Architektur trad kor

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Architektur trad kor
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Herbst 2009
Eine neue Art der Reise für Stadtbewohner – Leben in einem traditionellen Hanok - Haus auf dem
Land Seitenaufrufe 217
nach Autor / Position Charles La Shure
nach Fotograf Ahn Hong-beom
EEs ist Frühsommer und das Konzert der Regentropfen, die von dem mit den traditionellen GiwaDachziegeln gedeckten Dach fallen, beginnt. Ich öffne die mit Papier bespannte Schiebetür und
lausche dem klaren und eleganten Klang der Tropfen, die vom Dachvorsprung in den Garten fallen.
Irgendwo draußen singt ein Kuckuck und fügt den Tönen der Wassertropfen eine einsame, aber zarte
Melodie hinzu. Aus dem Schornstein steigt weißer Rauch auf und das in der Feuerstelle brennende
Feuerholz beginnt über die traditionelle Fußbodenheizung Ondol den Boden zu wärmen. Wo bin ich?
Ich bin in einem kleinen gemütlichen Zimmer eines alten traditionellen Hauses. Es ist zwar nur ein
Tag, aber ich bin dabei, das Leben in einem alten Hanok-Haus zu erfahren.
Hanok-Häuser: Wahrer stolzer Abstammung
Die motivierende Kraft, die die alten Hanok-Häuser inmitten des rasanten Wachstums und der
Modernisierung der koreanischen Gesellschaft standhalten lässt, ist die konfuzianische Kultur. Eine
der Kardinaltugenden des Konfuzianismus ist das Prinzip der kindlichen Pietät. Selbstverständlich ist
Respekt gegenüber den Eltern eine universale Tugend, doch in Korea dauert die intergenerationale
Beziehung auch nach dem Tod der Eltern noch weiter an. Die Pflicht, die Vorfahren durch Zeremonien
zu verehren, wird jeweils vom ersten Sohn auf den ersten Sohn übertragen. Die Familie des ersten
Sohns, die die traditionelle Pflicht übernommen hat, nennt man Jongga (Stammfamilie). Viele der
Hanok-Häuser, die heute noch existieren, sind Häuser von solchen Stammfamilien.
In der Joseon-Zeit (1392-1910) besaßen die Stammfamilien viel Land, das sie verpachteten, so dass
sie sich mit den Pachteinnahmen große Anwesen leisten und ihren Ahnenverehrungspflichten
nachkommen konnten. Aber infolge der Bodenreform Mitte des 20. Jahrhunderts verloren die
Stammfamilien ihre wichtigste Einkommensquelle und fielen auseinander. Einige machten sich auf die
Suche nach einem neuen Leben und zogen in die Großstädte wie Seoul, andere blieben in ihren
Heimatorten, wo ihre Familien und Häuser jedoch den einstigen Glanz verloren.
Zurzeit setzt sich die Regierung für die Wiederbelebung dieses wertvollen Erbes ein und unterstützt
die Rückkehr der versprengten Nachkommen in ihre Heimatorte. Sie empfangen heute Gäste in ihren
Häusern, ermöglichen diesen, das Leben in einem traditionellen Hanok-Haus zu erfahren, und bieten
auch Kulturprogramme an, durch die die Besucher traditionelle Spiele, Gerichte und Lebensweisen
kennen lernen können.
Eleganter Reiz
Die Koreanische Tourismuszentrale KTO (Korea Tourism Organization) stellt auf ihrer koreanischen
Webseite Informationen über solche Hanok-Häuser bereit. 39 von landesweit 68 traditionellen
Stammfamilien-Häusern befinden sich in der Provinz Gyeongsangbuk-do. Das geht darauf zurück,
dass in dieser Region die konfuzianische Kultur immer noch sehr stark respektiert wird. Viele HanokHäuser in Gyeongsangbuk-do bieten diverse Kulturprogramme an wie traditionelles Frühstück, Lernen
der traditionellen Teezeremonie Dado, Anprobieren der traditionellen koreanischen Tracht Hanbok,
Töpfern, verschiedene traditionelle Spiele usw. In manchen Häusern wird auch die Gelegenheit
geboten, bei den Ahnenverehrungszeremonien zuzusehen, was Einblick in diverse Aspekte der
traditionellen Kultur der Stammfamilie gibt wie überlieferte Gerichte und Kleidung, Architektur u.ä.
