1. Einleitung - Friedrich-Schiller

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Friedrich-Schiller-Universität Jena
Institut für Politikwissenschaft
Lehrstuhl Politisches System der BRD
Proseminar: Einführung in das politische System der BRD
Modul: POL 210
Leitung: Dr. Sven Leunig
Sommersemester 2015
Die Piratenpartei Deutschland
nach 2012
– Gründe für den politischen
Abstieg
Vorgelegt von:
XXXXXXX
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ........................................................................................................1
2. Das Modell von Niedermayer .........................................................................2
2.1 Modellspezifikationen ...............................................................................2
2.2 Niedermayers Analyse der Piratenpartei bis Ende 2012 anhand des
Modells ............................................................................................................5
2.3 Die Piratenpartei seit 2013 – politischer Abstieg ......................................6
3. Erklärung für den politischen Abstieg anhand des Modells von Niedermayer
und gängiger Theorien des Wahlverhaltens ........................................................8
3.1 Die personelle Situation ............................................................................8
3.2 Verlust des Alleinstellungsmerkmals und der Unentschlossenen ...........10
3.3 Mediale Erwartungen und fehlender politischer Inhalt ...........................10
3.4 Eine gesellschaftliche Entwicklung im Trichter der Kausalität ..............11
3.5 Der Wähler als homo oeconomicus – fehlender Nutzen der Piratenpartei
.......................................................................................................................13
4. Fazit ...............................................................................................................15
5. Ausblick ........................................................................................................15
1. Einleitung
Der Piratenpartei Deutschland, 2006 gegründet, gelang es innerhalb kurzer
Zeit, beachtliche Wahlerfolge zu feiern und eine gesellschaftliche Debatte über
die Vereinbarkeit des technischen Fortschritts, namentlich des Internets, mit
den politischen und rechtlichen Basisinstitutionen der Moderne anzustoßen.
Schon seit Beginn der 2000er Jahre stellte sich eine interessante Beobachtung
bzgl. der Entwicklung der Parteienlandschaft in der BRD ein, die die
gestiegenen Chancen von Interessenbewegungen, sich politisch in Form von
Parteien zu etablieren, widerspiegelt. Dies gelang zuletzt den Grünen in den
1980er Jahren. Alemann bezeichnet diese Zeit als Transformationsphase, in der
die „Dominanz der großen Vier“ (Alemann 2003: 50) (SPD, CDU, CSU und
FDP) zurückging. Seit 2002 spricht Alemann von einer Fluiden Phase, in der
das „so stabile deutsche Parteiensystem […] in Fluss geraten [ist]“ (Alemann
2003: 50). Dies bedeutet, dass die Wahlergebnisse der großen, etablierten
Parteien erodieren und sich ein neues Spektrum an Parteien durchsetzen kann.
Gleichzeitig können diese neu in den Wettbewerb eintretenden, in der Regel
jungen Parteien, sehr schnell wieder von der politischen Bühne verschwinden.
Ausgehend von dieser Beobachtung stellt sich die Frage, was nun die
Bedingungen für eine Partei sind, um entweder weiterhin im Wettbewerb
bestehen zu können (wie im Falle der etablierten Parteien) oder in den Kampf
um politische Macht einzusteigen (wie im Falle von neuen Parteien).
Insbesondere der Fall neuer Parteien gestaltet sich interessant, da er bisher in
der Politikwissenschaft wenig beachtet scheint. Theorien des Wahlverhaltens,
wie beispielsweise die makrosoziologische Theorie der Konfliktlinien (vgl.
Lipset/Rokkan 1967, insb.: 33 ff.), setzen in der Regel etablierte Parteien in
einen Wettbewerb zueinander. Konkrete Bedingungen für den politischen
Erfolg neuer Parteien in der aktuellen politischen Phase nach der
Jahrtausendwende fehlten. An dieser Stelle setzt nun Niedermayer (2010) an
und formuliert Bedingungen, die den Erfolg neuer Parteien begünstigen können
– er wählt dazu das Beispiel der Piratenpartei. Gerade die Piratenpartei hat sich
jedoch inzwischen wieder deutlich gegenteilig entwickelt und an politischem
Einfluss verloren. Die Forschungsfrage, die im Folgenden beantwortet wird,
1
lautet daher knapp: Wie ist der rasche politische Abstieg der Piraten nach dem
enorm erfolgreichen Wahljahr 2012 im Modell von Niedermayer zu erklären
und welche gängigen Theorien des Wahlverhaltens spielen dabei eine Rolle?
Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst deskriptiv das Modell von
Niedermayer sowie seine Analyse der Piratenpartei bis Ende 2012 in
Grundzügen dargestellt und anschließend eine Beschreibung der politischen
Entwicklung der Partei seitdem vorgenommen (Kapitel 2). Danach erfolgt eine
Analyse der Gründe für diese (negative) Entwicklung anhand einiger wichtiger
Erfolgsbedingungen, die Niedermayer nennt, sowie unter Bezug auf zwei
Ansätze aus der Theorie des Wahlverhaltens (Kapitel 3).
