufen lag, in sein Schwert, als er ihr eine Ölung und einen Kuss gewähren wollte. Ihn haben seine Freunde, so wie er war, in Toga und Schuhen neben die Leiche seiner Gattin gelegt und dann beide mit Fackeln, die sie darauf gelegt hatten, verbrannt. Das Grab der beiden, welches damals geschaffen wurde, kann man heute noch in Tarent anschauen. Man nennt es das „Grab der zwei Liebenden“. Ich hege keinen Zweifel daran, dass, wenn die Toten noch über Sinne verfügen, Plautius und Orestilla sich an ihrem gemeinsamen Schicksal freuten und ihren Blick auf die Schattenwelt richteten. Dort freilich, wo größte und treueste Liebe herrscht, ist es manchmal besser sich im Tod zu vereinen als sich durch das Leben zu trennen.] Realien: Begräbnisriten bei den Römern (Scheiterhaufen, Salbung der Leiche) Grammatik: Wiederholung der cum-Sätze, praestat mit AcI, Gerundiv (officium unguendi), Lokativ (Tarentii) bei Städtenamen der a/o- Deklination Die drei griechischen Worte τῶν δυῶν φιλόντων werden vom Lehrer angegeben („zweier Liebender“) Lernziel: Schüler sollen ein Beispiel (im wahrsten Sinne des Wortes) für eheliche Liebe präsentiert bekommen. 6. Augustus uns eine Ehegesetztgebung Aufbau: Die Stunde beginnt mit einem historischen Exkurs, der auch (eventuell vorhandene) Kenntnisse der Schüler aus dem Bereich des Geschichteunterrichts erwecken soll. Erklärt wird der Begriff der Renovatio morum, dem Schlagwort der augusteischen Politik. Auch die Probleme, mit denen sich Augustus konfrontiert sah („Zeugunsunlust“ der Römer), werden erörtert und mit modernen Verhältnissen verglichen. 9 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Text: Suet.Aug. 34 Leges retractauit21 et quasdam ex integro sanxit, ut sumptuariam et de adulteriis et de pudicitia, de ambitu, de maritandis ordinibus. hanc cum aliquanto seuerius quam ceteras emendasset, prae tumultu recusantium perferre non potuit nisi adempta demum lenitaue parte poenarum et uacatione trienni data auctisque praemiis. [2] sic quoque abolitionem eius publico spectaculo pertinaciter postulante equite, accitos Germanici liberos receptosque partim ad se partim in patris gremium ostentauit, manu uultuque significans ne grauarentur22 imitari iuuenis exemplum. cumque etiam inmaturitate sponsarum et matrimoniorum crebra mutatione uim legis eludi sentiret, tempus sponsas habendi coartauit, diuortiis modum imposuit. (ÜS: Gesetze hat er [Augustus] überarbeitet und manche neu erlassen, wie z.B. das Gesetz über die Ausgaben, über den Ehebruch, über die Keuschheit, über Bestechung und über die Ehe der Stände. Nachdem er dieses Gesetze mit größerer Strenge als die anderen Gesetze verbessert hatte, hätte er es aufgrund des Protestes der Widerspenstigen nicht durchbringen können, wenn er nicht einen Teil der Strafen abgemildert oder gänzlich gestrichen, eine Freistellung über drei Jahre bewilligt und die Belohnungen erweitert hätte. Als bei einem öffentlichen Spiel ein Ritter hartnäckig die Abschaffung des Gesetzes verlangte, zeigte er auf die Kinder des Germanicus, die sich teils bei ihm, teils auf dem Schoß ihres Vaters befanden und wies den Ritter durch Mimik und Gestik an, dass er sich nicht scheuen solle, dem Vorbild des jungen Mannes (des Germanicus) zu folgen. Als er merkte, dass durch das unreife Alter der Verlobten und durch den häufigen Wechsel der