Pit Clausen Oberbürgermeister Stadt Bielefeld Verleihung des Bielefelder Friedrich Wilhelm Murnau Filmpreises Sonntag, 15. März 2015, 11.00 Uhr, Theater am Alten Markt Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: 15.03.2015 – 11.00 Uhr -2- Verehrte Madame Akerman, sehr geehrter Herr Dr. Streitbörger, sehr geehrter Herr Sterthoff, sehr geehrter Herr Kothenschulte, meine Damen und Herren! Die Gesellschaft zur Verleihung des „Bielefelder Friedrich Wilhelm Murnau Filmpreises“ vergibt heute wieder eine Auszeichnung, die das intellektuelle und künstlerische Erbe von Friedrich Wilhelm Murnau, alias Friedrich Wilhelm Plumpe, bewahrt. Murnau war einer der genialsten Regisseure der Filmgeschichte. -3- Eine der genialsten Filmemacherinnen der heutigen Zeit ist heute unser Ehrengast - Bienvenue à Bielefeld, Madame Akerman! Ob Golden Globes, Oscars oder Bären – in den vergangen Wochen und Monaten wurden etliche Filme, Macherinnen und Macher, Stars und Sternchen mit Filmpreisen ausgezeichnet. Im Großen und Ganzen verlaufen diese Veranstaltungen – trotz eines beeindruckenden Medienrummels – doch wohl eher unaufgeregt. Man munkelt, dass sogar schon weiße Doppelripp-Unterhosen für besondere Höhepunkte herhalten mussten. -4- Üblicherweise beschränken sich die Rednerinnen und Redner jedoch darauf, etwas Nettes zu sagen und die Ausgezeichneten bedanken sich natürlich artig. Beides erwarte ich eigentlich für die heutige Veranstaltung nicht. Nett und artig – das passt weder zu Friedrich Wilhelm Murnau, noch zu unserer heutigen Preisträgerin. Murnau – dieser weltbekannte Künstler, Schauspieler und expressionistische Filmregisseur wurde 1888 in Bielefeld geboren. Es hat durchaus ein wenig gedauert – aber Bielefeld ist heute sehr stolz auf ihn. Das zeigt besonders auch dieser hochkarätige Preis, der heute vergeben wird. -5- Das wird aber auch deutlich durch die 1989 in unserer Stadt gegründete Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft und ihr einmaliges Engagement für die Erhaltung, Erforschung und Verbreitung des Stummfilms, besondere der Werke Murnaus. Seit vielen Jahren trägt ein Veranstaltungssaal den Namen dieses berühmten Bielefelder Kindes, auch eine Schule ist zwischenzeitlich nach ihm benannt. Murnau und sein filmisches Werk, dem unser aller Respekt und unser Andenken gelten, leben in ihm und damit in Bielefeld weiter. Ja, darauf können wir Bielefelder wirklich stolz sein. -6- Wenn wir heute Chantal Akerman mit dem Murnau-Filmpreis auszeichnen, dann geschieht dies sicher auch im Sinne von Murnau, weil wir mit ihr auch eine eindrucksvolle Filmregisseurin ehren, deren Lebenswerk der Filmgeschichte wichtige Impulse gegeben hat. Nun müsste eigentlich der Absatz mit den vielen nichtssagenden Nettigkeiten kommen. Ich habe mir bei der Recherche redlich Mühe gegeben, aber liebe Chantal Akerman, verzeihen, Sie, etwas „Nettes“ konnte ich wirklich nicht finden. Nett – dieses Wort steht für viele Menschen doch eher für oberflächlich, bieder und langweilig. -7- Chantal Akerman selbst soll sich hingegen einmal wie folgt beschrieben haben. Ich zitiere: „Eine burleske Fiktion, eine burleske Figur, die gegen Türen rennt, Gläser umstößt, fehlerhaft Französisch spricht und sich fragt, wie sie zwischen dem Dokumentarfilm oder dem, was man Fiktion nennt, und zwischen dem Autorenfilm und dem kommerziellen Film ihren Weg finden kann, die ständig zwischen den Genres hin und her springt und doch immer wieder mit sich selbst konfrontiert ist.“. Zitat Ende. -8- Ich glaube, hier und heute würden gefällige Nettigkeiten einer Beleidigung gleichkommen. Das wäre zwar korrekt, aber Chantal Akermann ist eben nicht immer politisch korrekt. Und das gefällt durchaus, auch mir, ohne jedoch gefällig zu sein. Nun kann und mag ich, liebe Frau Akerman, über Ihr filmkünstlerisches Wirken von zwischenzeitlich 40 Kurz- und Langfilmen nicht einfach hinwegsehen. -9- Sie, hochverehrte Madame Akerman, erhalten in Bielefeld einen Preis, der höchste Qualität auszeichnet. Damit verneigen wir uns vor Ihrer Filmkunst. Durch diesen symbolischen Akt der Preisverleihung danken wir Ihnen auch für das Glück, sinnlich und intellektuell „leben“ und „erleben“ zu können, welches Sie uns durch Ihre Filme schenken. Künstlerinnen und Künstler wie Sie sind es, die in Bildern, Büchern, Theaterstücken, in Filmen eindrucksvoll zeigen, was wir sonst nicht sehen würden. Das muss nicht nett sein, das darf mal nett sein. Auf jeden Fall beeindruckt es nachhaltig. Sie spielen mit Klischees und Rollen, sind experimentierfreudig und haben nicht zuletzt damit andere Menschen in ihrem Wirken beflügelt. - 10 - Heute beflügeln Sie uns und unsere Stadt. Die Preisverleihung ziert unsere Stadt, weil heute die Scheinwerfer – mit Verlaub - nicht nur auf Sie, verehrte Frau Akerman, gerichtet sind, sondern auch auf Bielefeld. Der Preis wirbt für die intellektuelle und kulturelle Qualität Bielefelds. Lassen Sie mich das ein wenig auf „ostwestfälisch“ herunterbrechen. In Bielefeld, so sagt man, fühlen sich durchaus Querdenker, Querköpfe und manchmal auch Querulanten zuhause. Manche – wie Murnau – werden hier geboren. Andere, wie auch unsere heutige Preisträgerin, sind gern gesehene Gäste. - 11 - Der Bielefelder Friedrich Wilhelm Murnau Filmpreis wird heute an Chantal Akerman verliehen. Ich gratuliere der Jury, ich gratuliere Bielefeld, zu dieser Wahl! Es hätte keine bessere Entscheidung geben können. Eric Rohmer, Wim Wenders, Henri Alekan, Herbert Achternbusch, Jacques Rivette und Werner Herzog, Werner Schroeter und Elfi Mikesch, und Aki Kaurismäki sind die großen Namen der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger. Der Name Chantal Akermann fügt sich nahtlos in die Reihe dieser großartigen Filmer ein - und damit nicht genug: Er hebt den Frauenanteil enorm an. - 12 - Als Oberbürgermeister dieser schönen Stadt ist es mir eine besondere Ehre, Ihnen, liebe Frau Akerman, heute gratulieren zu dürfen. Ganz nett möchte ich Sie darüber hinaus bitten, sich in das Goldene Buch der Stadt Bielefeld einzutragen.