2. Das Modell von Niedermayer
Der ursprüngliche Beitrag von Niedermayer wurde 2010 in der Zeitschrift für
Parlamentsfragen veröffentlicht und 2013 in überarbeiteter Form erneut im
Buch Die Piratenpartei (Niedermayer (Hrsg.), 2013) herausgegeben. Ziel ist im
Folgenden, das Modell in seinen Grundbausteinen darzustellen.
2.1 Modellspezifikationen
Niedermayer baut bei seiner Modellspezifikation zu den Erfolgsbedingungen
neuer Parteien wesentlich auf das sogenannte „lifespan-Modell“ von Pedersen,
das sich mit dem „Lebenszyklus“ (Niedermayer 2013a: 7) von Parteien befasst,
auf.
Niedermayers Grundannahme lautet, dass der Erfolg einer neu in das
Parteiensystem einsteigenden Partei im Wesentlichen an fünf bzw. sechs
„Karrierestufen“ (Niedermayer 2010: 840; 2013a: 9) festgemacht werden kann.
Diese sind 1. Wahlteilnahme (Zulassung zu einer Parlamentswahl), 2.
Wettbewerbsbeeinflussung (durch Reaktionen anderer Parteien auf die
Wahlteilnahme), 3. Parlamentarische Repräsentation (Einzug in ein Parlament
durch eine Wahl), 4. Koalitionsstrategische Inklusion (Möglichkeit der Bildung
minimaler
Gewinnkoalitionen,
Regierungsbeteiligung
vgl.
(Beteiligung
hierzu
an
Zelger
einer
1975:
126),
5.
Regierung)
und
6.
Regierungsübernahme (Regierungschef*in stammt aus den Reihen der Partei).
Diese Karrierestufen folgen zeitlich aufeinander, die vorherige Stufe muss
2
jeweils erfüllt sein um auf eine höhere zu gelangen. Sie besitzen ein ordinales
Skalenniveau (vgl. Benninghaus 2007: 23 f.). Diese Definition erlaubt es
offensichtlich sowohl neue Parteien untereinander in ihrem Erfolg zu messen –
z.B. indem in Form einer Abstufung gemessen wird, wie schnell die jeweiligen
Karrierestufen erreicht wurden
- als auch gegenüber bereits etablierten
Parteien im System zu vergleichen. Parteien können selbstverständlich auch
wieder auf niedrigere Stufen zurückfallen – es ist also sowohl eine aktuelle
Messung des Standes einer Partei im Parteienwettbewerb möglich, als auch
eine Bestimmung des bisher höchsten erreichten Niveaus. Nicht in die
Erfolgsdefinition von Niedermayer geht ein, wie diese Karrierestufen erreicht
werden oder wurden.
Die Bedingungen für das Erreichen der Karrierestufen teilt Niedermayer in drei
Bereiche ein, die wesentlich dadurch gekennzeichnet sind, wie die Faktoren in
diesen Bereichen zustande gekommen sind, wie sie ihrer Natur nach bestimmt
sind und wie sie durch die Partei beeinflusst werden können. Niedermayer
verwendet hierbei das makroökonomische Grundmodell von Angebot und
Nachfrage; es entsteht also ein Parteienwettbewerb, der ähnlich den Regeln
eines Marktes funktioniert.
Die Angebotsseite (vgl. Niedermayer 2013a: 10) stellt interne Faktoren dar, die
von der Partei selbst bestimmt werden und quasi der Öffentlichkeit präsentiert
werden. Hier nennt Niedermayer Ressourcen wie beispielsweise Mitglieder(zahl), Personal und Finanzausstattung, aber auch Organisationsstrukturen.
Neben den Ressourcen spielen Wahlkampf- und Politikstrategien eine Rolle,
auch in Hinblick auf die Strategien anderer Parteien gegenüber der neuen
Partei. Über diese Strategien kann es Parteien gelingen, entweder die
Konkurrenz zu schwächen und den eigenen Platz im Parteiengefüge zu
markieren, oder die Wähler für die Positionen der neuen Partei sensibel zu
machen. Zu guter Letzt spielen selbstverständlich auch die inhaltlichen
politischen Ausrichtungen und Positionen der Partei eine entscheidende Rolle –
in der Regel stellen sie den Ausgangspunkt einer Parteigründung dar. Sie
können als Rahmen beschrieben werden, an dem sich die Strategien und
Ressourcen orientieren. In Kapitel 3 wird gezeigt, dass gerade dieses
inhaltliche Angebot zur Zeit der Parteigründung eine entscheidende Rolle für
die ersten Erfolge der Partei darstellt.
3
Auf der Nachfrageseite verortet Niedermayer nun alle Wahlberechtigten, um
deren Stimmen sämtliche Parteien eines politischen Systems konkurrieren.
Diese
ist
geprägt
Wahlberechtigten“
von
„Orientierungen
(Niedermayer
2013a:
und
10).
Verhaltensweisen
Hierbei
nennt
er
der
die
Parteienbindung, die Existenz von Konfliktlinien in der Gesellschaft, aber auch
die Offenheit gegenüber neuen Parteien sowie die Organisierbarkeit in Frage
kommender Bevölkerungsgruppen. Daneben gehören selbstverständlich die
Orientierung der Wähler gegenüber einzelnen, von einer neuen Partei
vereinnahmten politischen Themen und der Bewertung des Spitzenpersonals
der Partei dazu (vgl. Niedermayer 2013a: 11). Diese Einstellungen bestimmen
maßgeblich, wie die Strategie einer neuen Partei aussehen könnte und wie die
generellen Chancen im politischen System sind.
