Universität Koblenz-Landau Campus Koblenz, Institut für Sportwissenschaft Motorische Entwicklung des Kindes (Psychomotorik im Grundschulalter) Dozent: Christoph Barthel Studenten: Benedikt Kurth (210100900) Stephan Marx (212100374) Madeleine Haase (213202336) Fach: Sport: Psychomotorik / Kleine Spiele - M 6.1 / M 15.7 Semester: SS 15 Abgabetermin: 15. Juni 2015 1 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 3 2. Einteilung des Lernalter 5 3. Besonderheiten Grundschulalter 7 4. Psychomotorik 8 4.1. Begriffserklärung Psychomotorik 8 4.2. Inhalte Psychomotorik 9 4.3. Auswirkung von Psychomotorik auf das Kind 10 5. Psychomotorik zur Vorbeugung und Behandlung bei 12 Entwicklungsverzögerunge bzw. Krankheiten 6. Psychomotorik in der Praxis 13 7. Literaturverzeichnis 17 2 1 Einleitung Kinder wollen rennen, klettern, springen und toben. Die Welt entdecken und erleben steht im Fokus. Die Umwelt zu begreifen, sich mit Weggefährten anfreunden und ganze individuelle Erfahrungen sammeln, das wollen Kinder. Ihre Erfahrungen zu nutzen, sich selbst ausprobieren und kennenlernen. Über die eigenen Grenzen hinweg gehen. All diese Aspekte sind dabei das grundlegende Fundament einer jeden Identität. Hierbei spielen die Körper- und Bewegungserfahrungen eine große Rolle. ,,Die Gesellschaft befindet sich in einem Wandel. Eine Welle der Reizüberflutung durch die Medienlandschaft beeinträchtigt die Kinder in ihrer Entwicklung. Musik, Fernsehen, PC und die schnelllebige Handywelt nehmen den Kindern den Blick für die Wirklichkeit. Die Schäden hierbei sind absehbar. Körperliche Haltungsschäden, Übergewicht sowie psychische Schäden gehen einher. Sind unruhig, hypoaktiv und in ihrer Konzentration gestört. Sie sind motorisch gehemmt. Haben z.B. Schwierigkeiten, ihren Körper im Gleichgewicht zu halten. Oder schüchterne Kinder, die Blickkontakt vermeiden und sich nichts zutrauen. Wird diesen Kindern nicht geholfen, werden sie den von der Umwelt an sie herangetragenen Ansprüchen nicht gerecht werden können. In unserer postmodernen Gesellschaft, in der Zugang zur Bildung und Stärke des Individuums über Berufs- und Lebenschancen entscheiden, ist möglichste frühe und effektive Hilfe für diese Kinder unverzichtbar.‘‘1 1 http://psychomotorik-stade-buxtehude.de/ueber-psychomotorik/warum/ 3 2 Einteilung des Lernalters Der Mensch lässt sich auf Grund seines Alters und seiner Entwicklung in eine spezifische Stufe/Phase einteilen. Es gibt zum einen Einteilung hinsichtlich des Alters und zum anderen im Bezug auf die körperliche Entwicklung. Im weiteren Verlauf wird sich lediglich auf die Einteilung, die sich auf das Alter konzentriert, Bezug genommen. Vorschulalter 3-6 Jahre Frühes Schulkindalter 7-10 Jahre Spätes Schulkindalter 10-13 Jahre Pubszenz 11-15 Jahre Adolenszenz 13-19 Jahre Nach dieser Einteilung sind Grundschulkinder in die Rubrik „frühes Schulkindalter“ einzuordnen, in einzel Fällen zählen sie auch noch zum „späte Schulkindalter“. „Aufgrund der schnellen Gehirnentwicklung und der damit verbunden hohen Leistungsfähigkeit im Bereich der koordinativen Fähigkeiten – dem „sportlichen Äquivalent“ des bereits ausgezeichnet funktionierenden ZNS – steht bei der Schulung von Vorschulkindern vor allem die optimale Ausbildung vielfältiger sportmotorischer Fertigkeiten und Techniken sowie die Erweiterung des Bewegungsschatzes bzw. der Bewegungserfahrung im Vordergrund. Etwa mit Schuleintritt – im Hochleistungssport auch schon früher – kann dann bereits mit einem spezielleren, zielgerichteteren sportspezifischen Training in der „Vorzugssportart“ begonnen werden. […] Das Training der konditionellen Fähigkeiten erfolgt parallel dazu, jedoch nur in dem Maße, wie es die umfassende koordinative Ausbildung erforderlich macht. Die konditionellen Fähigkeiten werden im Kindesalter also nicht maximal, sondern nur optimal ausgebildet.