Factsheet 5 Wasser als Lösungsmittel für andere Stoffe

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Wasser aus der Sicht der Chemie
Wasser als Lösungsmittel für andere Stoffe
Factsheet
1
Einführung
Wasser ist die Substanz der Lebewesen. Grund dafür ist seine Fähigkeit, fast alle möglichen Stoffe, in
den unterschiedlichsten Mengen - von sehr wenig (Spuren) bis unbegrenzt - auflösen zu können. In
anderen Worten sind so unterschiedliche Materien wie Gase (z.B. Sauerstoff), organische Moleküle
(z.B. Proteine) oder Mineralien (z.B. Kochsalz) mehr oder weniger löslich in Wasser. Warum gibt es
Unterschiede? Wie verläuft das Auflösen einer Substanz in Wasser genau? Ist ein Stoff immer besser
löslich in warmem Wasser? Kann der pH-Wert die Löslichkeit beeinflussen? Zu diesen Fragen werden
in den folgenden Abschnitten Erklärungen gegeben.
2
Die Löslichkeit
Ein Grundprinzip der Chemie ist, dass Substanzen mit ähnlichen Eigenschaften sehr gut mischbar
sind, was mit dem englischen Ausdruck „like dissolve like“ ("Gleiches löst Gleiches")
zusammengefasst wird. Dieses Prinzip kann am einfachsten mit Flüssigkeiten illustriert werden.
Gewöhnliche Alkohol (Ethanol) und Wasser vermischen sich schnell und in allen Verhältnissen: Es
entsteht eine homogene Mischung, die man mit blossem Auge von reinem Wass er oder reinem
Alkohol nicht unterscheiden kann. Hingegen wird sich Öl (z.B. Olivenöl) auch nach kräftigem und
langem Rühren in Wasser kaum auflösen: Zunächst entsteht eine Emulsion, welche sich nach einiger
Zeit dekantiert. Es bilden sich zwei Schichten von Flüssigkeiten, wobei die Flüssigkeit mit der
niedrigeren Dichte, in diesem Fall Öl, sich oben befindet:
Abb. 5-1. Eine Emulsion aus Öl und Wasser (links), die in zwei Phasen dekantiert (rechts).
Wasser besteht aus polaren Molekülen, die hauptsächlich durch Wasserstoffbrücken
zusammengehalten werden 1. Die Regel „like dissolve like“ besagt dass polare Substanzen wie Zucker,
welche Wasserstoffbrücken bilden können, sich gut in einem Wasserstoffbrücken bildenden
Lösungsmittel wie Wasser lösen sollen. Entsprechend lösen sich unpolare Substanzen wie Öl schlecht
(oder gar nicht) in Wasser.
Es gibt also riesige Unterschiede in der maximalen Menge eines Stoffes, die in Wasser aufgelöst
werden kann. Diese Menge wird als Löslichkeit bezeichnet und meist in Gramm gelöster Substanz pro
Liter Wasser angegeben. Die Löslichkeit gibt also die maximale Menge einer Substanz an, die in
einem bestimmten Volumen und bei einer bestimmten Temperatur gelöst werden kann. Einige
ausgewählte Löslichkeitswerte sind in der Tabelle 5-1.