Angebots- und Nachfrageseite treffen unter Bedingungen aufeinander, die den
Rahmen
des
Parteienwettbewerbs
abstecken
und
ebenfalls
auf
die
Erfolgschancen neuer Parteien einwirken. Diese Rahmenbedingungen sind
extern, in der Regel durch institutionelle Vorgaben, gegeben und von den
Parteien zumindest kurz- und mittelfristig nicht veränderbar. Dazu gehören der
rechtliche Rahmen, die Staatsorganisation, das intermediäre Feld und generelle
gesamtpolitische Entwicklungen, die ein politisches System prägen (können)
(vgl. Niedermayer 2013a: 11).
Diese drei genannten Kategorien liefern Erfolgsbedingungen neuer Parteien,
um sich im politischen System zu etablieren. Nicht gesagt ist, wie viele
Bedingungen erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Karrierestufe zu
erreichen – oder wieder von einer Karrierestufe herab zu rutschen, denn
selbstverständlich können die meisten der genannten Faktoren auch negative
Ausprägungen annehmen, beispielsweise aufgrund eines Skandals um einen
Spitzenpolitiker, auf den in den Medien ein schlechtes Licht fällt. In aller Regel
wird eine Partei immer sowohl von positiven als auch negativen Bedingungen
begleitet
sein.
Ebenfalls
fehlt
eine
differenzierende
Bewertung
der
Bedingungen – vorstellbar wäre, dass beispielsweise die Bewertung des
Spitzenpersonals einen deutlich höheren Ausschlag für den Erfolg einer Partei
gibt - genannt sei hierbei die Medialisierung des politischen Betriebs und damit
einhergehende Fokussierung auf Persönlichkeiten (vgl. Jun 2009, insb.: 282) als die generelle personelle Organisationsstruktur in den Anfängen der Partei.
4
Dennoch erlaubt diese Kategorisierung zumindest eine Einteilung in interne
und externe Faktoren.
2.2 Niedermayers Analyse der Piratenpartei bis Ende 2012 anhand des
Modells
Die Piratenpartei stellt insofern ein Phänomen dar, als dass sie eigentlich aus
einem einzigen Kernthema, genauer gesagt einer gesellschaftlichen Diskussion
um das Thema Urheberrechte und Software-/ Musikpiraterie, entstanden ist
(vgl.
Bartels
2013).
Der Name stellt
eine direkte
Antwort
einer
Interessengruppe dar, um „den von der Rechteindustrie ins Spiel gebrachten
Begriff der Piraterie ironisch aufzunehmen“ (Bartels 2013: 18). Niedermayer
(2013) geht der Frage nach, weshalb es gerade dieser ‚klassischen‘ EinThemen-Partei gelang, nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen
anderen europäischen Ländern (allen voran Schweden, vgl. Niedermayer 2010:
842; Bartels 2013: 17 ff.) so einen starken Einfluss nicht nur in der
gesellschaftlichen Debatte, sondern auch im politischen Betrieb zu nehmen.
Beispielhaft nennt Niedermayer die Wahl zum Landtag des Saarlandes 2012.
Hierbei stellt er fest, dass sich die Piratenpartei dazu ein „buntes
‚Vollprogramm‘, in dem netzpolitische Themen keine Prioritäten hatten“
(Niedermayer 2013b: 51) zugelegt hatte – sich zu diesem Zeitpunkt also
(kurzzeitig, vgl. Kap. 3.3) von der Ein-Themen-Problematik entfernt hatte.
Zusätzlich führt er einige weitere Erfolgsbedingungen auf, die den Wahlerfolg
begünstigten (vgl. Niedermayer 2013b: 51 ff.). Deutlich zu erkennen ist der
Versuch der Partei, sich als absolut transparent zu geben. So lautet eine der
Hauptforderungen der Partei, „transparente[] Politik statt eines gläsernen
Bürgers“1 voranzutreiben. Verschiedenste Positionspapiere wurden hierzu
verfasst,
insbesondere
auch
zum
Thema
„Transparenz
und
Korruptionsbekämpfung in der Politik“2. Während bekannt ist, dass die
Piratenpartei gerade bei jungen, häufig sogar Erstwählern einen starken Stand
hat (vgl. Niedermayer 2013c: 64 ff.), dürfte der Aspekt der Transparenz auch
bei älteren Wählern für Pluspunkte gesorgt haben – insbesondere in Erinnerung
1
https://www.piratenpartei.de/politik/themen/#p [Zugegriffen am 15.08.2015]
http://wiki.piratenpartei.de/Positionspapiere/Transparenz_und_Korruptionsbekämpfung_in_de
r_Politik [Zugegriffen am 15.08.2015]
2
5
an die CDU-Spendenaffäre von 1999. Wie keine andere Partei beansprucht die
Piratenpartei, für basisdemokratische und damit vollkommen transparente
politische Prozesse zu stehen und jeden einzelnen Bürger in die politische
Entscheidungsfindung einzubinden. Durch dieses Angebot (vgl. Kapitel 2.1)
gelang es der Piratenpartei einerseits, Wähler direkt durch politische
Positionierung zu erreichen, andererseits auch eine Reaktion der anderen
politischen Parteien zu erzwingen (Karrierestufen 2 und 3, vgl. Kapitel 2.1).