“2 2 A. Weineck, J. Weineck und K. Watzinger 2007 4 Ungefähr mit acht Jahren hat das Gehirn der Kinder annähernd die gleiche Größe wie das eines Erwachsenen. Jedoch ist die Vernetzung und Ausdifferenzierung der einzelnen Hirnzellstrukturen noch nicht abgeschlossen. Das zentrale Nervensystem verfügt über gut funktionierende Analysatoren, die die motorische Lern- und Leistungsfähigkeit sehr begünstigen. Dennoch verursachen Umweltreize noch unreflektierte motorische Reaktionen, der Grund dafür sind die noch schwachen nervalen Hemmungsprozesse. Neben den neuronalen Prozessen stellen auch die psychophysiologischen Eigenschaften in diesem Alter einen entscheidenen Faktor dar. Die Kinder weisen eine optimistische Lebenshaltung, Unbekümmertheit, ein gutes psychisches Gleichgewicht, begeistertes, aber kritikloses Erlernen von Kenntnissen und Fertigkeiten auf. Des Weitern können sich Kinder in dieser Alterstufe im Gegensatz zu den vorherigen Alterstufen besonders gut konzentrieren. Dadurch kommt es zu einer präziseren Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, sowie eine verbesserte motorische Differenzierungsfähigkeit. Das alles sind maßgebliche Eigenschaften, die das Lernen in diesem Alter begünstigen. Darausfolgt, dass neue Bewegungen überaus rapide erlernt werden können. Jedoch sichern sich in diesem Alter die Bewegung deutlich schwieriger, wodurch einen hohe Wiederholungszahl zur Festigung vorraus gesetzt werden muss. Alles in allem verfügt diese Altersstufe über gute neuronale, sowie psychophysiologische Vorrausseetzungen für das Erlernen motorischer Fähigkeiten. Diese Vorraussetzungen stellen die Weichen für eine erfolgreiche Erweiterung und Verbesserung der koordinativen und konditionellen Fähigkeiten dar. 3 Besonderheiten Grundschulalter Durch den Eintritt in die Schule kommt es zu Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit, das Kind muss lernen seinen Bewegungsdrang unter Kontrolle zu halten und ihn nur im Sportunterricht, in den Pausen oder in außerschulischen Aktivitäten auszuleben. Auch dieses Lernen gehört mit zu den koordinativen Fähigkeiten, die die Entwicklung des Kindes in dieser Zeit stark prägen. Nicht nur das Umfeld des Kindes ändert sich, sondern auch das Kind selbst. Die Proportionen des Körpers verändern sich dahingehend, bis alles miteinander harmonieren. 5 Das heißt, dass alle Körperteile sich anpassen, denn wird einem Kleinkindern die Aufgabe gestellt sich über den Kopf ans Ohr zu fassen, so kann es diese Aufgabe nicht erfüllen. Das liegt daran das sie meistens einen, im Gegensatz zu ihren anderen Extremitäten, relativ großen Kopf haben, der es ihnen nicht ermöglicht sich über den Kopf hinweg ans Ohr zu fassen. Dadurch das aber gerade in der Grundschulzeit sich diese Proportionen verändern und ausgleichen haben sie ein größeres Spektrum an Beweglichkeit und Dehnbarkeit. Dieses führt dazu, dass sie nun neue Erfahrungen machen können und so ihre koordinativen und konditionellen Fähigkeiten verbessern bzw. neu erlernen können. In der Literatur wird die Grundschulzeit als Einleitung in die „Goldene Zeit des motorischen Lernalters“ bezeichnet. Diese „Goldene Zeit“ beginnt mit etwa dem 10. Lebensjahr und endet in der Pubertät, in dieser Zeit können Kinder neue Bewegungsfertigkeiten einfacher und schneller