Siehe „3 Schmelz- und Siedepunkt von Wasser“ im E-Dossier Wasser „Die physikalischen Eigenschaften von
Wasser“
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Tabelle 5-1. Löslichkeitswerte ausgewählter Stoffe in reinem Wasser (bei 25°C)
Stoff
Löslichkeit (g pro l Wasser)
Alkohol (Ethanol)
Haushaltzucker (Saccharose)
Kochsalz
Vitamin C
Aspirin
Kalk (CaCO3)
Kohlensäure (CO 2)
Sauerstoff (O 2)
a)
unbegrenzt
2070
360
330
3
1,5
0,145a)
0,040a)
Bei einem Druck von 1 bar
Mit den Unterschieden in der Löslichkeit können viele Phänomene der Natur erklärt werden. Die
meisten Nitrate NO3- sind gut löslich. Deshalb werden sie vom Wasser, das durch die Erde sickert,
weggespült und sind selten in Mineralien zu finden. Eine trockene Küstenregion in Chile
(Atacamawüste), wo es kein Grundwasser gibt, stellt eine Ausnahme dar. Dort befindet sich grosse
Lagerstätten von unreinem Natriumnitrat NaNO3. Salpeter war ein wertvoller Rohstoff für die
Herstellung von Dünger und Sprengstoff, was dieser Küste vor allem im 19. Und 20. Jahrhundert einen
hohen Stellenwert gab. Der Salpeterkrieg wurde zwischen Chile, Peru und Bolivien in den Jahren 1879
bis 1884 geführt. Während des ersten Weltkrieges war Deutschland durch die Blockade der Alliierten
von der Zufuhr chilenischen Salpeters weitgehend abgeschnitten.
Phosphate (PO 43-) sind häufig in Mineralien enthalten, ein Hinweis auf ihre niedrige Löslichkeit in
Wasser. Tatsächlich sind die meisten phosphathaltigen Verbindungen schwer löslich, was die Existenz
von Knochengerüsten erklärt. Neben Proteinen wie Kollagen, die ihnen Elastizität gewähren, bestehen
Knochen hauptsächlich aus Calciumphosphat. Der Mensch besteht, je nach Alter, zu ca. 36% bis 75%
aus Wasser. Da Calciumphosphat fast unlöslich ist, stellt der grosse Anteil Wasser im Körper kein
Problem für unsere Knochen dar. Diese für uns geeignete niedrige Löslichkeit der Phosphate ist für
ihre Anwendung als Dünger in der Landwirtschaft ungünstig. Die Phosphatgesteine, die aus
lebendigen Organismen entstanden sind, bestehen aus zerkleinerten Resten von Knochengerüsten
prähistorischer Tiere. Durch eine einfache chemische Reaktion mit konzentrierter Schwefelsäure,
werden Phosphatgesteine in Calciumhydrogenphosphat CaHPO 4 umgewandelt. Hier als Beispiel die
chemische Gleichung für die Behandlung des Gesteines Hydroxyapatit Ca5(PO4)3OH:
2 H2SO4 (aq) + Ca5(PO4)3OH (s)
⇄
3 CaHPO4 (aq) + 2 CaSO4↓ (s) + H2O
Im Vergleich mit Phosphaten sind Hydrogenphosphate HPO 42- deutlich besser löslich. Das
Calciumsulfat CaSO 4 wird abfiltriert und das nun lösliche Calciumhydrogenphosphat, ein Bestandteil
handelsüblicher Kunstdünger, kann durch Verdunsten gewonnen werden.
Ebenso sind Carbonate CO 32- deutlich weniger löslich als Hydrogencarbonate HCO 3-. Diese
Eigenschaft erklärt die Ablagerung von Kesselstein aus hartem Wasser, wie zum Beispiel in
Heisswasserleitungen. Hartes Wasser enthält gelöste Calcium- und Magnesiumsalze. Wie ist hartes
Wasser entstanden? Regenwasser löst das Kohlendioxid CO2 aus der Luft und enthält dadurch etwas
Kohlensäure H2CO3:
⇄
CO2 (g) + H2O (I)
H2CO3 (aq)
Wenn dieses Wasser durch die Erdschichten sickert, reagiert die Kohlensäure mit dem
Calciumcarbonat CaCO3 des Kalksteins oder der Kreide und bildet das besser lösliche
Hydrogencarbonat Ca(HCO3)2. So entsteht hartes Wasser:
H2CO3 (aq) + CaCO3 (s)
⇄
Ca2+ (aq) + 2 HCO 3- (aq)
Wenn nun dieses harte Wasser erhitzt wird (wie zum Beispiel in einem Topf oder einem Heizkessel),
erfolgt die Umkehrung dieser Reaktionen:
Ca2+ (aq) + 2 HCO 3- (aq)
⇄
CaCO3↓ (s) + CO2 (g) + H2O
Das gasförmige Kohlendioxid wird ausgetrieben, und das fast unlösliche Calciumcarbonat setzt sich
als Kesselstein ab.
