Nationale Identität in Deutschland

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Jakob Schmidt Pedersen
Bachelor
Maj 2013
Der Wandel der deutschen nationalen
Identität in den letzten 25 Jahren
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Abstract:
Not many Nations in this world have such a complicated relationship to their own national identity
as the Germans. The national feeling in Germany will often be compared with the brutal memories
of the Nazis in the Third Reich. At that time the national pride and Hitler where some of the main
reasons for the Second World War and the mass murder of a great number of Jews. The horrible
years of the Second World War still has a negative influence on the national identity of the Germans, even though the crimes lies over 60 years behind.
Are these acceptances of the national identity and national feeling, after all these years, still so
complicated? My theory is that the national identity and the self - image of the Germans, are under
transformation.
The purpose of this assignment is to describe how the national Identity in Germany has chanced
within the last 25 years and to explain which consequences an event like the FIFA World Cup 2006
in Germany had for the German self – image.
With the help of a discursive construction and social praxis’s, defined by Pierre Bourdieu and Anthony Giddens, this project will illustrate the change of the national Identity in Germany within the
last 25 years. The FIFA World Cup 2006 in Germany will be pointed up to be the decisive factor for
the transformation of the self – image and national identity of the Germans.
Analysis of the World Cup 2006 final report proved that the planning organization together with
German top politicians, had constructed a discursive construction since the late 1990´s that reflected
through the slogan of the World Cup 2006. Statements from professors, scientist and top politicians,
including federal chancellor Angela Merkel, verified the discursive construction and that there has
been a change in the national identity of the Germans.
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Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ...................................................................................................................................... 4
1.1.
Problemformulierung ............................................................................................................ 5
1.2.
Begriffserklärung: Nationalgefühl, Nationalstolz & nationale Identität ............................... 5
1.3.
Abgrenzung & Empirie ......................................................................................................... 6
1.4.
Methode ................................................................................................................................. 6
2.
Theorie sozialer Praktiken ............................................................................................................ 7
3.
Nationale Identität ...................................................................................................................... 10
4.
3.1.
Die Nation ........................................................................................................................... 10
3.2.
Identitätskonstruktion in einer vormodernen Gesellschaft durch Anthony Giddens .......... 11
3.3.
Nationale Identität ............................................................................................................... 12
3.4.
Nationale Identität in Deutschland ...................................................................................... 16
Wandel der nationalen Identität in Deutschland ......................................................................... 17
4.1.
Veränderungen der nationalen Identität durch sozialen und symbolischen Praktiken ........ 17
4.2.
Weltmeisterschaft in 2006 in Deutschland als Katalysator des Wandels ........................... 23
5.
Schlussfolgerung......................................................................................................................... 27
6.
Literatur ...................................................................................................................................... 29
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1. Einleitung
„Dette VM har på dramatisk kort tid forandret den tyske nation. Årtiers traumer og økonomisk
forskelsbehandling i øst og vest har lagt en dæmper på udviklingen i det Tyskland, som med sine 80
millioner er en massiv kulturel og økonomisk faktor i Europa.
I takt med Klinsmanns holds sejre vokser den tyske stolthed, selvfølelse og optimisme. Sejrene er
ikke kun spillernes eller trænerens, det er det tyske folks sejre.” 1 (Holmstrøm 2006)
Für den dänischen Fachexperten und Kommentator bei DR Sporten Niels Christian Holmstrøm ist
die Veränderung deutlich zu spüren. Nach 50 Jahren geprägt von politischem und wirtschaftlichem
Gegenwind, war die positive und euphorische Stimmung der Deutschen angemessen und verdient.
Jahrelange Traumen, schlechtes Gewissen nach dem Zweiten Weltkrieg und ökonomische Diskriminierung in Ost und West haben auf die Entwicklung Deutschlands einen großen Dämpfer gelegt.
Ein Ereignis wie die Weltmeisterschaft in 2006 hat Deutschland als zusammenhaltende Nation wieder zusammengeführt. Mit den guten Leistungen der Nationalelf wuchsen der Optimismus und das
Selbstbewusstsein der Deutschen.
Dieses Phänomen, dass eine Nation, die im Voraus, was die nationale Identität angeht, blutet, wegen einem Großereignis wie die Fußballweltmeisterschaft in 2006 wiedergeboren wird, finde ich
spannend und inspirierend. Begriffe wie nationale Identität, Nationalgefühl und Nationalstolz werden bei den Deutschen von vorne hin tief weggepackt.
Nicht viele Staaten auf dieser Welt haben ein so schwieriges und verwickeltes Verhältnis zu ihrer
nationalen Identität wie Deutschland. Der Nationalstolz wird in Deutschland meistens mit den Erinnerungen an die Verbrechen der Nazis im Dritten Reich verbunden. Damals führte der übertriebene
Nationalstolz zu Massenmord und Weltkrieg. Die grauenhafte Zeit des Zweiten Weltkrieges und
des Dritten Reiches plagt immer noch das Gewissen der meisten Deutschen. Deshalb ist man in
Deutschland eher zurückhaltend, wenn von Nationalstolz und nationaler Identität die Rede ist.
Wenn man bedenkt, dass diese Verbrechen über 60 Jahre zurückliegt, wieso ist es für einen Deutschen dann immer noch so schwierig, die nationale Identität und den Nationalstolz zu akzeptieren?
1
In Deutsch – „ Diese Weltmeisterschaft hat in dramatisch kurzer Zeit die deutsche Nation verändert. Jahrzehnte
lange Traumen und ökonomische Diskriminierung in Ost und West hat einen Dämpfer auf die Entwicklung in Deutschland, das mit seinen 80 Millionen Einwohnern ein kultureller und ökonomischer Machtfaktor in Europa ist, gelegt. Mit
den Siegen der Nationalelf wächst auch der nationale Stolz, das nationale Selbstbewusstsein und der Optimismus. Die
Siege gehören nicht allein der Mannschaft und dem Trainerstab, sondern sie gehören auch dem deutschen Volk“
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Diese Abhandlung wird deshalb das Thema nationale Identität in Deutschland umfassen. Da der
Begriff Identität sehr umfangreich ist, wird diese Aufgabe nur die nationale Identität umfassen.
Dennoch werden Begriffe wie Nationalstolz und Nationalgefühl in verschiedenen Zusammenhängen benutzt.
Meine Behauptung ist es, dass die nationale Identität in Deutschland einen Generationenwechsel
durchgegangen ist, wo die Fußballweltmeisterschaft in 2006 in Deutschland als Sprungbrät zu diesem Generationenwechsel verwendet wurde. Deshalb wird diese Arbeit sich mit dem Wandel der
nationalen Identität in Deutschland in den letzten 25 Jahren beschäftigen. Das Ziel dieser Arbeit ist
es, den Identitätswandel zu analysieren und zu beleuchten. Mit Hilfe von sozialen und symbolischen Praktiken und diskursiven Konstruktionen wird dieser Wandel der nationalen Identität in
Deutschland definiert und erklärt.
1.1.
Problemformulierung
Die Problemformulierung lautet so:
Wie hat sich die deutsche nationale Identität in den letzten 25 Jahren verändert? Welche Bedeutung
haben ausgewählte historische Großereignisse auf die nationale Identität in Deutschland?
1.2.
Begriffserklärung: Nationalgefühl, Nationalstolz & nationale Identität
In der deutschen Sprache gibt es mehrere Wörter mit einem ähnlichen Inhalt wie nationale Identität.
Nationalgefühl, Nationalbewusstsein und Nationalstolz sind Begriffe, die der nationalen Identität
nahe stehen. Um Verwirrung zu vermeiden, werden die Thermen kurz definiert. In allen Komposita
steht das Wort „Nation“ zuerst. Nationalgefühl ist ein Unterbegriff von Nationalbewusstsein und
drückt weder positive noch negative Gefühle aus. Nationalgefühl dreht sich, wie der Begriff ausdrückt, um das Volk und die Nation, und es öffnet für die Möglichkeit, sich an beiden Enden der
Gefühlsskala zu befinden. Es ist wichtig zu unterstreichen, dass Nationalgefühl weder positive noch
negative Gefühle ausdrückt, sondern nur feststellt, dass es sich um Gefühle handelt. Nationalstolz
dagegen bringt positive Gefühle bei den Menschen hervor. Stolz zeigt sofort, dass es sich um positive Gedanken handelt, sei es auf die Kinder, die Familie oder die Nation. Nationale Identität ist ein
viel umfangreicherer Begriff und wird später in der Aufgabe durch Anthony Giddens definiert. Der
Grund, weswegen die drei anderen Begriffe hier kurz definiert werden, ist, dass diese Thermen in
Verbindung mit meiner Analyse der nationalen Identität verwendet werden.
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1.3.
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Abgrenzung & Empirie
Das Wort Identität kann vieles darstellen. Wie ich auch zuvor geschrieben habe, ist der Begriff
Identität sehr umfangreich. Deshalb wird diese Arbeit sich auf die nationale Identität konzentrieren.
