Artikel der Kirchenzeitung von Dr. Eva Maltrovsky

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„die hoffnung kennt tausendundeine geschichte“
Von: Eva Maltrovsky
„Seit der Kühllastwagen mit 71 Toten bei Parndorf entdeckt wurde, ist Lampedusa in Österreich
angekommen.“ (Franz Küberl) Die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer dauert nun bereits zehn Jahre
an. Doch die Ereignisse der letzten Wochen haben Österreich nun unmittelbar und hautnah mit der
Flüchtlingsproblematik konfrontiert.
Als das Institut für religionspädagogische Bildung der Pädagogischen Hochschule Burgenland das
Eröffnungssymposium für das Schul- und Studienjahr 2015/16 mit dem Titel „die hoffnung kennt
tausendundeine geschichte“, basierend auf einem Zitat Dorothee Sölles, geplant hatte, wusste man
noch nicht, dass leider das Thema eine sehr traurige Aktualität bekommen sollte. Bereits als
Auftakt für das von der Diözese Eisenstadt ausgerufene Martinsjahr wollte man sich anhand der
Figur dieses Heiligen sozialen Themen wie Armut, Menschen, die sich für andere einsetzen und
dem Aspekt des Teilens widmen. Der geteilte Mantel kann gleichsam als Urbild bzw. Metapher des
Helfens aus einer Situation des Überflusses gedeutet werden.
Angeregt durch die Pädagogische Hochschule Burgenland entstand das Kinderbuch „Der rote
Mantel“, in dem Heinz Janisch in wohlüberlegten Sätzen die Geschichte Martins in die
Rahmenerzählung einbettet, in der der Flüchtlingsjunge Amir eine zentrale Rolle einnimmt.
„Was treibt Menschen zu handeln?“ Der ORF-Korrespondent Christian Schüller, der sich zuletzt in
der Türkei und dem Iran aufgehalten hatte, stellt konkrete Geschichten von Menschen vor, die sich
für Bedürftige einsetzen: Ein österreichischer Installateur lebt in einer Roma-Siedlung in Rumänien
und betreibt dort ein Sozialprojekt für Jugendliche. In einem kalabrischen Dorf mit 400 Einwohnern
strandeten 1000 Kurden. Frauen des Dorfes öffneten ihre Häuser, unterstützen sie und leisteten
Integrationsarbeit. Neue Unternehmen entstanden. Heute floriert der Ort.
Nicht alle, die helfen, sind religiös motiviert. Gemeinsam ist aber allen, sich auf etwas Unbekanntes
einzulassen. Oft gibt es auch Erlebnisse, die einen Wandel herbeiführen, wie z. B. in der
Lebensgeschichte eines Mannes, der Job und Familie verloren hatte und sich nun plötzlich in Arme
einfühlen konnte und begann, sie mit Respekt zu betrachten.
Der steirische Caritas-Direktor Franz Küberl geht einerseits auf die Armut in Österreich mit all ihren
Faktoren und Folgeerscheinungen ein und wendet sich auch dem aktuellen Thema der Flüchtlinge
zu: Es gibt eine Reihe von Menschen, die sich sehr engagieren. Unter der Menge an Mitarbeitern,
Mitarbeiterinnen und Freiwillen herrscht große Nervosität mit der Frage, was auf uns zukommt.
Die Verantwortlichen in der Caritas bemühen sich, den Druck zu nehmen und das Engagement zu
erhalten. Man muss auch darauf achten, dass niemand sich übernimmt und ausbrennt.
Küberl findet positive Worte für die Kirche in Österreich. Es sei erstaunlich und beeindruckend, wie
manche Bischöfe eine klare Sprache finden. Die Aktivitäten seien von den Evangelien
vorgezeichnet. Er würde sich das aber auch von ungarischen, rumänischen und lettischen Bischöfen
wünschen.
