Wilkommensrede und Einführung Tagung „Cyber-Risiken Schweiz“ 2. November 2015 : Die digitale Welt wird immer wichtiger, bunter, schneller und dabei vergessen wir sehr gerne die Risiken. Mir oder besser uns wird schon nichts passieren! Jedoch zeigen die jüngsten Ereignisse, wie verletzlich der Motor der Wirtschaft und der Gesellschaft ist, und wir müssen uns zu jeder Zeit fragen: was bedeutet das für uns, für die Schweiz? Tun wir genug im Kampf gegen die Risiken, die Unsicherheit und vor allem gegen gezielte Cyberangriffe? Wir müssen uns alle gemeinsam die Frage stellen: Wäre die Schweiz auf einen Angriff wie auf den Deutschen Bundestag vorbereitet? Wäre ein solcher Angriff auf den Bundesrat oder das Schweizer Parlament möglich? Ein solcher Angriff auf die Schweiz würde viele Beteiligte involvieren, uns über Monate aus der gefühlten Unsicherheit heraus reissen und möglicherweise eine reale Krise entstehen lassen. Können wir einen solchen Angriff mit der jetzigen Struktur und den bereits geleisteten Massnahmen bewältigen oder leben wir in einer gefühlten Scheinsicherheit? Darüber hinaus steigt die Anzahl der Delikte im Bereich der Computerkriminalität. Cyber-Crime beschäftigt die Polizeiorganisationen und die Staatsanwaltschaften durch eine Vielzahl technisch komplexer Verfahren und Methoden. Auch die Zunahme von Trojanern, also Schadprogrammen, die Banktransaktionen oder eCommerce Einkäufe zum Nachteil der Nutzerinnen und Nutzer manipulieren, um diese zu schädigen ist erheblich. Auch hier stellt sich die Frage: Tun wir genug, um den Polizeiorganisationen im Bund und in den Kantonen den Kampf gegen diese meist internationalen Tätergruppen zu ermöglichen? Die höchste technische Herausforderung stellt sich jedoch im Bereich der Kritischen Infrastrukturen: hier sind über Jahre Steuerungs- und Regelungssysteme entstanden, die nur durch Computersysteme kontrollierbar sind. Die Risiken für einen Staat und dessen Bevölkerung sind hier am höchsten, da das Schadensausmass durch gezielte Angriffe am grössten ist. Hier können echte und spürbare Krisen produziert werden. Stellen Sie sich einen Angriff auf die Energieversorgung oder das 1 Rentensystem vor. Solche Angriffe können sich schnell zu einer nationalen Krise ausweiten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundesrat hat 2012 die «Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken (NCS)» verabschiedet, mit dem Ziel, die Widerstandsfähigkeit der Schweiz auf Cyber-Angriffe zu stärken. Die Umsetzungsarbeiten sind seit fast 3 Jahren im Gang. An der diesjährigen Tagung sollen Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft und der Politik einen detaillierten Überblick über die eingeleiteten Massnahmen aus der Nationalen CyberStrategie und deren Umsetzungsstand erhalten. Zudem werden Ihnen auch die Zusammenarbeit und das Nutzen von Synergien mit der Armee sowie der Umsetzungsstand zur Erstellung der Bedrohungslage vorgestellt. Mit Hilfe von aktuellen Beispielen aus der Strafverfolgung und Methoden zur Identifikation der Täterschaft wird gezeigt, welche Dimension Cyber-Crime erreicht hat. Zum Abschluss der Tagung wird Ihnen in einer Live Vorführung gezeigt, welche Angriffsmöglichkeiten es auf Kritische Infrastrukturen gibt und wie einfach es fast Jeder und Jede tun könnte. Als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates ist für mich der Austausch mit Fachpersonen im Bereich Sicherheit - und dazu gehört natürlich die Cyber-Problematik - ein zentrales Thema. Nur durch diesen Austausch kann das Parlament gezielte Massnahmen zum Schutz der Schweiz und ihrer Bevölkerung treffen. In den letzten Jahren hat es in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) rasante Entwicklungen gegeben. Denken sie an all die etablierten Kommunikationsgeräte wie beispielsweise Smartphones oder Tablets. All die sozialen Netzwerke mit allen Informationen, welche vermehrt genutzt und auch ausgewertet werden. BigData lässt grüssen! Die Zahl der Internetnutzerinnen und –nutzer hat sich in den letzten zehn Jahren auf mehr als 3 Milliarden Menschen weltweit verdreifacht. Leider haben sich aber auch Kriminelle mit dieser technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung beschäftigt und sich diesen Umstand zu Nutzen gemacht, um entweder finanzielle oder politische Vorteile zu erwirken. Die Melde- und Analysestelle Informationssicherung MELANI beobachtet in den letzten Jahren einen 2 massiven Anstieg von technisch komplexen Angriffen. Auch merken die Betroffenen oft erst viel zu spät oder im schlimmsten Fall gar nie, dass sie Opfer eines CyberAngriffes geworden sind. Spätestens seit Snowden dürfen auch allgemein bekannt