Einige Familien nutzen auch die noch weitgehend erhaltene natürliche Umgebung der Häuser und
haben Naturerlebnisprogramme aufgestellt, die Kindern die Gelegenheit schenken, Pflanzen, Tiere
und Insekten zu beobachten, die in den Großstädten nicht zu sehen sind.
Die Zahl der Koreaner, die die Attraktivität der alten Hanok-Häuser entdeckt haben, steigt jährlich an.
Der größte Reiz, den die Stadtbewohner in einem Hanok-Aufenthalt sehen, liegt darin, der
erstickenden und komplizierten Stadt zu entfliehen und in einen Raum zurückzukehren, in der Natur
und Zeit noch ursprünglich sind. Nach einer Umfrage, die das Architecture and Urban Research
Institute im Mai 2008 landesweit unter 1.007 erwachsenen Männern und Frauen durchführte, nannten
35,5 % der Befragten als Antwort auf die Frage, warum sie in einem Hanok-Haus wohnen wollen,
„naturnahes Leben“, 27,0 % „gut für die Gesundheit“ und 23,5 % „ein Gefühl der Geborgenheit“.
Ein Besucher, der im Hanok-Haus von Lee Man-hyeon, eines Gelehrten der Joseon-Zeit, in der Stadt
Andong übernachtete, war sehr zufrieden: „Nach einem Aufenthalt mit einmaliger Übernachtung in
einem ruhigen Hanok-Haus ist mein Kopf, in dem Durcheinander geherrscht hatte, wieder ganz klar
geworden und ich fühle mich erfrischt.“
Aber es gibt auch Besucher, die aus einem anderen Grund solch traditionelle Häuser besuchen. Zwei
Frauen in den Dreißigern, die sich im Hanok-Haus von Kwon Cheol-yeon, eines Wissenschaftlers der
Joseon-Zeit, in der Stadt Chunyang, Provinz Gyeongsangbuk-do, aufhielten, hatten sich nach der
Aufgabe ihrer Stellen zu einer zehntägigen Kulturreise zu traditionellen Hanok-Häusern aufgemacht,
wobei sie hofften, etwas zu entdecken, was sie bis dahin in ihrem Alltagsleben verpasst hatten.
Manche gründen auch Clubs fürs Lernen und Erleben traditioneller koreanischer Kultur und besuchen
in ihrer Freizeit mit den Clubmitgliedern bedeutende kulturelle und historische Stätten im ganzen Land.
Die Mitglieder eines anderen Clubs hielten sich in Hanok-Häusern im Dorf Gunja, das für sein reiches
Kulturerbe bekannt ist und zur Stadt Andong gehört, auf und besuchten Veranstaltungen traditioneller
Musik und Tänze.
Doch die meisten Besucher sind Familien mit Kindern. Ein Ehepaar, das mit seinen Kindern das
Hanok-Dorf in der Stadt Jeonju, Provinz Jeollabuk-do, besuchte, sparte nicht mit Lob über das dortige
Lernerlebnisprogramm: „Man kann hier viel unternehmen. Mit geringem Kostenaufwand kann die
ganze Familie selbst Bibimbap (Reis, gemischt mit verschiedenen Gemüsen, Fleisch, Ei und
Chilipaste) und Ssuktteok (Beifuß-Reiskuchen) zubereiten lernen, und wenn man sich vorher
anmeldet, kann man auch traditionelle Etikette oder Handwerkskunst lernen. Es war eine wertvolle
Erfahrung, durch die meine Kinder die Schönheit und den Wert der Tradition, die sie bis dahin nur von
den Bildern in den Schulbüchern kannten, selbst erleben konnten.“ Auch das Paar, das mit seinem
Sohn einen Tag im Hanok-Haus des Joseon-Gelehrten Yoon Jeung in der Stadt Nonsan, Provinz
Chungcheongnam-do, verbrachte, bedankte sich für die schöne Erfahrung: „Löwenzahn, viele
Wildblumen, deren Namen wir nicht kannten, der kleine schöne Garten, den man vom Zimmer aus
sehen konnte, die geometrischen Muster der Holzgittertüren, und unser Sohn, der sich das alles
neugierig ansah... Es war eine wunderschöne Zeit, in der wir einen Schritt in Richtung auf eine schöne
Welt getan haben.“
Die Besonderheit der alten Hanok-Häuser liegt darin, dass sie nicht nur zum Anschauen sind. Sie sind
lebendige Museen und Wohnstätten, in denen die Nachfahren der einstigen Erbauer leben. Diese
Nachfahren trinken mit den Besuchern Tee und teilen auch bereitwillig mit jedem ihre Traditionen und
Erfahrungen. An einem Frühsommerabend, als das Geräusch der vom Dach fallenden Regentropfen
zu hören war, begann Herr Kwon, über sein Haus zu erzählen. Er ist der Urenkel von Kwon Cheolyeon, eines Wissenschaftlers der Joseon-Zeit, der das Haus erbaute. Deswegen wird das Haus
„Kwon-Cheol-yeon-Haus“ oder „Kwon-Jinsa-Haus“ (Jinsa: Beamtentitel der Joseon-Zeit) genannt.