Ehepartner die Kraft des Gesetzes nichtig gemacht wurde, verringerte er den Zeitraum, in welchem man Verlobte haben durfte, und begrenzte die Scheidungen] Realien: Augustus und seine Renovatio, Rückbesinnung auf den mos maiorum, Problem des Bevölkerungsrückganges in den Bürgerkriegen. Grammatik: prae mit Abl. (hindernder Grund), ut und ne-Sätze, Gerundiv (tempus sponsas habendi) 21 22 Retractare= überarbeiten Gravari= sich scheuen, sich sträuben 10 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Lernziel: Schüler sollen sehen, dass auch die politische Führung durchaus um Themen wie Ehe und Familie kümmerte. Zusätzlich sollen sie auch begreifen, das Probleme der antiken Welt durchaus mit denen unserer heutigen Gesellschaft verglichen werden können. (Hier: Niedrige Geburtenrate-ein Problem unserer wie der augusteischen Gesellschaft) 7. Hochzeitsriten Aufbau: Nach der Hardcorelektüre der vorhergehenden Einheiten soll diese Unterrichtsstunde wieder den Realien gewidmet sein. Als Arbeitsmaterial dienen Powerpointfolien und Texte in Übersetzung, die gemeinsam gelesen werden. Text: Plut.Pomp.4: Ursprung des Hochzeitsrufes „Talassio“, Τὸ δὲ ἔθος ἀρχὴν λαβεῖν φασι τοιαύτην. ὅτε τὰς θυγατέρας τῶν Σαβίνων ἐπὶ θέαν ἀγῶνος εἰς Ῥώμην παραγενομένας οἱ πρωτεύοντες ἀρετῇ Ῥωμαίων ἥρπαζον ἑαυτοῖς γυναῖκας, ἄδοξοί τινες πελάται καὶ βοτῆρες ἀράμενοι κόρην καλὴν καὶ μεγάλην ἐκόμιζον. ὅπως οὖν μὴ προστυχών τις ἀφέληται τῶν κρειττόνων, ἐβόων θέοντες ἅμα Ταλασίῳ (τῶν δὲ χαριέντων καὶ γνωρίμων τις ἦν ὁ Ταλάσιος), ὥστε τοὺς ἀκούσαντας τοὔνομα κροτεῖν καὶ βοᾶν οἷον συνηδομένους καὶ συνεπαινοῦντας. ἐκ τούτου φασὶ (καὶ γὰρ εὐτυχὴς ὁ γάμος ἀπέβη τῷ Ταλασίῳ) ταύτην τὴν ἐπιφώνησιν μετὰ παιδιᾶς γενέσθαι τοῖς γαμοῦσιν. οὗτος ὁ λόγος πιθανώτατός ἐστι τῶν περὶ τοῦ Ταλασίου λεγομένων. Der Brauch soll folgenden Ursprung haben: Als die Töchter der Sabiner nach Rom kamen, um sich einen Wettkampf anzuschauen, da raubten die adeligen Römer sie, um sie als Gattinnen zu haben. Einige Klienten und Hirten aus der Unterschicht hatten ein schönes, hochgewachsenes Mädchen geraubt und trugen es davon. Damit ihnen kein Mann aus der Oberschicht das Mädchen wegnähme, riefen sie auf ihrem Weg „Für Talasio!“ (Ein Mann von den angesehenen und bekannten Leuten war Talasio). So kam es, dass die, die diesen Namen hörten, jubelten und brüllten, so als würden sie sich 11 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben zusammen mit diesem Talasio freuen und ihn beglückwünschen. Daher, so sagt man, sei dieser scherzhafte Ruf Teil der Hochzeit geworden. Das ist die glaubwürdigste Erklärung, die den Ruf „Talasio“ betrifft. Plut.quaest.Rom.65: Διὰ τί τῇ νύμφῃ τὸ πρῶτον οὐκ ἐντυγχάνει μετὰ φωτὸς ὁ ἀνὴρ ἀλλὰ διὰ σκότους; Πότερον ὅτι αἰδεῖται πρὶν ἢ συνελθεῖν ἀλλοτρίαν νομίζων, ἢ καὶ πρὸς ἰδίαν προσιέναι μετ´ αἰδοῦς ἐθιζόμενος; Ἤ, καθάπερ ὁ Σόλων ἔγραψε μήλου κυδωνίου τὴν νύμφην ἐντραγοῦσαν εἰς τὸν θάλαμον βαδίζειν, ὅπως τὸ πρῶτον ἄσπασμα μὴ δυσχερὲς γένηται μηδ´ ἀχάριστον, οὕτως ὁ Ῥωμαῖος νομοθέτης, εἰ δή τι προσῆν ἄτοπον τῷ σώματι καὶ δυσχερές, ἔκρυψεν; Ἢ διαβολή τίς ἐστιν ἀφροδισίων παρανόμων τὸ γινόμενον, ὡς καὶ τοῖς νομίμοις αἰσχύνης τινὸς προσούσης; „Weswegen trifft bei der ersten Zusammenkunft ein Mann seine Braut nicht bei Tageslicht, sondern in der Dunkelheit? Entweder, weil er sich schämt und die Frau nicht für die seine