sein, dass hinter solchen Angriffen häufig auch Staaten stehen.Die fortschreitende Digitalisierung, die mit wirtschaftlichem und sozialem Wachstum einhergeht, zeigt uns, wie verletzlich das Internet und damit die eigenen Daten, die Privatsphäre und das Vertrauen in die Internettechnologie sind. Die Schweiz steht mit den Herausforderungen zum Schutz der Bürger, der Wirtschaft und des ganzen Landes im Internet nicht alleine da. Die nationale und internationale Kooperation ist wichtiger denn je, weil praktisch jeder Cyber-Angriff länderübergreifend ist und somit eine internationale Komponente enthält. Die Welt wurde in diesem Jahr mit zahlreichen Fällen konfrontiert: Zum Beispiel wurden der Bundesteuerbehörde der USA bei einem Angriff mehrere Millionen von Datensätzen gestohlen. Auch wurde die Schweiz für machtpolitische Zwecke missbraucht: So wurden beispielsweise die internationalen Atomgespräche mit dem Iran in Genf mit Hilfe von Computerviren ausspioniert. Täglich sind überall auf der Welt kritische Infrastrukturen zahlreichen Angriffen ausgeliefert, die Schäden in Milliardenhöhe anrichten. Die Wirtschaft kann dies auf Dauer nicht absorbieren. Die Schweiz hat das Problem erkannt und die «Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken (NCS)» entwickelt. Die Strategie verfolgt das Ziel, die Schweiz widerstandsfähiger gegen Cyber-Risiken zu machen. Im Zentrum steht dabei die Zusammenarbeit mit den Betreibern von kritischen Infrastrukturen, der Wirtschaft und den Kantonen. Um dem gegenüberzutreten und den Schutz vor Cyber-Risiken sowie die Anforderungen an eine vertrauenswürdige Infrastruktur zu stärken, geht die Schweiz konsequent ihren Weg: Die Umsetzung der «Nationalen Strategie der Schweiz vor Cyber-Risiken (NCS)» wurde deshalb weiter vorangetrieben. Dabei sind erste wichtige Ziele auf nationaler und internationaler Ebene erreicht worden. Internationale Kooperation ist wichtiger denn je. Das internationale und politische Umfeld ist jedoch geprägt von einer tiefen Unsicherheit und von Misstrauen der Beteiligten untereinander. Die internationale Gemeinschaft bemüht sich darum, mehr Transparenz zu schaffen, um das Vertrauen unter den Staaten und weiteren Akteuren zu erhöhen. Dies ist umso wichtiger, weil wir in einer Zeit leben, in der sich zwischenstaatliche Konflikte auch in unmittelbarer Nähe abspielen. Die Ukraine Krise 3 führt uns deutlich vor Augen, dass der Cyber-Raum tagein tagaus für die Austragung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Konflikte genutzt wird. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat als erste regionale Sicherheitsorganisation einen wichtigen Durchbruch geschafft, indem sie ein erstes Paket von vertrauensbildenden Maßnahmen verabschiedet hat, das eigens für die Cyber-Sicherheit entwickelt wurde. Im Rahmen des Schweizer Vorsitzes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurden in 2014 diese Massnahmen im CyberRaum umgesetzt und aktiv vorangetrieben. Die Schweiz setzt sich aktiv dafür ein, dass Spielregeln entwickelt werden, an die sowohl Staaten wie auch nicht-staatliche Akteure halten sollen. Ein solches Regelwerk wäre auch für das gemeinsame Verständnis über die Sicherheit im Internet von grosser Bedeutung. Wir müssen transparenter werden, mit anderen Staaten kooperieren und eine gemeinsame Stabilität erreichen. Die Schweiz ist engagiert, diesen Prozess voranzutreiben. Die Nationale Cyber-Strategie befindet sich im dritten Jahr ihrer Umsetzung, und die Arbeiten für die meisten Massnahmen sind fortgeschritten. So wurden Verwundbarkeitsanalysen für die erste von drei Gruppen kritischer Teilsektoren durchgeführt. Der Schutz dieser kritischen Infrastrukturen ist ein Schwerpunkt der Nationalen Cyber-Strategie, da Kritische Infrastrukturen die Verfügbarkeit von essenziellen Gütern und Dienstleistungen, wie etwa Energie, Kommunikation oder Verkehr, sicherstellen. Grossflächige Ausfälle wirken sich schwerwiegend auf die Bevölkerung und die Wirtschaft aus. Ebenso beeinträchtigen sie die Sicherheit und das Wohlergehen des Staates. Es gilt darum, mit der NCS diesen Schutz zu gewährleisten. Der Staat unterstützt dieses Vorhaben subsidiär und in Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren. Aus meinen persönlichen Erfahrungen, als ehemalige Mitarbeiterin der SBB und als Mitglied der Verkehrskommission des Nationalrates, ist mir sehr wohl bewusst, wie verwundbar Verkehrsinfrastrukturen sind. Entsprechend wichtig ist es, die Verwundbarkeiten von heute und morgen zu kennen und einen adäquaten Schutz zu gewährleisten. Die Umsetzungsarbeiten zur Erstellung eines einheitlichen Lagebildes sind gestartet und ein Lageradar