Hier wird die Identitätsbildung in einer vormodernen Gesellschaft durch Anthony Giddens beschrieben. Die Entstehung der Nation wird durch Benedict Anderson und sein Buch Imagined
Communities erklärt und definiert.
Diese Arbeit konzentriert sich, wegen des Umfangs, hauptsächlich auf den Wandel in den letzten 25
Jahren. Um meine These zu unterstützen, sind glaubwürdige Artikel aus dem Internet verwendet
worden. Die Glaubwürdigkeit aller Artikel besteht darin, dass der Inhalt von Professoren, Politikwissenschaftlern und prominenten Politikern unterstützt wird. Um die ausgewählten Artikel zu konsolidieren, wird mit dem Abschlussbericht der Fußballweltmeisterschaft in 2006 in Deutschland
ergänzt.
1.4.
Methode
Die Aufgabe zerfällt in zwei Teilen, und zwar in einem theoretischen und analytischen Teil. Im
theoretischen Teil werden die Theorien sozialer Praktiken durch Pierre Bourdieu und Anthony Giddens definiert und behandelt. Weiter wird die Entstehung der Nation und Nationenbegriffs durch
Benedict Anderson erklärt und letztlich wird die Identitätsbildung in einer vormodernen Gesellschaft durch Anthony Giddens definiert und zusammengefasst.
Im Hinblick auf die Analyse der nationalen Identität und seinem Wandel, wird dies, mit Hilfe von
den Praxistheorien der ausgewählten Theoretiker, beleuchtet. Die diskursive Konstruktion wird anhand des Abschlussberichtes der Fußballweltmeisterschaft in 2006 in Deutschland analysiert.
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2. Theorie sozialer Praktiken
„Im internationalen Feld der Sozialtheorien der letzten zwanzig Jahre hat sich ein facettenreiches
Bündel von Analyseansätzen herausgebildet, die man als Theorien sozialer Praktiken, Praxistheorien oder Versionen einer Praxeologie umschreiben kann.“ (Reckwitz 2003:282)
Dieses Konzept, eine Sozialtheorie und ein Forschungsprogramm durch soziale Praktiken zu errichten, können für Zweifler auf den ersten Blick überraschend erscheinen. Denn sie stellen die kritischen Fragen, ob diese Theorien eine Neuauflage der klassischen Handlungstheorien sind? Oder
sind soziale Praktiken mehr als die Handlungsregelmäßigkeiten oder geregelte Handlungsmuster,
deren Beschreibung und Erklärung die Sozialtheorien schließlich von Anfang an verfolgt haben
(Reckwitz 2003:282)? Diese Skepsis ist für Andreas Reckwitz natürlich nachvollziehbar, aber er
pointiert, dass die Skeptiker den Innovationswert der Praxistheorien unterschätzen (Reckwitz
2003:282). Zudem erklärt er, dass die Theorie sozialer Praktiken sich um ein modifiziertes Verständnis, dessen was Handeln und was der Akteur/Subjekt ist, dreht, zusammen mit einem modifizierten Verständnis des Sozialen (Reckwitz 2003:282). Diese konzeptuellen Bausteine bilden ein
praxistheoretisches Verständnis des Sozialen und des Handelns.
Pierre Bourdieu und Anthony Giddens haben jeweils verschiedene Versionen der Theorie der sozialen Praktiken definiert. Mit Hilfe von deren Theorien werde ich in meiner Aufgabe den Identitätswandel der Deutschen in den letzten 25 Jahren analysieren und erläutern. Die Arbeit ist so aufgebaut, dass ich in diesem Abschnitt die Praxistheorien von lediglich Bourdieu und Giddens erläutere,
und später in Kapitel 4.1. werde ich Beispiele von verschiedenen sozialen und symbolischen Praktiken der Deutschen analysieren.
Bourdieu hat über mehrere Jahren an seinem Projekt „théorie de la pratique“ oder „praxeologie“
gearbeitet. Hier arbeitet er mit den Begriffen des Habitus, des sozialen Feldes, des praktischen
Sinns und der Inkorporiertheit von Wissen (Reckwitz 2003:283). Bourdieu hat in seinen Arbeiten
eine strukturalistische Tendenz. Auf der anderen Seite arbeitet Giddens mit der akteurtheoretischen
Rolle. Er versucht den Dualismus zu überwinden und erfindet den Schlüsselbegriff Dualität der
Struktur. Strukturen sind das Mittel zu und das Resultat von den Praktiken, die in sozialen Systemen konstituiert werden (Giddens 1981:27; Andersen & Kaspersen 2007:431). Der Strukturdualitätsbegriff verbindet hier die Produktion von sozialer Interaktion mit der Reproduktion von sozialen
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Systemen quer durch Zeit und Raum (Andersen & Kaspersen 2007:432). Im folgenden Abschnitt
werden die Theorien der sozialen Praktiken von Pierre Bourdieu und Anthony Giddens dargestellt.
In Pierre Bourdieus Praxistheorien dreht es sich vor allem um das Anschaffen von symbolischem
Kapital. Hier betont Bourdieu, dass die Gesellschaft in verschiedenen sozialen Feldern aufgebaut
ist. In diesen sozialen Feldern gibt es verschiedene Formen von symbolischem Kapital, worum die
Individuen konkurrieren. Dieser Kampf um symbolisches Kapital gilt für alle verschiedenen Felder
und alle Sorten von Kapital. Bourdieu konkludiert, dass symbolisches Kapital für das Individuum
essentiell ist, um einen sozialen Status und Anerkennung zu bekommen. Das Individuum kann hierdurch seine eigene Identität in dem gegebenen Feld formen und sich die Regeln und Normen, die
im Feld gelten, anpassen und sogar weiter bearbeiten (Andersen & Kaspersen 2007:358-359). In
den verschiedenen Feldern gibt es Regeln, die das Individuum akzeptieren muss diese bezeichnet
Bourdieu als Illusio. Illusio sind die Spielregeln und Werte, die in den verschiedenen Feldern definiert werden. Das Individuum agiert im Feld, ohne darüber zu reflektieren. Herrscht Skepsis beim
Illusio, wird das Individuum vom Feld exkludiert. Das heißt, dass das Feld nur durch Illusio konstituiert wird (Andersen & Kaspersen 2007:360).
Habitus definiert Bourdieu als ein körperliches Wissen, wo das Individuum die Normen und Regeln
des Feldes akzeptiert, ohne darüber zu reflektieren. Dieses Akzept ist ein wesentlicher Faktor, indem diese unreflektierten Normen es dem Individuum möglich machen, im gegebenen Feld zu operieren. Bourdieu pointiert, dass das Individuum sich körperlich in der sozialen Gesellschaft befindet, aber gleichzeitig ist die soziale Gesellschaft durch das Agieren in unserem Körper (Andersen &
Kaspersen 2007:353).
Kurz ergänzt behauptet Bourdieu, dass die soziale Gesellschaft in Feldern aufgeteilt ist, die durch
Illusio definiert werden. Diese Felder existieren durch das Streben nach symbolischem Kapital und
werden durch soziale Praktiken, die wegen dem Habitus unbewusst sind, aufrechterhalten (Andersen & Kaspersen 2007:346-364).
Anthony Giddens definiert soziale Praxis als einen vermittelnden Begriff zwischen einer Handlung
und der Struktur. Außerdem holt er Schlüsselbegriffe wie Agent, Handlung, Struktur, System und
Macht aus der klassischen und modernen Soziologie und definiert sie um, so dass sie sich einander
bedingen und zusammen die soziale Praxis bilden. Dies verhindert, dass die Akteurperspektive ei-
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nen höheren Wert hat als die Strukturperspektive und umgekehrt (Andersen & Kaspersen
2007:428).
Innerhalb der sozialen Praxistheorie verwendet Giddens den Begriff Agent. Der Agent ist kompetent und hat ein Wissen von den meisten Handlungen, die das Individuum unternimmt. Dies nennt
Giddens das praktische Bewusstsein. Er betont, dass dieses Wissen öfter durch soziale Routinen
geprägt ist und keine Erklärung braucht, weshalb es für das Individuum möglich ist, diese Handlungen auszuführen.
Das diskursive Bewusstsein ist die zweite Variante, die Giddens hervorhebt. Hier hat der Akteur
genaues Wissen von den Handlungen die er unternimmt. Hiermit hat das Individuum die Möglichkeit, über seine Handlung zu reflektieren, und damit auch die Möglichkeit, die Handlung zu ändern.
Dadurch wird der traditionelle Strukturbegriff durch Strukturen innerhalb des Agenten ersetzt. Deshalb wird diese Struktur als das Mittel zu und das Resultat von der sozialen Praxis des Agenten angesehen (Andersen & Kaspersen 2007:429-431).
Im Gegensatz zu anderen Handlungssoziologen hat Giddens ein weiteres Element zu seiner Theorie
hinzu gefügt. Hier arbeitet er mit einem unbewusstem Niveau, das die Handlungen, deren Motive
unbewusst sind, zusammenfasst.
