Lärm: Eine Bedrohung für Wale und Delfine im Mittelmeer Wale und Delfine verwenden zur Wahrnehmung ihrer Umwelt, zum Aufspüren von Nahrung und zur Kommunikation akustische Signale und besitzen einen hoch entwickelten Gehörsinn. Sie leben sozusagen in einer akustischen Welt. Im Meer werden akustische Wellen ausgesprochen effizient übertragen. Welche Folgen haben aber nun die stetig lauter werdenden Weltmeere auf Wale und Delfine? Was bedeutet Unterwasserlärm für diese empfindlichen Meeressäuger? Wie sieht die Situation für die Meeressäuger im Mittelmeer aus? Die Auswirkungen der Lärmverschmutzung auf Meeressäuger reichen von kurzfristigen Störungen bis hin zum qualvollen Tod der Tiere. Dank umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchungen von lebend und tot gestrandeten Tieren wissen wir heute, dass es in bestimmtem Gewebe sowie in Organen, z.B. von Schnabelwalen, zu Rissen kommt und die Tiere an den Folgen schwerer innerer Blutungen sterben. Wie genau kommt es zu derartigen Verletzungen? Man vermutet, dass z.B. die tief tauchenden Schnabelwale aufgrund der hohen Lautstärke der Sonargeräte von ihrem normalen Tauchprofil abweichen und zu schnell nach oben schwimmen (Jepson et al. 2003; Fernández et al. 2005). Dafür sprechen Symptome wie die beobachtete Gas- und Fettembolie. Umgangssprachlich werden diese Symptome als Taucherkrankheit bezeichnet. Diese Krankheit entsteht, wenn man zu schnell auftaucht, sich dadurch der Druck reduziert und sich, vergleichbar mit einer Sektflasche, kleine Gasbläschen im Blut bilden. Diese wiederum verstopfen die Gefäße und führen zu Durchblutungsstörungen oder Geweberissen und in schweren Fällen schließlich zum Tod. Besonders Cuvier-Schnabelwale (Ziphius cavirostris), eine tief tauchende und an der Oberfläche selten wahr zu nehmende Schnabelwalart, scheinen von intensiven Lärmquellen bedroht zu sein. Dabei handelt es sich meist um aktive militärische Sonaranlagen, die Schall vor allem im nieder- oder mittelfrequenten Bereich aussenden. Diese aktiven Sonargeräte ermöglichen das Aufspüren feindlicher U-Boote. Wäre es möglich, ein vergleichbares Geräusch an Land zu erzeugen, so könnte ein Gespräch in Berlin nicht geführt werden, wenn in Moskau ein solches niederfrequentes Sonar betrieben würde. Die hörbare Lautstärke in Berlin würde jedes Gespräch übertönen. Glücklicherweise werden akustische Wellen an der Luft nicht so gut übertragen wie im Wasser. Über das wahre Ausmaß der Folgen des Einsatzes intensiver Lärmquellen kann nur spekuliert werden, da die Wissenschaft bislang vorwiegend auf die Analysen tot oder lebend gestrandeter Tiere angewiesen war. Insbesondere werden sogenannte atypische Strandungen nun vielfach mit dem Einsatz von Schall in Verbindung gebracht. Eine Analyse von 232 Strandungen im Mittelmeer seit dem Jahr 1803 bestätigt dies: Bis zum Jahr 1963 (dem Beginn des Einsatzes leistungsstarker Sonargeräte durch das Militär) kam es nicht ein Mal zu einer Massenstrandung (Podesta et al. 2006). Seit den 1980er Jahren wird darüber spekuliert, ob für die Massenstrandung von Cuvier-Schnabelwalen nicht die zeitgleich abgehaltenen militärischen Manöver und die Verwendung von leistungsstarken Sonargeräten verantwortlich sind. Diese Spekulation gilt heute durch verschiedene Veröffentlichungen in renommierten wissenschaftlichen Journalen wie z.B. Nature (DALTON 2006; Fernández 2004; Jepson 2003) als gesichert. Auf Grund der nunmehr vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse hat das europäische Parlament bereits im Oktober 2004 (PE 347.527) die Militärs der einzelnen Nationalstaaten aufgefordert, die Nutzung