Friedrich-Schiller-Universität Jena Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre Seminar: Methoden des Vergleichs WS 09/10 Dozent: Dr. Dietmar Bastian Referenten: Lisa Böttcher, Janneke Daub, Michiko Günther, Johanna Heidel, Lars Krahmann, Kjell Schneider, Barbara Schumann, Sairy Gomez Waltermann, Kristin Patzelt, Ingmar Herda Beispiele für den Vergleich politischer Systeme (Polity, Policy, Politics) 1. Zugänge Wie regieren Staats- und Regierungschefs? → drei unterschiedliche Zugänge: a. Systemtypologische Zugänge: politisches Entscheiden wird hier nach Typologien unterschieden 1. klassischer Institutionalismus, 2. NeoInstitutionalismus b. Machtzentrierte Zugänge: politisches Entscheiden wird hier nach der verfassungsmäßigen Stellung der Staats- und Regierungschefs unterschieden →Welcher Staats- und Regierungschef hat die meiste Macht inne? Stark personenbezogen; Auseinandersetzung mit Staats- und Regierungschefs im politischen Entscheidungsprozess c. Zugänge aus dem Bereich der politischen Führung: politisches Entscheiden nach Kriterien der „political leadership“→Führungsstilvergleiche, aber: analytische Defizite, da meist normative Kategorien festgelegt und Einzelpersonen in ihrem Wirkungskontext betrachtet werden 2. Politisches Entscheiden in den USA, GB und Deutschland Akteurs zentrierter Institutionalismus - Analyse von Akteurshandeln und institutionellen Prägungen. - Regierenden werden durch institutionelle Rollen, Regeln und Routinen beeinflusst. - Es besteht ein „Handlungskorridor“ für den jeweiligen Amtsinhaber Vergleich: Siehe Rückseite 3. Regierungshandeln aus Akteursperspektive 3.1 Machtzentralisierung (siehe Rückseite) 3.2 Stilles Regieren (siehe Rückseite) 3.3 Netzwerk-Pflege: „Steuerung durch Integration von Interessengruppen und Konsens der Beteiligten“ - Verhinderung von Entscheidungsblockaden - ist eine neue „Institution“ zur Entscheidungssteuerung - sanfte Art der Machtausübung 3.4 Chefsachen-Mythos - wird ein politischer Sachverhalt zur Chefsache erklärt, holt man damit die Entscheidungskompetenz zurück und betont diese - unwichtig ist, ob die Regierungschefs wirklich das letzte Wort haben, sie müssen nur so tun, als hätten sie es, wenn sie wollten 3.5 Telepolitik: Regieren in einer Publikumsgesellschaft - politische Entscheidungen sind kommunikationsabhängiger geworden - politische Entscheidungen sollen durch Zustimmung in der Bevölkerung vorangetrieben werden / und zwar auf zwei Ebenen: - durch offenen Politikstil und medienwirksame Darstellung der Politik - durch Regieren im Wahlkampfstil (hier mit deutlichem Fokus auf die Meinungsforschung und einer erheblichen Plebiszittendenz) -„going public“ als Möglichkeit der Amtsinhaber, sich direkt an eigene Bevölkerung zu wenden 3.6 Der Charme der Außenpolitik - außenpolitisches Terrain an entscheidendes Betätigungsfeld, weshalb viele Staats- und Regierungschef diese Domäne für sich zu beanspruchen versuchen → ermöglicht öffentlichkeitswirksame Darstellung sowie Distanzierung vom täglichen Politikgeschäft - spezifischen Zunahme der symbolischen Außenpolitik 3.7 Ideenmanagement - Ideen, Wertvorstellungen, Überzeugungen kommen in der Politik gestaltende Kraft zu - sowohl Präsident, Kanzler, als auch Premier konnten dies als Instrument des modernen Regierens nutzen und die Ideen zu Instrumenten ihrer Regierungsstile machen Literatur: Korte, Karl-Rudolf (2001): Was kennzeichnet modernes Regieren? Regierungshandeln von Staats- und Regierungschefs im Vergleich, in: APuZ B5/ 2001, S. 3-13. Lauth, Hans-Joachim/ Mols, Manfred/ Wagner, Christian (Hrsg.), Politikwissenschaft: Eine Einführung, 5. Aufl., 2006 Paderborn. Techniken modernen Regierens Politisches Entscheiden Deutschland (am Bsp. Schröder) -System als eine „Mischform“ à Kombination aus parlamentarischen und Verhandlungssystemen - Regierung vom Vertrauen des Parlamentes abhängig USA (am Bsp. Clinton) -Entscheidungsfindung auf den Präsidenten zugeschnitten - Präsident „direkt“ vom Volk gewählt à geringe Abhängigkeit vom Parlament -Exekutive streng vom Kongress getrennt GB (am Bsp. Blair) -Premierminister hat breiteres Aktionsfeld als der dt. Bundeskanzler, wegen Mehrheitswahlrecht: Regierungspartei hat eine satte Mehrheit -Größere Abhängigkeit vom Parlament Machtzentralisierung -Hierarchische Machtzentralisierung über Ausbau des Kanzleramtes und Machtnahme der Partei -Kanzleramt als Regierungszentrale, Koordinationsstelle und Frühwarnsystem -Erarbeitung des Führungsanspruchs des Kanzlers durch parteipolitische Rückbindung → Kanzlermacht = Parteimacht -Zusätzliche Zentralisierung der Kanzlermacht durch institutionelle Partei-Reformen -großes Machtpotenzial für Amt des Premierministers als „Chairman of the Cabinet“ und Parteiführer im Parlament -Westminster-Modell: Machtfusion zwischen Exekutive und Parlamentsmehrheit -unter Blair: Aneignung der Kontrolle über Ministerien, über das Kabinett und über die Regierungspartei -Instrumente der Machtzentralisierung: Aneignung bestehender Institutionen und somit Erweiterung des Handlungskorridors Stilles Regieren -Kanzler forciert diesen Auslandungsprozess -Vorbereitung der Entscheidung im Kräfteparallelogramm->Partei, Koalition, Medien -Polit. System will Machtzentralisierung verhindern, geringe Möglichkeiten zur Machtanhäufung → Ausdifferenzierung bestehender Institutionen -personalpolitische Strategien bei der Bestellung des Spitzenpersonals -größeren Einfluss auf „White House Office“/ „kitchen cabinett“→zentrale Agentur der Politikgestaltung→für jeden Präsidenten neu zu bestimmende Institution der Machtzentralisierung -andere Machtquellen müssen eingebunden oder ausbalanciert werden -Hierarchie systembedingt schwer herzustellen -Informalisierung (Entgegenwirken der Machtteilung und der Fragmentierung des politischen Prozesses) -„Stilles Regieren“ als Notwendigkeit -strategische Allianzen -„Pakete“ auf der Tagesordnung des Kongresses -hoher politischerVerhandlungsbedarf -eigentlich keine Notwendigkeit für Etablierung koalitionsinterner Abstimmungs-mechanismen -Verlagerung aus dem Kabinett in informall arbeitende Kabinettsausschüsse -handverlesene Treffen in Downing Street No. 10, „sofa government“