Wallfahrten und neues Pilgern Eine Wallfahrt zu machen oder einen Pilgerweg zu gehen, heißt nicht nur, einen religiös bedeutsamen Ort aufzusuchen. Es bedeutet vielmehr einen Weg in das eigene Innere zuzulassen, der von einer Offenheit für die Wirklichkeit und Vertrauen in Gott gekennzeichnet ist. Eine Wallfahrt, ein Pilgerweg können sowohl allein als auch in Gemeinschaft unternommen werden. Hier verwirklicht sich "im Kleinen" unser lebenslanges Unterwegs-Sein. Zugleich geht es um eine Erfahrung der Gegenwart Gottes, der auf allen Wegen bei uns ist. Neben den traditionellen (und neuen) Wallfahrten sind heute immer mehr Menschen auf "Pilgerwegen" unterwegs. Dies entspricht einem gesellschaftlichen Trend: - Menschen haben Sehnsucht nach ganzheitlicher Spiritualität und nach einer verlässlichen Gemeinschaft, die sie für die Zeit des gemeinsamen Unterwegsseins erleben. - Auf solchen Wegen erfahren sie wieder "Boden unter den Füßen", sie können "sein" - und das ist in einer sonst (über-)fordernden Umwelt ein wohltuendes Erlebnis. - Pilgerwege lassen oft auf das Wesentliche besinnen: Was brauche ich wirklich? - Das ist ein Gegenpol zu einem sonstigen "Immer-mehr". - Pilgerwege bieten eine Möglichkeit der Entschleunigung in einer immer beschleunigteren Welt. - Pilgerwege sind gesund und sie geben auch touristische Impulse... In diesem Sinn sind Pilgerwege und Wallfahrten mittlerweile immer wichtiger bei den Aktivitäten von Pfarren und katholischen Gruppen, aber auch in den Angeboten von Reiseveranstaltern, Buchverlagen, Bildungseinrichtungen und Wanderorganisationen. - An erster Stelle sind Pilgerwege aber immer noch "Glaubensschule" - wenn sie entsprechend gestaltet sind und das auf dem Weg Erlebte verdeutlichen können. "Wallfahrt" und "Pilgerweg" Zwischen diesen beiden Begriffen für eine "religiöse Reise" gibt es viele Ähnlichkeiten. Eine Charakterisierung mag jedoch helfen, die unterschiedlichen Schwerpunkte dieser Wege zu verstehen und nachzuvollziehen. Als Menschen sind wir auf der Erde immer unterwegs zu unserer ewigen Heimat in Gott. In diesem Sinn sind wir gleichsam "Fremde" (vom lateinischen Wort peregrinus = Fremder kommt das Wort Pilger). Dennoch sind wir in dieser Welt "zuhause". Diese Spannung zwischen dem Wunsch nach Sicherheit und immer wieder etwas Neuem, zwischen Stabilität und Mobilität, zwischen Festhalten an Gewohnheiten und Aufbruch in etwas Unbekanntes, zwischen Bewahren und Erneuern spüren wir bei verschiedensten Gelegenheiten. Dabei vertrauen wir, dass mit der Schöpfung und der Mensch gewordenen Solidarität Gottes in Jesus Christus letztlich alles in der Hand Gottes geborgen ist. Beim Pilgern geht es vorrangig um einige Grundhaltungen, die in allen Religionen und für das Menschsein insgesamt bedeutsam sind: - das Bewusstsein, als Menschen immer unterwegs zu sein - eine Konzentration auf das wirklich Notwendige und Wesentliche, weil alles Unnötige nur überflüssigen Ballast darstellt - Offenheit und Aufmerksamkeit für die umgebende Wirklichkeit, durch die Gott mit uns in Verbindung tritt usw. Das Ziel des Pilgerns ist das Gehen des Weges selbst. Dabei offenbart sich nicht selten eine Erfahrung von Freiheit. Ein Pilgerweg ist immer auch ein Weg zu sich selbst. Die persönlichen religiösen Überzeugungen können dabei sehr individuell sein. In einem weiteren Sinn kann man diese Pilgerhaltungen auch in den Alltag mitnehmen und dann so manches als Pilger-Erfahrung deuten. Eine Wallfahrt ist eine konkrete Unternehmung, die Menschen (oft mit einem bestimmten Anliegen) an einen besonderen religiösen (Wallfahrts-)Ort führt. Eine Wallfahrt ist eine religiöse Unterbrechung des Alltags, ja ein kleines Fest des Glaubens. Die persönliche Religiosität ist dabei eingebunden in den Glauben der Kirche. Natürlich sind auch die beschriebenen Pilgerhaltungen für eine Wallfahrt wertvoll, bleiben möglicherweise aber mehr im Hintergrund. Viel mehr beachtet man den erreichten Ort, seine Geschichte, die Spuren der Gläubigen (Heiligen), die hier waren, die Schönheit der Kirche usw. Pilgerweg und Wallfahrt sind kein Widerspruch. Es gibt auch beides in einem, wenn die jeweiligen Charakteristika bei den verschiedenen Etappen entsprechend hervortreten. Beide weiten den Horizont, vertiefen den Glauben und stärken das Vertrauen in Gott, der alles zum Guten führt bei den Menschen, die lieben.