Fastenpredigt Adrian Kutter am Sonntag, 15.März 2015, um 19.00 Uhr im „Käppele“ in Schemmerhofen Ist es Zufall, ist es vorbestimmtes Schicksal oder ist es Gottes Fügung, dass ich, dass wir in die christliche Glaubensgemeinschaft geboren wurden? Was, wenn ich in Japan in die Religion des Buddhismus oder des Shinto geboren worden wäre? Was, wenn ich in eine jüdische Familie geboren worden wäre? Was, wenn ich in Afrika, in Palästina, in Syrien oder im Irak geboren worden wäre und meine Eltern Allah und dem Propheten Mohammed huldigen würden? Dürfte ich als Christ so vermessen oder vielleicht so ungerecht sein, Gott zu danken, dass er mir das Schicksal erspart hat, in eine andere Religion hineingeboren worden zu sein? Wir Christen glauben an Gott und wir Katholiken bekennen uns in unserem Glaubensbekenntnis zur Religionsgemeinschaft der Katholischen Kirche. Die christliche Glaubenslehre vermittelt uns aber ganz eindeutig und eindringlich auch, den Nächsten zu lieben und zu achten und damit auch die Menschen zu respektieren, die einer anderen Religionsgemeinschaft angehören. Dies verlangt aber von uns auch letztlich, deren Glauben zu achten. Seit es Religionen gibt, versucht der Mensch auch zu missionieren, das heißt, die Verheißungen seines Glaubens anderen Menschen zu vermitteln – vorsichtig formuliert! Entsetzlich ist es aber, wenn dies unter Zwang, unter Gewalt und mit Kriegen geschieht. Wenn zum „Heiligen Krieg“ und zur Tötung der „Ungläubigen“ aufgerufen wird, wenn im Namen des Kreuzes zu Kreuzzügen nach Palästina aufgerufen wird, wenn spanische Eroberer im Zeichen des Christentums ganze Kulturen auf einem Kontinent vernichten und wenn im Dreißigjährigen Krieg Christen gegeneinander halb Europa ausrotten – wo bleibt da der Respekt vor einem anderen Glauben und wie wird dabei der Kern, der Sinn des eigenen Glaubens noch befolgt? - 2Warum all diese Gedanken – eigentlich ist es Christenpflicht, sich in einem verantwortlichen Leben - und wir alle haben eine große Verantwortung für das Leben, das uns geschenkt wurde - sich mit diesen Gedanken auseinander zu setzen. Warum ich? Es war und es wird für mich immer wichtig bleiben, mich mit diesen Gedanken auseinander zu setzen. Dies hat auch viel mit der Geschichte meiner Eltern und in der Folge auch mit mir selbst und meinem christlichen Leben zu tun. Durch die Taufe wird ein Mensch zum Mitglied der christlichen Gemeinschaft. Die erste Taufe, die im Neuen Testament erwähnt wird, ist die Taufe durch Johannes. Er erhielt deshalb den Beinahmen der Täufer. Johannes vollzog die Taufe im Wasser des Jordan, sie war mit einem Sündenbekenntnis und mit der Umkehr (der Buße) verbunden, alles zusammen zur Vergebung der Sünden. Jesus ließ sich nach den übereinstimmenden Berichten der vier Evangelisten von Johannes taufen. Im Markus- Evangelium steht unter Kapitel 1, Johannes der Täufer, 4 und 5: „so trat Johannes als Täufer in der Wüste auf und verkündete eine Taufe der Bekehrung zur Vergebung der Sünden. Das ganze Land Judäa zog hinaus zu ihm und die von Jerusalem alle und ließen sich im Jordanfluß von ihm taufen und bekannten ihre Sünden.