hält, bevor er nicht mit ihr Verkehr hatte? Oder weil er es gewohnt ist, sich sogar seiner eigenen Frau mit schamhafter Zurückhaltung zu nähern? Oder hat der römische Gesetzgeber veranlasst, dass die erste Zusammenkunft im Verborgenen stattfinden solle, damit sie nicht unangenehm werde oder Missfallen errege, falls (bei den Heiratenden) irgendein ein Makel oder etwas Hässliches am Körper vorhanden sein sollte, so wie Solon gesetzlich festgelegt hat, dass eine Braut an einem Quittenapfel knabbern soll, bevor sie ins Schlafzimmer schreitet? Oder tritt vielleicht das Gerücht auf, dass eine gesetzeswidrige Liebschaft im Gange sei, wie es ja auch bei gesetzlich abgesegneten Liebschaften einen gewissen Vorbehalt gibt?“ Realien: Plutarch als Autor, Raubehe in der Frühzeit (Raub der Sabinerinnen), Formen des Hochzeitsfestes, obskure Hochzeitsriten der Römer Grammatik: Lernziel: Den Schülern sollen die zentralen Elemente einer römischen Hochzeit vor Augen geführt werden. Außerdem soll ihnen anhand von Plutarchs Texten klar werden, dass auch ein Grieche sich für 12 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Römisches interessiert und zugleich die Riten der Römer teilweise sehr obskure Ursprünge gehabt haben. 8. Cato und Marcia- ein stoisches Paar (Lucan, bellum civile) Aufbau: Eingeleitet wird die Stunde mit einer kurzen Einführung zu dem Autor (Lucan) und den handelnden Personen (Cato und Marcia). Der historische Exkurs wird möglichst kurz gehalten, politisches nur kurz gestreift. Der Hintergrund der Stelle –Cato „verborgt“ seine Frau an den Redner Hortensius und die Philosophie Catos -die Stoa- und deren Verhältnis zu Ehe und Bindungen werden etwas breiter besprochen. Der Text wird von der Klasse gemeinsam mit dem Lehrer übersetzt und durch besprochen. Text: Luc. 2, 338-353 'dum sanguis23 inerat, dum uis materna, peregi iussa, Cato, et geminos excepi feta maritos24: uisceribus lassis partuque exhausta reuertor 340 iam nulli tradenda uiro. da foedera prisci inlibata tori, da tantum nomen inane conubii; liceat tumulo scripsisse "Catonis Marcia", nec dubium longo quaeratur in aeuo mutarim primas expulsa an tradita taedas. 345 non me laetorum25 sociam rebusque secundis accipis: in curas uenio partemque26 laborum. da mihi castra sequi: cur tuta in pace relinquar et sit ciuili propior Cornelia27 bello?' hae flexere uirum uoces, et, tempora quamquam 350 sint aliena toris iam fato in bella uocante, 23 Sanguis= Blut, auch: Kraft Marcia war zuerst mit Cato, dann mit Ciceros Rivalen Hortensius verheiratet 25 Laeta= Glück (Neutr.Pl.) 26 Pars= hier: Teilhabe 27 Cornelia= Frau des Pompeius, die ihm in den Bürgerkrieg folgte 24 13 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben foedera sola tamen uanaque carentia pompa iura placent sacrisque deos admittere testes. (ÜS: Als noch Blut, als noch die Kraft einer Mutter in mir steckte, habe ich, Cato, die Befehle ausgeführt und zwei Gatten angenommen, da ich gebärfähig war. Weil mein Körper nun ermüdet und ich von der Geburt erschöpft bin, kehre ich (zu dir) zurück, um keinem (anderen) Mann mehr übergeben zu werden. Gewähre mir den unauflöslichen Bund unserer vergangenen Ehe, gewähre mir lediglich den –sinnentleerten!