„Det ubevidste dækker over den viden, som er fortrængt eller fremstår i en fordrejet form 2”
(Andersen & Kaspersen 2007:429)
Die Dualität der Struktur hebt Giddens als einen Schlüsselbegriff hervor, in dem es der Kern seiner
Strukturationstheorie und seines Praxisbegriffes ist. Er sieht das Verhältnis zwischen Struktur und
Akteur nicht als ein Dualismus, sondern präsentiert sie als eine Dualität. Hierdurch pointiert Giddens, dass die Strukturen nicht im Voraus bestimmt sind, sondern geschaffen werden von dem
Agenten und nicht außerhalb des Agenten existieren (Andersen & Kaspersen 2007:432). Mit der
Strukturationstheorie versucht Giddens zwischen der Strukturposition und der Akteurposition zu
vermitteln. Die Strukturationstheorie enthält den Begriff der sozialen Praxis, der essentiell für den
Strukturierungsprozess der Gesellschaft ist. Die soziale Praxis ist laut Giddens ein vermittelnder
Begriff zwischen der Handlung und der Struktur. Die soziale Praxis ist gleichzeitig aus einer Reihe
von Schlüsselbegriffen der klassischen und modernen Soziologie geholt, und diese Begriffe wurden
2
In Deutsch – „Das Unbewusste umfasst das Wissen, das verdrängt ist oder in einer verdrehten Form erscheint“
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von Giddens neuformuliert und umdefiniert, so dass sie sich einander bedingen und zusammen die
soziale Praxis bilden. Hierdurch kann die Gesellschaft als eine soziale Praxis gesehen werden, die in
einem Strukturierungsprozess stetig weiter gebildet wird (Andersen & Kaspersen 2007:428-432).
3. Nationale Identität
Ich will hier die historische Entwicklung des Nationenbegriffs erklären und mich mit dem Begriff
nationale Identität auseinandersetzen. Um die wichtigen Begriffe richtig zu verstehen ist es notwendig, die Begriffe getrennt zu betrachten, um dadurch die Definitionen der Wörter nachvollziehen zu
können.
3.1.
Die Nation
Der Begriff Nation leitet sich aus dem lateinischen natio ab, welches Geburt, Geschlecht, Herkunft
oder Volksstamm bedeutet. Darunter ist eine Lebensgemeinschaft von Menschen zu verstehen, die
dieselbe politische und kulturelle Geschichte teilen (Den Store Danske – Gyldendals Åbne
Encyklopædi). Die moderne Bedeutung stammt ursprünglich aus der Zeit der französischen Revolution und wurde von Emmanuel Joseph Sieyès, der die Nation als den dritten Stand bezeichnete, definiert. Diese Entstehung wurde in zwei unterschiedlichen, normgebenden Ideen aufgeteilt: 1. Die
Idee der Volkssouveränität. Hiermit ist zu verstehen, dass alle staatliche Gewalt vom Willen der
Nation und nicht von einem unabhängigen Herrscher erlaubt werden muss. Das Prinzip der Demokratie ist für den Nationalstaat im Vorsitz. 2. Eine Auffassung, dass die Nation aus einer politisch
gebildeten Gemeinschaft besteht, dessen bedarf des Staatsgrenzen deckungsgleich sein müssen.
Hier basiert die Nation auf der Idee eines einheitlichen Ethnos (Den Store Danske – Gyldendals
Åbne Encyklopædi).
Die Grundelemente des Nationenbegriffs bestehen aus sprachlichen, ethnischen, geografischen,
historischen und religiösen Gesellschaften. Diese Elemente spielen jeweils bei verschiedenen Nationen eine verschiedene Rolle abhängig von deren Voraussetzungen.
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3.2.
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Identitätskonstruktion in einer vormodernen Gesellschaft durch Anthony
Giddens
In diesem Abschnitt wird die Identitätsbildung, wie Anthony Giddens sie versteht, beschrieben.
Hier wird Giddens´ These von der Gemeinschaft und der Reflexivität analysiert, um zu erklären,
wie eine Identität auf individualer Ebene gebildet wird.
Die vormodernen Gesellschaften werden durch ihre Aufteilung in Klassen charakterisiert. Hier
spielte die soziale Lage des Individuums eine bedeutende Rolle für die Identitätsbildung. Traditionen bildeten hierdurch Rahmen für das soziale Benehmen, und dadurch wurde die Stabilität der
Gesellschaft aufrechterhalten (Giddens 1991).
In den spätmodernen Gesellschaften entfernt sich das Individuum mehr und mehr von den Traditionen. Dies hat Bedeutung für die Auffassung von Risiko und Vertrauen und führt zum radikalen
Zweifel beim Individuum, indem es stetig eine Entscheidung treffen muss. Das erfordert großes
Vertrauen zu den Mitmenschen und spielt eine große Rolle für die Entscheidungen, die das Individuum trifft. Das Vertrauen des Individuums ist dadurch bedeutend für die persönliche Entwicklung
und die Möglichkeiten zum Handeln. Dies nennt Giddens die ontologische Sicherheit (Andersen &
Kaspersen 2007:436). Ein weiterer Unterschied zwischen den vormodernen und spätmodernen Gesellschaften ist die Entwicklung moderner Organisationsformen, wie z.B. der Nationalstaat. Darüber
hinaus verändert sich die Gesellschaft mit einer Geschwindigkeit und Intensität, die die spätmoderne Gesellschaft einzigartig macht. Diese Dynamik wird durch einer Trennung von Zeit und Raum
und den reflexiven Charakter der Modernität geschaffen (Andersen & Kaspersen 2007:436-437).
Reflexivität ist ein weiterer Begriff, den Giddens benutzt. Es bedeutet, dass es in den spätmodernen
Gesellschaften leichtere und größere Möglichkeiten gibt, um Informationen zu sammeln. Hierbei
wird generelles Wissen regelmäßig benutzt. Die Reflexivität kann sich auf zwei Ebenen befinden,
eine persönliche und eine institutionelle Ebene. Giddens weist darauf hin, dass die Erschaffung von
Identität ein reflexives Projekt ist (Andersen & Kaspersen 2007:435-437).
„Vi er, hvad vi gør os selv til“ 3(Andersen & Kaspersen 2007:436)
Regimen sind die individuellen Entscheidungen, die das Individuum im Alltag trifft. Diese Entscheidungen können alles Mögliche sein. Deshalb weist Giddens darauf hin, dass diese Entschei3
In Deutsch: „Wir sind, was wir aus uns selber machen“
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dungen durch das ganze Leben getroffen werden und dabei die Selbstidentität bilden. Dies ist dafür
ein Prozess, die sich immer entwickelt (Andersen & Kaspersen 2007).
Letztlich wenn von Trennung von Zeit und Raum die Rede ist, gibt es eine Entwicklung von vormoderner bis zur spätmoderner Gesellschaft. Hier spielt die technologische Evolution zusammen
mit der Globalisierung eine große Rolle und weist darauf hin, dass eine Trennung von Zeit und
Raum erfolgt ist (Andersen & Kaspersen 2007:433-434). Dies führt dazu, dass das Individuum sich
ständig zu internationalen Ereignissen und Gefahren, die eine Einwirkung auf die Gesellschaft haben, Stellung nehmen muss (Andersen & Kaspersen 2007:432-436).
In der spätmodernen Gesellschaft ist das Individuum im Zentrum, und Individualisierung ist für
Giddens ein Schlüsselbegriff. Dies bedeutet, dass wir selber, durch die Entscheidungen, die wir
treffen, unsere Selbstbiographie schreiben. Dadurch entsteht das Gefühl des Individuums (Giddens
1991).
Kurz zusammengefasst arbeitet Anthony Giddens mit der Idee der spätmodernen Gesellschaft. Dies
ist eine Gesellschaft, wo das Individuum häufiger als früher seine eigene Identität bilden oder verändern kann. Hier spielt die Reflexivität eine bedeutende Rolle, weil sich das Individuum mehr über
seine Umgebungen und deren Beeinflussung reflektiert. Ein zweiter wichtiger Begriff, womit Giddens sich beschäftigt, ist die Trennung von Zeit und Raum, die sich in der spätmodernen Gesellschaft ereignet. Hier ist es durch die technologische Entwicklung möglich, an mehreren Stellen
gleichzeitig zu sein. Dies bedeutet, dass das Individuum sich weltweit involvieren kann, was hiermit
die Reflexivität erhöht. Letzter Schlüsselbegriff sind die sogenannten Regimen. Hier wird die Identität durch die verschiedenen Entscheidungen gebildet. Nicht wie in der modernen Gesellschaft, wo
es in Klassen aufgebaut war.
3.3.