Auch bei den weiteren beiden im Jahr 2012 stattfindenden Landtagswahlen
gelang es den Piraten, jeweils mit einem für die erste Wahlteilnahme in diesen
Ländern beachtlichem Ergebnis in die Landtage in Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein einzuziehen (vgl. Abb. 1). Das Jahr 2012 stellte für die
Piraten ein Jahr des Erfolgs dar, und dies trotz Sexismus-Vorwürfen (vgl.
Niedermayer 2013b: 56) und einer Gender-Debatte (vgl. Kulick 2013). Dies
weist darauf hin, dass andere Erfolgsbedingungen deutlich wichtiger für die
Wahlergebnisse
waren.
Die
genannten
Transparenzbestrebungen
und
Positionen zur Urheberrechtsdebatte spielten dabei sicher eine entscheidende
Rolle.
Die Partei befand sich somit auf bestem Wege, auch zumindest die nächste
Karrierestufe bald zu erreichen und sich in weniger als zehn Jahren nach ihrer
Gründung zu einer festen Größe im politischen Betrieb zu mausern.
2.3 Die Piratenpartei seit 2013 – politischer Abstieg
Bei einer Betrachtung der Wahlergebnisse nach den Erfolgen des Jahres 2012
ist ein Rückgang auf das Niveau der Jahre vor 2012 zu beobachten (vgl. Abb.
1). Im Zeitverlauf bis Mitte des Jahres 2015 (bis dahin fanden die
Bürgerschaftswahlen in Bremen und Hamburg statt) scheint das Jahr 2012
somit eine Ausnahmerolle einzunehmen, dies stellt auch Abb. 1 dar.
6
Wahl
Stimmanteil in %
Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin
8,9
2011
Landtagswahl Saarland 2012
7,4
Landtagswahl Schleswig-Holstein 2012
8,2
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2012
7,8
Landtagswahl Niedersachsen 2013
2,1
Landtagswahl Bayern 2013
2,0
Bundestagswahl 2013
2,2
Landtagswahl Hessen 2013
1,9
Europawahl 2014
1,4
Landtagswahl Sachsen 2014
1,1
Landtagswahl Brandenburg 2014
1,5
Landtagswahl Thüringen 2014
1,0
Bürgerschaftswahl Hamburg 2015
1,6
Bürgerschaftswahl Bremen 2015
1,5
Abbildung 1: Wahlergebnisse der Piratenpartei seit Ende 2011, angelehnt an Niedermayer
2013b: 34; Quelle: amtliche Wahlstatistiken
Die Partei fiel somit von der Karrierestufe 3 (parlamentarische Repräsentation)
wieder zurück. Wie in Kapitel 3 gezeigt wird, fiel die Partei sogar auf das
Niveau der ersten Karrierestufe zurück, da andere Parteien nicht einmal mehr
gezwungen waren, auf die Piratenpartei in ihren Wahlkämpfen oder
Parteiprogrammen zu reagieren. Die gesellschaftliche Diskussion um
Transparenz und Urheberrechte im Internet ebbte ab und selbst als die NSAAffäre Anfang 2013 ihren Lauf nahm, konnte die Partei daraus kein Kapital
schlagen (siehe Kap. 3).
Auch innerparteilich stellte die Folgezeit die Piraten vor vermehrte Probleme,
die auch Niedermayer (2013b: 53 ff.) bereits erahnte. So ist in der Folgezeit
seit 2012 die Anzahl der Neumitgliedschaften kontinuierlich zurückgegangen
7
und es fallen deutlich mehr Austritte als Neueintritte an3. Neben des rein
quantitativen Verlusts an Mitgliedern, was sich wohl besonders in einzelnen
Landesverbänden auswirken dürfte und über den Mitgliederbeitrag einen
Einfluss auf die Finanzen der Partei hat, hat die Piratenpartei auch qualitativ an
Personal verloren. Im Jahr 2014 sind gleich mehrere, medial bekannte
Persönlichkeiten aus der Partei ausgetreten, u.a. Anke Domscheit-Berg
(ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburg), Sebastian Nerz
(ehemaliger Bundesvorsitzender) und Thorsten Wirth (ebenfalls ehemaliger
Bundesvorsitzender). Die grundsätzliche Kritik lautete, die Partei verliere sich
in internen (personellen) Streitigkeiten und sei weit von den früheren, ideellen
Forderungen einer transparenten und bürgernahen Politik abgerückt. Wie stark
Niedermayer die Erfolgschancen der Partei überschätzt hat, lässt sich daran
erkennen, dass er ihr prophezeite, dass sich „schneller als erwartet […] die
Frage nach einer Regierungsbeteiligung stellen [könnte]“ (Niedermayer 2013b:
60). Es spiegelt die damalige Stimmung wider und zeigt gleichzeitig, wie
schnell sich in Zeiten der Medialisierung (vgl. Jun 2009) selbst politische
Parteien verändern können.
