Predigt zu Numeri 4, 22-27 am Altjahresabend 2016, Pastor Antonioli, Heiligen-Geist-Kirche Rostock Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Liebe Gemeinde, es gibt kein neues Jahr ohne dass ein Altes dafür weichen musste. Gerade deshalb ist es unbedingt nötig, sich bewusst von dem alten Jahr zu verabschieden, um das Alte hinter sich zu lassen, damit Neues tatsächlich wachsen kann! Blicken wir auf dieses Jahr zurück, dann ahnen wir, dass dieses Jahr 2015 einen Einschnitt für uns, unser Land, ja vielleicht für unsere Erde markiert. So fröhlich sich sonst die Jahresrückblicke in den Medien geben, so ist selbst den Spaßmachern ihr Spaß zum Ende dieses Jahres recht ernst geraten. Und es ist anzunehmen, dass zwar dieses ereignisreiche Jahr zu Ende geht, aber dass uns manche Themen auch im neuen Jahr beschäftigen werden. Auch für jeden von uns persönlich mag dieses Jahr manch harte Erfahrung bereitgehalten haben, mancher musste Abschied von lieben Menschen nehmen, mancher musste Veränderungen hinnehmen, die er sich so nicht ausgesucht hätte. Aber wir sollten nicht voreilig aussortieren, was gut und was schlecht daran war, denn manchmal ist das, was uns herausfordert und anfragt genau das, was uns weiter bringt. Und das wäre wohl nicht das Allerschlechteste! Zugleich – da bin ich gewiss - gibt es so viel Gutes, das wir auch in diesem Jahr erfahren und erleben durften! Es ist gut, auch diese Zeit mit Dank in Gottes Hände zurück zu legen, denn er ist die Quelle und das Ziel unseres Daseins! Denn nicht wir oder was immer wir für richtig und erstrebenswert halten, sondern er ist und bleibt das Maß aller Dinge. Und es ist uns versprochen, dass uns nichts von seiner Liebe und Zuwendung trennen kann, weder Schmerzen, noch Enttäuschungen aber auch nicht unsere eignen hochfliegenden Pläne! – Und was bei uns unvollendet bleibt, bei ihm kann es rund und ganz werden. Liebe Altjahresgemeinde, wenn es uns hier und da gelänge, aus diesem Vertrauen und aus tiefer Dankbarkeit zu schöpfen, dann können wir vielleicht auch dieses Jahr im Frieden beschließen. Ja, vielleicht können wir dann sogar mit neuem Mut auf das neue Jahr 2016 zugehen! Dietrich Bonhoeffer hat mit seinen Zeilen aus dem Gefängnis genau diesen alles beiseiteschaffende und das neue Leben eröffnende Vertrauen besungen: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr!“ Liebe Schwestern und Brüder, habt ihr heute schon einen guten Rutsch, oder ein frohes Neues Jahr gewünscht. Egal. Denn beides meint ja dasselbe! Denn das Hebräische Rosch haschanah ist über das jiddische zu unserem guten Rutsch geworden und bedeutet auch nichts anderes als Beginn des neuen Jahres! Überhaupt können wir aus der hebräischen Bibel etwas in Sachen Gottvertrauen und Lebensmut lernen, denn mit dem Aaronitischen Segen haben wir das Segenswort schlechthin aus dem 4. Buch Mose, dem Buch Numeri, ererbt: Und der HERR redete mit Mose und sprach: 23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet: 24 Der HERR segne dich und behüte dich; 25 der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; 26 der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. 