Nationale Identität
In diesem Abschnitt wird der historische Hintergrund der nationalen Identität beschrieben, und wie
sie definiert wird. Benedict Andersons Buch Imagined Communities von 1983 war ein Durchbruch
innerhalb der Erforschung des Nationalismus und der Nation. Seine Darstellung der Nation als eine
vorgestellte Gemeinschaft hat Qualität in modernistischen und konstruktivistischen Analysen der
Nation gebracht. Andersons Theorie war auslag gebend, um das Kulturelle und das Diskursive in
der Vorstellung des Nationalbegriffs hervor zu bringen (Ivarsson 2007:509).
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Benedict Anderson operiert mit einem empirischen Diskurs, der implizit im ursprünglichen Begriff
der nationalen Identität liegt. Er sieht die Idee der Nation und des Nationalismus als eine historische
Entwicklung und nicht als eine Erfindung (Ivarsson 2007:512). Anderson verwendet die vormodernistische Geschichte, um die Entstehung der Nation und den Nationalismus zu beschreiben und um
darzulegen, welche Verhältnisse die Entwicklung beeinflusst haben.
Anderson arbeitet mit zwei Formen von Gemeinschaften, die die Idee der Nation und des Nationalismus geprägt haben, die religiöse Gemeinschaft und das dynastische Reich.
Die religiösen Gemeinschaften sind beispielsweise Christentum, Hinduismus, Islam usw. Gemeinsamkeiten bei den religiösen Gemeinschaften waren die heilige Sprache und Schriften, die im Mittelalter galten. Die Religion hatte den Vorteil, dass diejenigen die nicht religiös waren, bekehrt werden konnten und auf diese Weise einen Glauben an die Gemeinschaft beigebracht werden konnten.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts begannen die religiösen Gemeinschaften sich aufzulösen. Der erste
Grund, den Anderson erwähnt, waren die vielen Entdeckungsreisenden, die außerhalb ihrer religiösen Gemeinschaft reisten. Sie erlebten nicht nur geographische, sondern auch kulturelle Unterschiede und erweiterten ihre Horizonte. Der zweite Grund für den Rückgang der religiösen Gemeinschaften war laut Anderson, dass die zuvor genannte heilige Sprache langsam von der Muttersprache
übernommen wurde. Vor dem 15. Jahrhundert war die meiste Literatur in Latein, wo es nach dem
15. Jahrhundert zu den entsprechenden Muttersprachen überging (Anderson 2001:62).
Das dynastische Reich ist laut Benedict die zweite Gemeinschaft, die den Nationalismus geprägt
hat. Hier hatte der Monarch, durch das Erbe und den Glauben an den Monarchen als eine göttliche
Gestalt, große Legitimität. Die Loyalität der Menschen war selbstverständlich und natürlich, indem
der Regent der zentrale Knotenpunkt und Zugang zur Existenz war (Anderson 2001:82). Das Legitimitätsprinzip schwand langsam dahin, und die Dynastien versuchten, sich eine nationale Prägung
anzueignen.
Nach der Erwähnung dieser Beispiele pointiert Anderson die Wichtigkeit der Wahrnehmungsform
des Zeitbegriffes, und wie der Zeitbegriff sich verändert hat. Die erwähnten Beispiele unterliegen
Veränderungen in der Art und Weise, wie die Welt damals verstanden wurde. Der Zeitbegriff war
damals eine simultane Betrachtung von Vergangenheit und Zukunft in der jetzigen Gegenwart (Anderson 2001:68). Die heutige Idee des Zeitbegriffes ist eine homogene und leere Zeit, wo die Simul-
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tanität quer durch die Zeit läuft und nicht von vornherein Vorgestellt ist, aber temporal durch Uhren
und Kalender bestimmt wird (Anderson 2001:79-81).
Die homogene und leere Zeit war laut Benedict ein wichtiger Faktor in der Bildung des Nationalismus. Wir leben in einer Gesellschaft, wo Individuen sich auf der Straße begegnen können, ohne
sich zu kennen. Und trotzdem fühlen sie, dass sie auf irgendeine Weise ein gemeinsames Bündnis
haben. Hierbei wird die Zeit zu einem temporalen Zusammenfall, der durch Uhren und Kalender
gemessen wird. Anderson beschreibt dies mit Hilfe von einer Zeitung. Die Geschichten der Zeitung
verfügen über Ereignisse, quer durch kulturelle, geografische und soziale Verhältnisse. Die Akteure
dieser Geschichten verbinden die Geschichten mit einander, wobei die Akteure unabhängig voneinander gehandelt haben und ohne sich eigentlich begegnet zu haben. Anderson betont, dass dieses
vorgestellte Bündnis aus zwei Ursprüngen stammt (Anderson 2001:79-81).
Erstens ist das Datum ein Symbol für die solide Zeitregistrierung von der homogenen und leeren
Zeit. Wenn z.B. eine Person nicht in der Zeitung präsentiert ist, wird nicht daran gezweifelt, dass
dieser Person immer noch existiert.
Zweitens war die Zeitung eine Quelle zu diesem vorgestellten Bündnis. Die fiktive Wirklichkeit
wurde durch die Zeitung zur Wirklichkeit. Sie bildete eine Gemeinschaft unter dem Volk. Indem
dieselbe Zeitung auch anders wo zugänglich ist, wird das Individuum durch eine Kopie an seine
vorgestellte Gemeinschaft bestätigt. Die Zeitung und auch Bücher spielen dadurch eine wichtige
Rolle in der Etablierung der homogenen und leeren Zeit (Anderson 2001:81).
Benedict Anderson beschäftigt sich mit dem Ursprung des nationalen Bewusstseins. Er bezeichnet
das Druckgewerbe, das während des Kapitalismus entstand, als ein wesentlicher Faktor für das gesamte Nationalbewusstsein einer Bevölkerung. Im 16. Jahrhundert war der Markt für Bücher, die in
Latein geschrieben waren, durch das Druckgewerbe gesättigt. Deshalb begann man, Bücher in den
respektiven Muttersprachen zu drucken und herauszugeben, um auf diese Weise neue Märkte zu
erforschen. Durch diese neuen Schriftsprachen entstanden laut Anderson drei wesentliche Faktoren,
die das nationale Bewusstsein beeinflusste.
Der erste Faktor war, dass durch die neue Sprache, die der alten richtigen Sprache (Latein) untergeordnet war, entstand für das Volk eine neue Möglichkeit, mit einander zu kommunizieren, die früher nicht zugänglich war. Früher war Latein die richtige Sprache, und nur eine geringe Schicht der
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Bevölkerung konnte die richtige Sprache verstehen. Durch diese neuen Sprachen wurden Menschen
darüber bewusst, dass sie mit anderen auch dieselbe Sprache teilten, und hierdurch entstand durch
die neue Sprache ein Gefühl von Gemeinschaft.
Zweitens rief die schnelle Verbreitung des gedruckten Mediums einen religiösen Propagandakrieg
hervor, wo auf der einen Seite die Gegenreform das Lateinische beibehalten wollte, und auf der
anderen Seite hat der Protestantismus die Massenproduktion des Druckgewerbes von muttersprachlichen Büchern schwer ausgenutzt (Anderson 2001:86-87).
Der letzte Faktor war der langsame Abbau der vorgestellten religiösen Gemeinschaft, wo Latein die
richtige Sprache war. Latein konnte nicht einem Monarchen zugeschrieben werden, sondern gehörte
zu der religiösen Gemeinschaft. Vorher existierte eine Barriere zwischen der Sprache der Macht
und der Sprache des Volkes. Diese Barriere wurde hierdurch gebrochen, und die Muttersprache
wurde zu der staatlichen Sprache oder sogenannten Sprache der Macht. Dieser Faktor bedeutete
einen heftigen Rückgang der Kirche, die bis zu diesem Zeitpunkt, mit dem Lateinischen, Monopol
auf die Sprache der Macht hatte (Anderson 2001:89-91).
Wird die Nation als Begriff angesehen, gibt es viele verschiedene Formen und Arten von Nationen.
Anderson beschreibt in seinem Buch die Entstehung vieler verschiedener Nationen. Die meisten
Nationen haben das gemeinsam, dass sie auf Grund der Entstehung anderer Nationen gebildet wurden. Wie die ursprünglichen Nationen entstanden, liegt Anderson nicht deutlich fest. Dennoch pointiert er, dass es, mit dem Rückgang des Analphabetismus, den nationalen Kräften leichter fiel, die
Menschen zu mobilisieren, indem die Muttersprache auch zu der gedruckten Sprache wurde (Anderson 2001:131-132).
Die Nation wurde daher durch soziale Prozesse angepasst und konstruiert. Dies deutet darauf hin,
dass die Nation etwas ist, wozu sich die Menschen verhalten, indem sie sich zu den Elementen, die
die Nation definieren, in Bezug setzen konnten. Diese gemeinsame Vorstellung von einer vereinten
Geschichte, einer vereinten Sprache und einer vereinten Zusammensetzung von Werten ist durch
gemeinsame sprachliche Bezugsrahmen entstanden.