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2.1
Das Lösen von Festkörper und Flüssigkeiten in Wasser
Zunächst wollen wir betrachten, welche Vorgänge sich auf
molekularer Ebene beim Lösen einer Substanz in Wasser abspielen.
Teilchen üben Anziehungskräfte aufeinander aus. Wenn diese genug
gross sind, kommen hoch geordnete Strukturen zustande:
Festkörpern. Auch in Flüssigkeiten gibt es Anziehungskräfte;
deswegen bleiben zum Beispiel Wassermoleküle zusammen und
bilden einen Tropfen mit regelmässiger Form (Bild).
Das Lösen einer Substanz in eine andere hat hauptsächlich mit diesen zwischenmolekularen Kräften
zu tun.2 Wenn man einen Festkörper oder eine Flüssigkeit in Wasser gibt, ist der Ort des Geschehens
die Phasengrenzfläche zwischen dem Festkörper, oder der Flüssigkeit und dem Wasser. Falls der
Festkörper zum Beispiel aus Zuckermolekülen besteht, müssen die Anziehungskräfte (in diesem Fall
Wasserstoffbrücken3) zwischen den Zuckermolekülen untereinander aufgebrochen werden, was
Energie benötigt. Wenn ein Zuckermolekül Anziehungskräfte (wieder Wasserstoffbrücken) mit den
Wassermolekülen bildet, löst es sich von den benachbarten Zuckermolekülen ab und geht, von
Wassermolekülen umgeben, in Lösung (Abb. 5-2):
Abb. 5-2. Schematische Darstellung des Auflösens von Zucker in Wasser
Anschliessend werden die Moleküle von der Oberfläche des Festkörpers weggetragen, und die
Oberfläche ist dem erneuten Angriff der Wassermoleküle ausgesetzt. Nach einer gewissen Zeit stellen
wir fest, dass sich der Festkörper gelöst hat.
Wenn wir 20 g Zucker (Rohrzucker) zu 100 ml Wasser bei Raumtemperatur
geben, wird sich der gesamte Zucker lösen. Wenn wir jedoch 250 g zugeben,
wird sich der meiste Zucker lösen. Ein Teil wird jedoch ungelöst zurückbleiben
(Bild). Wenn das Lösungsmittel die maximale Substanzmenge gelöst hat, die
es zu lösen vermag, und ein Teil ungelöst zurückbleibt, so bezeichnet man die
Lösung als gesättigt.
Siehe „2 Zwischenmolekulare Kräfte“ im E-Dossier Wasser „Die physikalischen Eigenschaften von Wasser“
Siehe „3 Schmelz- und Siedepunkt von Wasser“ im E-Dossier Wasser „Die physikalischen Eigenschaften von
Wasser“
2
3
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Falls es sich um einen ionischen Festkörper handelt, werden die partiell positiv (+) geladenen
Wasserstoffatome der polaren Wassermoleküle die Anionen umgeben (über Wasserstoffbrücken oder
über die Anziehung zwischen der negativen Ladung der Anionen) und sie aus dem Kristallgitter
herausbrechen. Exemplarisch ist das Lösen von Kochsalz NaCl dargestellt (Abb. 5-3):
Abb. 5-3. Schematische Darstellung des Auflösens von Salz im Wasser
Die Wassermoleküle greifen auch die Kationen der Phasengrenzfläche an, indem sie die Kationen
über Wasserstoffbrücken (z.B. NH4+) oder über die Anziehung zwischen der positiven Ladung der
Kationen (Na+) und der negativen Partialladung der Sauerstoffatome (-) in den Wassermolekülen
binden.
2.2
Die Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit
Wenn wir die Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit behandeln, müssen wir zwischen der
Geschwindigkeit, mit der sich eine Substanz auflöst, und der schliesslich erreichten Konzentration
unterscheiden. Obwohl manche Substanzen sich mit der Wärme schneller lösen, kann es trotzdem
sein, dass die Konzentration der gesättigten Lösung bei erhöhter Temperatur geringer ist.