erlernen. Grundschulkinder haben demnach meist eine hohe motorische Lernfähigkeit, in den weiterführenden Schulen kann das Erlernte oft zu einem Konkurrenzkampf unter den Schülern führen. Desweiteren kann durch zielgerichtetes sportspezifisches Training das Erreichen der motorischen bzw. technischen Feinform ermöglicht werden. Dieses kann dann zu besseren Leistungen auch in anderen Fächern führen, denn eine Befriedigung des Bewegungsdranges führt zu einer hohen Ausgeglichenheit beim Kind, wodurch es sich einfacher konzentrieren kann. Es ist für Kinder im Grundschulalter allerdings nicht nur wichtig, dass sie spielen, sondern vielmehr dass sie einen Ausgleich zum oftmals stundenlangen Sitzen erhalten. Außerdem kann sich die motorische 6 Schulung auch auf andere Fächer übertragen werden. „Es gibt kein Fach, das soviel für andere Fächer macht wie der Sportunterricht.“, Sabine Sabinarz-Otte, Bundeselternrat. Mit zunehmender Harmonisierung der Körperproportionen kommt es zu optimalen Kraft-Lastund Kraft-Hebel-Verhältnissen. Hinzu kommt das mehr Bewegungserfahrungen gemacht werden und diese auch meist mit viel Freunde ausübt werden. Die Grundschule stellt somit für die sportmotorische Entwicklung eine besondere Bedeutung dar, denn im Alter zwischen 6 bis 12 Jahren sind Kinder besonderes lernfähig im Bezug auf die Verbessung ihrer Motorik. Im weitern Verlauf ihres Lebens können die Kinder von diesen Vorteilen profitieren, da die schnelle Lernfähigkeit für bestimmte motorische Fähigkeiten (z.B. die koordinativen Fähigkeiten) im Alter ab. Viele motorische Vorgänge sind schwerer und/oder gar nicht mehr erlernbar. Das Aufholen von Defiziten im späteren Leben ist nur noch mit sehr viel (eigenem) Ehrgeiz und eigenständigem Üben möglich. Speziell im Grundschulsport ist eine isolierte Übung einzelner Fähigkeiten nicht erstrebenswert und auch kaum möglich, da die Schulung der koordinativen und konditionellen Fähigkeiten sehr stark vom einzelnen Schüler abhängig ist. Beim Grundschulsport sind fünf der sieben koordinativen Fähigkeiten von großer Bedeutung. Orientierungsfähigkeit Reaktionsfähigkeit Gleichgewichtsfähigkeit Rhythmusfähigkeit/Rhythmisierungsfähigkeit (Kinästhetische) Differenzierungsfähigkeit Die Kopplungs- und Umstellungsfähigkeit stellen im Grundschulsport keine hohe Bedeutuung dar. 7 4 Psychomotorik 4.1 Begriffserläuterung Eine grundlegende exakte Definition für die Psychomotorik gibt es nicht. Dennoch kann festgehalten werden, dass die Psychomotorik ein ganzheitliches und entwicklungsorientiertes Konzept ist, dass das Empfinden in Form von Wahrnehmung und die Bewegung gleichermaßen fördert. Psychomotorik ist die Verbindung aus spontanen Bewegungen, welche durch Emotionalität, Konzentration oder durch psychischen Vorgänge suggeriert und gelenkt werden. ,, Die Motorik beeinflusst die Psyche und umgekehrt. Anders ausgedrückt ein gesunder Geist bedingt einen gesunden Körper.‘‘3 Separiert man die beiden enthaltenen Begriffe aus dem Wort Psychomotorik, so entsteht zum einen das Wort Psyche und zum anderen das Wort Motorik. Psyche kommt aus dem Altgriechischen und heißt Seele. In unserem Kontext bezüglich der Psychomotorik geht es um das innere Seelenleben eines Menschen. Motorik hingehen ist ein breitgefächerter Oberbegriff für Bewegungstechnik, Bewegungslehre, Bewegungswissenschaft, Bewegungskunst und Bewegungsfertigkeit. Auf die Schule bezogen lässt sich Psychomotorik einordnen als eine ,,bewegungsorientierte Methode, die durch vielfältige Handlungs- und Problemlösungsmöglichkeiten, also durch motorische und kognitive Förderangebote in speziell dazu arrangierten psychomotorischen Szenarien einen positiven Einfluss auf die gesamte Entwicklung eines Menschen nimmt.