“ Und weiter unter „Taufe und Versuchung Jesu“, 9 bis 11: Und es begab sich in jenen Tagen, daß Jesus von Nazareth in Galiläa kam und sich im Jordan von Johannes taufen ließ. Als er gerade aus dem Wasser heraufstieg, sah er den Himmel sich öffnen und den Geist wie eine Taube auf sich herabkommen (und bleiben). Und eine Stimme kam vom Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“. Nun könnte man der Überzeugung sein, dass die im Evangelium beschriebenen Erwachsenen Taufen wie auch eine Kindertaufe mit dem stellvertretenden Bekenntnis durch die Eltern immer das Eintrittstor zur christlichen Gemeinschaft seien. Über 2000 Jahre Christentum und Kirchengeschichte beweisen aber auch, dass Taufe nicht immer gleich Taufe ist. - 3- Mein Vater war streng gläubiger Katholik, meine Mutter überzeugte Protestantin. Eine Konversion kam aus hohem gegenseitigem Respekt nicht in Frage und somit war eine kirchliche Trauung bei der Eheschließung im Jahre 1933 ausgeschlossen. Ich wurde im Februar 1943 geboren. Bei den damals täglichen alliierten Bombenangriffen auf München, wo meine Familie lebte, bekam ich im Luftschutzbunker meine Taufe durch einen dort anwesenden Pastor. Ende 1943 brannte unser Münchner Haus bei einem Luftangriff ab und meine Mutter erhielt zusammen mit den beiden Kindern ( mein älterer Bruder und ich ) Zuflucht bei ihrem Vater in Biberach. Ihr Ehemann, mein Vater, konnte erst bei Kriegsende 1945 seine Familie in Biberach wieder in die Arme schließen. 1950 wurde ich eingeschult in der Katholischen Grundschule in Biberach ( heute Braithschule ) in der Schulstraße. 1952 kam ich zusammen mit meinen Mitschülern zum Kommunionunterricht. Beim letzten vorbereitenden Gespräch vor dem Fest der 1.Kommunion musste ich dem damaligen Stadtpfarrer mein Taufzeugnis vorlegen. Nach einem Blick von ihm auf die Urkunde erkannte er, dass es eine Taufe durch einen Pastor einer evangelischen Kirchengemeinde in München war. Seine nun folgenden Worte sind noch heute in meinem Kopf eingebrannt: „Das ist keine gültige Taufe und du bist so lange noch ein Heide, bis du dich katholisch taufen lässt.“ Meine Mutter konfrontierte ich anschließend mit der Frage, ob sie auch eine Heidin sei. Aus Verehrung und Liebe zu meiner Mutter weigerte ich mich, mich ein weiteres Mal taufen zu lassen und damit kam es auch nicht zu meiner ersten Heiligen Kommunion. Die Konsequenz meiner sturen Haltung für mein weiteres kirchliches oder christliches Leben war mir durchaus bewusst, wie auch meine bohrende Frage, warum ist Taufe nicht gleich Taufe. Immerhin, im Markus- Evangelium stellte sich diese Frage noch nicht… - 4Aber das Schicksal, oder doch Gottes Fügung, sollte mit mir anders umgehen. Mein Vater war von Beruf Kameramann, Autor und Filmregisseur. Als glühender Gegner, der, wie er sie nannte „gottlosen Nazimörder“, musste er durch die Nationalsozialisten zweitweise Berufsverbot und dann eine sehr eingeschränkte Filmarbeit bis Kriegsende hinnehmen. Als einer der wenigen vom Regime vollkommen „unbelasteten“ Filmschaffenden, bekam er als einer der ersten Filmregisseure bereits 1948, drei Jahre nach Kriegsende, von den Alliierten Besatzungsmächten wieder eine Drehgenehmigung. 1949 erhielten die Münchner Bavaria Filmstudios in Geiselgasteig, bei denen mein Vater von 1931 bis 1945 schon tätig war, die Anfrage nach einem Autor und Regisseur für ein Filmprojekt. Und er bekam sofort den Zuschlag. Es sollte ein historischer Spielfilm über die Geschichte des Wallfahrtortes Altötting mit der wundertätigen schwarzen Muttergottes im Mittelpunkt des Geschehens werden. 1950 war die Uraufführung des Films in Altötting. Gegenüber der Wallfahrtskapelle wurde von der Gemeinde eigens ein Kino gebaut, in welchem nur dieser Film gezeigt und noch heute gezeigt wird. Ein Besuch des Films für die Pilger wurde zum Pflichtprogramm. Mit geschätzten weit über 50 Millionen Besuchern bis heute ist dieser Film in der deutschen Filmund Kinogeschichte der mit weitem Abstand erfolgreichste Film. Der Auftraggeber für die Produktion dieses Films, der Leiter des Altöttinger Marienwerkes, Monsignore Ludwig Uttlinger – später auch päpstlicher Prälat – wurde während den Filmarbeiten und dem Bau des Kinos, bei dem mein Vater