Wie sich die Löslichkeit mit der Temperatur ändert, ist von Substanz zu Substanz sehr verschieden :
Man kann unwesentlich mehr Kochsalz NaCl in kochenden Wasser lösen, als bei Raumtemperatur.
Salpeter KNO3 hingegen ist über 15mal löslicher in kochenden Wasser. Und bei gelöschtem Kalk
Ca(OH)2 kann man nur noch die Hälfte in kochendem Wasser im Vergleich zur Raumtemperatur
auflösen. Genaue Daten sind in der Tabelle 5-2 angegeben.
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Tabelle 5-2. Änderung der Löslichkeit (in 100 g Wasser) mit der Temperatur
Löslichkeit in 100 g Wasser
0 °C
100 °C
Salz
Relative Änderung
NaCl
35,7 g
39,8 g
+ 10 %
KNO3
13,3 g
247 g
+ 1700 %
Ca(OH)2
0,185 g
0,077 g
- 50 %
Wie die Löslichkeit einer Substanz einfach bestimmt werden kann, ist als Experiment beschrieben.4
Um diese grossen Unterschiede zu erklären, muss das Verhalten einer gesättigten Lösung auf dem
Teilchen-Niveau betrachtet werden. Wenn eine gesättigte Zucker-Lösung (Bild oben) mit blossem
Auge betrachtet wird, dann schliesst man, dass nichts passiert. Es verlaufen jedoch zwei Prozesse
gleichzeitig. Zuckermoleküle lösen sich ständig aus dem Festkörper und der Rückprozess findet auch
statt, d.h. gelöste Zuckermoleküle lagern sich wieder im Kristallgitter ein. Wenn der Hin- und
Rückprozess mit gleicher Geschwindigkeit verlaufen, befindet sich das System in einem dynamische n
Gleichgewicht ein Phänomen das wir schon bei der Autoprotolyse 5 erklärt haben:
ungelöste Substanz (s)
⇄
gelöste Substanz (aq)
Wird Salpeter KNO3 in Wasser gelöst, dann spürt man deutlich, dass die Lösung k älter wird; es
handelt sich um einen endothermen Prozess. Folglich muss der Rückprozess exotherm sein:
endotherm
KNO3 (s)
⇄
KNO3 (aq)
exotherm
Wird Natronlauge NaOH in Wasser gelöst, dann spürt man deutlich, dass die Lösung wärmer wird; es
handelt sich hier um einen exothermen Prozess. Folglich muss der Rückprozess endotherm sein:
exotherm
NaOH (s)
⇄
NaOH (aq)
endotherm
Nun können wir die Wirkung der Temperatur auf die Löslichkeit erklären. Erwärmen wir eine Mischung,
fügen wir Wärme hinzu und begünstigen somit Prozesse, die Wärme benötigen (d.h. endotherme
Prozesse). Für Salpeter ist das Auflösen des Salzes endotherm: Eine Erhöhung der Temperatur
begünstigt in diesem Fall das Auflösen und die Löslichkeit wird folglich grösser bei erhöhte r
Temperatur. Für NaOH ist die Kristallisation des Salzes endotherm: die Löslichkeit wird folglich kleiner
bei erhöhten Temperatur.
Zusammenfassend: Eine Substanz, die sich endotherm löst, ist mit der Wärme besser löslich.
Dementsprechend ist eine Substanz, die sich exotherm löst, mit steigender Temperatur schlechter
löslich.
Wir haben auch gesehen, dass während des Auflösens die Anziehungskräfte zwischen den Teilchen
im Festkörper untereinander aufgebrochen werden müssen, was Energie (Gitterenthalpie) benötigt.