3. Erklärung für den politischen Abstieg anhand des Modells
von Niedermayer und gängiger Theorien des Wahlverhaltens
Das Modell von Niedermayer, wie es bisher dargestellt wurde, diente dazu, den
Erfolg
der
Piratenpartei
anhand
von
objektiven
Kriterien,
sog.
Erfolgsbedingungen, zu analysieren. Die seit 2013 vorhandene Situation war
damals noch nicht vorhersehbar. Im Folgenden wird diese Entwicklung, wie sie
in Kapitel 2.3 beschrieben wurde, anhand des Niedermayer’schen Modells und
unter
Zuhilfenahme
einzelner
Ansatzpunkte
gängiger
Theorien
des
Wahlverhaltens in Hinblick auf Ursachen untersucht.
3.1 Die personelle Situation
3
https://wiki.piratenpartei.de/Datei:Mitgliederentwicklung.png [Zugegriffen am 15.08.2015];
https://wiki.piratenpartei.de/Datei:Mitgliederentwicklung_ein_vs_aus.jpg [Zugegriffen am
15.08.2015]
8
Im Modell von Niedermayer lässt sich die in 2.3 angesprochene Entwicklung
im Personalbestand nun an zwei Stellen verorten und somit der
Erfolgsrückgang bei den Wahlen (vgl. Abb. 1) erklären. Einerseits stärkt der
personelle Rückgang zwar die instabile Organisationsstruktur der Partei (vgl.
Niedermayer 2013b: 59), die insofern eine Besonderheit darstellt, dass viele,
auch kleinere, Entscheidungen basisdemokratisch diskutiert und getroffen
werden, was einen hohen Organisationsaufwand erfordert. Entscheidungen
können aus organisationstheoretischer Sicht aufgrund der geringeren Zahl
stimmberechtigter Personen leichter getroffen werden (vgl. Olson 1971: 53 ff.).
Andererseits fallen aber viele engagierte Mitglieder weg, die eine Partei, die
von vielen Wahlberechtigten noch immer als Außenseiter gehandelt wird und
über deren Perspektiven und politische Positionen, gerade in Bereichen die
nicht zu den Hauptthemen gehören, wenig bekannt ist, dringend benötigt.
Sogenanntes Trittbrettfahrerverhalten wird ebenfalls verstärkt, wenn Personen,
die eigentlich ein Interesse an der Thematik und den Zielen der Partei haben,
austreten und damit einhergehend häufig die Mitarbeit einstellen (Olson 1971,
insb.: 60 ff.). Auch die finanziellen Auswirkungen sind über Mitgliederbeiträge
nicht zu unterschätzen, Alemann bezeichnet diese noch immer als eine der
„Hauptquellen für Parteifinanzen“ (Alemann 2003: S. 210). Außerdem können
rückläufige Mitgliederzahlen ein negatives Bild nach Außen abgeben, die
Öffentlichkeit bekommt den Eindruck, dass selbst die Mitglieder nicht mehr
mit der Partei zufrieden sind.
Niedermayer (2013d: 90) verweist außerdem darauf, dass die Mitglieder einer
Partei in der Regel zu ihren Stammwählern zählen, Austritte schmälern somit
diesen Bestand. Zusätzlich fehlt es an Input innerhalb der Partei was Ideen,
Motivation etc. angeht (Niedermayer 2013d: 90f.).
Daneben sind gerade die Austritte von bekannten Führungspersönlichkeiten,
zumal wenn sie sich derart häufen, immer ein Problem für eine Partei, da diese
häufig von den Medien skandalisiert werden (vgl. Jun 2009: 281 f.) und das
Image der Partei in der Öffentlichkeit schädigen. Auch diese Erfolgsbedingung
hat sich für die Piratenpartei zum negativen gewandelt, waren doch gerade die
Spitzenpolitiker*innen wie Marina Weisband durch ihre mediale Präsenz
(insbesondere natürlich im Internet, als dem selbsterwählten Leitmedium der
9
Piratenpartei) in der Gründungsphase enorm für die öffentliche Beachtung der
Partei verantwortlich.
Personell hat die Piratenpartei massive Probleme auf verschiedenen Ebenen,
die sich kurzfristig durch schlechtes Image auswirken, langfristig jedoch auch
zu einem inhaltlichen Problem führen können.
3.2 Verlust des Alleinstellungsmerkmals und der Unentschlossenen
Betrachtet man die Wählerschaft der Piraten, stellt Niedermayer (2013c: 65)
fest, dass ein Großteil ehemalige Nichtwähler sind. Während diese vielleicht
mit den Piraten genau den Aspekt, der ihnen in den bisher etablierten Parteien
gefehlt hat, repräsentiert sahen, ist es wahrscheinlich, dass gerade diese Wähler
auch schnell wieder abfallen und einer anderen Partei ihre Stimme geben.