Kurz zusammengefasst definiert Benedict Anderson die Nation als eine vorgestellte Gemeinschaft,
die über eine längeren Zeitrahmen entstanden ist. Er konkludiert, dass das Volk eine Gruppe von
Menschen ist, die sich durch die gemeinsame Sprache mit einander identifizieren. Außerdem teilen
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diese Gruppen dieselben kommunikativen Möglichkeiten, dieselben Geschichte und dieselben Werte. Dadurch wird ein gemeinsames Bündnis, die sie nicht min anderen haben, gebildet.
Die Sprache war ein wichtiges Element in der Bildung des Nationenbegriffes, das mit dem Rückgang
von
früheren
Gemeinschaften
(religiöse
Gemeinschaft)
entstand.
Diese Verbundenheit zur Nation beruht auf diesem gemeinsamen Bündnis, das in unbeschreiblicher
Weise über die Zeit in den Menschen internalisiert ist.
3.4.
Nationale Identität in Deutschland
Die nationale Identität in Deutschland kommt oft wegen der negativen Geschichte des Landes zum
Ausdruck. Die deutsche Identität hat in den letzen 100 Jahren viel gelitten. Deutschland hat unter
anderem zwei Weltkriege verloren, Diktatur des Nationalsozialismus und Hitler und Aufteilung in
Ost- und Westdeutschland erlebt. Diese Faktoren haben einen wesentlichen Einfluss auf die nationale Identität der Deutschen gehabt. Hier liegen die Verbrechen des Dritten Reiches, im Bewusstsein der Deutschen, dennoch am tiefsten. Der damalige übertriebene Nationalstolz, der zu Fremdfeindlichkeit, Verfolgung und Massenmord führte, hat bei vielen Deutschen, was die nationale Identität anbelangt, tiefe negative Spuren hinterlassen. Im Hinterkopf existiert eine gewisse Unsicherheit, ob ein solch geschichtliches Ereignis sich wiederholen könnte.
„Die Deutschen meinen, sie müssten immer selbstkritisch sein, um den Rückfall in den Nationalismus zu verhindern. Das liegt auch an der Art, wie in der Schule Geschichte unterrichtet wird“
(Braun 2012)
Dies wäre eine erneute Niederlage für die im Voraus blutende Persönlichkeit und nationale Identität
der Deutschen.
„Im Vergleich mit anderen Ländern ist die nationale Identität am schwächsten. Das hat nicht nur
unsere Studie gezeigt, auch bei anderen Untersuchungen ist Deutschland immer das Schlusslicht“
(Braun 2012)
Mit dem Deutschsein tut man sich hierzulande schwer. So ergänzt Ulrich Schmidt – Denter, der
Professor für Psychologie an der Universität zu Köln ist, in einem Artikel in „Die Welt“, der von
der deutschen nationalen Identität handelt.
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Schmidt – Denter hat durch zehnjährige Forschung versucht, das Selbstbewusstsein und die nationale Identität der Deutschen zu untersuchen. Die Untersuchung galt nicht nur, wie die Deutschen
sich selber sehen, sondern auch wie ihre Nachbarländer über sie denken.
Das Ergebnis war eindeutig. Die Deutschen sind sehr selbstkritisch, und was die Fremdenfreundlichkeit anbelantge, belegte Deutschland einen Spitzenplatz.
4. Wandel der nationalen Identität in Deutschland
4.1.
Veränderungen der nationalen Identität durch sozialen und symbolischen
Praktiken
Flaggen und Wappen sind Symbole der nationalen Zusammengehörigkeit. Schwarz – Rot – Gold
sind die Farben, die seit dem 19. Jahrhundert für die Freiheit und nationale Einheit aller Deutschen
stehen. Alle Staatsformen bedienen sich politischer und nationaler Symbole. Sie sind Zeichen der
Identifikation mit dem Gemeinwesen, für das sie stellvertretend stehen (Pötzsch 2009).
Wie früher erwähnt wurde, etablierte die Französische Revolution mit der Trikolore ein Symbol des
Staates, das sich auf die Volkssouveränität gründet. Aber auch die deutschen Farben haben einen
revolutionären Ausgangspunkt. Schwarz – Rot – Gold steht seit dem 19. Jahrhundert für die Freiheit und die nationale Einheit der Deutschen (Pötzsch 2009).
In Kapitel zwei wurden die Praxistheorien von lediglich Pierre Bourdieu und Anthony Giddens definiert. Im folgenden Abschnitt wird diese Abhandlung sich mit der Praxis der deutschen Flagge
und nationalen Symbolen beschäftigen. Weiterhin wird meine These mit einem Wandel in der deutschen nationalen Identität mit einer diskursiven Konstruktion, die schon in den Schluss 1990’er
vom Organisationskomitee der Fußballweltmeisterschaft in 2006 und die Bundesregierung errichtet
wurde, erläutert. Das gesamte Ziel ist es zu erweisen, dass eine Änderung im Zusammenhang mit
dem Umgang mit diesen nationalen Symbolen geschehen ist und der konstruierte Diskurs über mehreren Jahren das Selbstbewusstsein und die nationale Identität der Deutschen verändert hat.
Pierre Bourdieu verwendet den Begriff symbolisches Kapital als den Kern für Respekt, Anerkennung und sozialen Status in den einzelnen Feldern. Die nationale Identität in Deutschland kann
durch die Präsenz von nationalen Symbolen repräsentiert werden. Deutschland hat sich als Land in
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diesem Zusammenhang, was die Zusammengehörigkeit und den Umgang mit nationalen Symbolen
anbelangt, verändert.
Schwarz – Rot – Gold sind die Farben der deutschen Flagge. Die deutsche Flagge wurde erstmals
als Erkennungszeichen der deutschen Burschenschaft auf dem Wartburgfest in 1817 präsentiert. Die
deutsche Flagge repräsentiert den Kampf für nationale Einheit und politische Freiheit (Pötzsch
2009).
Die nationale Flagge ist in den meisten Nationen ein wichtiges Element für die Bevölkerung, um
sich mit der Nation zu identifizieren. Die vielen Verbrechen des Dritten Reiches liegen wie zuvor
gesagt tief im Bewusstsein der Deutschen. Die Identifikation mit dem eigenen Land war für viele
Deutsche, wegen der Geschichte, ein Tabu. Im Folgendem wird dargelegt, dass dieses Tabu mit der
Flagge sich in den letzten 25 Jahren verändert hat.
Meine These ist es, dass die nationale Identität in Deutschland sich verändert hat. Da die Schwarz –
Rot – Goldene Flagge ein Symbol der nationalen Identität ist, wird dieser Abschnitt, mit Hilfe von
Aussagen vom Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg, die Veränderungen im Umgang
mit der deutschen Flagge erläutert.
Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg teilt den Wandel der nationalen Identität nach
dem Zweiten Weltkrieg in drei Phasen auf, wo Deutschland durch sportliche Großereignisse verändert wurde. 1954, 1990 und 2006 sind die Daten, die von Kronenberg verglichen werden.
„1990 war Schwarz – Rot – Gold in der Öffentlichkeit kaum präsent. 2006 wurde der Umgang mit
den Nationalfarben zu jener Selbstverständlichkeit, die wir in den vergangenen Tagen auch beobachten konnten – gerade bei der jüngeren Generation“. (Pfundt 2012)
Kronenberg erklärt, dass dieser neue Umgang mit der deutschen Flagge ein Ausdruck der Sympathie mit dem eigenem Team ist, was hier als Stellvertreter für die eigene Nation gelten kann. Außerdem ergänzt er, dass er natürlich nicht nur wegen der Begeisterung für die Sportereignisse diese
drei Daten erwähnt. Denn eine solche Euphorie findet auch in anderen Staaten statt. Er pointiert,
dass die Jahre 1954, 1990 und 2006 aufrichtige spezifische deutsche politisch – gesellschaftliche
Zäsuren und kulturelle Entwicklung markieren (Pfundt 2012).
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Wird Pierre Bourdieus symbolisches Kapital in Verbindung mit den Deutschen und deren nationaler
Identität wiedergegeben, kann behauptet werden, dass Deutschland als gemeinsames Land an symbolischem Kapital gewonnen hat. Im Abschlussbericht der Fußballweltmeisterschaft in 2006 bestätigen Berichte, dass in Ländern in denen Deutschland auch vor der WM 2006 großes Ansehen hatte,
dies bei denen bekräftigt wurde. In Ländern mit einer eher kritischen Auffassung der Deutschen
führte die WM 2006 vielfach zu einer Infragestellung von alten Stereotypen (Abschlussbericht WM
2006:24).
Deutschland und seinen Menschen wurden eine neue Entspanntheit, Freundlichkeit und Emotionalität bestätigt. Die typische Darstellung des deutschen Volkes mit Definitionen wie Ordnung, Gründlichkeit, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Sicherheitsbewusstsein wurden mit Begriffen wie Offenheit,
Gastfreundschaft, Herzlichkeit, Lebensfreude und Fairness vervollständigt. Auch die alten Vorurteile wie Sturrheit, Humorlosigkeit, emotionale Kälte und Fremdenhass wurden durch die Anstrengungen, einen guten Gastgeber zu sein, weggewichen (Abschlussbericht WM 2006:24).