Die Kirche habe ihre Möglichkeiten noch nicht ausgereizt, auch weltkirchlich nicht. Sie müsse ihre
soziale Aufgabe mehr wahrnehmen, nicht nur beim Thema Flüchtlinge, sondern auch in anderen
Bereichen.
Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Menschen, die etwas können. Wichtig wäre, festzustellen,
was sie können und welche Ausbildung sie gemacht haben.
Die EU müsste ihr Konzept überdenken und auch Wege für die Bewältigung von Problemen und
Krisen finden. Es gehe aber nicht nur um Binnenprobleme der EU. Sie sollte mit den USA nicht nur
über Freihandelsabkommen debattieren, sondern auch über Flüchtlingsströme und Austrocknung
von Krieg.
Mit Ländern wie Jordanien, Libanon und Türkei, die die Hauptlast des Flüchtlingsdramas tragen,
sollte besser kommuniziert werden und sie sollten mehr Hilfe bekommen.
Es gehe aber auch um das Bekämpfen der Auslösungsfaktoren und Ursachen von Flucht. So sollten
europäische Firmen in Afrika ethisch verantwortungsvoll handeln. Der Kurienkardinal Turkson weist
auf das Problem des „braindrain“, also Abfluss von Wissen durch Abwanderung und Flucht hin. Dies
hat nachhaltige Folgen für das jeweilige Land.
Weiters nennt Franz Küberl Prinzipien, die man beim Helfen berücksichtigen sollte:
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Helfen kann man nur auf gleicher Augenhöhe (Respekt und Anerkennung als Mensch)
Das richtige Maß an Selbst-, Nächsten- und Gottesliebe
Die Treue zum Hilfesuchenden (Wenn die Notsituation länger andauert, sei Beständigkeit
ein Vorteil einer Organisation, ein Einzelner kann überfordert sein)
Man sollte Klarheit über die Motive des Helfens haben. Erkenntisse aus der
Neurowissenschaft zeigen: Es gibt das Phänomen des „helpers high“, eine Extraportion
Glücksgefühl, vor allem wenn man Menschen hilft, zu denen man kein besonderes
Nahverhältnis hat.
Empathie: Einfühlungsvermögen ist wichtig. Man muss aber gut zwischen sich selbst und
dem anderen unterscheiden können, man kann nicht alles Leid auf sich nehmen.
Helfen hat mit Einsatz und Kreativität zu tun
Wo nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun. Präzision des Helfens: Helfen sollte
man mit dem Besten, was man hat ( z. B. Kleidung in gutem und sauberen Zustand)
Helfen ist immer ein Stück weit Machtausübung, dessen sollte man sich bewusst sein.
Zivilcourage bedeutet auch, den richtigen Ton der Kritik treffen.
Auch Günther Kroiss berichtet ergänzend über die regen Aktivitäten der Caritas Burgenland und
die Projekte, die er begleitet.
Franz Küberl zitiert abschließend Ernst Bloch, der schreibt, dass die Hoffnung die gesellschaftlichen
Entwicklungen wie ein Wärmestrom durchdringe. Das Prinzip Hoffnung gibt es auch im christlichen
Kontext.
Der Aufruf Papst Franziskus am letzten Sonntag, dass jede Pfarrgemeine eine Flüchtlingsfamilie
aufnehmen solle, wäre ein sehr positives Zeichen, dass das Evangelium gelebt wird und es ist sehr
zu wünschen, dass dieser Empfehlung nachgekommen wird.
Und so seien hier die letzten Zeilen des Gedichts von Dorothee Sölle zitiert, die sich in ihrem Text
auf Martin von Tours bezieht:
„die hoffnung kennt tausendundeine geschichte
gegen gewalt
sie zündelt noch immer“.
-------------------------------------------------------------------Literatur: Christian Schüller: Unter Außenseitern. Sozialreportagen aus 30 Jahren, Kremayr und
Scheriau 2010
Heinz Janisch : Der rote Mantel, Tyrolia 2015
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