Gitterenthalpien sind immer positiv. Wenn die Teilchen Anziehungskräfte mit den Wassermolekülen
bilden, wird Energiefreigesetzt (Hydratationsenthalpie). Hydratationsenthalpien sind immer negativ. Ob
nun das Auflösen einer festen Substanz (Lösungsenthalpie) im Ganzen endotherm oder exotherm
verläuft, hängt von der Bilanz der zwei ersten Enthalpien ab:
Lösungsenthalpie = Gitterenthalpie + Hydratationsenthalpie
Für Lithiumchlorid LiCl zum Beispiel lautet die Gitterenthalpie +861 kJ/mol und die
Hydratationsenthalpie -898 kJ/mol. Die Lösungsenthalpie errechnet sich aus der Summe und beträgt 37 kJ/mol (+861-898). Sie ist negativ, was erklärt warum LiCl sich im Wasser exotherm auflöst.
4
5
Siehe Experimente zum „Wasser als Lösungsmittel für andere Stoffe“ im E-Dossier Wasser
Siehe „2 Die spontane Dissoziation von Wasser (Autoprotolyse)“ im E-Dossier Wasser „Die pH-Skala“
E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie
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Für Kochsalz NaCl lautet die Lösungsenthalpie nur +3 kJ/mol (+787-784). Sie ist positiv aber winzig,
was erklärt warum NaCl sich im Wasser fast isotherm auflöst und dass man in kochendem Wasser nur
10% zusätzliches Kochsalz als bei Raumtemperatur auflösen kann.
Im
gasförmigen
Zustand
üben
Teilchen keine Anziehungskräfte aufeinander aus. Die
Lösungsenthalpie eines Gases ist also nur von seiner
Hydratationsenthalpie bestimmt. Das diese immer negativ
sind, besitzen alle Gase eine negative Lösungsenthalpie.
Aus diesem Grund lösen sich Gase immer exotherm und
sind folglich schlechter löslich in warmem als in kaltem
Wasser. Die Abnahme der Löslichkeit von Gasen beim
Erwärmen führt zu den kleinen Luftblasen, die man
beobachtet, wenn man kühles Leitungswasser in einem
warmen Raum stehen lässt (Bild): Das sich abscheidende
Gas ist Luft, die in dem vorher kühleren Wasser gelöst war.
Ein grosses Problem stellt die thermische Umweltbelastung dar, die Umweltschädigung , welche durch
die Abwärme von Industrieanlagen hervorgerufen wird. Ein Beispiel ist die verringerte
Sauerstoffkonzentration in Flüssen, die durch das erwärmte Kühlwasser aus Kraftwerken
hervorgerufen wird. Das Problem verschlimmert sich durch die geringer e Dichte von warmem Wasser,
das deshalb nach oben steigt. Es verhindert dann die Sauerstoffaufnahme in die kühleren, tieferen
Wasserschichten. Als Folge davon kann das Leben in den Flüssen (davon sind vor allem die Fische
betroffen) absterben.
Dass Substanzen sich entweder exotherm oder endotherm auflösen findet Anwendung im Alltag. Hier
drei Beispiele:
Taschenwärmer:
Sie
bestehen
aus
einer
Kunststofftasche, die eine „unterkühlte“ Lösung von
Natriumacetat Trihydrat NaCH3COO ∙ 3 H2O und ein
Metallplättchen enthält (Bild). Der Begriff „unterkühlte
Lösung“
bedeutet,
dass
sie
unter
die
Schmelztemperatur abgekühlt werden kann, ohne
dass sie wieder fest wird. Diese Lösung wird auch als
„übersättigte“ Lösung bezeichnet, weil die Lösung
eigentlich mehr Substanz enthält, als was sie in
diesen Bedingungen enthalten kann. Dieser Zustand
ist nicht stabil und sollte nicht so bleiben. Es findet
jedoch keine Kristallisation statt, weil diese eine
Aktivierung
benötigt.
