Wirtschaftliche Integration abhängig von kultureller Gemeinsamkeit 1. Das Institut der Großregion (IGR) hat das Zukunftsbild 2020- erstellt von der sog. SanterKommission und veröffentlicht in 2003- in zwei Veranstaltungen in der Europäischen Akademie in Otzenhausen in einem Soll-Ist-Vergleich evaluiert. 2. Trotz aller zwischenzeitlich erfolgter Fortschritte in der Zusammenarbeit zwischen den Partnerregionen der Großregion (GR), wie wir sie heute kennen, sind die Handlungsbedarfe offensichtlich. Sie verdeutlichen die Differenz zwischen der Vision von einer gemeinsamen europäischen Region und dem bislang erreichten status quo. 3. Was macht es so schwer, zu einer höheren Integrationsform zu gelangen? Ist es die Geschichte, ist es die unterschiedliche nationale Zugehörigkeit, ist es die Sprache, ist es der kleinräumige Standortwettbewerb, oder was ist es, was Gründe und Motive liefert, warum die herausragende europäische Mittellage und die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen nicht viel stärker durch Gemeinsamkeit genutzt werden? 4. In Analogie zur oft gewählten Definition einer internationalen Gesellschaft lässt sich formulieren: eine interregionale Gesellschaft wie die GR existiert erst dann, wenn Regionen in einem interregionalem System gemeinsame Interessen und gemeinsame Werte haben, sich einem gemeinsamen System von Regeln verpflichtet wissen, sich in die Arbeit von gemeinsamen Institutionen teilen und eine gemeinsame Kultur oder Zivilisation besitzen. 5. Gemeinsame Interessen- siehe herausragende europäische Mittelage- liegen eigentlich auf der Hand. Sie zu nutzen verlangt nach gemeinsamen Handlungen, Regeln und Institutionen. Beispielsweise, auch von der Santer-Kommission gefordert, seien genannt: gemeinsames Standortmarketing, gemeinsame Tourismuspolitik, gemeinsame cluster für Automobil und Logistik. Nicht alle „Gemeinsamkeiten“ setzen staatliche oder öffentliche Institutionen voraus. Ausreichend wäre oft die politische Begleitung und Unterstützung privater Initiativen, wie sich an den privaten Initiativen für die GR-cluster autoregio und Logistik demonstrieren lässt. 6. Gemeinsame Regeln für das Miteinander innerhalb der interregionalen Gesellschaft lassen sich viel zielorientierter und leichter setzen, wenn das bisherige politische System weiterentwickelt wird. So befürwortet das IGR als zivilgesellschaftliche Einrichtung den Vorschlag von Minister Toscani, einen Generalsekretär für die GR zu installieren. Das IGR wünscht sich zudem, dass der Gipfel als Interregionaler Rat (Jacques Santer) öfters tagt, um regelmäßig über Maßnahmen zu entscheiden, die für die Integration und Weiterentwicklung der GR wünschenswert sind. Dem vorausgehen müsste eigentlich die Direktwahl der Mitglieder des Interregionalen Parlaments (IPR). All dies würde Sichtbarkeit und Identität fördern. 7. Gewünscht werden muss dies freilich von den Bürgern der GR. Eine gemeinsame Zivilgesellschaft oder Kultur existiert aber noch nicht. Insofern ist die politische Elite gefordert, dieses Henne oder EiProblem zu lösen, indem es die Führungsaufgabe wahrnimmt. Erst die genannten institutionellen Fortschritte, dann „zusammenwachsen, was zusammen gehört“. 8. Kulturelle Gemeinsamkeit, so belegen es Studien, ist meistens die Vorbedingung einer zweckmäßigen wirtschaftlichen Integration. Dann folgt die Expansion, in unserem Fall die Aktivierung des bislang brachliegenden Entwicklungspotentials, das die europäische Mittelage präsentiert. 9. Vielleicht bietet sich jetzt die Chance, anlässlich des Treffens „20 Jahre GR-Gipfel“ in der Wallonie am 20.November Fortschritte zu vereinbaren. Die Neuordnung der Regionen in Frankreich müsste überdies Anlass sein, unsere GR, unseren Kooperationsraum geographisch klarer zu definieren, um ihn kulturell, zivilgesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich funktionstüchtig zu machen. Mainz, Koblenz, Bar le Duc oder Epinal haben wenig zu tun mit Arlon, Luxemburg, Metz, Nancy, Trier Kaiserslautern und Saarbrücken. Es sei zu erinnern an die Väter der interregionalen Zusammenarbeit. Sie waren Repräsentanten von Kohle und Stahl und nannten damals ihren Kooperationsraum „Semois-Moselle-Saar“, ein Hinweis auf die kulturelle Gemeinsamkeit. 10. Und die Frankeichstrategie des Saarlands mit ihrem Pendant auf der lothringischen Seite in Moselle und Meurthe et Moselle hat neuen Schwung in die Einsicht der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen gebracht. Das lässt auf weitere Integrations- Fortschritte- auch im Bewusstsein der Bürger- hoffen. Wirtschaftliche Integration hängt von kultureller Gemeinsamkeit ab. Die Basis hierfür ist die Zivilgesellschaft. Die interregionalen Aktivitäten des IGR oder beispielsweise des Arbeitskreises Wirtschaft(AKW) mit seinen Kooperationen nach Luxemburg, Thionville, Metz und Trier als Einrichtungen der Zivilgesellschaft seien als Beispiel genannt. Das interregionale Netzwerk zivilgesellschaftlicher Akteure müsste als Voraussetzung für eine höhere Form der Zusammenarbeit wachsen und sichtbarer werden. Das freilich ist auch eine Aufgabe der Medien.