‘‘4 3 4 http://www.psychomotorikundspiele.de/psychomotorik/psychomotorik-definition.html/ http://www.majewski-akademie.de/de/index/ 8 4.2 Inhalte der Psychomotorik Die Inhalte der Psychomotorik lassen sich grob in drei Teilbereiche eingliedern. Bei den drei Teilbereichen handelt es sich um Selbsterfahrungen, sprich Körpererfahrungen, Materialerfahrungen und zuletzt die Sozialerfahrungen. Bei den Körpererfahrungen geht es primär um das Verstehen des eigenen Bewusstseins, den Körper neu wahrnehmen und kennenzulernen und auch sich selbst richtig zu bewerten. Aber nicht nur Aspekte wie Grob- und Feinmotorik werden geschult, sondern auch Konzentration, Ausdauer, Gleichgewicht im Sinne der Balance sowie Koordination. Anregend wirkt sich die Psychomotorik auch auf die Fantasie und Kreativität der SuS aus. Dies fällt zwar nicht unter die Körpererfahrungen, dennoch bildet dies einen wichtigen Schritt bei den Selbsterfahrungen. Neben der bereits beschriebenen körperlichen Erfahrungen, welche die SuS erfahren, sind auch Erfahrungen im Bereich der materiellen Dinge eingegliedert. Unter MaterialErfahrungen versteht man das Auseinandersetzen mit räumlichen sowie dinglichen Faktoren der Umwelt als auch das Verstehen und Nachvollziehen der Gesetzmäßigkeiten der einzelnen Objekte. Der vielleicht wichtigste Faktor für SuS ist jedoch das Entdecken und Experimentieren mit Hinblick auf die Bewegungsmechanismen. Dies impliziert ein Lernen in spielender Form.5 Die dritte und letzte Teilerfahrung stellt die Sozialerfahrung dar. Vereinfacht bildet diese das natürlichste und zugleich einfachste Kommunikationsmittel. Über Bewegungen miteinander zu sprechen, sich abzustimmen und letztlich den respektvollen Umgang miteinander zu erlernen, offenbart die durch die Psychomotorik erworbenen Sozialerfahrungen. Das Fördern eines sozialen Miteinanders steht hierbei im Vordergrund. Dabei wird vermehrt auf Spiele Regelspiele zurückgegriffen, welche situationsbedingt angepasst werden.6 So können je nach Belieben verschiedene Aspekte gefördert werden: http://www.psychomotorikundspiele.de/psychomotorik/ziele-und-inhalte.html/ Beudels, Wolfgang u.a.: "das ist für mich ein Kinderspiel". Handbuch zur psychomotorischen Praxis. Borgmann Publishing, 6. Aufl. 1999 5 6 9 Psychomotorik Übung 1: Formen legen Eine Person (Erwachsener oder Kind) legt mit einem Seil auf dem Boden eine bestimmte Form. Die anderen Kinder betrachten diese Form und versuchen sie mit ihren eigenen Seilen nachzulegen. Danach Wiederholung mit dem Legen einer neuen Form. Diese Psychomotorik Übung fördert: Feinmotorik, Wahrnehmung und Konzentration. Psychomotorik Übung 2: Schwungtuch und Bälle Die Kinder halten ein Schwungtuch und werfen Bälle (am besten größere Schaumstoffbälle) darauf. Nun bewegen sie das Schwungtuch und achten darauf, dass die Bälle nicht seitlich herunterfallen. Diese Psychomotorik Übung fördert: Konzentration, Wahrnehmung und Reaktion.7 Der Fokus im Gesamten ist die Förderung der vielseitigen Persönlichkeitsentwicklung der Kinder durch die Bewegung. Die Förderung fokussiert und stellt sich auf die persönlichen Entwicklungsthemen der SuS ein, bezogen auf seine psychomotorischen Veranlagungen. So werden Stärken gefordert und Schwächen gefördert, individuell abhängig von den jeweiligen SuS. So erfolgt eine Reduzierung des Leidensdrucks speziell auf die Schwächen der SuS. Dies erleichtert den SuS das Händeln mit den individuellen Schwierigkeiten, obgleich sie im motorischen oder eben im Verhaltensbereich seine Ursache haben. 