SCHWEINFURT Das Unbehagen der Frustbürger: CSU lotet Stimmung aus Diskussionsabend: Die CSU lotet die Stimmung im Volk aus und will am Ball bleiben Foto: J. Schäfer Dem Volk auf den Zahn gefühlt: Beim CSU-Diskussionsabend im Pfarrsaal Peter und Paul (von links) Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber, Staatssekretär Gerhard Eck, Bezirksrat und Vorsitzender der CSU-Stadtratsfraktion Stefan Funk und Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Machten vor wenigen Jahren die Wutbürger wie beim Protest gegen den Bahnhof „Stuttgart 21“ von sich reden, hat inzwischen eher der Frust bei den Menschen Einzug gehalten. So lässt sich in einigen Phasen die Stimmung bei einem Diskussionsabend der CSU am Freitag in St. Peter und Paul im Hochfeld zusammenfassen. Die Partei wollte erstmals in einer themenfreien Veranstaltung ausschließlich die Bürger zu Wort kommen lassen. Und bemerkten, dass es an der Basis brodelt. Für die CSU ein wichtiger Gradmesser, den sie baldmöglichst wiederholen will, wie der städtische Vorsitzende Stefan Funk betont. Weniger die lokalen Themen wie die Erhöhung der Gebühren für das Silvana-Bad oder die geplante SuedLink-Stromtrasse dominieren, sondern Fragen zum Länderfinanzausgleich, Griechenland-Krise und das Handelsabkommen TTIP. Unterschwellig ging es letztlich um Fragen der Gerechtigkeit für die Menschen und Glaubwürdigkeit der Politik sowie dem Unbehagen, als Bürger missachtet und nicht ausreichend gehört zu werden. Er verdiene Geld und zahle ordentlich seine Steuern, sagt ein Redner. Etwa angesichts des hohen Renteneintrittsalters zahle sich das irgendwie nicht aus: „Der Staat nimmt mir 50 Prozent meines Einkommens weg.“ Weswegen eigentlich die CSU wählen, wenn man dann eine „SPD-Regierung“ dafür bekommt. Die Union habe ihr Wahlversprechen eingelöst, sagt die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber, die an diesem Abend deutlich gefordert ist: Schuldenbremse und Mütterrente. Jetzt gelte es, die Wirtschaft steuerlich zu stärken und die „Kalte Progression“ für die Arbeitnehmer einzudämmen. Das überzeugt den bekennenden früheren CSU-Wähler nicht: In der Republik gebe es 600 000 abgelehnte Asylbewerber, die nicht abgeschoben würden. Dies koste sechs Milliarden Euro im Jahr, rechnet er vor. Weisgerber sagt: Jedem Verfolgten müsse geholfen werden, aber das Asylrecht dürfe nicht als Einwanderungsgesetz missbraucht werden. Ja, die Verfahren müssen beschleunigt werden, bekräftigt sie. Gerechtigkeit und Geld auch beim Länderfinanzausgleich, den einer anderer der überschaubaren 40 Besucher anspricht. Die Hälfte zahlt Bayern in den Topf ein. Das nennt Weisgerber ungerecht. Staatssekretär Gerhard Eck erinnert, dass sich der Freistaat mittels Reformen – „ein politisches Erdbeben“ – an die Spitze der Länder gearbeitet hat. Aber er wolle keine kostenlosen Kindergartenplätze anderer finanzieren, „die die Spielregeln außer Acht lassen“. Großes Unbehagen erfüllt einen anderen Bürger die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, im hohen Maße Staatsanleihen zu kaufen. Müssen also doch deutsche Steuerzahler für Griechenlands Schulden zahlen? Und wirke sich das Handelsabkommen TTIP mit den USA nicht negativ auf die Wirtschaft und letztlich das deutsche Gesellschaftssystem aus? TTIP werde Handelshemmnisse abbauen, ist Weisgerber überzeugt. Aber beide Seiten werden nicht dulden, dass die jeweiligen SchutzStandards gesenkt werden. Doch es gibt auch andere Probleme, die die Gäste an diesem Abend umtreiben. Zwei aus der Landespolitik nimmt Staatssekretär Eck auf seiner Merkliste gleich mit. Ein Berufschullehrer berichtet, dass in diesem Bereich nur 92 Prozent der Lehrerstellen besetzt seien. Es gebe Überlastung und Mehrarbeit, die zu Erkrankungen führten. Für Eck ist die Information neu; er macht am Ende einen Termin mit dem Pädagogen aus, um sich an der Schule selbst ein Bild zu machen. Und auch der Hinweis, dass vor kurzem die Einsatzpauschale für Notärzte gekürzt worden sei und deswegen manche Regionen mangels Interesse nicht mehr abgedeckt würden, stuft der Staatssekretär als „höchsten Alarm“ ein. Wenig gefordert sind CSU-Stadtratssprecher Stefan Funk und OB Sebastian Remelé. Letzterer verteidigt das Radfahrverbot in der Spitalstraße und die Erhöhung der Stadtbus- und Silvanapreise. In der öffentlichen Diskussion, dass zu 100 Prozent Schwerbehinderte das Bad nicht mehr kostenfrei besuchen dürfen, sei untergegangen, dass man für Behinderte mit 50-prozentiger Einschränkung den Eintritt gesenkt habe. Zur Parksituation rund um das Leopoldina macht Remelé Hoffnung: Er erwarte in den nächsten Monaten das Ergebnis eines Großparkraumkonzepts. Dass Anwohner in der Neutorstraße angesichts des Parkdrucks Anwohnerregelungen wünschen, weiß der OB bis zu diesem Abend nicht: Man werde das prüfen und gut abwägen müssen. Wenig Hoffnung dagegen hat er für die Sorgen einer Frau, die keine behindertengerechte Wohnung findet: Angesichts der hohen Investitionen könnten die Stadtwerke nur sukzessive Barrierefreiheit in den Gebäuden herstellen. Am Ende der welt- und bundespolitischen Diskussion versucht Ex-Stadträtin Ingeborg Michna die Tragweite zu relativieren und erinnert an den Wiederaufbau nach dem Krieg, als Schweinfurt in Schutt und Asche lag: „Wenn ich jetzt das Jammern höre . . .“ Josef Schäfer