Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen

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Sauerstoff und Stickstoff
in organischen Molekülen
1
Alkanole: organische Verwandte des Wassers
1.1 Homologe Reihe und Nomenklatur: die Hydroxylgruppe
Alkanole („Alkohole“) sind Hydroxyderivate der Alkane. Ihre Namen
werden aus dem Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffs durch
Anhängen der Silbe „-ol“ gebildet.
Funktionelle Gruppe der Alkanole ist die Hydroxylgruppe (OH-Gruppe).
Diese polare Atomgruppierung bestimmt Eigenschaften und Reaktionsverhalten der Alkanole entscheidend.
Alkanole bilden eine homologe Reihe. Die ersten Glieder dieser Reihe
mit der allgemeinen Summenformel CnH2n + 1OH heißen:
Alkanol
Trivialname
Halbstrukturformel
Siedetemperatur in °C
Methanol
Ethanol
Propan-1-ol
Butan-1-ol
Methylalkohol
Ethylalkohol
Propylalkohol
Butylalkohol
CH3 – OH
CH3 – CH2 – OH
CH3 – CH2 – CH2 – OH
CH3 – CH2 – CH2 – CH2 – OH
+ 65 °C
+ 78 °C
+ 97 °C
+118 °C
1.2 Isomerie und Klassifizierung: Stellung und Wertigkeit
Ab dem Alkanol Propanol kann die Hydroxylgruppe endständig oder
mittelständig sein. Es tritt das Phänomen der Isomerie auf. Nach der
Stellung ihrer funktionellen Gruppe unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Alkanole:
R2
H
R1
C
OH
H
primärer Alkanol
R1
C
R2
OH
H
sekundärer Alkanol
R1
C
OH
R3
tertiärer Alkanol
22  Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen
Bei primären Alkanolen ist die OH-Gruppe endständig. Das Kohlenstoffatom, das die Hydroxylgruppe trägt, ist an ein weiteres Kohlenstoffatom
gebunden. Kennzeichnende Atomgruppe ist die CH2 – OH-Gruppe.
Bei sekundären Alkanolen ist das die Hydroxylgruppe tragende Kohlenstoffatom an zwei weitere Kohlenstoffatome gebunden; sie besitzen
daher eine CH – OH-Gruppe.
Bei tertiären Alkanolen ist das die Hydroxylgruppe tragende Kohlenstoffatom mit drei weiteren Kohlenstoffatomen verknüpft. Vertreter
dieser Klasse besitzen eine C – OH-Gruppe im Molekül.
Neben der Klassifizierung der Alkanole nach der Stellung ihrer charakteristischen Gruppe ist eine Einteilung nach der Anzahl der Hydroxylgruppen im Molekül üblich:
H3C
CH2
CH2
OH
einwertiger Alkanol: Propan-1-ol
H3C
CH
CH2
OH
zweiwertiger Alkanol:
Propan-1,2-diol
OH
HO
CH2
CH
CH2
dreiwertiger Alkanol:
Propan-1,2,3-triol
OH
OH
1.3 Molekülbau der Alkanole: Dipolcharakter
Alkanole können als Hydroxyderivate der Alkane oder als Alkylderivate des Wassers aufgefasst werden. Da die freien Elektronenpaare des Sauerstoffatoms mehr Platz benötigen als seine bindenden,
ist der Tetraederwinkel auf 107° gestaucht. Der Unterschied der Elektronegativitäten von Kohlenstoff (EN: 2,5) und Sauerstoff (EN: 3,5)
erklärt die Polarität der Bindung und die Tatsache, dass Wasser- und
Alkanolmoleküle permanente Dipole sind:
H
δ+
H
H
δ–
O
H
δ+
H
δ–
O
C
C
H
H
H
δ+
gewinkelter Bau und Dipolnatur des Wasser- und Ethanolmoleküls
Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen  23
1.4 Einwertige Alkanole: Prototyp Ethanol
Methanol
Das erste Glied der homologen Reihe der einwertigen Alkanole ist
Methanol. Die Aufnahme von Methanol verursacht Gehirnschäden
und führt zur Erblindung. Die tödliche Dosis für einen Erwachsenen
wird mit 30 bis 50 mL angegeben.