Aus dem Abschlussbericht der WM 2006 ist ein neues Muster der deutschen Identität zu erkennen.
Die Auffassung der Deutschen im Ausland und die Selbstauffassung haben sich nach dem Zweiten
Weltkrieg mittlerweile verändert. Durch diesen neuen Umgang mit der Flagge als Nationalsymbol
kann konkludiert werden, dass der Habitus der Deutschen sich in den letzten 25 Jahren zu etwas
sehr positives entwickelt hat. Der neue gastfreundliche und offene Diskurs wird sowie bei dem
deutschem Volk, wie auch im Ausland positiv begegnet.
Wird Anthony Giddens´ Theorie der sozialen Praxis betrachtet, kann der neue Umgang mit der
Flagge in zwei Teile aufgeteilt werden, das praktische Bewusstsein und das diskursive Bewusstsein.
Durch das praktische Bewusstsein hat das Individuum ein Wissen von den meisten Handlugen, die
unternommen werden. Wird der Umgang mit der nationalen Flagge als Nationalsymbol mit dem
praktischen Bewusstsein verglichen, ist es über Zeit normalisiert, dass die Flagge öfter in der Praxis
verwendet wird.
„Ganz so „schwarz – rot – geil“ wie während der WM vor sechs Jahren ist Deutschland zwar nicht
– dafür sind die nationalen Insignien nun auch zwischen den sportlichen Großveranstaltungen nicht
mehr Tabu. In vielen Vorgärten hängen Deutschlandfahnen inzwischen das ganze Jahr über. Und
niemand stört sich mehr daran“ (Schulte von Drach 2012)
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Hier gibt es eine eindeutige Indikation darauf, dass es eine Veränderung in dem Umgang mit der
deutschen Flagge gegeben hat. Das Individuum ist durch diese Normalisierung der nationalen Flagge geprägt worden, und vieles deutet darauf hin, dass das Individuum sich schnell mitreissen lässt.
Es ist für die Deutschen logisch, die Schwarz – Rot – Goldenen Farben als Symbol der nationalen
Identität zu verwenden. Durch das praktische Bewusstsein ist es für Deutsche zur Routine geworden, ein nationales Symbol wie die Flagge bei Feierlichkeiten und Großveranstaltungen mitzubringen und zu benutzen. Das praktische Bewusstsein und der neue Umgang mit den deutschen Farben,
liegen mittlerweile im Habitus der Deutschen. Die Flagge ist durch diese Normalisierung den letzten Jahre von den Deutschen als Nationalsymbol akzeptiert worden.
Giddens spricht auch von einem diskursiven Bewusstsein, das er in seiner Praxistheorie hervorhebt.
Hier hat das Individuum ein genaues Wissen von den Handlungen, die unternommen werden.
Hiermit hat das Individuum die Möglichkeit, über seinen Handlungen zu reflektieren, und damit
auch die Möglichkeit, die Handlung zu ändern.
In diesem Zusammenhang ist der neue Umgang mit der Flagge als nationales Symbol eine bewusste
Entscheidung des Individuums. Die jüngere Generation ist ihrer nationalen Identität mehr bewusst
und versucht sie nicht zu verbergen.
Das Individuum ist durch mehreren Jahren hier auch von außenstehenden Faktoren beeinflusst worden. Die Veranstalter der Weltmeisterschaft 2006 und verschiedene Politiker haben über mehrere
Jahre das deutsche Volk durch Reklamen und Slogans beeinflusst. Der Slogan der WM 2006 lautete: „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Ein klarer Diskurs ist hier über mehrere Jahre vom Organisationskomitee und von der Bundesregierung konstruiert worden.
„Die enorme positive Resonanz auf die erste Fußball-WM in Deutschland nach der Wiedervereinigung ist neben den sportlich Verantwortlichen vor allem für diejenigen eine Auszeichnung, die jahrelang das Großereignis in Bund, Ländern, WM-Städten und natürlich dem von Franz Beckenbauer
geleiteten Organisationskomitee (OK) vorbereitet haben. Die Bundesregierung hat über Jahre in
WM-Fortschrittsberichten, den der im Bundesministerium des Innern angesiedelte Stab WM 2006
in Abstimmung mit allen Ressorts und weiteren Partnern erstellte, einen Großteil dieser Arbeiten
dokumentiert und im Kabinett begleitet. Von daher ist nur konsequent, dass wir nun auch einen
offiziellen WM-Abschlussbericht vorlegen, in dem Sie nicht nur vielfältige Zahlen, Grafiken, Bilder,
Studien und Auswertungen finden, sondern auch schon historisch zu nennende Dokumente wie die
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1999 von der Bundesregierung gegenüber der FIFA abgegebenen Regierungsgarantien (Anhang
II). Möge der Bericht, der belegt, dass eine Fußball-Weltmeisterschaft weit mehr als ein reines
Sportereignis ist, auch Veranstaltern von zukünftigen sportlichen Großveranstaltungen hilfreich
sein.“ (Abschlussbericht WM 2006:7)
So dankte der damalige Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, dem Organisationskomitee für „das Sommermärchen“, wie viele die WM 2006 damals beschrieben.
In seinem Dank ist der Diskurs deutlich beschrieben. Jahrelang war die WM in Deutschland schon
geplant. Planung, Vorbereitung und politischer Einfluss fingen schon in den Schluss 1990’er in der
Regierungszeit Helmut Kohls an. Es kann diskutiert werden ob, die damalige Bundesregierung,
nach dem Fall der Mauer und die Wiedervereinigung mit der DDR, nach eine gemeinsame nationale Identität suchten um das Selbstbewusstsein der Deutschen zu verstärken.
„Und die WM-Begeisterung war selbstverständlich parteiübergreifend, begann unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl, ging über zu Gerhard Schröder und dann weiter zu Angela Merkel. Hervorheben möchten wir die Sportminister Otto Schily und Wolfgang Schäuble, weil in ihrem Haus,
im Innenministerium also, alle Fäden aus den verschiedenen Ministerien zusammenliefen.“ (Abschlussbericht 2006:8)
Franz Beckenbauer, Präsident des Organisationskomitees, beschreibt die Weltmeisterschaft 2006 in
Deutschland als ein großes „Gemeinschaftswerk“, das von Anfang an, schon während der Bewerbungsphase, deutlich klar machte, dass nicht nur „das Fußball – Lager“ die Gastgeber dieser Großveranstaltung sein sollte, sondern die ganze Nation sollte beteiligt werden. Schon 1999 wurde gegenüber der FIFA Regierungsgarantien von der Bundesregierung abgegeben. Die Regierungsgarantien waren eine Grundvoraussetzung für eine Kandidatur als Organisator der Fußballweltmeisterschaft in 2006 (Abschlussbericht 2006:7-8).
Wie erwähnt besteht die Möglichkeit, dass der politische Diskurs der Bundesregierung nach der
Wiedervereinigung auf das nationale Bewusstsein und die Identität der Deutschen einen stärkenden
Einfluss hatte. Hiermit kann die WM 2006 in Wirklichkeit einen lange gesuchten und notwendigen
Katalysator für eine Veränderung des Selbstbewusstseins der Deutschen gewesen sein. Es kann
durchaus diskutiert werden, ob die Regierung unter Helmut Kohl und nach der Wiedervereinigung
schon damals versuchten, den Diskurs in diese Richtung zu leiten. Eines war dennoch klar, nämlich
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dass die deutsche nationale Identität nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung eine gemeinsame Zugehörigkeit finden sollte.
Wird Ausganspunkt in dem Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ genommen, wird deutlich gemacht, in welche Richtung das deutsche Volk sich bewegen muss. Diese diskursive Konstruktion,
wo Deutschland als eine willkommen heißende, offene und gastfreundliche Nation dargestellt wird,
kann sich in dem diskursiven Bewusstsein der Deutschen eingeprägt haben. Der Slogan wurde
schon am 19. November 2002 präsentiert, und dadurch hatte das deutsche Volk viel Zeit, sich daran
zu gewöhnen. Der Diskurs wurde natürlich auch durch den heftigen Medienaufwand gefördert. Eine
neue Kultur wurde mit dem sogenannten „Public Viewing“ geschaffen. Chef der Berliner Tourismus Marketing GmbH, Hanns Peter Nerger, verkündete in 2004 schon, dass die WM 2006 ein Riesenschub für Berlin und auch Deutschland werden konnte.
„Es wird zahlreiche Live-Übertragungen auf Großleinwand und Veranstaltungen aller Art geben."