Beim
Knicken
des
Metallplättchens liefert man diese Aktivierung: es löst
das Erstarren aus. Da das Auflösen von
Natriumacetat stark endotherm verläuft, ist der
Rückprozess (Kristallisation) stark exotherm und die
Plastiktasche erwärmt sich. Nach Verbrauch kann
man die Tasche in kochendes Wasser geben, um
erneut eine übersättigte Lösung von Natriumacetat zu
erhalten. Taschenwärmer Handler geben an, dass die Taschen mehrere hundert male benutzt werden
können.
Wie ein Taschenwärmer einfach hergestellt werden kann, ist als Experiment beschrieben. 6
6
Siehe Experimente zum „Wasser als Lösungsmittel für andere Stoffe“ im E-Dossier Wasser
E-Dossier Wasser: Wasser aus der Sicht der Chemie
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Selbsterhitzende
Getränke:
Es
handelt
sich um besondere Becher mit
abgetrennten Kammern. In einer
Kammer sind Wasser und meist festes
Calciumoxid CaO enthalten (Bild).
Beide Stoffe sind vor dem Gebrauch
dank einer kleinen Membran getrennt.
Drückt man auf den Boden (Piston),
wird die Membran zerstört und das
Calciumoxid löst sich stark exotherm
im Wasser, was den Kaffee in der
benachbarten
Kammer
erwärmt.
Solche Kaffeebecher findet man häufig
in Tankstellen-Shops.
Kältepackung: Sie ermöglichen eine sofortige Kältetherapie (sofortige
Linderung von Schmerzen und Minderung von Schwellungen nach
Verletzungen). Eine Kältepackung besteht aus einer soliden äusseren
Kunststofftasche, die Ammoniumnitrat NH 4NO3 enthält, sowie einer
weniger stabilen inneren Tasche, welche Wasser enthält. Durch
Zusammendrücken platzt die innere Tasche und das Wasser kann sich
mit dem Ammoniumnitrat mischen. Das Auflösen verläuft stark endotherm
und die Tasche kühlt sich für etwa eine halbe Stunde bis auf 0 °C ab.
Wegen möglicher Gefahren wird heute Ammoniumnitrat NH 4NO3 durch
Harnstoff ersetzt.
Wie eine Kältepackung einfach hergestellt werden kann,
Experiment beschrieben. 7
2.3
ist als
Die Abhängigkeit der Löslichkeit von den Lösungsmitteleigenschaften
Wir haben gesehen, dass unpolare Substanzen wie Öl sich kaum in Wasser lösen. Kann diese
Tatsache geändert und können somit zum Beispiel beim Waschen auch Ölflecken aus der Kleidung
entfernt werden? Die Antwort ist allgemein bekannt: Mit Hilfe eines Waschmittels! Wie kann es die
Lösungsmitteleigenschaften so modifizieren, dass nun Öl in Wasser löslich geworden ist? Wir wissen
alle auch, dass Kesselsteine mit Essig aufgelöst werden können. Was ist anders in Essig als in reinem
Wasser, dass Kalk sich auflöst? Diese Fragen werden in diesem Abschnitt beantwortet.
2.3.1 Die Wirkung von Waschmitteln
Die Seifen, die ersten Waschmittel, sind seit einigen Tausend Jahren bekannt. Chemisch gesehen
sind Seifen die Natrium- oder Kaliumsalze organischer Fettsäuren, d.h. Säuren mit einer langen
Kohlenwasserstoffkette. Natriumstearat (Abb. 5-5), das Natriumsalz der Stearinsäure (eine langkettige
organische Säure aus 18 Kohlenstoffatomen), ist ein typisches Beispiel einer Seife. Eine Seife ist ein
amphipatisches Molekül (auch amphiphiles Molekül). Solche Moleküle verfügen über einen
hydrophilen (= wasserliebend oder wasseranziehend) und einen hydrophoben (= wasserabstossend
oder lipophil) Anteil. Im Fall des Stearats ist die negativ geladene Carboxylatgruppe COO- der
hydrophile Teil und wird als Kopf bezeichnet. Seine lange, unpolare und folglich hydrophobe
Kohlenwasserstoffkette wird als Schwanz bezeichnet.