auch überaus hilfreich war, zu dessem großen Freund. Eingebunden in diese Freundschaft waren auch meine Mutter und die drei Kinder, zumal meine Mutter auch in dem Film mitspielt und sogar meine kleine Schwester und ich in Statistenrollen zu sehen sind. Während den Bombenangriffen über Deutschland während des zweiten Weltkrieges wurde die wundertätige schwarze Madonna von Altötting zur Sicherung in einem Bergwerk versteckt. In der Wallfahrtskapelle stand während diesen Zeiten, ohne Wissen der Pilger, eine getreue und geweihte Kopie der Madonna. Diese erhielt mein Vater aus Dankbarkeit als Geschenk vom Marienwerk in Altötting und fand ihren Weg in die Wohnung meiner Eltern nach Biberach, nicht nur von meinem Vater, sondern auch von meiner protestantischen Mutter sehr verehrt. - 5- Ludwig Uttlinger war ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler, wie auch ich, und gemeinsame „Briefmarkensitzungen“ bei den häufigen Besuchen in Ältötting waren die fast selbstverständliche Folge für mich und meinen väterlichen Freund. Mehr zufällig erfuhr Ludwig eines Tages dabei von meinen Biberacher Erlebnissen bezüglich der mir verweigerten Kommunion. Ohne weiteren Kommentar bestellte er mich zwei Stunden später in sein Office, fragte mich, wann ich zum letzten Mal gebeichtet habe, nahm mir die Beichte ab und führte mich anschließend in die Wallfahrtskapelle in den abgetrennten Innenraum vor der wundertätigen Madonna. In Anwesenheit von vielen Pilgern hinter uns gab er mir die 1.Heilige Kommunion. Was bewegte Monsignore Uttlinger, sich über die damals so strengen Regularien der Katholischen Kirche hinwegzusetzen? Getauft wurde ich von ihm nicht ein zweites Mal. Am 26. März 1996 wurde in Düsseldorf die „Vereinbarung der Evangelischen Kirche im Rheinland zwischen dem Erzbistum Köln sowie den Bistümern Aachen, Essen, Münster und Trier zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe“ von den damaligen leitenden Geistlichen unterzeichnet. Absicht dieser Übereinkunft war und ist es, die in Christus gegebene Einheit in der Taufe deutlicher zum Ausdruck zu bringen und Unstimmigkeiten über den gültigen Vollzug der Taufe in Zukunft möglichst auszuschließen. Ähnliche Vereinbarungen auf landeskirchlicher oder Bistums-Ebene gab es auch in den meisten anderen Regionen. Diese Abkommen wurden am 29. April 2007 in der Magdeburger Erklärung auf den gesamten Bereich der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche Deutschland ausgeweitet und von den Vertretern von insgesamt elf Kirchen unterzeichnet. Und so wurde ich - mit einer evangelischen Taufurkunde - durch meinen Freund Pater Alfred Tönnis auf wunderbare und liebevolle Weise meiner Frau Helga katholisch angetraut und durch ihn auch unsere beiden Kinder Stella und Jonathan, letzterer in der wunderschönen Pfarrkirche hier im Ort, getauft. - 6– Zurück zu meinen Gedanken zu Beginn: Ich bin fest davon überzeugt, dass unser christlicher Glaube an Gott uns ein wunderbares Lebensfundament verleiht, uns den Sinn des Lebens vermittelt, uns Sicherheit bei der Verantwortung für unser eigenes Leben und dessen sinnvolle Gestaltung zu allen Zeiten gibt. Aber auch Sicherheit in der Ausübung von Menschlichkeit und Respekt anderen Menschen gegenüber gibt. Dass ich ein entschiedener Anhänger der Ökumene bin und dringend eine feste Annäherung der christlichen Kirchen erhoffe, ist sicher verständlich. Nur so werden wir, nach meiner Meinung, unserem christlichen Glauben auch im 21.Jahrhundert sicheren Stand geben können. Dass Kirche an sich selbst arbeiten muss, um einer stark veränderten Gesellschaft noch wichtige Lebenshilfe zu bieten ist das eine. Andererseits ist es unsere