Gebet zu zweit Erfahrung mit Gebet und Chance zu erweitertem Gebetsverständnis Geistes Gegenwart als heilsame und entlastende Triangulierung Die Praxis 2 sitzen nebeneinander und schauen auf einen dritten Punkt ihrer Wahl (Fenster, Landschaft, Kreuz, Kerze ...). Ort nach eigener Wahl, am besten ungehört und ungestört, also nicht zusammen mit anderen in einem Raum. Sie stehen auf und geben gegenseitig den Friedensgruß. Sie sagen nur das, weiter nichts, keine Privatheiten. Sie setzen sich. A beginnt mit einem ‚öffentlichen’ Gebet vor den Ohren von B, die die Person und die Gegenwart Gottes repräsentieren. Dies Gebet von A besteht lediglich darin, alles, was aufsteigt zu sagen – mit der Vorstellung es in der Gegenwart des Geistes zu sagen. Assoziationen, Gedanken, Bilder, Schweigen, Unlust, Unsinn usw. – wenn A etwas sagen möchte, aber es nicht sagen will vor den Ohren von B, dann sagt A z.B. „Mir liegt etwas auf dem Herzen, aber das kann ich noch nicht sagen.“ – keine Verrenkungen in Richtung Offenheit, aber auch keine falsche Scheu. Sagen, was ist. Im Lauf wiederholen Tuns verändert sich die Atmosphäre oft stark. Meist in Richtung auf selbstverständliche Offenheit (vor Gott und einem Menschen). B hört zu und sagt nichts, außer einem gelegentlichen ‚hm’ oder einem Zeichen, dass er, sie noch da ist und Anteil nimmt. Wenn etwas unverständlich ist, bleibt es unverständlich. Die Hand kann mal in den Rücken von A wandern, wenn ein Kummer aufsteigt oder sonstige Anteilnahme verlangt ist. Aber stumm. Das geht 10 Minuten. B nimmt die Zeit und gibt ein Zeichen, wenn sie abgelaufen ist Dann stehen beide auf, geben sich gegenseitig den Friedensgruß, setzen sich wieder. Nichts sonst sagen. Dann Rollentausch, B spricht, seufzt, schweigt. A hört zu wie vorher B. Nimmt auch die Zeit wie vorher B. 10 min. Abschluss wie vorher durch den Friedensgruß. Keine Kommentare danach („Ach, wie offen du gesprochen hast.“ ö.ä.)! Nichts an Dritte weitertragen. Auch nicht zueinander außerhalb der Gebetszeit auf das zurückkommen, was dort angesprochen wurde. Auch aufs eigene nicht. Diese Gebetszeit ist eine ‚Insel’ ohne Verbindung zum sonstigen Reden. Was dort gesprochen wird, wird nur dort gesprochen. Die Übung ist sinnvoll, wenn sie mindestens zweimal innerhalb eines Seminars oder Treffens möglich ist. Gute Zeiten dafür sind der Morgen und/oder der Abend. Steigerung für ‚Fortgeschrittene’ nach dem 2. Mal: A spricht 9 min in der anderen Gegenwart und in der von B. In der letzten Minute wendet sich B selbst an Gott und betet für A. 1 B nimmt dabei etwas von dem auf, was sie gehört hat und hält es dem Himmel gewissermaßen hin, damit es dort aufgehoben wird. Sinn und Perspektive der Übung Das ganze ist eine Vorübung für eigenes stilles Gebet, das sich an eine Adresse wendet, die mir gewogen ist. Wer in Gegenwart eines Menschen und des Geistes so frei geredet, gebetet hat, wird es vielleicht auch allein tun können – es kann eine Hilfe sein, dass die andere (menschliche) Gegenwart mitempfunden wird. Dann ist es unter Umständen leichter, sich allein in die Gegenwart des Lebendigen zu stellen. Außerdem wird eingeübt, unter Gebet (auch) das freie Aufsteigen der