Die Stadt müsse diese Chance nutzen und ihre Gastgeberrolle wahrnehmen. "Die Bilder werden um
die ganze Welt gehen - das ist ein Riesenschub für Berlin." (Wick & Mechler 2004)
Die neue Kultur und das „Public Viewing“ gaben zu einer ganz neuen Dimension Anlass. Früher
war es so, dass man nicht brauchte, nach der Stadt zu reisen, wo das Spiel ausgetragen wurde, wenn
man keine Eintrittskarte hatte. Dies wurde damals geändert. Heute heißt es, dass alle willkommen
sind, ob man ins Stadion geht oder nicht. Hauptsache ist, dass Fußball gefeiert wird. (Neumayer
2011)
Diese Initiative von 2006 hat sich schnell verbreitet. Auch bei den Europameisterschaften 2008,
2012 und bei der Weltmeisterschaft in 2010 waren diese „Fanmeilen“ überaus populär. Hier können
sich die Deutschen treffen und die Zusammengehörigkeit und die Euphorie erleben. Das „Public
Viewing ist gekommen, um zu bleiben.
Diese Großveranstaltung war für Deutschland auch eine gute Gelegenheit das Deutschlandbild, das
viele Jahre im Schatten des Dritten Reiches gestanden hatte, zu ändern. Darüber hinaus gab die WM
2006 Deutschland eine Riesenmöglichkeit, sich nach außen zu exponieren. Der damalige Bundespräsident, Horst Köhler, rief die Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ ins Leben.
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„Die WM bot die große Chance, Deutschland als weltoffenes, sympathisches und zukunftsfähiges
Land zu zeigen und die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie nachhaltige Innovationskraft
des Wirtschaftsstandortes zu vermitteln“. (Abschlussbericht WM 2006:75)
Das Ziel dieser Initiative war laut Köhler war, im In- und Ausland das aktuelle Deutschlandbild zu
vermitteln und damit das Ansehen Deutschlands positiv zu beeinflussen. Diese Weltmeisterschaft
hat in vielen Ländern weltweit einen guten Ausdruck hinterlassen, und Deutschland hat durch die
farbenfrohen und friedlichen Bilder, die um die Welt gingen, einen erheblichen Imagegewinn erfahren. (Abschlussbericht 2006:75&25)
Aus der Botschaft in London lautete die Überschrift wie folgt:
„Kein Ereignis dürfte seit dem Mauerfall das Deutschland-Image so intensiv und so positiv beeinflusst haben. Immer wieder wurden wir hierzu aus der britischen Öffentlichkeit beglückwünscht ...
Das Deutschlandbild hat sich zu einer fast überschwänglichen Wahrnehmung entwickelt.“ (Abschlussbericht 2006:25)
Wird dieses neue Deutschlandbild mit Bourdieus symbolischem Kapital in Verbindung gesetzt, ist
durchaus zu erkennen, dass Deutschland weltweit an symbolischem Kapital gewonnen hat. Die nationale Identität der Deutschen kam, durch die Euphorie und gute Stimmung während diesem Großereignis, weltweit positiv zum Ausdruck. Das heißt, dass Deutschland in der ganzen Welt einen
Riesenimagegewinn erreicht, und das wirkt auf das Selbstbewusstsein und die nationale Identität
der Bevölkerung ein.
4.2.
Weltmeisterschaft in 2006 in Deutschland als Katalysator des Wandels
Im vorigen Kapitel wurde von dem freundlichen, offenen und gastgebenden Diskurs, der über mehrere Jahre von den Veranstaltern und von den Politikern aufgebaut wurde, berichtet. Diese neue
Auffassung des Deutschseins wurde auf vorzügliche Weise durch die Fußballweltmeisterschaft in
2006 in Deutschland exponiert.
In diesem Abschnitt wird die WM 2006 und die Frage, wieso diese Großveranstaltung einen enormen Katalysatoreffekt auf die deutsche nationale Identität hatte, näher analysiert. Experten haben
verschiedene Meinungen von diesem unschuldigen Patriotismus. Dennoch weisen Untersuchungen
auf einen positiven Effekt hin.
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Ulrich Schmidt – Denter, Professor für Psychologie an der Universität von Köln, ist wegen seiner
Forschung auf dem Gebiet des Deutschseins in dieser Arbeit schon erwähnt worden. Über zehn
Jahre hat Schmidt – Denter das Selbstbewusstsein der Deutschen und die Frage, wie die Nachbarländer die Deutschen auffassen, untersucht. Das Ergebnis zeigte, dass die nationale Identität in
Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern am schwächsten war. In den Untersuchungen bewerteten sich die Deutschen als eine fremdenfreundliche und sehr selbstkritische Nation (Braun 2012).
„Ich finde mein eigenes Land sehr sympathisch“, so lauteten die Statements der Schweizer, Franzosen und Polen, wohingegen die Deutschen folgendes aussagten, „Ausländer haben viele positive
Eigenschaften, die uns Deutschen fehlen.“ Die Verschiedenheiten waren deutlich zu erkennen.
Aus Zufall fiel die WM 2006 in dem Untersuchungszeitraum, und die Großveranstaltung wurde zu
einem spannenden Gegenstand in den gesamten Untersuchungen zu der nationalen Identität.
„Das Großereignis hat Deutsche und Ausländer zusammengeführt. Es hat auf der einen Seite den
Nationalstolz der Deutschen gestärkt und zudem die Toleranz und Fremdenfreundlichkeit vergrößert. Viele denken ja, dass das eine das andere ausschließt, aber das Gegenteil war hier der Fall.“
(Braun 2012)
Die Untersuchungen zeigten auf der Grundlage dieses Zufalls, dass der neue Patriotismus die eigene
Identität stärkte. Durch diese Selbstsicherheit war man auch im Stande, freundlicher und offener
gegenüber Fremden zu sein. Anhand seiner Forschung konnte Schmidt – Denter feststellen, dass
Jugendliche mit Einwanderungshintergrund sich besser mit Deutschland identifizieren konnten. Der
Grund dafür ist, dass es für Einwanderer auch attraktiver ist, sich mit Deutschland zu identifizieren,
wenn die Deutschen gerne deutsch sind (Ulrich Schmidt – Denter).
Wird in diesem Zusammenhang die Weltmeisterschaft 2006 als ein Mittel zur Integration mit der
Definierung des Nationenbegriffs von Benedict Anderson verglichen, sind die Motive dazu durchaus zu erkennen.
„Den Meisten aber scheint es um das Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Identifikation mit einer
Gruppe zu gehen, deren Mitglieder man an nationalen Insignien erkennt.“ (Schulte von Drach
2012)
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Benedict Anderson definierte die Nation als eine vorgestellte Gemeinschaft. Die Nation bestand aus
einer Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Sprache und dieselben kommunikativen Möglichkeiten und Werte und dieselbe Geschichte teilen. Hierdurch entsteht ein Bündnis, das sie nicht
mit anderen haben. Im Zusammenhang mit der WM 2006 hat die Euphorie, Offenheit, Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Deutschen zu einer größeren Verbundenheit der Einwanderer geführt.
Das Gefühl, zu der Gruppe zu gehören, ergibt ein gemeinsames Bündnis quer durch die ganze Nation. Egal ob deutschstämmig oder türkischstämmig, die Fußballweltmeisterschaft 2006 stärkte das
Bündnis zur gemeinsame Nation und dadurch auch die nationale Identität.
Schmidt – Denter ergänzte letztlich zu dem, was er in seinem Untersuchungen herausfand, dass,
wenn bei Deutschen Nationalstolz und nationale Identität nicht geschätzt werden, wie können dann
Einwanderer das Deutschsein attraktiv finden. (Braun 2012)
Durch die Untersuchungen von Professor Ulrich Schmidt – Denter wurde gezeigt, dass die Fußballweltmeisterschaft in 2006 in Deutschland einen ausschlaggebenden Katalysatoreffekt für den
Wandel der nationalen Identität hatte. Aber nicht nur seine Forschungen deuteten auf eine Veränderung des Selbstbewusstseins hin. Auch mehrere Experten, Wissenschaftler und Politiker sahen eine
neue positive Vereinigung des deutschen Volkes.
„Ich bin sicher: Dieser Sommer 2006 wird uns noch lange im Gedächtnis und in den Herzen bleiben. Wir werden uns an schöne Stunden erinnern, an große Spiele und an Menschen aus der ganzen
Welt, die wir als Freunde gewonnen haben. Möge die Stimmung, mit der wir uns als Deutsche der
Welt präsentiert haben, weit über diesen Sommer hinausreichen! Die Ausländer haben uns nicht
zugetraut, dass wir länger als eine Stunde fröhlich sein können.“ (Abschlussbericht 2006:12)
Dies waren die Worte der damaligen und jetzigen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dieses „Sommermärchen“, wie viele die WM 2006 nannten, war ein Sprungbrett für den Wandel der nationalen
Identität. Die euphorische Stimmung, farbenreiche Fahnen und Gastfreundlichkeit kamen diesen
Sommer 2006 in Deutschland deutlich zum Ausdruck.
Die versuchte diskursive Konstruktion, die Ende der 90‘er Jahre von dem Organisationskomitee
und der Bundesregierung definiert wurden, hat nach dieser Großveranstaltung eine Hochkonjunktur
erfahren. Dieser positive Patriotismus wurde nicht nur von dem deutschen Volk, sondern auch im
Ausland gut begrüßt. Deutschland als Nation und das Deutschsein wurde weltweit exponiert.