Aufgabe, uns immer wieder selbst zu hinterfragen, ob wir unser Leben verantwortungsvoll gestalten, ob wir unsere nachfolgenden Generationen im richtigen Geist erziehen. Ob ein vom Verlangen nach immer mehr Wohlstand, Konsum und angenehmen Zerstreuungen geprägten Lebens nicht zu gefährlicher Gleichgültigkeit und Selbstzufriedenheit führen kann. Ist da Glauben und Gottesdienst schon lästig? Werden die besetzten Bankreihen bei den Gottesdiensten nicht bedenklich geringer? Können wir akzeptieren, dass Kirchenaustritte mit Steuerersparnis argumentiert wird. Und noch bedenklicher mit der Bemerkung, dass man zum Glauben, den man habe, Kirche nicht brauche. Das 21.Jahrhundert wird uns ständig auch zwingen, uns nicht nur mit unseren eigenen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Problemen auseinanderzusetzen. Der Blick in die Welt beweist, dass dort die Probleme so viel größer sind, dass Hunger, Armut, Krankheit und Kriege, auch Im Zeichen von Religion und verblendetem religiösen Fanatismus, Ausmaße angenommen haben, denen wir uns gar nicht mehr verschließen können und dürfen. Deutschland ist neben den USA und in Europa allemal zum größten Einwanderungsland geworden. Wenn Flüchtlinge, wenn Asylsuchende zu uns kommen, um hier eine neue und sichere Heimat zu finden, soll keiner sagen, dass wir das nicht unterstützen sollten, ja sogar müssen. - 7- Vor wenigen Tagen habe ich ein Mail bekommen, ursprünglich von den Benediktinern in Rom, weitergeleitet nach St. Ottilien, von dort nach Untermarchtal und schließlich zu den Franziskanerinnen ins Kloster Reute und von dort zu mir. Es ist ein Hilfeschrei und die Aufforderung zu dessen Weitergabe und zum dringenden Gebet von Sean Malone, der die CRI, die internationale Krisen-Hilfe leitet, datiert vom 5.März 2015. Der Text: Wir haben die Stadt Queragosh verloren. Sie fiel an die IS, und diese enthaupten die Kinder christlichen Glaubens systematisch. Das ist die Stadt, in die wir Nahrungsmittel geschmuggelt haben. IS hat die kurdischen Streitkräfte zurückgedrängt, das ist 10 Minuten entfernt, von wo aus unsere internationale Krisenhilfe CRI arbeitet. Letze Nacht flohen mehrere Tausende in die Stadt Erbil. Die UN hat seine Mitarbeiter nach Erbil evakuiert. Unser Team hat sich nicht fortbewegt und will bleiben. Schutz durch das Gebet ist dringend vonnöten! Bitte beten Sie aus ganzem Herzen um die Befreiung der Menschen des nördlichen Irak vor dem furchtbaren Vormarsch der IS und ihrem extremen islamischen Ziel einer Massenkonversion oder dem Tod der Christen dieser Gegend. Beigefügt dem Mail sind 4 Bilder. Sie zeigen eine lange Reihe von Kindern, liegend an einem Sandhügel mit dem Rücken zu einem Tötungs- Kommando der IS, dann ein gekreuzigtes Kind, dann Erwachsene, wie sie ihre toten Kinder wegtragen und schließlich ein nur etwa ein Jahr altes Kind, auf dessen Kopf die Mündung von drei Gewehren gelegt wurde. Diese Bilder sind so entsetzlich, dass es bei mir jede Nacht Alpträume verursacht. - 8- Wenn Flüchtlinge aus dem Irak oder Syrien zu uns gelangen, ist es unsere Christenpflicht, sie aufzunehmen, ihnen Schutz zu geben, auch Menschen aus allen anderen Krisengebieten der Welt - und auch Menschen anderen Glaubens. Wenn wir Respekt und Achtung für unseren Glauben erwarten können, so müssen wir dies auch den anderen Religionen gegenüber vertreten. Nur so bleiben wir stark und mit unserer christlichen Religion auch glaubhaft über alle Grenzen hinaus. Schauen wir uns die Menschen genau an, die zu uns kommen. So viele sind dabei, die unser soziales, wirtschaftliches und auch kulturelles Leben bereichern können und wollen. Wir brauchen sie, sie sind ein Gewinn für uns. Amen