27 Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne. In der Welt des Alten Testaments wird der Segen mit ganz handfesten Erwartungen verbunden: wie Glück, Gesundheit, Wohlstand oder auch Bewahrung. Darum erzählen Geschichten davon, wie kostbar dieser Segen ist. Mir scheint, als sei das ganz ähnlich zu unseren guten Wünschen, die wir für unsere Lieben und auch für uns selbst hegen! Darum darf gerade heute am Ende des Gottesdienstes nicht der Segen fehlen! Der sogenannte Aaronitische Segen, auch priesterlicher Segen genannt, ist seit den Tagen Martin Luthers der Schlusssegen in unseren Gottesdiensten. Und, wehe dieser Segen wird am Ende des Gottesdienstes vergessen! Denn das, was da mit uns geschieht, nehmen wir mit in unseren Alltag und heute sogar in ein neues Jahr. Liebe Altjahresabendgemeinde, der aaronitische Segen bringt diese Zuwendung Gottes auf unnachahmliche Weise zur Sprache: Gott wendet sich uns in seinem leuchtenden Angesicht zu, er tut dies auf so milde und heilbringende Weise, dass wir damit Frieden, ja das wahre Leben haben! Das Wörtchen Schalom am Ende dieses Segenspruchs, welches wir mit Frieden übersetzen, meint eigentlich das umfassende Heil, das wahre Leben. All das steckt für mich auch in dem Bild, das sie als Karte vor sich haben. Es zeigt den Eingangsbereich einer Kirche. Geheimnisvoll wie der Segen ist die Farbgebung mit dem warmen Violett. Erwartungsvoll geöffnet ist die Tür, durch die Licht dringt. Zwei Farbbänder sind zu sehen: In elegantem Schwung gebogen: Eines nach oben in Rot. Eines nach unten in Gelb. Wie die Farben der Morgensonne und der Abendsonne. Oder wie Hände: Eine bergend über einem. Eine haltend von unten. In diesen Farbbändern leuchten Worte. Es sind die altvertrauen Worte des aaronitischen Segens. Als stumme aber doch sprechende Zeugen weisen diese Farbbänder den Menschen den Weg hinaus ins alltägliche Leben. Diese Karte versinnbildlicht auf ganz besondere Weise, was Segen ist. Sie können sie mitnehmen auf Ihrem Weg ins neue Jahr. Es ist ein schönes Bild für den Jahreswechsel. Umgeben von den guten Worten des Segens können wir uns einlassen auf das, was kommt. (Karte Gottesdienstinstitut Nürnberg.) Liebe Schwestern und Brüder, wir wissen aber alle, dass die Welt nicht heil ist, jedenfalls nicht überall. Dieses Jahr hat uns mit Terror und Krieg, der Not der Flüchtlinge und manchen persönlichen Abschieden gezeigt, dass es die Schattenseiten gibt. Dies kann auch der Segen nicht ungeschehen machen. Und so bleibt ein Segen immer eine Heilszusage in einer kaputten Welt. Vielleicht ist der Segen darum unentbehrlich, denn er behauptet eine heilsame Gegenwirklichkeit. Selbst die schweren Dinge des Lebens erscheinen hier in einem anderen Licht, wenn wir hoffen können, dass wir sie nicht allein tragen und aushalten müssen. So wie ein gutes Wort von Mensch zu Mensch etwas auslöst, so trägt auch der Segen eine neue Wirklichkeit in unser Leben hinein. Da will einer, dass wir nicht in den dunklen Tälern unseres Lebens stecken bleiben. Da gibt uns einer einen ermutigenden Anstoß und nimmt uns an die Hand. Da denkt einer an uns und er will, dass du und ich einen guten Ort finden! Er wirkt in unserer Zeit, wo wir offen und bereit sind, den Segen zu empfangen. Wir empfangen aber, um davon großzügig weiterzugeben. Mit dem Segen stellen wir uns in die lange Reihe der Menschen, die sich von Gott bewahrt und beschenkt wissen. Der Segen ist wie eine Einladung, so werden wir in Gottes heilsamen Kreise hineingenommen und es liegt an uns, sie immer weiter zu ziehen. Gott war mit uns unterwegs in diesem Jahr und ganz gewiss wird er uns auch im neuen Jahr begleiten! Amen