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Siehe Experimente zum „Wasser als Lösungsmittel für andere Stoffe“ im E-Dossier Wasser
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CH2
H3C
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
COOH
Stearinsäure
CH2
H3C
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CO2
Na
Natriumstearat
Schwanz
Kopf
hydrophob
hydrophil
Abb. 5-5. Lewis-Struktur einer Fettsäure (Stearinsäure) und einer Seife (Natriumstearat) mit ihrer schematischen
Darstellung
Wie wirkt nun eine Seife, damit Ölflecken beim Waschen verschwinden? Die KohlenwasserstoffSchwänze lösen sich im Fetttropfen ("Gleiches löst Gleiches") während die hydrophilen Köpfe auf der
Oberfläche des Fetttropfens verbleiben und ihn dadurch mit einer Schicht polarer, W asserstoffbrücken
bildender Gruppen überziehen (Abb. 5-6). Durch diese Anordnung wird es dem gesamten Komplex
möglich, sich in Wasser zu lösen, und das Fett kann ausgespült werden.
Wasser
Seife
Öl
Abb. 5-6. Lösen von Fett (Öl) in Wasser mit Hilfe einer Seife
Die aktuellen Waschmittel (Detergenzien) sind Mischungen verschiedener Stoffe. Die wichtigsten sind
die künstlichen oberflächenaktiven (= amphipatischen) Stoffe wie Natrium-4-dodecylbenzolsulfonat
(Abb. 5-7), die den Platz der Seifenmoleküle eingenommen haben.
CH2
H3C
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
SO3
Na
CH2
Natrium-4-dodecylbenzolsulfonat
Schwanz
Kopf
Abb. 5-7. Struktur und schematische Darstellung eines aktuellen oberflächenaktiven Stoffes (Natrium-4dodecylbenzolsulfonat)
Wie das Stearat-Ion besitzt das Molekül einen hydrophilen Kopf und einen hydrophoben Schwanz;
daher verhalten sich diese Moleküle auch ähnlich.
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Detergenzien enthalten auch:
 Polyphosphate, um Calcium-Ionen zu maskieren (weil diese die Wirkung von Detergenzien
vermindern)
 Weissmacher (= optische Aufheller), die durch Fluoreszenz den Weissgrad und somit den
Eindruck grösserer Reinheit steigern.
2.3.2 Der Einfluss des pH-Wertes
Die Löslichkeit vieler Substanzen ist vom pH-Wert8 der wässrigen Lösung nicht beeinflusst. Zu dieser
Gruppe gehören z.B. Kochsalz, Salpeter, Aceton oder Sauerstoff.
Sobald eine Substanz oder ein Teil einer Substanz entweder mit Hydroxid-Anionen OH- oder mit
Hydronium-Kationen H3O+ reagieren kann, dann hängt ihre Löslichkeit vom pH-Wert ab. Dieser
zweiten Gruppe gehören z.B. Vitamin C, Aspirin, Kalk oder Kohlendioxid an.
Vitamin C (Ascorbinsäure) oder Aspirin (Acetylsalicylsäure) sind organische schwache Säuren
(RCOOH). Sie dissoziieren also nur teilweise im Wasser:
RCOOH + H2O
⇄
RCOO- + H3O+
Eine hohe H3O+-Konzentration (niedriger pH-Wert, saures Milieu) begünstigt diese Reaktion von rechts
nach links und somit die Bildung von RCOOH. Eine kleine H3O+-Konzentration (hoher pH-Wert,
basisches Milieu) hingegen begünstigt diese Reaktion von links nach rechts und somit die Bildung von
RCOO--Ionen. In diesem Fall wird folglich die Konzentration von RCOOH abnehmen. Aspirin zum
Beispiel ist schwer löslich und ein Grossteil schwimmt trotz kräftigem Rühren auf dem Wasser. Macht
man die Flüssigkeit genügend basisch (z.B. mit Backpulver), wird sich Aspirin vollständig auflösen.
Anders gesagt nimmt die Löslichkeit der Säure mit dem pH-Wert der Lösung zu.
