Psychomotorik

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Psychomotorik-Therapie / Region Wil - Uzwil - Flawil / Schweiz / [email protected] / Februar 2002
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Psychomotorik
Der Begriff "Psychomotorik" verdeutlicht, dass die menschliche Bewegung nicht nur unserer
Fortbewegung oder einer Handlung dient, sondern auch als ein individuelles Ausdrucksmittel
der gesamten Persönlichkeit zu betrachten ist. Psychomotorik beschreibt die
Wechselbeziehung zwischen seelisch-psychischen und körperlichen Vorgängen. Unsere
seelische Befindlichkeit drückt sich über die Bewegung aus.
Der Körper wird in der Bewegung erlebt:

Durch Bewegung treten wir in Kontakt. Wir begegnen uns selbst, unseren
Mitmenschen, unserer Mitwelt.

Durch Bewegung (Körperhaltung, Gestik, Mimik) teilen wir uns mit und lernen
unsere Mitmenschen verstehen und kennen.

Durch Bewegung erobern wir uns unseren Raum und lernen uns zu orientieren.

Durch Bewegung erfahren wir unsere Möglichkeiten und Grenzen.

Durch Bewegung eignen wir uns Wissen an.
In der gesamten Entwicklung des Menschen kommt dem erlebten und bewegten Körper also
eine grosse Rolle zu. Er wird zum:

Ausdrucksmittel der Persönlichkeit

Ausgangs- und Bezugspunkt in Raum und Zeit

Instrument mitmenschlicher Beziehungen
Psychomotorische Störungen
Psychomotorik versteht die Bewegung des Menschen als Ausdruck einer Wechselbeziehung
zwischen Sinnesempfindung, Denken, Fühlen und Handeln. Störungen der Psychomotorik sind
Störungen im Bereich dieser Wechselbeziehung. Sie können sich als Wahrnehmungsprobleme,
Bewegungs- sowie Verhaltensauffälligkeiten zeigen.
Wir unterscheiden grob drei Störungsbilder. In der Praxis zeigen Kinder Störungen, die zwei
oder gar allen drei Erscheinungsbildern zugeordnet werden können oder weisen im
umgekehrten Fall nicht alle Symptome eines Störungsbildes auf.
Ebenso zeigen Kinder mit Wahrnehmungsstörungen, mit der Diagnose POS (ADHD, ADS) mit
Entwicklungsverzögerung, mit ungeklärten Schulschwierigkeiten oder Kinder mit belastenden
(traumatisierenden) biografischen Erlebnissen Symptome, die in den untenstehenden
Störungsbildern beschrieben sind.
Psychomotorische Unruhe
zeigt sich in:

ständigem, fast zwanghaftem Bewegungsdrang

fehlender Dosierung der Kraft und Kräfteverschleiss

mangelnder Kontrolle der Mimik und Gestik

geringer Ausdauer und Konzentration

nur kurzzeitigem Anpassungsvermögen in Gruppen
Psychomotorische Hemmungen
zeigen sich als:

fehlende Bewegungsspontaneität, Passivität

verzögerte und verkrampfte Bewegungen

mechanische, stereotype Abläufe

in Ängstlichkeit und übertriebener Vorsicht

in eingesunkener Körperhaltung
Psychomotorische Ungeschicktheit
zeigt sich in

unkoordinierten, ungezielten Bewegungen

Mitbewegungen und Verspannungen

unkontrollierter Kraft, Geschwindigkeit und Richtung der Bewegung

unbeholfenem, "gstabigem" Umgehen mit Materialien und Werkzeugen

falschen motorischen Reaktionen
Begleitsymptome sind oft:
a. mangelhafte akustische, visuelle und taktil-kinästhetische Wahrnehmung
b. Gleichgewichtsschwierigkeiten
c. Raumorientierungsschwierigkeiten
d. Körperschema-Störungen (unklare Vorstellung des eigenen Körpers)
e. links - rechts - Unsicherheiten, unklare Handdominanz
f.
Gestörter emotionaler Ausdruck
g. Verhaltensprobleme
h. Schulschwierigkeiten
Bei allen Menschen kann sich je nach Tagesverfassung, Umgebung oder Situation ein
gestörtes Bewegungsverhalten bemerkbar machen. Das ist normal und gehört zum
Menschen. Erst wenn das gestörte Bewegungsverhalten zu häufig auftritt, das Kind im
Alltag beeinträchtigt ist und es darunter zu leiden beginnt, sprechen wir von einer
psychomotorischen Störung.
Die psychomotorische Störung betrifft den ganzen Menschen. Betroffene können stark in
ihren Handlungs-, Ausdrucks- und Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt sein.
Ursachen
Die genauen Ursachen psychomotorischer Störungen sind selten eindeutig bestimm- oder
beweisbar. Oft führen verschiedene Faktoren zu einer Beeinträchtigung der
psychomotorischen Entwicklung.

Psychogene Faktoren:
prägende, negative Erlebnisse, die das seelische Wohlbefinden des Kindes stören
oder gestört haben.