Durch den Zeitpunkt der Parteigründung und der ersten öffentlichen Auftritte
bis hin zu den ersten Wahlteilnahmen war klar, dass die Piraten auf der Welle
einer gesellschaftlichen Situation reiten, die sich um das Medium Internet und
die damit verbundene Debatte um Urheberrechte dreht (vgl. Bartels 2013; siehe
auch Kapitel 3.4 ). Nachdem im Zuge der Wahlerfolge der Piraten die anderen
Parteien auf die neue politische Situation strategisch reagierten und ehemalige
Alleinstellungsmerkmale der Piraten okkupierten – sich also ‚plötzlich‘ für
Transparenz und die Rechtslage im Internet einsetzten oder zumindest
interessierten – waren diese gezwungen ihr politisches Profil auch darüber
hinausgehend zu schärfen. Diese Erfolgsbedingung konnten sie, wie bereits
erwähnt, nicht umsetzen.
3.3 Mediale Erwartungen und fehlender politischer Inhalt
Ein weiterer Punkt, der der Partei nach den Wahlerfolgen von 2012 zu schaffen
machte, war die Tatsache, dass es in vielen Politikfeldern noch immer keine
einheitliche Leitidee gab. So wurden bei Themen, die nicht die Transparenz
und die Überwachung und Einschränkung im Internet betrafen, immer wieder
von Landesverbänden unterschiedliche Positionen ausgegeben. Dies führte
dazu, dass es äußerst schwer war, Wähler, deren Hauptinteresse nicht den
Transparenzbestrebungen oder der Urheberrechtsdebatte galt, überhaupt zu
gewinnen, geschweige denn zu halten und als Stammwähler zu gewinnen.
10
Dieses Problem wurde verstärkt von den Medien aufgegriffen, die immer
wieder die Parteiführung zu unterschiedlichsten politischen Themenfeldern
nach Positionen befragten. Da die Partei sich dem basisdemokratischen Prinzip
verschrieben hatte, alle inhaltlichen Entscheidungen durch die ganzheitliche
Basis der Mitglieder selbst entscheiden zu lassen, wirkte das Führungspersonal
in diesen Situationen häufig überfordert (vgl. Niedermayer 2013d: 94). Der
Partei fehlte in dieser Hinsicht eine strategische Komponente: eine strake
Parteiführung, die im Zweifel eine ‚Marschrichtung‘ vorgeben kann und im
Stande ist, kurzfristig medial vermarktungsfähige Entscheidungen zu treffen.
In der Phase nach den Wahlerfolgen, als die Partei in (sub-)nationalen wie
supranationalen Parlamenten vertreten war, war diese Forderung nach einer
Öffnung hin zu anderen Politikfeldern gewachsen – hatte man der Partei zu
Beginn ihres Wirkens, unter Hinblick auf das konkrete Gründungsmotiv und
den ideellen Großprojekten, noch ihre Ein-Themen-Problematik verziehen.
Viele Wechselwähler, die von anderen Parteien abgewandert waren (vgl.
Niedermayer 2013c: 65, Tab. 1), forderten eine klarere Positionierung der
Partei gerade auch was die Abgrenzung zu politisch rechten Themengebieten
anging (vgl. die Debatte um rechte Tendenzen in der Piratenpartei vor den
Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen4). Diese
medial inszenierten Debatten schaden einer Partei, die sich selbst als
‚Mitmachpartei‘ bezeichnet, selbstverständlich.
Dieser so wichtige externe Erfolgsfaktor, die mediale Wahrnehmung, der den
Aufstieg der Piraten dadurch erst möglich gemacht hatte, dass viele
Journalisten die Piratenpartei als Chance auf eine transparentere Politik
begriffen, hat sich umgekehrt und wirkt inzwischen eher erfolgshemmend, da
negative Nachrichten dominieren.
3.4 Eine gesellschaftliche Entwicklung im Trichter der Kausalität
Während die genannten Probleme im personellen Bereich und der medialen
Wahrnehmung sowie die Inhaltsproblematik sicher alles Gründe sind, weshalb
die Piratenpartei, statt weitere Karrierestufen zu erklimmen, so rasch wieder
4
http://www.taz.de/!5095091/
[Zugegriffen
am
15.08.2015];
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/piraten-chef-nerz-weist-rechtsextremismus-kritikzurueck-delius-a-829355.html [Zugegriffen am 15.08.2015]
11
zurückfiel und heute von vielen bereits unter die verschmähten ‚Sonstigen‘
gezählt wird, ist insbesondere der Aspekt des Gründungsmotivs interessant –
also derjenigen gesellschaftlichen Entwicklung, die dazu geführt hat, dass die
Piratenpartei überhaupt in dieser Form aufblühen konnte.
In der sozialpsychologischen Theorie des Wahlverhaltens gibt es die Idee eines
„Funnel of Causality“ (Campbell et al. 1980: 24 ff.), in dem „events are conceived to follow each other in a converging sequence of casual chains“ (Campbell et al. 1980: 24). In Betrachtung gezogen werden solche Ereignisse, die
eine Auswirkung auf die politische Willensbildung haben.