Kalk besteht aus Ca 2+- und CO32--Ionen und ist in neutralem Wasser schwer löslich:
CaCO3 (s)
⇄
Ca2+ (aq) + CO32- (aq)
Carbonat-Ionen CO32- verhalten sich schwach basisch im Wasser, sie dissoziieren nur teilweise:
CO32- + H2O
⇄
HCO3- + OH-
Bei einem niedrigen pH-Wert (saures Milieu) werden OH--Ionen von den H3O+-Ionen vollständig
neutralisiert, was das Dissoziieren von CO 32--Ionen in HCO3--Ionen begünstigt. In diesem Fall wird
folglich die Konzentration von CO 32- abnehmen. Falls die Lösung gesättigt war, kann sie nun wieder
etwas festes CaCO3 auflösen. Anders gesagt nimmt die Löslichkeit von Kalk zu, wenn der pH-Wert
abnimmt. Dies erklärt, warum wir mit Essig oder Zitronensaft (beide sind Säuren) Kesselsteine
auflösen und somit eliminieren können:
H3O+ (aq) + CaCO3 (s)
⇄
Ca2+ (aq) + HCO3- (aq) + H2O
Interessant ist, dass die Hydrogencarbonate HCO 3- selber mit H3O+-Ionen weiter reagieren können. Es
entsteht Kohlensäure, die sich gleich in Wasser und Kohlendioxid CO 2 zersetzt:
⇄
H3O+ (aq) + HCO3- (aq)
H2CO3 (aq)
⇄
H2CO3 (aq) + H2O
CO2 (g) + H2O
Die Entweichung des gasförmigen Kohlendioxids – die durch das Schäumen des Kalkes bei der
Behandlung mit Essig beobachtet wird – begünstigt auch das Auflösen der Kesselsteine.
Auch die Löslichkeit von Gasen kann vom pH-Wert beeinflusst werden. Dabei können zwei Fälle
unterscheiden werden:
1) das Gas selber ist eine Säure (wie Fluorwasserstoff HF, Chlorwasserstoff HCl, usw.) oder eine
Base (wie Ammoniak NH3)
2) das Gas bildet eine Verbindung mit Wasser, die eine Säure oder eine Base ist , z.B.
Kohlendioxid:
CO2 (g) + H2O (I)
8
⇄
H2CO3 (aq)
Siehe „3 Sauer oder basisch?“ im E-Dossier Wasser „Die pH-Skala“
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Der Einfluss des pH-Wertes auf die Löslichkeit von Säuren (Aspirin oder Vitamin C) oder von Basen
(Carbonat CO 32-), wurde schon erklärt (Siehe oben) und gilt auch für die gasförmigen Substanzen:
Mit zunehmendem pH-Wert der Lösung nimmt die Löslichkeit einer Säure zu, jene einer Base ab.
Der Einfluss des pH-Wertes auf die Löslichkeit bestimmter Gase hat Folgen. Die zu hohe
Konzentration von CO 2 in der Luft stellt heute als Treibhauseffekt ein bekanntes Umweltproblem dar.
Weniger bekannt ist deren Wirkung auf die Ozeane und Meere. Der basische pH-Wert der Ozeane (>
8) begünstigt das Auflösen von saurem CO2, was eine langsame Abnahme des pH-Wertes der
Ozeane hervorruft (als Versauerung der Ozeane bezeichnet): Es wird angenommen, dass der pH-Wert
in den letzten 250 Jahren von etwa 8.25 zu 8.14 abgenommen hat. Dieser Wert könnte winzig
scheinen, weil die pH-Skala logarithmisch ist. Es bedeutet aber, dass die Konzentrationen der
Hydronium-Ionen H3O+ fast 30% grösser geworden ist, was schon negative Wirkungen auf die
Lebewesen gezeigt hat. Zum Beispiel die Fähigkeit der kalkskelettbildenden Lebewesen z.B.
Steinkorallen, sich Schutzhüllen bzw. Innenskelette zu bilden, lässt bei sinkendem pH-Wert nach.
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