Organische Faktoren:
geringfügige Erkrankungen des Körpers, Unfälle und minimale Hirnschädigungen
vor, während oder nach der Geburt.

Umweltfaktoren:
zu wenig Anregungen oder starke Bewegungseinschränkung durch beispielsweise
Überbehütung, Krankheit. Zu viele Sinneseindrücke durch. Medien und somit
Überforderung. Einstellungen, Normen, Werturteile dem Kind gegenüber.

Konstitutionelle Faktoren:
Vererbte Bewegungsentwicklung und Motorik
Auswirkungen von psychomotorischen Störungen
Ein Kind mit psychomotorischen Störungen kann seinen Bewegungen nicht trauen. Immer
wieder erlebt es seinen Körper als "Versager-Instrument". Seine Beziehung zur Mitwelt wird
dadurch gestört. Es wird nicht so verstanden, wie es verstanden werden möchte.
Wiederholte negative Erlebnisse, Ansprüche und Erwartungen von aussen, das Erleben des
eigenen Unvermögens bewirken mit der Zeit, dass das Kind mit einer Veränderung seines
Verhaltens darauf reagiert. Diese sogenannt sekundären Störungen bringen
Anpassungsschwierigkeiten in der Familie sowie der Schule mit sich. Vereinfacht dargestellt,
lassen sich drei Hauptrichtungen der sekundären Verhaltensstörungen beobachten:

Regression:
Zurückfallen in kleinkindliche Verhaltensweisen.

Rebellion:
Auflehnung gegen gestellte Anforderungen, Verweigerung, Abwertung,
Aggression.

Resignation:
Absonderung von den andern, Vermeidung von Wettkämpfen, meiden neuer
Bewegungsmöglichkeiten, Geringschätzung eigener Fähigkeiten, kein Vertrauen in
sich.
Eine weitere Überlebensstrategie ist das Kompensieren der Schwierigkeiten, durch
Überspielen als Clown, sich Herausreden mit "ich lese lieber, als mit euch zu spielen", oder
durch Aufspielen und Prahlen.
Psychomotorische Störungen sind im täglichen Leben nicht immer so offensichtlich, dass sie
als solche erkannt werden. Dem betroffenen Kind wird daher häufig schlechter Wille, Faulheit
oder Aufsässigkeit, Provokation vorgeworfen. Es muss oft als Sündenbock und schwarzes
Schaf für Unannehmlichkeiten gerade stehen. Die Erziehungspersonen sind durch sein
Verhalten oft überfordert und verstärken zum Teil durch ihre Reaktionen die Schwierigkeiten
des Kindes.
Das Kind kämpft an zwei Fronten, sowohl mit sich selbst, als auch mit seiner Umwelt.
Verhaltensschwierigkeiten, Kontaktstörungen, Lern- und Schulversagen, sind häufig Folgen
von psychomotorischen Störungen.
Psychomotorik-Therapie
Ziele und Inhalte
Die Psychomotorik-Therapie setzt sich zum Ziel, die Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Kontaktund Handlungsfähigkeit den Möglichkeiten des Kindes entsprechend zu fördern und zu
verbessern. Sie orientiert sich an den persönlichen Entwicklungsthemen des Kindes, seinen
Stärken und seinen psychomotorischen Schwierigkeiten. Sie unterstützt das Kind in seiner
Persönlichkeitsentfaltung, vermindert den Leidensdruck des Kindes und erleichtert ihm den
Umgang mit seinen Schwierigkeiten, seien diese nun im motorischen Bereich (Grob-, Feinoder Grafomotorik), oder im Verhaltensbereich.
Zusammenarbeit
Ein wichtiger Teil der Arbeit besteht in der Zusammenarbeit und Beratung von Eltern und
Lehrpersonen, sowie im Austausch und der Zusammenarbeit mit Fachpersonen. Oft ist es
nötig, das Umfeld für die Schwierigkeiten des Kindes zu sensibilisieren und gemeinsame
Lösungswege zu finden.
Ziel ist, den Kindern und Jugendlichen soweit zu helfen, dass sie den Anforderungen der
Umwelt gewachsen sind.
Die Beziehung zum Kind
Eine tragfähige Vertrauensbasis ist Voraussetzung für eine zufriedenstellende, therapeutische
Begleitung, die direkte und persönliche Beziehung zum Kind Grundlage für die Arbeit.
Das wichtigste therapeutische Mittel ist Bewegung, unterstützt und intensiviert durch Musik.
Turn-, Bewegungs-, Spielmaterialien und Musikinstrumente bieten vielfältige Anreize.
Gestalterische Ausdrucksmittel sind Malen, Zeichnen, Rollenspiel, Musikimprovisation usw.
Therapieform / Entwicklung
Einzeln oder in Kleingruppen besuchen die Kinder in der Regel einmal pro Woche die
Psychomotorik-Therapiestunde. Die Therapeutin/der Therapeut erstellt aufgrund der
Beobachtungen, die mittels eines klinischen Erfassungstests und der therapeutischen Arbeit
mit dem Kind gemacht werden, einen individuellen Therapieplan.
Dauer, Gestaltung und Intensität der Therapie richten sich nach den persönlichen
Bedürfnissen des Kindes in der jeweiligen Situation.
Die Therapeutin/der Therapeut gestaltet den Schwierigkeiten des Kindes angepasste
Bewegungs-, Gestaltungs- und Spielsituationen, bei denen dem Kind oder Jugendlichen die
Gelegenheit gegeben wird:

Rückstände der Bewegungs- und Wahrnehmungsentwicklung nachzuholen

das bewusste Wahrnehmen zu erweitern und sensibilisieren

das Körpergefühl und Bewegungsverhalten zu differenzieren

die Grob-, Fein- und Grafomotorik zu fördern und verbessern

die Handdominanz zu klären und schulen

neue Verhaltensmuster zu entdecken und spielerisch zu üben

einen eigenen Bewegungs- und Selbstausdruck zu finden

Stärken und Selbstbewusstsein zu fördern

einen angemessenen Umgang mit den eigenen Schwierigkeiten und
Gegebenheiten zu finden

die Kommunikationsfähigkeit mittels sozialem Lernen in der Gruppe zu erweitern
Diagnostik
In einer Erstbegegnung führt das Kind, angeleitet durch die Therapeutin/den Therapeuten
und im Beisein der Eltern, ein breites Spektrum von Bewegungsaufgaben aus den Bereichen
der Grob-, Fein- und Grafomotorik sowie aus Bereichen der Wahrnehmung aus. Die klinische
Erfassung wird ergänzt durch Beobachtungen in der freien Spielsituation, Gespräche mit den
Eltern des Kindes sowie weiteren wichtigen Bezugspersonen (Lehrkräfte, Arzt/Ärztin, weitere
Fachpersonen). Diese umfassende Analyse der psychomotorischen Störung sowie des
psychomotorischen Entwicklungsstandes des Kindes bildet die Grundlage sowohl für die
weiteren Entscheide als auch für den fundierten Einstieg in die therapeutische Arbeit mit dem
Kind.
Nach Therapiebeginn dient die Förderdiagnostik als Instrument, um die Therapieplanung
kontinuierlich den neuen Entwicklungen und Erkenntnissen anzupassen.
Therapiewirksamkeit
Mittels gezielter Beobachtungen, Rückmeldungen aus dem Umfeld und regelmässiger
Standortbestimmungen mit Bezugspersonen des Kindes, wird die Wirkung der Therapie
überprüft. Therapieverlauf und Entwicklungsschritte werden in Protokollen der
Therapiestunden sowie in Zwischen- und Abschlussberichten festgehalten.
Als weitere Unterstützung für die Wahrnehmung des Therapieprozesses und die Wahrung der
Qualitätssicherung dient die regelmässige Fachsupervision bei einer externen Fachperson.
Zuweisung
Die Anmeldung zur psychomotorischen Abklärung bzw. zur psychomotorischen Therapie ist je
nach Kanton und Therapiestelle unterschiedlich. In unserer Region erfolgt die Zuweisung
durch die Ärzteschaft, den schulpsychologischen Dienst oder andere Therapiestellen.
Kosten
Die IV hat die Leistungen für Psychomotorik-Therapie per 1.1.2008 aus dem IVG gestrichen.
Die Kosten werden zur Hauptsache durch den Trägerverein gedeckt. Den Eltern wird ein
minimaler Beitrag in Rechnung gestellt. Je nach Einkommen der Eltern kann dieser Beitrag um
50% reduziert werden oder entfällt ganz. Unser Team orientiert die Eltern diesbezüglich bei der
Erstbegegnung. Der Elternbeitrag kann nicht den Krankenkassen in Rechnung gestellt
werden.
Psychomotorik-Therapie gehört nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen.
Einige Kassen übernehmen die Kosten nach ärztlicher Verordnung, und meistens nur, wenn
eine Zusatzversicherung (Komplementärmedizin) vorliegt. Bis jetzt ist das Psychomotorik-Team
nicht im EMR.
Ausbildung
Die Psychomotorik-Therapeutin/der Psychomotorik-Therapeut hat eine pädagogische
Grundausbildung mit Berufserfahrung. Anschliessend folgt eine dreijährige Vollzeitausbildung
an der Fachhochschule für Heilpädagogik in Zürich, Basel oder Genf. Neu werden auch
Maturandinnen und Maturanden mit einjährigem Sozialpraktikum zugelassen. Nach Abschluss
der Grundausbildung ist eine ständige berufliche Weiterbildung unerlässlich.
Schweigepflicht
Die Psychomotorik-Therapeutin/der Psychomotorik-Therapeut arbeitet nach strengen
berufsethischen Grundsätzen (Schweigepflicht, Integrität, Kooperation). Unterlagen und
Berichte werden nur mit Einwilligung der Eltern an andere Stellen weitergeleitet.
Textredaktion: Jeannette Brunner, Dipl. Psychomotorik-Therapeutin astp/ED, [email protected]
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