- Namen der Ehe. Es soll mir möglich sein, auf mein Grab zu schreiben „Marcia, die Frau Catos“. Nicht soll zweifelhaft der künftigen Welt die Frage gestellt werden, ob ich als verstoßene oder übergebene Frau meine erste Ehe gewechselt habe. Du bekommst mich nicht als Gefährtin im Glück und einer günstigen Lebenssituation, sondern ich komme in der schwierigen Zeit, um an den Mühen teilzuhaben. Gib mir die Möglichkeit, dem Heerlager zu folgen. Warum soll ich im sicheren Frieden zurückbleiben und warum soll Cornelia näher am Geschehen des Bürgerkrieges sein?“ Diese Worte stimmten den Mann um und auch wenn die Zeiten nicht geeignet für einen Ehebund waren und das Schicksal bereits zum Krieg rief, da beschließen sie den Ehebund allein und den rechtlichen Vorgang ohne eine sinnlose Feier und sie beschließen, lediglich die Götter als Zeugen zuzulassen.“ Realien: Begriffe: torus, taeda; Monogamie, stoische Ethik (Apatheia, Ataraxia), Krieg zwischen Pompeius und Caesar, Rolle Catos. Grammatik: Ablativs absolutus (fato…vocante) dare mit Inf. (da mihi castra sequi- lass mich ins Heerlager folgen) wird den Schülern als charakteristisch für die Dichtersprache erläutert. Lernziel: Den Schülern soll anhand des Lucantextes das Thema Ehe von einer ernsten, philosophischen Seite präsentiert werden. Zusätzlich sollen die Schüler einen kleinen Einblick in die Stoa und ihre Ethik – hier in Bezug auf eheliches Verhalten- bekommen. 14 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben 9. Ein christliches Urteil über die heidnische Ehemoral Tert.apol.39 [11] Itaque qui animo animaque28 miscemur, nihil de rei communicatione dubitamus. Omnia indiscreta sunt apud nos praeter uxores. [12] In isto loco29 consortium solvimus, in quo solo ceteri homines consortium exercent, qui non amicorum solummodo matrimonia30 usurpant, sed et sua amicis patientissime 31 subministrant — ex illa, credo, maiorum et sapientissimorum disciplina, Graeci Socratis et Romani Catonis, qui uxores suas amicis communicaverunt, quas in matrimonium duxerant liberorum causa et alibi creandorum, nescio quidem an invitas32; [13] quid enim de castitate curarent, quam mariti tam facile donaverant? O sapientiae Atticae, o Romanae gravitatis exemplum: leno est philosophus et censor! „Wir, die wir uns in Geist und Seele vereinigen, zögern nicht, eine Sache zu teilen. Nichts ist einem (festen) Besitzer zugeordnet bei uns mit Ausnahme der Ehefrauen. An diesem Punkt lösen wir uns von der Gemeinsamkeit, an welcher alle anderen Menschen teilhaben. Sie (die anderen Menschen) übernehmen nicht nur die Eherechte von Freunden, sondern überlassen auch ihre eigenen Eherechte diesen mit hohem Gleichmut. Dies tun sie, wie ich glaube, gemäß der Lehrmeinung der Vorfahren und der Weisen, der Lehrmeinung des Griechen Sokrates und des Römers Cato, welche ihre Frauen mit den Freunden teilten, welche sie geheiratet haben, um Kinder zu zeugen. (Ob das gegen willen der Gattinnen geschah, weiß ich nicht). Warum sollten sich die Frauen um ihre Keuschheit kümmern, welche ihre Männer derart leichtfertig verschenkt haben? O du weises Attika, o du Beispiel römischer Würde! Der Philosoph und Zensor ist ein Kuppler!