elementaren Gedanken und Gefühle zu verstehen. Viele Menschen denken, sie müssten bestimmte Wörter verwenden oder dürften nur existenziell Bedeutsames vorbringen, damit es sich (für Gott) lohnt. Damit erhöhen sie die Schwelle für’s Gebet, installieren Zulassungsbeschränkungen und beten unter Umständen gar nicht mehr, eingeschränkt oder nur formelhaft. Diese Gebetsweise ist kein Widerspruch gegenüber dem geformten oder formulierten Beten. Es ist dessen Rück- oder Innenseite. Die Hochgebete (zb Psalmen und Choräle) haben alle einmal mit Seufzen und Assoziationen angefangen und sind erst im Lauf langer Zeit und Erfahrung zu der jetzigen Form geronnen. Schließlich kann diese Praxis des Zweiergebets eine Vorform der Beichte sein. Die Grundhaltung beider ist: Ich halte mich auf in der Gegenwart Gottes. Ich rede dabei, oder ich höre – in jedem Fall in der Gegenwart. Im Bild gesprochen bilden wir beide zusammen mit dem Lebendigen ein Dreieck. > Für mich als Hörender ermöglicht es Weitergabe des Gehörten an Gott und Zuweisung von Gotteskraft an den Sprechenden. Dabei bin ich Durchlass in beide Richtungen. Ich befinde mich selbst wach in einer Art Gebetszustand. Dabei bin ich präsent für den anderen Menschen neben mir in einer Art von schwebender Aufmerksamkeit, wissend, dass ich nicht das einzige Gegenüber des anderen bin. Was vom anderen Menschen kommt, bleibt nicht allein in mir hängen, sondern fließt ab - dauernd. Insofern bin ich gemeint und zugleich nicht. Hilfreiche innere Sätze für diesen Zustand können zb sein: „Schau auf uns, Gott.“ „Nimm hin, was wir jetzt sind.“ „Wandle alles zum Guten (hin zu dir).“ < Für mich als Sprechendem ermöglicht es die Selbstwahrnehmung im Sprechen und Sinnen im Licht einer anderen Instanz (in der Gegenwart Gottes). Gleichzeitig wende ich mich in die geschwisterliche Gegenwart des anderen Menschen. Wer neben mir sitzt ist er selbst und gleichzeitig symbolisch ‚das Ohr’ der anderen Gegenwart. Es kann sein, dass die beiden Sitzenden im Verlauf dieser Praxis ihrerseits von einem anderen Geist der Geschwisterlichkeit berührt oder erfasst werden, der nicht allein aus dem ‚sym-pathein’, dem Mitfühlen gespeist wird. Es kann sich eine eher existenziale GleichSchwingung in und vor der dritten Instanz einstellen, die tief verbindet, ohne dass man sich mögen muß. 2 Gott wird hier nicht als ‚Gegenüber’ oder als ‚Objekt’ verstanden, das ein Objekt ist wie andere auch. Dass wir uns gemeinsam (wie in einer Kirche) in eine dritte Richtung wenden und nicht einander gegenübersitzen, will lediglich zeigen, dass wir beide synchron ausgerichtet sind. Gott, das heißt hier Geistes Gegenwart, ist der Gesprächsraum, der schon immer war, ist und sein wird und unser Reden und Hören erst ermöglicht. Die UrVerbundenheit zwischen den Polen des dreifaltigen Gottes, der sich im Christus-‚Sohn’ als der Ursprung-‚Vater’ erweist, diese Verbundenheit ist die Struktur des Heiligen Geistes, in dem wir miteinander sprechen und hören. Wir treten ein in die Ur-Kommunikation, die sich immer schon ereignet. Das gründet unser Reden und Beten. Wir beten wie Christus zu seinem Ursprung im Geist. Thomas Hirsch-Hüffell gottesdienst institut nordelbien 3