Zur Zeit der Gründungsphase der Piratenpartei hatte noch keine deutsche Partei
das Thema Internet für sich entdeckt und die Politik somit „keine
ausreichenden Antworten [zu] bieten“ (Bartels 2013: 15), was Fragen des
Internetrechts und des Persönlichkeitsschutzes im Internet betraf. Die
Rechtsprechung tat sich schwer, Vorfälle der Verletzung des Urheberrechts
effektiv zu verfolgen und zu beurteilen. Die viel zitierte ‚Grauzone‘ weitete
sich aus. Bartels macht den „technische[n] Fortschritt, genauer gesagt […] die
Digitalisierung von Content“ (Bartels 2013: 15) als Anlass einer sozialen
Bewegung aus, die sich in Form der Piratenpartei (europaweit) politisch
niederschlug. Die alten Granden in Form der Volksparteien schienen von
dieser Entwicklung ähnlich überrascht wie in den 1980er Jahren von der
Umwelt- und Friedensbewegung, die zur Gründung der Partei Die Grünen
führte. Die etablierten Parteien taten sich schwer, sich an die neue Situation
anzupassen, was den Piraten zusätzlich Aufwind gab – nicht nur, dass sie eine
neue Thematik auf den Tisch gebracht hatten, die anderen Parteien waren
diesbezüglich in sich selbst inhaltlich und positionell uneins.
Im Trichter der Kausalität schlug sich dieses Ereignis also so nieder, dass die
gesellschaftliche Entwicklung einen Startpunkt darstellte und eine ganze Reihe
weiterer Ereignisse, wie die Streitfrage des Urheberrechts (vgl. Bartels 2013)
oder die Forderung nach transparenterer Politik, zur Folge hatte - diese stellten
dann „relevant conditions“ (Campbell et al. 1980: 26) dar. All diese Ereignisse
beeinflussten die Wähler bei den folgenden Wahlterminen in ihrem Verhalten,
häufig „nicht direkt, sondern nur vermittelt über die politischen Einstellungen“
(Schoen 2009: 187) – selbstverständlich neben anderen Faktoren.
12
Campbell et al. beschreiben den Aufbau des Trichters folgendermaßen: „the
axis of the funnel represents a time dimension“ (Campbell et al. 1980: 24).
Jedes Ereignis ist an einem bestimmten Punkt auf dieser Zeitlinie verortet und
hat Einflüsse auf weitere Ereignisse, die näher in Richtung Verengung des
Trichters liegen. Dies bedeutet, dass Ereignisse, die weiter zurück liegen, nur
einen mittelbaren Einfluss haben. Wenn diese Ereignisse also beispielsweise
nur ein über eine bestimmte zeitliche Periode aufflammendes Phänomen
darstellten, spielen sie nach voranschreitender Zeit im Trichter eine wesentlich
geringere Rolle für die konkrete Wahlentscheidung eines Individuums. Genau
so verhielt es sich mit der Urheberrechtsdebatte und der Transparenzforderung
in der Politik. Der Piratenpartei gelang es, im richtigen Moment, in dem diese
Faktoren eine entscheidende Rolle im Trichter der Kausalität einnahmen, in der
öffentlichen Meinung für eine Beachtung dieser Themen in der Politik zu
stehen und Stellung zu diesen Fragen zu beziehen.
Nachdem sich die gesellschaftliche Entwicklung, insbesondere durch die von
den Piraten angestoßenen, aber von allen Parteien in der Folge mitdiskutierten
Debatten, weiter verschob, fiel auch deren Bedeutung im Trichter und somit
für die weiter in der Zukunft liegenden Wahlentscheidungen. Ein wichtiger
Grund für den Niedergang der Piraten könnte also darin liegen, dass das
Gründungsmotiv der Partei, für das sie in der öffentlichen Meinung noch
immer hauptsächlich steht, an politischer Relevanz verloren hat. Die Wähler
werden inzwischen durch andere Faktoren (stärker) in ihrer Entscheidung
bestimmt.
Hinzu kommt, dass die Piraten, wie in Kap. 3.3 erläutert, noch immer
weitestgehend als Ein-Themen-Partei wahrgenommen werden, wodurch sie
diesen Verlust an Relevanz eines Themas nicht durch ein anderes ausgleichen
können.
3.5 Der Wähler als homo oeconomicus – fehlender Nutzen der
Piratenpartei
Ein weiterer Aspekt hängt eng mit dem in Kapitel 3.1 angesprochenen
Trittbrettfahrerverhaltens zusammen. Der rational-choice-Ansatz nach Anthony
Downs liefert eine Erklärung für besonders volatiles Wahlverhalten, denn er
13
unterstellt, dass „a rational man always takes the one [option, M.M.] which
yields him the highest utility“(Downs 1985: 36). Dieser Nutzen ist häufig
versteckt und nicht direkt messbar und kann somit auch durch „events that are
only remotedly connected“ (Downs 1985: 37) erhöht werden. Es ist also
durchaus
vorstellbar,
dass
Wähler
aufgrund
einer
„taktischen
Wahlentscheidung“ (Lembcke 2013: 91) bei einem konkreten Wahltermin
einer Partei ihre Stimme geben, mit der sie sonst nichts verbindet. Bei der
nächsten Wahl wird das ökonomische Nutzenkalkül der Wahlentscheidung
(vgl. Downs 1985: 38 ff.) wieder komplett neu bestimmt. Ähnlich wie in 3.4
könnte nun also angenommen werden, dass die Piraten lediglich für eine kurze
Zeitspanne für einen größeren Teil der Wählerschaft im ökonomischpolitischen Sinne attraktiv waren.