4.3 Auswirkung der Psychomotorik auf das Kind Das Ziel in der Psychomotorik ist, die Handlungsfähigkeit der Kinder über die Ich-, Sach- und Sozialkompetenz zu verbessern (vgl. Schönrade, S. 54). Diese Kompetenzen sind von mir im vorangegangen Abschnitt erläutert worden. Was jedoch bedeutet Psychomotorik konkret für mein Kind? 7 http://www.psychomotorikundspiele.de/psychomotorik-ubungen-fur-kinder.html/ 10 Die psychomotorische Förderung wirkt sich auf Kinder so aus, dass sie angeregt werden, selbstständig zu handeln und die Eigenständigkeit zu fördern sowie im gemeinsamen Miteinander Handlungs- Erfahrungen auszutauschen, was sowohl die als auch Kommunikationsfähigkeit fördert. In den letzten Jahren haben sich die Lebensbedingungen für Kinder erheblich verändert. So fehlt es den SuS an Möglichkeiten sich körperlich entfalten zu können. Sind SuS nicht in einem Sportverein tätig, so wird das Bewegungsangebot rasch überschaubar. Das Auto wird dem Fahrrad bevorzugt, der Fernseher dem Wald und das Handy den ,,Freunden‘‘. Für SuS ist es jedoch essentiell wichtig genau diese Dinge zu erleben, zu spüren. Neben häufigem Übergewicht kann ein Resultat unter anderem fehlende Grob- und Feinmotorik darstellen. Dies geht einher mit fehlender Ausdauer, die sich bereits im frühen Kinderalter bemerkbar machen kann und zu Lernschwierigkeiten führen kann. Was vielen SuS sowie nahestehenden Personen nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass die Psyche darunter ebenfalls leidet. Durch mangelnde Bewegung kann es zu Konzentrationsproblemen kommen, welche sich in den Noten der Schule wiederspiegeln können. Dadurch leidet das Selbstbewusstsein, was durch Verhaltensauffälligkeiten meist kompensiert wird. Viele dieser Störungen und Auffälligkeiten resultieren aus einem Bewegungsmangel. Die Kinder erfahren durch Psychomotorik eine positive Einstellung zu ihrem Körper. Sie erlernen diesen behutsam aufzubauen, mit anderen zu verknüpfen und durch ihr eigenes Handeln ein positives Selbstkonzept fortzuführen. 4. Psychomotorik zur Vorbeugung und Behandlung bei Entwicklungsverzögerung / Krankheiten Für eine erfolgreiche Behandlung ist die Zusammenarbeit und Beratung von Eltern und Lehrpersonen, sowie der Austausch und die Zusammenarbeit mit Fachpersonen von Nöten. Ein weiterer oftmals notwendiger Schritt ist die Sensibilisierung des Umfeldes des Kindes. Damit einhergehend ist die Vertrauensbasis Voraussetzung für eine zufriedenstellende, therapeutische Begleitung, sowie die direkte und persönliche Beziehung zum Kind. 11 Wichtige therapeutische Mittel sind Bewegung, die durch musikalische Elemente, sowie Turn-, Bewegungs-, Spielmaterialien Anreize bieten. Gestalterische Ausdrucksmittel wie Malen, Zeichnen, Rollenspiel, Musikimprovisation und Musikinstrumente sind ebenfalls von Nutzen. Die Therapie kann einzel oder in Kleingruppen stattfinden. Die Psychomotoriktherapiestunde wird in der Regel einmal pro Woche vom Kind besucht. Aufgrund der Beobachtungen, die mittels eines klinischen Erfassungstests und der therapeutischen Arbeit mit dem Kind gemacht werden, erstellt der Therapeut einen individuellen Therapieplan. Die persönlichen Bedürfnisse des Kindes ist entscheidend über die Dauer, Gestaltung und Intensität der Therapie. In der Therapie werden an die Schwierigkeiten des Kindes angepasste Bewegungs-, Gestaltungs- und Spielsituationen eingesetzt, bei denen die Kinder oder Jugendlichen folgende Verbesserungen anstreben: die bewusste