leistungsstarker Sonargeräte solange einzustellen, bis deren Unbedenklichkeit bewiesen ist. Außerdem wurden die Militärs aufgefordert, mit entsprechenden Daten transparent umzugehen. Von Transparenz sieht man jedoch bei den einzelnen Regierungen wenig. Die Militärs verweisen zumeist auf die Vertraulichkeit der Daten, die sie mit sicherheitspolitischen Interessen zu begründen versuchen. So auch das deutsche Verteidigungsministerium, das die Bitte um Akteneinsicht in dieser Angelegenheit gegenüber der WDCS abgelehnt hat. Die Situation im Mittelmeer spitzt sich weiterhin zu. So strandeten am 26. Januar 2006 vor der südspanischen Küste in der Nähe von Mojacar vier Cuvier-Schnabelwale. Die Ergebnisse der Untersuchung am Institute for Animal Health and Food Security (IUSA) der University of Las Palmas auf Gran Canaria zeigen, dass die Tiere an den bekannten Symptomen einer akuten Gasembolie starben. Obwohl es sowohl für diese Symptome als auch für die Massenstrandungen solitär lebender Tiere keine natürliche Erklärung gibt und zeitgleich die englische Fregatte Kent (ausgerüstet mit einem leistungsstarken ThalesMittelfrequenzsonar-Typ 2050) in dem Gebiet beobachtet wurde, streitet insbesondere die englische Regierung jeden Zusammenhang ab. Leider bieten selbst international anerkannte Meeresschutzgebiete keine Zuflucht. So führt z.B. das französische Militär jedes Frühjahr im Wal- und Delfinschutzgebiet PELAGOS (Ligurisches Meer) ein großes Manöver durch. Besonders bedenklich ist auch das seit 1975 regelmäßig durchgeführte und weltweit größte Anti-U-Boot-Manöver „Noble Marlin“ (früher DOGFISH) im Ionischen Meer vor Griechenland. Hier versammeln sich im Februar und März jedes Jahres die Militärs aus Kanada, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, der Türkei und den USA, um die neusten Technologien für den U-Bootkrieg zu erproben und ihren Umgang zu trainieren. Im Rahmen des regionalen Wal- und Delfinschutzabkommens für das Mittelmeer und Schwarze Meer (ACCOBAMS) hat der Wissenschaftsausschuss nun Richtlinien vorgelegt, die den Einsatz von durch Menschen verursachten Lärmquellen strikt regeln sollen. http://www.accobams.org/file.php/837/MOP3.Doc20_Guidelines%20noise.pdf An der Erarbeitung dieser Richtlinien waren die WDCS und die Schweizer Organisation OceanCare stark eingebunden. Beide Organisationen hoffen, dass die Mittelmeeranrainerstaaten bei der 3. ACCOBAMSVertragsstaatenkonferenz, die von 22. bis 25. Oktober 2007 in Dubrovnik, Kroatien, stattfindet, verbindlich festgelegt werden. In welcher Art und Weise und ob überhaupt sich Staaten daran halten werden, wird die Zukunft weisen. Weitere Informationen zu Lärmbelastung im Meer finden Sie im STOP-Bereich der WDCS unter „Zerstörung des marinen Lebensraumes stoppen“. Literatur: Dalton, R. 2006: More whale strandings are linked to sonar. Nature 440: 594. Fernández, A., Arbelo, M., Deaville, R., Patterson, I.A.P., Castro, P., Baker, J.R., Degollada, E., Ross, H.M., Herráez, P., Pocknell, A.M., Rodríguez, F., Howie, F.E., Espinosa, A., Reid, R.J., Jaber, J.R., Martin, V., Cunninghan, A.A., and Jepson, P.D. 2004. Beaked Whales, Sonar and Decompression Sickness. Nature 10: 1038. Jepson, P.D., Arbelo, M., Deaville, R., Patterson,I.A.P., Castro, P., Baker, J.R., Degollada, E., Ross, H.M., Herraez, P., Pocknell, A.M., Rodriguez, F., Howie, F.E., Espinosa, A., Reid, R.J., Jaber, J.R., Martin, V., Cunningham, A.A. and Fernández, A. 2003. Gas-bubble lesions in stranded cetaceans. Nature 425:575-576. Podesta et al 2006 A review of Cuvier’s beaked whale strandings in the Mediterranean Sea in J. CETACEAN RES. MANAGE. 7(3):251–261