Experimentell lassen sich Methanol und Ethanol durch die Boraxprobe
unterscheiden. Wenige Milliliter des zu testenden Alkohols werden mit
einer Spatelspitze Borax (Dinatriumtetraborat, Na2B4O7) in einem Porzellanschälchen entzündet. Bei Methanol zeigt sich eine typische grüne
Flammenfärbung, bedingt durch den leichtflüchtigen, brennbaren Borsäuretrimethylester, der unter diesen Bedingungen entsteht.
Methanol wird großtechnisch aus „Synthesegas“ hergestellt, einem Gasgemisch aus Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff:
CO (g) + 2 H2 (g)
400 °C/200 bar
Katalysator
H3C
OH (g)
Ethanol
Der bedeutendste Alkanol ist Ethanol. Alkoholische Getränke enthalten Ethanol in unterschiedlicher Konzentration. Ethanol ist ein starkes
Gift, verursacht Rauschzustände und führt als Droge in die Abhängigkeit (Alkoholismus).
Ethanol kann biotechnisch von Hefepilzen durch alkoholische Gärung
aus traubenzuckerhaltigen Lösungen wie Fruchtsäften unter Sauerstoffausschluss (anaerob) hergestellt werden:
C6H12O6 (aq)
Enzyme der Hefepilze
2 CH3CH2OH (aq) + 2 CO2 (g)
Für industrielle Zwecke wird Ethanol durch Addition von Wasser an
Ethen großtechnisch synthetisiert. Die Reaktion wird durch Schwefelsäure katalysiert:
H2C
CH2 + H2O
Schwefelsäure
H3C
CH2
OH
Propanole
Nach der Stellung der Hydroxylgruppe im Molekül lassen sich zwei isomere Propanole unterscheiden: Propan-1-ol (Propylalkohol) ist ein primärer Alkanol mit einer Siedetemperatur von 97 °C. Propan-2-ol (Isopropylalkohol) mit einer Siedetemperatur von 82 °C ist der einfachste
sekundäre Alkanol.
24  Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
OH
H
Propan-1-ol
H
H
H
C
C
C
H
OH
H
H
Propan-2-ol
Die homologe Reihe der einwertigen Alkanole lässt sich mit Butan-1-ol
(Butylalkohol, CH3 – CH2 – CH2 – CH2 – OH, Siedetemperatur 117 °C) und
Pentan-1-ol (Amylalkohol, CH3 – CH2 – CH2 – CH2 – CH2 – OH, Siedetemperatur 138 °C) fortsetzen.
Feste Alkohole mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen, wie Dodecanol
(Laurylalkohol, CH3 – (CH2)10 – CH2 – OH, Schmelztemperatur 24 °C) und
Octadecanol (Stearylalkohol, CH3 – (CH2)16 – CH2 – OH, Schmelztemperatur 59 °C) sind wichtige Ausgangsstoffe für die Synthese künstlicher
Tenside (waschaktiver Substanzen).
Butanole
Unter den vier isomeren Butanolen (C4H9OH) finden sich zwei primäre Alkanole:
H
H
H
H
H
C
C
C
C
H
H
H
H
OH
H
Butan-1-ol
H
H
H
C
C
C
H
CH3
H
OH
2-Methyl-propan-1-ol
1.5 Sekundäre und tertiäre Alkanole
Unter den isomeren Butanolen gibt es einen Vertreter der sekundären
Alkanole und den einfachsten Repräsentanten der tertiären Alkanole:
H
H
H
H
H
C
C
C
C
H
H
OH
H
Butan-2-ol
(2° Alkanol)
CH3
H
H3C
C
CH3
OH
2-Methyl-propan-2-ol
(3° Alkanol)
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