zur Darstellung der Bedrohungslage wurde erstellt. Wir werden dazu ein Referat im Verlauf der Tagung hören. Durch die Nationale Cyber-Strategie konnte eine Steigerung der Handlungsfähigkeit aller beteiligten Organisationen und Akteure erreicht werden. Somit ist gewährleistet, dass Vorfälle rasch analysiert werden können, entsprechende 4 Massnahmen sofort eingeleitet werden, die Strafverfolgung effizient handeln kann und die Täterschaft schneller identifiziert werden kann. Wie im Bereich der Strafverfolgung und Attribution vorgegangen wird, wird in einem weiteren Referat vorgestellt. Zur Unterstützung der Vorfall-Analyse wurde der Verein «Swiss Cyber Experts (SCE)», in dessen Beirat ich tätig bin, gegründet. Dadurch können nun auch Experten aus dem Verein SCE beigezogen werden, um einen Vorfall zu analysieren. Ein weiteres wichtiges Ziel war die Gründung des Cyber NDB, einer neuen Einheit im Nachrichtendienst des Bundes, der im Bereich der Bearbeitung staatschutzrelevanter Vorfälle tätig ist. Ebenfalls hat sich die bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen der Nationalen Cyber-Strategie und der Armee stetig weiterentwickelt, und erste Synergien werden genutzt. Es ist wichtig, dass diese Zusammenarbeit gestärkt wird und die gemeinsamen Potenziale genutzt werden. Auch hierzu werden wir im Laufe des Tages Referate hören. Die beste Prävention und Reaktion nützt aber nicht viel, wenn es kein gezieltes Krisenmanagement und kein Kontinuitätsmanagement gibt, die dafür sorgen, dass die Geschäftsprozesse auch während einer Krise verlässlich und verfügbar sind. Auch hier wurden wichtige Meilensteine erreicht und nationale Übungen durchgeführt. Die Strategie sieht den Austausch von Erfahrungen im Bereich Bildung und Forschung (Kompetenzbildung) als besonders wichtig an. Ohne die notwendigen Massnahmen können wir den eigenen Bedarf an Fachpersonal nicht decken. Wir müssen schon heute junge Leute ausbilden und mit der Cyber-Problematik vertraut machen. Es geht auch darum, den Wirtschafts- und High-Tech Standort Schweiz weiter zu stärken und auszubauen. Wir müssen fördern und fordern. Das bereits Erreichte ist wichtig. Die Umsetzungsarbeiten der 16 in der Strategie enthaltenen Massnahmen sind aber noch lange nicht abgeschlossen und werden es wahrscheinlich auch nie werden. Auch 2016 werden wir alles unternehmen, damit die Schweiz das Internet weiterhin als sicheren, offenen und stabilen Raum für Wirtschaft, Behörden und Bürger nutzen kann. Das ist und bleibt unser aller Anspruch im digitalen Lebensraum. Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Sicherheitspolitik so zu gestalten, dass die Menschen in der Schweiz auch weiterhin sicher leben können. Es gilt, die heutigen und zukünftig potenziellen Gefahren wie Angriffe im Cyberbereich zu erkennen und abzuwehren. Um den Schutz vor Cyberangriffen zu verstärken, müssen alle Sicherheitsorgane und alle weiteren betroffenen Akteure eng zusammenarbeiten. Die Nationale Cyber-Strategie hat diese Zusammenarbeit gestärkt und wo nötig 5 gefördert. Damit die Schweiz gegenüber Cyber-Angriffen geschützt wird und auf die Gefahren von Morgen vorbereitet ist, müssen wir uns stetig weiter verbessern und die bereits sehr gute, organisationsübergreifende Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene weiter optimieren. Cyber-Angriffe können langwierige Schäden für unsere Wirtschaft haben, daher müssen wir den Wirtschaftsstandort Schweiz in dieser vernetzten Welt stärken und stetig weiterentwickeln. Wir müssen diesen Weg gemeinsam weiter beschreiten und sicherstellen, dass sich die Nationale CyberStrategie weiterentwickeln kann. Dem Bundesrat wird 2017 ein umfassender Schlussbericht mit einer Wirksamkeitsüberprüfung der Nationalen Cyber-Strategie und der Analyse der Einhaltung des Umsetzungsplanes vorgelegt. Die Arbeiten zur Wirksamkeitsüberprüfung haben schon begonnen, und auch die Armee sowie die Kantone sind in diesen Prozess eingebunden. Ziel der Wirksamkeitsüberprüfung ist es, einerseits die Umsetzung der Massnahmen zu beurteilen und anderseits die dezentrale Struktur zu beurteilen, die für die Umsetzung der Nationalen CyberStrategie gewählt wurde. Die Resultate werden zeigen, was wir mit der NCS erreicht haben, wo wir stehen, wohin wir hin müssen und wo es Optimierungsbedarf gibt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche Ihnen eine interessante Veranstaltung und spannende Gespräche untereinander. Nutzen Sie diesen Anlass als Informationsquelle, tauschen Sie sich aus und helfen Sie dabei, die Schweiz in einer vernetzten und globalisierten Welt sicherer zu machen. Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen. 6