Nach der Bodenreform verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Familie und Kwon zog bereits
in jungen Jahren aus Ausbildungsgründen nach Seoul. Die Tradition der Ahnenverehrung wurde zwar
weitergeführt, doch das Hanok-Haus stand 16 Jahre lang leer.
Eines Tages machte die Regierung Kwon einen besonderen Vorschlag: Wenn er bereit sei, auf den
Familienstammsitz zurückzuziehen und das Anwesen für Personen, die etwas über das Leben in
einem traditionellen Hanok-Haus erfahren möchten, zu öffnen, dann würde die Regierung die
notwendigen Renovierungsarbeiten unterstützen. Er nahm den Vorschlag an und empfängt nun schon
im dritten Jahr Gäste in seinem Haus. Im ersten Jahr gab es nur etwa 50 Besucher, doch im zweiten
Jahr schnellte die Zahl auf 200 hoch. Im laufenden dritten Jahr erwartet er noch mehr Besucher.
Kwon überlegt sich oft, warum so viele Koreaner alte Hanok-Häuser reizvoll finden. Er ist der
Meinung, dass es den Koreanern bewusst geworden ist, dass heutzutage die traditionellen Werte der
koreanischen Gesellschaft, insbesondere die konfuzianischen Werte wie kindliche Pietät, infolge der
rasanten Industrialisierung allmählich am Verschwinden begriffen sind. Er erklärt das steigende
Interesse der Koreaner an Erlebnisprogrammen in alten Hanok-Häusern wie folgt: „Plötzlich wird
einem bei der Kindererziehung die Wichtigkeit der Betonung der kindlichen Pietät bewusst. Dieser
Gedanke basiert grundlegend auf dem Geist des Konfuzianismus. Die Regierung und die Medien
streichen zurzeit immer wieder die Kultur der traditionellen Hanok-Häuser heraus und ich glaube, dies
hat dazu beigetragen, das Interesse der Koreaner zu wecken.“
Herr Lee, der Hausherr des Lee-Man-hyeon-Hauses, das auch
„Chiam-Haus“ genannt wird, vertritt eine ähnliche Meinung wie Kwon über die traditionellen
konfuzianischen Werte. Das Haus von Lee Man-hyeon befindet sich in der Stadtmitte von Andong. Da
die Stadt Andong bereits seit langem bei Reisenden, die sich für traditionelle Kultur interessieren, sehr
beliebt ist, zieht das Haus auch Jahr für Jahr zahlreiche Besucher an. Es ist zwar erst drei Jahre her,
dass die Regierung die Renovierung des Hauses unterstützte, aber im Jahresdurchschnitt besuchen
bereits 5.000 Kulturinteressierte das Haus. Lee nennt fünf Gründe für die Beliebtheit der alten HanokHäuser: das über den einfachen Tourismus hinausgehende Interesse der Reisenden für Kultur; der
Wunsch der Eltern, ihren Kindern etwas Besonderes, was sie in den Großstädten nicht lernen können,
näher bringen zu wollen; das Mehr an freier Zeit durch die Einführung der Fünftagewoche; die
Diversität der traditionellen Hanok-Häuser (keins soll dem anderen genau gleichen) und das
allgemeine Interesse der Koreaner an traditioneller Kultur wie der konfuzianischen Kultur, die dazu
beitrug, dass die alten Hanok-Häuser von Generation zu Generation bis heute aufrechterhalten
werden konnten.