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Dieser Abschnitt hat sich hauptsächlich mit den positiven Seiten der Weltmeisterschaft in 2006 beschäftigt. Allerdings gibt es auch Kritiker, die den neuerworbenen positiven Patriotismus problematisch sehen. Das Problem liegt darin, dass viele nicht zwischen Patriotismus und Nationalismus
unterscheiden können. Wilhelm Heitmeyer erklärt, dass der Patriot stolz auf die Demokratie und auf
die sozialen Errungenschaften in seinem Land ist, ohne dass er es mit anderen Ländern vergleicht.
Der Nationalist ist dementgegen stolz, Deutscher zu sein, und auch stolz auf die deutsche Geschichte (Schulte von Drach 2012). Wissenschaftler an der Universität Marburg ergänzen Heitmeyers
Theorie. Ihnen ist es gelungen, durch empirische Untersuchungen zu belegen, dass diese Begriffe
sich voneinander trennen lassen. Ihre Forschung zeigte, dass Nationalismus einhergeht mit Fremdenfeindlichkeit, wohingegen Patriotismus diese Absicht eher nicht vorwies (Schulte von Drach
2012; European Sociological Review, Bd.28, S.319-332).
Die Gefahren die bei diesem neuen Patriotismus lauern können, sind z.B. Extremisten die einen
Versuch machen ihre extremen ideologischen Haltungen bei verschiedenen Großveranstaltungen zu
exponieren.
Leider passiert es, dass wenig negative Menschen es versuchen für die Mehrzahl von positiven
Menschen zu zerstören. Glücklicherweise handelt sich um krasse Einzelzufälle ergänzt Volker Kronenberg (Pfundt 2012).
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5. Schlussfolgerung
Das Ziel dieser Arbeit war es, den Wandel der deutschen nationalen Identität, durch diskursive
Konstruktionen und symbolische und soziale Praktiken, aufzuzeichnen. Meine Behauptung war es,
dass die nationale Identität in den letzten 25 Jahren wegen ausgewählten historischen Großveranstaltungen sich verändert hat. Als ausgewähltes Großereignis wurde der Fußballweltmeisterschaft in
2006 in Deutschland ausgesucht. Mit zu meiner These galt die Weltmeisterschaft 2006 als ein
Sprungbrett für den behaupteten Identitätswandel.
Die Abhandlung ist in zwei Teile gegliedert, und zwar in einen theoretischen und einen analytischen Teil. Im theoretischen Teil wurden die Praxistheorien der Soziologen Pierre Bourdieu und
Anthony Giddens behandelt und definiert. Als Analyseobjekt wurde der Umgang mit den deutschen
Nationalfarben Schwarz – Rot – Gold und insbesondere mit der Fahne ausgewählt.
Es wurde bestätigt, dass die nationale Flagge für die meisten Nationen ein wichtiger Identifikationsfaktor mit der Nation ist. Dennoch hat es in Deutschland eine große Zurückhaltung gegeben, wenn
es um eine Identifikation mit der Nation ging. Der Anlass zu dieser Bescheidenheit kann in den
vielen Verbrechen, die im Dritten Reich begangen wurden, gefunden werden. Die Scham, sich mit
Nazideutschland identifiziert zu werden, lag vor 2006 immer noch tief im Bewusstsein der Deutschen.
Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg beschrieb drei Phasen, (1954, 1990, 2006), die
für Deutschland aufrichtige, spezifische, politische und gesellschaftliche Zäsuren und kulturelle
Entwicklung markierten. Kronenberg erklärte, dass 1990 Schwarz – Rot – Gold in der deutschen
Öffentlichkeit kaum anwesend war. 2006 hingegen wurde der Umgang mit den Nationalfarben für
die Deutschen zu einer Selbstverständlichkeit. Dieser neue Umgang mit den Nationalfarben war ein
Ausdruck der Sympathie mit der Mannschaft, die in diesem Zusammenhang als Stellvertreter der
Nation gelten sollte.
Durch die Praxistheorie von Anthony Giddens wurde das praktische und diskursive Bewusstsein
festgelegt. Hier wurde festgestellt, dass der neue Umgang mit den Nationalfarben über Zeit durch
eine Normalisierung geprägt worden war. Das Anwenden von nationalen Insignien war nicht mehr
Tabu und wurde von dem deutschen Volk nicht schlecht angesehen. Diese Veränderungen im Umgang mit den nationalen Symbolen indizieren den Identitätswandel, der in den letzten 25 Jahren
stattgefunden hat.
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Durch das diskursive Bewusstsein wurde bewiesen, dass die Deutschen durch eine diskursive Konstruktion, die zurück zu dem Ende der 1990’er Jahre verfolgt werden kann, beeinflusst worden sind.
Dieser Diskurs hat sich in dem Bewusstsein der Deutschen festgesetzt und das Selbstbewusstsein
über Zeit verändert.
Der neue gastfreundliche und offene Diskurs ist dem Abschlussbericht der Weltmeisterschaft 2006
zu entnehmen. Etliche Aussagen von Toppolitikern und dem Organisationskomitee mit Franz Beckenbauer an der Spitze und die ganze Organisierung der WM 2006 deuteten darauf hin, dass die
Deutschen einen Generationenwechsel, was die nationale Identität anbelangt, durchlaufen mussten.
Der Generationenwechsel kam mit „dem Sommermärchen“ wunderbar zum Ausdruck. Der Katalysatoreffekt der WM 2006 war ein Zeichen dafür, dass das Selbstbewusstsein und die nationale Identität der Deutschen sich verändert hatten.
Es wurde durch diese Abhandlung bewiesen, dass die Deutschen durchaus einen Wandel durchgegangen sind. Dieser neuer Umgang mit den nationalen Symbolen und das verbesserte Selbstbewusstsein wurde überall gut begegnet. Deutschland hat sich als vorgestellte Gemeinschaft wiedervereinigt und allerseits im Inland und im Ausland an Imagegewinn gewonnen.
Die Deutschen können wieder zeigen, dass sie glücklich sind Deutsche zu sein.
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6. Literatur
 Abschlussbericht WM 2006 (2006), Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 11044 Berlin. Zugänglich via:
http://wm2006.deutschland.de/DE/Content/SharedDocs/Publikationen/abschlussberic
ht-bundesregierung-wm2006,property=publicationFile.pdf
 Andersen, Heine & Kaspersen, Lars Bo (2007): Klassisk og moderne samfundsteori.
Hans Reizels Forlag, 4. udgave
 Anderson, Benedict (2001): Forestillede fællesskaber, Roskilde Universitetsforlag.
 Braun, Maria (2012): Warum die Deutschen sich selbst nicht mögen. Zugänglich via:
http://www.welt.de/politik/deutschland/article13813483/Warum-sich-die-Deutschenselbst-nicht-moegen.html
 Den Store Danske – Gyldendals Åbne Encyklopædi: Nation. Zugänglich via:
http://www.denstoredanske.dk/Samfund,_jura_og_politik/Samfund/Statsbegrebet_og
_suver%C3%A6nitet/nation?highlight=nation
 Giddens, Anthony (1991): Modernitet og selvidentitet, Narayana Press
 Holmstrøm, Niels Christian (2006): VM – Kommentar: Deutschland über alles. Zugänglich via:
http://www.dr.dk/Sporten/VM+2006/VM+kommentar/2006/07/03/115618.htm
 Ivarsson, Søren (2007): Benedict Andersons forestillede fællesskaber Bd. 107, hft. 2
(2007) S. 509−537
 Neumayer, Ingo (2011): Was bleibt vom Sommermärchen? Norbert Schütte zu den
Folgen der WM 2006. Zugänglich via:
http://www.goethe.de/ges/mol/del/pan/de7844705.htm
 Pfundt, Kai (2012): ”Verspannung im Umgang mit Nationalsymbolen hat sich gelöst“: Zugänglich via: http://www.general-anzeigerbonn.de/news/politik/verspannung-im-umgang-mit-nationalsymbolen-hat-sichgeloest-id792932.html
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 Pötzsch, Horst (2009): Wappen, Flagge und Hymne. Zugänglich via:
http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-demokratie/39421/wappen-flaggeund-hymne?p=all
 Reckwitz, Andreas (2003): Zeitschrift für Soziologie; 32, 4; ProQuest.
 Schulte von Drach, Markus C. (2012): ”Party – Patriotismus ist Nationalismus”.
Zugänglich via: http://www.sueddeutsche.de/wissen/fahnenmeere-zur-em-partypatriotismus-ist-nationalismus-1.1394854
 Wick, Anemi & Mechler, Anna (2004): WM 2006: Ein Riesen – Schub für Berlin.
Zugänglich via: http://www.welt.de/print-welt/article330993/WM-2006-Ein-RiesenSchub-fuer-Berlin.html
Die wichtigsten Seiten des Abschlussberichtes liegen im Anhang
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