Mittelmeer: Rettungsweg und Todesfalle Ein Diskussionsbeitrag (Kommentar, Gedankensammlung, Anregung) zur Meinungsbildung in der KLB und darüber hinaus Wir sind betroffen. Wieder einmal. Auch wenn es nach dem schweren Erdbeben in Nepal schon wieder etwas abgeebbt ist. Es ist eine Schande, hat Franziskus schon vor 1 ½ Jahren gesagt. Recht hat er. Aber damit ist es nicht getan. Was dann? 1. Trauern und zugeben, dass wir alle überfordert sind angesichts dieser komplexen geopolitischen Problemlage und angesichts dieses kaum fassbaren Ausmaßes an Menschen, die auf der Flucht sind. Viele davon wollen ins „gelobte Land“ nach Europa. Wir sollten es ihnen nicht verübeln. Würden nicht auch wir an ihrer Stelle das Gleiche tun? 2. Jeder Mensch, der auf dem Weg nach Nordafrika oder im Mittelmeer zu Tode kommt, ist ein geliebtes Kind Gottes, ist unsere Schwester oder unser Bruder. Jeder Mensch, dessen Rettungsweg als Kreuzweg endet, ist für uns Christus, dessen Leiden und Auferstehung wir erst vor wenigen Tagen gefeiert haben. Das sagt uns unser Glaube. Und deshalb ist 3. Schweigen und beten nur der erste Schritt. Wir müssen den üblichen BetroffenheitsReflex überwinden, der da heißt: Betroffen sein, die Verantwortung auf andere schieben, ein paar kleine Maßnahmen treffen, Tagesordnung, neue Katastrophe, betroffen sein, …. 4. Weil die Situation so komplex ist, müssen wir auf allen Ebenen ins Handeln kommen und zwar 1. im Mittelmeer: In der EU eine Seerettung aufbauen, die diesen Namen verdient. Wir können doch nicht zuschauen, wenn Menschen ertrinken! Auch nicht, wenn wir uns damit den Vorwurf gefallen lassen müssen, noch mehr Menschen nach Europa zu locken. Rettung sollte nicht nur für uns Christen ein humanitäres Muss sein. Wenn dazu die EU nicht in der Lage ist, dann können auch mal nur zwei oder drei Länder alleine so eine umfassende Hilfe aufbauen. Italien hat es mit Mare Nostrum gezeigt, dass das geht. 2. in den Ländern Europas, also auch in Deutschland: Wenn die Flüchtlinge und Migranten fürs Erste gerettet sind, für eine gerechte Verteilung sorgen. Und zwar nach einem ähnlichen Verfahren wir es in Deutschland haben, d.h. Schluss mit dem unseligen Dublin-Verfahren. Alle staatlichen Stellen und die heimische Bevölkerung müssen sich darauf einstellen, dass das Verwalten und Betreuen viel Geld, viel Personal, viel Arbeit und Mühe kosten wird. Und vor allem sind wir alle aufgefordert, eine Willkommenskultur zu leben und zu praktizieren. Von Mensch zu Mensch. Von Bruder zu Bruder. Von Christ zu Christ und von Christ zu Nicht-Christ. Die Erfahrungen der vergangenen Monate in unserer Diözese sind sehr ermutigend, wie die Würdigung von vorbildlichen Initiativen durch die KLB-Stiftung gezeigt hat. 3. in den Ländern Afrikas: Natürlich ist es immer richtig, Probleme an der Wurzel zu lösen, d.h. in den Herkunftsländern der Migranten. Das ist immer leichter gesagt als getan, denn die Einflussnahme auf die dortigen Regierungen und Verhältnisse ist begrenzt. Darauf zu setzen, dass sich dort die politische oder wirtschaftliche Lage so weit verbessert, dass der Flüchtlingsstrom aufhört, ist illusorisch. Trotzdem ist dieser Ansatz richtig. Sonst würden wir in der KLB nicht seit Jahrzehnten schon Projekte im Senegal unterstützen. Wir hoffen natürlich, dass zumindest ein Teil davon auf guten Boden gefallen ist, wie es im Gleichnis Jesu so treffend heißt. Aber wir müssen traurig feststellen, dass in den Flüchtlingslagern auch sehr viele Senegalesen sind. Und das, obwohl Senegal zu den demokratischsten und stabilsten Staaten Afrikas zählt. Das bedeutet, dass diese jungen Menschen so wenig an die Zukunftsfähigkeit des eigenen Landes oder so sehr an die „Verheißung Europa“ glauben, dass sie dafür ihr Leben riskieren. Anscheinend wird „Aufbruchstimmung“ zu häufig wortwörtlich verstanden. Es braucht Aufklärung, Bildung und wirtschaftliche Perspektiven. Dazu ist die 4. internationale Gemeinschaft und jeder Einzelne gefordert. Wir haben in der KLB oft genug schon beklagt, dass immer wieder die heimischen Märkte durch billigere (oder billig gemachte) Waren oder durch Ressourcenausbeutung zunichte gemacht werden. Das bisschen Eine-Welt-Nische ist zu wenig. Doch dieser Ruf nach fairen Produktions- und Handelsbeziehungen blieb bisher meist ungehört. Nach den Tragödien im Mittelmeer sollte nicht nur der Ruf lauter werden, sondern jetzt kommt es auf die Taten an: In den Wirtschaftsverträgen sollten endlich die Lebensbedingungen der Menschen zum entscheidenden Faktor werden. Solange dies nicht geschieht, tragen nicht nur undemokratische, korrupte Regierungen, sondern auch wir Weltbürger zu den Fluchtursachen bei. Worauf es noch ankommt? Weil alles so schwierig ist, werden ständig neue „Vereinfacher“ und „Angstverstärker“ aus dem Boden wachsen. Darauf sollten wir uns einstellen: Vor allem wir Christen in der KLB, die sich Verantwortung für diese Welt auf die Fahnen geschrieben haben. Wir sollten den Mut und die Geduld aufbringen, nicht nur zu reagieren, sondern zu agieren, die Auseinandersetzung zu suchen und zu versuchen, den Horizont zu weiten. Dazu hat uns Gott unseren Verstand geschenkt. Unser Herz setzen wir ein, damit wir angesichts dieser Häufung von schrecklichen Nachrichten unser Mitgefühl nicht verlieren. In dieser Osterzeit leben wir in der aktiven Erwartung der Aussendung des Geistes Gottes. Wir lechzen danach! Denn wir glauben dennoch: Gott liebt durch alle Wirrnisse hindurch diese Welt. Mit seiner Hilfe können wir diese Welt verändern! Roman Aigner, KLB Augsburg