Wahrnehmung zu erweitern und sensibilisieren das Körpergefühl und Bewegungsverhalten zu differenzieren die Grob- und Feinmotorik zu fördern und verbessern neue Verhaltensmuster zu entdecken und spielerisch zu üben einen eigenen Bewegungs- und Selbstausdruck zu finden Stärken und Selbstbewusstsein zu fördern Die Erstbegegnung ist dazu da, dass das Kind, angeleitet durch die Therapeutin/den Therapeuten und im Beisein der Eltern, einige Bewegungsaufgaben aus den Bereichen Grobund Feinmotorik sowie aus Bereichen der Wahrnehmung ausführt. Des Weiteren kommen Beobachtungen in der freien Spielsituation, Gespräche mit den Eltern des Kindes sowie weiteren wichtigen Bezugspersonen (Lehrkräfte, Arzt/Ärztin, weitere Fachpersonen) zum Einsatz. 12 Die Therapiewirksamkeit wird anhand gezielter Beobachtungen, Rückmeldungen aus dem Umfeld und regelmässiger Standortbestimmungen mit Bezugspersonen des Kindes überprüft. Therapieverlauf und Entwicklungsschritte werden dabei protokolliert. 6 Psychomotorik – Beispiele aus der Praxis für die Praxis Die vorgestellten praktischen Erfahrung weisen exemplarischen Charakter auf. Unter anderen Vorraussetzungen und unter Anbetracht individueller und gruppenspezifischer Gegebenheiten können durchaus auch anderen Erfahrungen bewirken. Zunächst soll geklärt werden, welche Gesichtspunkten den folgenden Überlegungen als Prämisse zugrunde liegen. Die Übungen... : weisen einen explorativen Charakter auf (wecken die Neugierde und weisen Erkundungscharakter auf) können ohne ein konkretes Ergebnis enden und können zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden. Die Handlungsmöglichkeiten aller Spiele und Übungen sind also individuelle, prozesshafte Handlungsmöglichkeiten. besitzen keinen „Rezept-Charakter“. Das individuelle Verhalten und das Gruppengeschehen ist nicht steuerbar. weisen keinen reproduktiven (nachahmenden) Charakter auf. geschehen niemals unter Zeitdruck. Kinder und PädagogInnen dürfen sich bei der Realisation der Spiele Zeit lassen. stellen Handlungsanregungen dar. Kinder sind dazu angehalten eigene spielerische Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. sollten mit möglichst wenig Material auskommen. sollten keine längeren Vorbereitungen benötigen. sollten außerhalb der Schule gespielt werden können. Sollten eine verständliche und möglichst kurze Instruktion besitzen alle Gruppenmitglieder mit einbeziehen allen Beteiligten Freude bereiten 13 sollten das Ausscheiden der Mitspieler vermeiden Im Folgenden werden verschiedene Übungen und Spiele aus dem Handlungsfeld „seinen Körper und sich selbst vielfältig wahrnehmen“ dargestellt. Die Fähigkeit den eigenen Körper zu spüren und zu erfahren geht Kindern zunehmend verloren. Spielerisches Bewusstmachen von An- und Endspannung, von taktilen, kinästhetischen, vestibulären, optischen und akustischen Übungen und das Erfahren von Stille hilft dabei, dieSelbstwahrnehmung zu verbessern und positive Körpererlebnisse zu vermitteln. taktil: • Wie fühlt sich unsere Haut an verschiedenen Stellen unseres Körpers. Gibt es Stellen, die sich ganz besonders (sensibel) anfühlen? • Können wir bestimmte Körperteile drücken, massieren? • Kann/darf ein anderes Kind z. B. meine Hand/meinen Rücken massieren? • Wie fühlt es sich an, wenn meine Hand die Kleidung, den Boden um mich herum berührt? • Wie können wir mit der Hand den Boden, die Kleidung, unsere Körper- teile berühren? • Können wir dabei für kurze Zeit bereits die Augen schließen? • Ein anderes Kind malt mir eine Form (z. B. einen Kreis) auf den Rücken. Kann ich erkennen, um welche Form es