“ 10. Antike Denker über die Ehe I: Platon Aufbau Diese Unterrichteinheit soll eine philosophische Betrachtung des Themas Ehe einleiten. Begonnen wird hierbei mit den Theorien zur „Ehe“ in Platons Nomoi. Zuerst stellt der Lehrer kurz Autor und 28 Anima animoque= in Geist und Seele Locus= hier: Punkt 30 Matrimonium= eheliches Recht 31 Patientissime= mit großer Gleichgültigkeit 32 Invitas=unwillig; bezieht sich auf die Gattinnen 29 15 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Werk (Aufbau, Intention) vor. Der Text wird in deutscher Übersetzung an die Schüler ausgegeben und gemeinsam gelesen, wichtige Punkte vom Lehrer an die Tafel geschrieben. Dann wird in einem Lehrer-Schüler Gespräch der Text erörtert. Fragen, die an die Schüler gestellt werden, wären unter anderem „Welche Vorteile birgt Platons Idee?“, „Welche Faktoren könnten Platon zu solchen Gedanken gebracht haben?“, Inwiefern lebten Platons Gedanken in der abendländischen Geisteswelt weiter?“ Grammatik: Einige griechische Ausdrücke von Relevanz werden an die Tafel geschrieben und erklärt. Realien: Platon und seine Staatstheorie (Politeia, Nomoi), „Eugenik“, Probleme im Staat, die sich durch familiäre Verbindungen ergeben (->Nepotismus). Text: Plat.nom.6,772d ff. (Übersetzung Susemihl) Wenn nun so ein Jüngling nach zurückgelegtem fünfundzwanzigsten Jahre, unter Benutzung jener Anlässe zu schauen und von anderen geschaut zu werden, ein Mädchen nach seinem Sinne gefunden zu haben glaubt, von welchem er sich für die Erzeugung und gemeinschaftliche Auferziehung von Kindern Gutes [772e] verspricht, so soll er mit ihr zur Ehe schreiten, und zwar soll ein jeder bis zum fünfunddreißigsten Jahre zu heiraten verpflichtet sein. Wie er aber eine geeignete und passende Gefährtin zu suchen habe, darüber soll er vorher belehrt werden. Denn jedem Gesetz muß ja, wie Kleinias sagt, ein eigener Eingang voraufgeschickt werden. KLEINIAS: Sehr gut, Freund, erinnerst du hieran und ergreifst die passende Gelegenheit, bei welcher auch nach meiner Ansicht ein solcher Eingang ganz besonders am Orte ist. DER ATHENER: Du hast recht. Mein Sohn, wollen wir also zu dem Sprößlinge braver Eltern sagen, [773a] du mußt eine Heirat schließen, die auf Beifall bei verständigen Leuten rechnen kann, und diese werden dir raten, der Ehe mit einem armen Mädchen nicht aus dem Wege zu gehen und nicht der mit einem reichen ganz besonders nachzujagen, sondern unter übrigens gleichen Verhältnissen der Verbindung mit einer ärmeren Familie stets den Vorzug zu geben; denn das wird sowohl deinem Staate als auch den sich dergestalt verschwägernden Häusern zum Heile gereichen, sofern das Gleichartige und Ebenmäßige tausendmal besser für die Tugend als das Maßlose ist. Ferner [b] wer sich dessen bewußt ist, daß er in allem seinem Tun unüberlegter und hastiger als er sollte zu Werk 16 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben geht, muß dahin trachten, gesetzter Eltern Schwiegersohn zu werden; wer dagegen von entgegengesetztem Temperament ist, muß sich mit einer Familie von entgegengesetzter Art zu verschwägern suchen. Überhaupt aber ist dies als der eine leitende Grundsatz über das Heiraten aufzustellen: ein jeder soll darauf sehen eine Ehe einzugehen, wie sie für das Staatswohl förderlich und nicht wie sie ihm selbst am angenehmsten ist. Jedermann fühlt sich freilich stets von Natur am meisten zu seinesgleichen hingezogen, aber dadurch [c] entsteht für den ganzen Staat eine unverhältnismäßige Ungleichheit der Besitzverhältnisse und Charaktere, und dies bringt gerade das Übel für die meisten Staaten mit sich, von