Eine weitere Erklärung für den kurzweiligen Erfolg der Piratenpartei liefert der
rational-choice-Ansatz eventuell in Hinblick auf solche Wähler, die als
ehemalige Nichtwähler die Piratenpartei wählten (diese machten mengenmäßig
tatsächlich einen Großteil der Wählerschaft aus, vgl. Niedermayer 2013c: 65,
Tab. 1). Ein Phänomen, das der Ansatz von Downs nur schlecht zu erklären
vermag, ist die generelle Wahlteilnahme, da diese für die Individuen mit
Kosten verbunden ist, jedoch keinen direkten (monetären) Nutzen liefert (vgl.
Downs 1985: 260 ff.). Schoen folgert daraus, dass „ein rationaler Akteur nicht
an Wahlen teilnehmen [sollte]“ (Schoen 2009: 193). Wenn man sich noch
einmal das Hauptthema der Piraten vergegenwärtigt, den Streit um
Urheberrechte im Internet, könnte hier also tatsächlich ein indirekter
(monetärer) Nutzen in der Form vorgelegen haben, dass die Wähler durch eine
politisch starke Piratenpartei entweder hofften, dass die Partei selbst eine freie
Verfügung und Verbreitung von Daten - die bisher dem Urheberrecht
unterlagen oder in einer Grauzone verortet waren - durchsetzen würde, oder
zumindest andere Parteien durch ihren Wahlerfolg dazu animieren würde, sich
dieses Themas anzunehmen.
Nachdem die etablierten Parteien eben dies taten und nun auch auf der großen
politischen Bühne über das Internetrecht diskutiert wurde, sahen viele Wähler
ihr Ziel erreicht – zumindest insofern, als dass ihnen eine weitere
Wahlteilnahme oder gar politische Mitarbeit nicht den entsprechenden Nutzen
geliefert hätten.
14
4. Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Gründe für den raschen
politischen Wiederabstieg der Piraten in der Wählergunst vielfältig sind – von
personellen Problemen in der Parteiführung wie –basis, über inhaltliche
Schwächen und fehlende Führungsstrategien bis hin zu einer Wählerschaft, die
sich, sei es nun aufgrund rationaler (ökonomischer) Entscheidung oder einer
sich im Zeitverlauf verändernden Bewertung einer gesellschaftlichen Situation,
schnell wieder abgewendet hat. Dass die Piraten inzwischen wieder auf der
ersten Karrierestufe stehen, scheint derzeit unumgänglich. Ein Wiedereinzug in
die Parlamente, in denen derzeit Abgeordnete der Piraten sitzen, ist – betrachtet
man den Trend der letzten Wahlergebnisse – unwahrscheinlich.
Im Modellrahmen, den Niedermayer vorlegt, lässt sich diese Entwicklung
relativ leicht erklären – diejenigen Erfolgsbedingungen, die einst zu einem
politischen Aufstieg der Piraten und dem erklimmen der Karrierestufen
führten, haben sich (häufig zum negativen) gewandelt. Unter Zuhilfenahme der
sozialpsychologischen
sowie
rational-ökonomischen
Theorie
des
Wahlverhaltens, lässt sich fundiert aufzeigen, wo Probleme liegen. Dass diese
Analyse aufgrund des Umfangs der Arbeit sicher nicht vollständig ist, ist der
Komplexität der Sache und der Vielzahl der (möglicherweise) einwirkenden
Faktoren geschuldet.
5. Ausblick
Selbstverständlich bedeutet diese durchaus finstere Analyse der Entwicklungen
der letzten Zeit, insbesondere in Hinblick auf die Wahlergebnisse, noch lange
nicht, dass
die Piratenpartei
in
der politischen Bedeutungslosigkeit
verschwinden wird. Gelingt es der Partei, die genannten Probleme in den Griff
zu bekommen, sich auch außerhalb ihres ‚Lieblingsthemas‘ ein politisches
Profil zu geben und eine Wählerschaft zu erreichen, die sich nicht so
wechselhaft verhält, dürfte einem erneuten Aufstieg auf höhere Karrierestufen
nichts im Weg stehen.
Interessant gestalten dürfte sich also eine erneute Analyse des Werdegangs der
Piratenpartei in einigen Jahren, um dann eventuell auch in Hinblick auf die
15
Wahlsoziologie das Verhalten von Wählern gegenüber neuen Parteien
tiefergehend zu untersuchen.
Gerade vor diesem Hintergrund bietet sich eventuell auch ein Vergleich der
Piratenpartei mit der Alternative für Deutschland an, um Unterschiede in der
Art und Weise des Eintretens in den politischen Wettbewerb zu bestimmen und
eine allgemeingültige Prognose zu den Erfolgschancen von Neuparteien (in
diesem Sinne also unter Umständen eine Weiterentwicklung des Modells von
Niedermayer) im politischen System der BRD treffen zu können.
16
Literaturverzeichnis
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