sich handelt? • Ich bewege mich über unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten. Kann ich erfühlen, um welche es sich dabei handelt? kinästhetisch: • Sich so groß wie ein Riese und so klein wie ein Zwerg machen. • Auf dem Rücken liegen und versuchen, ohne Benutzung der Arme und Hände aufzustehen 14 • Verschiedene Körperteile in Bewegung setzen: Mit dem Kopf wackeln, mit den Armen schlenkern, den Bauch auf- und abbewegen, die Beine ausschütteln. die Füße an einander reiben. • Im Schneidersitz sitzen, den Ober- oder körper nach vorne beugen und aufstehen. • Herausfinden, wie ein Mensch stehen, gehen, hüpfen etc. kann. • Vorgegebene, einfache Figuren mit dem eignen Körper nachlegen. • Mit geschlossenen Augen in die Hände klatschen. • Mit geschlossenen Augen die Fingerspitzen zusammenführen. vestibulär: • Mit geöffneten (geschlossenen) Augen über Linien oder Raumkoordinaten gehen. • Hindernisse mit vielfältigen Bewegungsformen überwinden / Gehen auf Mauern etc. • Einen Luftballon auf / mit verschiedenen Körperteilen balancieren. • Auf einem Bein stehen. • Sich mit dem Bauch auf einen Medizin- ball legen und sich steif wie ein Brett machen. • In einer Hängematte hin- und her schaukeln. • Sich am Ort oder im Raum laufend um die eigene Achse drehen. • Auf dem Boden liegend sich um die eigene Achse rollen 15 akustisch: • Sich auf den Rücken legen und beobachten, was wir noch hören können. Die Augen können zunächst durchaus geöffnet sein, dann geschlossen. • Welche Geräusche können wir mit unserem eigenen Körper erzeugen? • Mit welchen Körperteilen können wir besonders laute oder leise Geräusche erzeugen? • Können wir auch„unanständige“Laute erzeugen? • Sich laut/leise am Ort/im Raum bewegen. • Sich so leise im Raum bewegen, dass keiner den anderen hört. • Den Herz- und/oder Pulsschlag erkennen. Wo ist mein Herz? Kann ich dieses spüren? Wann spüre ich es ganz besonders? • Den Atem in Ruhe und Bewegung /nach körperlicher Anstrengung erfahren. visuell: • Körperteile auf Anforderung erkennen, zeigen und benennen können. • Vorgemachte Körperpositionen erkennen und nachgestalten. • Mehrere Körperpositionen vormachen. • Beim Nachmachen die richtige Reihen- folge einhalten (Kinder können bei solchen Übungen sehr gut den Erwachsenen ersetzen). • Fehlende Körperteile bei Abbildungen oder Schemamännchen erkennen und benennen. 16 7 Literaturverzeichnis Bauer, Jürgen; Bös, Klaus; Singer, Roland: Motorische Entwicklung. Ein Handbuch. Schorndorf: Hofmann 1994. Weineck, A.;Weineck, J.; Watzinger, K.: Leistungskurs Sport. Bewegungswissenschaftliche und gesellschaftspolitische Grundlage. Band III. Kunreuth: Sportbuch- und Medienverlag Weineck 2007. Zimmer, Renate; Vahle, Fredrik: Kinder - Körper - Sprache. Psychomotorisch fördern. Freiburg im Breisgau: Herder 2006. Jeannette Brunner, Dipl. Psychomotoriktherapeutin EDK http://www.psymo.ch/psychomotorik/text.htm (13.06.2015) Stich, Manfred: Mehr Sicherheit durch Bewegung. Unfallkasse Hessen (Hrsg.)Universum Verlagsanstalt, Wiesbaden 2000. (S.36-48) Beudels, Wolfgang u.a.: "das ist für mich ein Kinderspiel". Handbuch zur psychomotorischen Praxis. Borgmann Publishing, 6. Aufl. 1999 http://www.psychomotorikundspiele.de/psychomotorik/psychomotorikdefinition.html/ am 12.06.15 http://www.majewski-akademie.de/de/index/ am 12.06.15 http://www.psychomotorikundspiele.de/psychomotorik/ziele-und-inhalte.html/ am 15.06.15 http://www.psychomotorikundspiele.de/psychomotorik-ubungen-fur-kinder.html/ am 12.06.15 http://psychomotorik-stade-buxtehude.de/ueber-psychomotorik/warum/ am 15.06.15 17