welchem wir eben wünschen, daß es uns nicht begegnen möge. Dies nun aber ausdrücklich gesetzlich vorzuschreiben, daß ein Reicher nicht die Tochter eines Reichen noch ein Mächtiger die von seinesgleichen heiraten solle, und Männer von ungestümerem Temperament ausdrücklich zwingen zu wollen für die eheliche Gemeinschaft sich nach Frauen von ruhigerer Gemütsart und ruhigere Männer sich nach lebhafteren Frauen umzusehen, würde nicht bloß lächerlich sein, sondern auch bei vielen nur Unwillen erwecken. Denn es ist nicht leicht zu begreifen, daß im Staate [d] eine ähnliche Mischung vonnöten ist wie in einem Mischkruge, in welchem zuerst der feurige Wein, den man in ihn eingeschenkt hat, tost und schäumt, dann aber, von einem anderen, nüchternen Gotte gezügelt, eine schöne Verbindung mit demselben eingeht und ein gesundes und angemessenes Getränk liefert. Daß ein Gleiches auch bei der Vermischung entgegengesetzter Temperamente der Eltern in den Kindern stattfindet, das, wie gesagt, merkt beinahe niemand. Deswegen sind wir nun freilich genötigt, dergleichen Vorschriften im Gesetze selbst wegzulassen, wohl aber müssen wir unsere Bürger zu besprechen und zu überreden suchen, daß ein jeder mehr darauf Gewicht lege, daß die Gemüter seiner Kinder mit sich selbst im Einklange stehen, als darauf, daß eine [e] Vermögensgleichheit bei der Ehe, die eben nur unersättlicher Geldgier dient, stattfinde, und durch Tadel und Verachtung muß man den, der bloß auf Geld bei seiner Ehe ausgeht, von seinem Vorhaben abzubringen suchen. Der Zwang eines geschriebenen Gesetzes dagegen ist hier, wie gesagt, nicht am Orte. Lernziel: Den Schülern soll ein Einblick in die Platons Ideen zum „social engineering“ gegeben werden. Ebenfalls sollen die Schüler lernen, einen Text zu exzerpieren und aus diesem Text heraus zu argumentieren. 11. Antike Denker über die Ehe II: Cicero (De officiis) Aufbau: 17 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Nach einer kurzen Rekapitulation von Ciceros philosophischen Schriften (die den Schülern schon hinlänglich bekannt sein dürften) mit dem Hauptaugenmerk auf die Schrift „De officiis“ beginnt die Arbeit mit dem Text (Übersetzung mithilfe des Wörterbuchs in Partnerarbeit). Zusätzlich wird den Schülern ein Arbeitsblatt ausgegeben, das bis zu nächsten Einheit auszufüllen ist. Grammatik: Explikatives ut (commune animantium, ut…), Genetivus expexegeticus/ Gerundiv: libido procreandi, Präpostionen als Adverbien (post-dann, später). Realien: Familie als Keimzelle der Gesellschaft Text: Cic.off.I, 53-54 [53] Gradus autem plures sunt societatis hominum. Ut enim ab illa infinita discedatur, proprior est33 eiusdem gentis, nationis, linguae, qua maxime homines coniunguntur. Interius etiam est eiusdem esse civitatis; multa enim sunt civibus inter se communia, forum, fana, porticus, viae, leges, iura, iudicia, suffragia, consuetudines 34 praeterea et familiaritates multisque cum multis res rationesque 35 contractae. Artior vero colligatio est societatis propinquorum; ab illa enim inmensa societate humani generis in exiguum angustumque concluditur. [54] Nam cum sit hoc natura commune animantium, ut habeant libidinem procreandi, prima societas in ipso coniugio est, proxima in liberis, deinde una domus, communia omnia; id autem est principium urbis et quasi seminarium rei publicae. Sequuntur