Lee fügt noch hinzu, dass das derzeitige Interesse für alte Hanok-Häuser nur die Spitze des Eisbergs
sei: „Bislang interessierte man sich nur für das Äußere des Hauses, aber künftig werden die Besucher
darüber hinaus versuchen, das Leben, das dieses Haus prägt, also die Kultur, kennen zu lernen und
zu verstehen.“ Er ist davon überzeugt, dass dann die traditionellen Häuser nicht nur als Relikte
vergangener Zeiten, sondern auch als eine Form lebendiger traditioneller Kultur breite Beliebtheit bei
den Menschen von heute erlangen werden.
Durch die Vergangenheit in die Zukunft
Lee betont die Wichtigkeit der konfuzianischen Werte in der gegenwärtigen Gesellschaft. Er erklärt
dabei vor allem die Grund¬idee von „Daedong (die große Solidarität)“ und „In (Humanität)“, die auf
dem Gedanken basieren, dass alle Menschen gemeinsam glücklich leben und die Interessen der
Gemeinschaft Vorrang vor den Interessen des Einzelnen haben sollen. „Das sind Werte, ohne die es
nach Meinung der Zukunftsforscher im 21. und 22. Jahrhundert keine glückliche Welt geben kann.“ Er
zeigt auf die Holztafel an der Wand, auf der das Familienmotto „Donhu-Gapung (Aufrichtigkeit)“
eingraviert ist, und erklärt: „Aufrichtigkeit ist das Motto meiner Familie, das von Generation zu
Generation weitergegeben wird.“ Er ist stolz auf seinen Urgroßvater, der, als die armen Pächter unter
Nahrungsmittelknappheit litten, seine Vorratskammern öffnete und die Mahlzeiten der Familie auf zwei
pro Tag beschränkte.
Wie es für alle Kulturen der Fall sein dürfte, so besteht auch in Korea heutzutage der Konflikt
zwischen dem Streben nach einer neuen Zukunft und dem Bewahren überlieferter Traditionen. Die
moderne koreanische Geschichte war eine Geschichte fortgesetzten Leidens: Während der 35jährigen Kolonialherrschaft (1910-1945) versuchte Japan, die Identität der Koreaner zu zerstören und
die koreanische Kultur zu japanisieren; danach brach der Koreakrieg (1950-1953) aus, der die
koreanische Halbinsel verwüstete und nun schon über ein halbes Jahrhundert Volk und Land
ideologisch in Nord und Süd teilt. Trotz der extremen Armut nach dem Koreakrieg schaffte es
Südkorea, auf derzeit Platz 13. unter den Wirtschaftsmächten der Welt aufzusteigen. Dieses
unglaubliche Wirtschaftswachstum ist auch als „das Wunder vom Han-Fluss“ bekannt.
Aber solch drastische Entwicklungen werden auch immer von Gefahren begleitet. So besteht die
Gefahr, dass die Beziehung zur Vergangenheit verloren geht. Weil die Erinnerung an die
Vergangenheit vor allem schmerzhaft war, empfanden die Koreaner ihren Verlust nicht als negativ.
Doch es gibt gewiss Dinge aus der Vergangenheit der Koreaner, die geschützt werden können und
müssen, und die hilfreich dafür sein werden, den neuen Weg in die Zukunft zu ebnen. Diese
Erkenntnis bewegte die Regionalregierungen dazu, die Kultur der traditionellen Hanok- und
Stammfamilienhäuser zu fördern.
Selbstverständlich lassen sich nicht alle Beweggründe für den Besuch der Hanok-Häuser
philosophisch erklären. Aber die Tatsache, dass die meisten Besucher Familien mit Kindern sind, sagt
etwas über diese Gründe aus; nämlich, dass sich die Eltern der Tatsache bewusst sind, dass die
Hanok-Häuser Werte in sich bergen, die man der nächsten Generation vermitteln sollte. Vielen ist
insgeheim klar geworden, dass das Streben nach der Zukunft mit Verständnis und Respekt gegenüber
der Tradition in Einklang gebracht werden muss. Einerseits gibt es zwar viele Elemente der
Vergangenheit, die überwunden werden müssen, doch andererseits gibt es auch viele traditionelle
Werte wie die von Lee und Kwon geschätzten, menschlichen Werte, die geschützt und gepflegt
werden müssen. Die alten Hanok-Häuser der Stammfamilien sind ganz deutlich Teil solch wertvoller
Traditionen.
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