fratrum coniunctiones, post consobrinorum sobrinorumque, qui cum una domo iam capi non possint, in alias domos tamquam in colonias exeunt. Sequuntur conubia et affinitates ex quibus etiam plures propinqui36; quae propagatio et suboles origo est rerum publicarum. Sanguinis autem coniunctio et benivolentia devincit homines et caritate. ÜS : 33 Ergänze Societas Consuetudo= hier: Umgang mit anderen Menschen 35 Res rationesque= Geschäftsbeziehungen 36 Ergänze fiunt 34 18 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Es gibt mehrere Stufen der menschlichen Gesellschaft. Um die unbegrenzt große Gemeinschaft der Menschen nun einmal wegzulassen: Näher liegt einem die Gemeinschaft desselben Volkes, derselben Sprache, durch welche Menschen am meisten vereint werden. Noch näher liegt es dem Menschen, aus der gleichen Stadt zu sein. Bürger haben nämlich viele Dinge gemeinsam: Das Forum, die Tempel, die Säulengänge, die Straßen, die Gesetze, das Recht, die Gerichte, die Wahlen, Umgang mit anderen und schließlich die verwandtschaftlichen Beziehungen. Es haben auch viele Menschen mit vielen anderen Geschäftsbeziehungen. Eine engere Bindung jedoch ist die Gemeinschaft von Verwandten. Von jener unbegrenzten Gesellschaft des Menschengeschlechts nämlich aus verengt sich diese Vereinigung auf dieses kleine, enge Band (der Familie). Denn da von Natur den Lebewesen die Eigenschaft gemeinsam ist, dass sie einen Drang zur Fortpflanzung verspüren, ist die erste menschliche Bindung im Ehebund selbst festgelegt, die zweite Bindung besteht zu den Kindern, dann folgt das Haus und alle Güter, die Menschen gemeinsam sind. Das aber ist die Grundlage einer Stadt und gleichsam die Keimzelle des Staates. Es folgen schließlich die Bindungen zwischen Brüdern, dann die der Cousins väterlicher- wie mütterlicherseits, die, weil sie in einem Haus nicht Aufnahme finden können, in andere Häuser gleichsam wie in Pflanzstädte auswandern. Es folgen Hochzeiten und (weitere) Verwandtschaftsverhältnisse, durch welche man noch mehr Verwandte hat. Diese Fortpflanzung und dieses Wachstum ist die Grundlage von Staaten. Die Blutsverwandtschaft jedoch vereinigt die Menschen durch Wohlwollen und Liebe. Lernziel: Schüler sollen über Ciceros Gliederung der Gesellschaft reflektieren und selbst Gedanke zu dem Textstück formulieren. (Siehe Arbeitsblatt) d)Zusammenfassung der Lernziele der Unterrichtseinheiten Nach der Absolvierung des Moduls sollen die Schüler dazu befähigt sein: -Einen Überblick über die Geschichte der Ehe im Altertum geben zu können -Die wichtigsten Begriffe der Thematik erklären können (Sowohl was Realien als auch grammatisch) -Die zentralen Tugenden, die von Männern und Frauen erwartet wurden, erläutern können - Die behandelten Autoren kurz beschreiben und einordnen können (Jahrhundert, wichtige Werke, Intention) 19 F.J.Feldhofer 0613076 VU Alltagsleben Außerdem soll dieses Modul die Fähigkeit, grammatische Phänomene zu erkennen und zu verstehen, festigen. Literatur: A.Gestrich, J.U. Krause (Hgg.), Geschichte der Familie. Stuttgart 2003. (zur Antike: J.U.Krause, Antike, S.21-159.) C. Reinsberg, Ehe, Hetärentum und Knabenliebe im alten Griechenland. München ²1998. U.Schall, Am Anfang war die Wölfin. Frauen im alten Rom. Düsseldorf 1994. K-W. Weeber, Alltag im alten Rom. Ein Lexikon. Mannheim 2011. 20