Bulgarien: EU hilft bei der Modernisierung der Stromwirtschaft Erscheinungsdatum Website: 05.06.2014 14:45:04 Erscheinungsdatum Publikation: 10.06.2014 zurück zur Übersicht Starke Abhängigkeit von russischem Gas / Überkapazitäten bei der Stromerzeugung / Von Michael Marks SOFIA (NfA/gtai)--Der bulgarische Energiesektor ist mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Endverbrauch und Exporte sinken, der Stromüberschuss ist hoch. Ein Kapazitätsausbau erscheint daher nicht opportun. Geplant ist, mehr Wasser- und Kernenergie zum Produktionsmix heranzuziehen. Die große Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen legt eine Diversifizierung nahe. Die Regierung arbeitet derzeit an einer Reform des Energiesystems und an einer neuen Energiestrategie. Ziele und Daten früherer Pläne sind mittlerweile obsolet. Damit fehlen derzeit konsistente Zielvorgaben und Prognosen. Der frühere Energieplan für den Zeitraum 2010 bis 2020 und die zweijährigen Rechenschaftsberichte sind auf der Webseite des Ministeriums für Wirtschaft und Energie verfügbar. Zu bedeutenden Herausforderungen gehören das große und wachsende finanzielle Defizit im gesamten Energiesystem. Die künstliche Begrenzung der Energiepreise gilt als nicht nachhaltiges Steuerungsinstrument. Gefordert sind Preisderegulierung mit gezielten Maßnahmen zur sozialen Verträglichkeit. Transparenz und Vorhersehbarkeit der Energiepolitik wären notwendig ebenso wie eine Deregulierung des Marktes, Stärkung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und Stabilisierung der Energieunternehmen. Die Verbesserung der Energieeffizienz und eine verstärkte Nutzung lokaler Energiequellen, insbesondere erneuerbarer Energien, kommen hinzu. Der Bau des südlichen Gaskorridors gilt als wichtiger Schritt in Richtung einer Diversifizierung der Erdgaslieferungen für die Länder Südosteuropas. Die Versorgung mit aserbaidschanischem Erdgas wird auch von Bulgarien unterstützt. Die Energieabhängigkeit von Russland beträgt rund 90%. Der Widerstand gegen das Projekt South Stream wird neben rechtlichen Bedenken der EU angesichts der Ukraine- beziehungsweise Krimkrise zusätzlich verstärkt. Das Land hat erhebliche Stromüberkapazitäten. Ein weiterer Kapazitätsausbau gilt daher für die kommenden 15 Jahre als nicht erforderlich. Auch dies wird politisch kontrovers diskutiert. Die Verbesserung der Energieeffizienz und die demografische Entwicklung begrenzen die künftige Stromnachfrage. Im Dezember genehmigte die EU-Kommission die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten im Wert von 945 Mio EUR für die Modernisierung des bulgarischen Stromsektors. Die Investitionsmaßnahmen betreffen die Stilllegung einiger Kohlekraftwerke mit geringem Wirkungsgrad, die Erhöhung des Anteils emissionsärmerer Erdgaskraftwerke und der erneuerbaren Energien sowie die Diversifizierung des Energiemixes. Diese Maßnahme trägt gleichzeitig durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen auch zur Erreichung der Ziele von "Europa 2020" bei. Die absoluten Endverbraucherpreise für Strom sind in Bulgarien so niedrig wie in keinem anderen EU-Staat. Das Bild kehrt sich um bei der Betrachtung der Kaufkraftparitäten. Rund 60% der Haushalte gelten als "energiearm". Sie sind zudem überproportional auf Strom angewiesen, der in großem Umfang auch für Heizzwecke benutzt wird. Der Zielwert des Anteils von erneuerbaren Energien von 16% am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2020 wurde laut Eurostat bereits im Jahr 2012 mit einem Wert von 16,3% erreicht. Langfristig garantierte Einspeisevergütungen mit unbegrenzten Abnahmepflichten haben in ein zu schnelles Wachstum hineingeführt. Das brachte die staatliche Energiegesellschaft NEK in einem System weitgehend regulierter Preise aus sozialen Erwägungen heraus in eine finanzielle Schieflage. Der Anteil der Windenergie betrug im vergangenen Jahr nach vorläufigen Angaben des Nationalen Statistikamtes 3,4% an der gesamten Nettostromproduktion nach 2,85% im Jahr davor. Die installierten Windkapazitäten beliefen sich 2013 auf 681 MW. Das Potenzial der Windenergie wird auf 3.400 MW geschätzt. Im April 2012 hatte das Ministerium für Wirtschaft und Energie angekündigt, bis Ende 2016 keine Genehmigungen mehr für die Erweiterung der Windkapazitäten zu erteilen. Zudem wurde die Einspeisevergütung für Strom aus Windkraftanlagen um 20% gesenkt. Rückläufiger Stromverbrauch und stark gesunkene Exporte führten Anfang des Jahres zu einer Überproduktion. Diese diente im März als Rechtfertigung für eine Abnahmebeschränkung um 60% bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Das gegenwärtige Umfeld für Windenergie lässt eine nur geringe Erweiterung der Kapazitäten um ungefähr 20 MW pro Jahr erwarten. Die Investitionen sind in diesem Bereich für die nächsten zwei bis drei Jahre auf Eis gelegt. Die durchschnittlichen Gesamtkosten für Windkraftanlagen liegen gegenwärtig bei 1,20 bis 1,40 EUR/W. Derzeit gibt es landesweit 156 Wasserkraftwerke. Davon befinden sich rund 30 mit einer Gesamtleistung von circa 3.000 MW im Eigentum der staatlichen Energiegesellschaft NEK. Im Jahr 2013 betrug die Nettostromproduktion in Bulgarien nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts 40.055 TWh, wovon 11,55% aus Wasserkraftwerken stammten. Für den Ausbau der Nutzung von Wasserkraft ist die Wiederaufnahme der Vorhaben zum Bau von zwei Donau-Wasserkraftwerken geplant: Turnu Magurele und Calarasi. Der Bau des gemeinsamen bulgarisch-rumänischen Wasserkraftwerks in Turnu Magurele beziehungsweise Nikopol auf der bulgarischen Seite hat bereits begonnen. Die Anlage soll eine Kapazität von 400 MW haben. Nun soll der Bau des Kaskadenwasserkraftwerks Gorna Arda mit 174 MW beginnen. Die Kosten betragen rund 350 Mio EUR. Die Inbetriebnahme ist für 2019 geplant. Während die großen Wasserkraftwerke der NEK zum Teil auf ihre Modernisierung warten, dürfte sich der Markt für neue kleine Wasserkraftanlagen noch entwickeln. Die Investitionen in dieser Sparte werden sich in den nächsten Jahren voraussichtlich nur noch sehr gedämpft entwickeln. Zum einen erlebte Bulgarien in jüngster Zeit bereits einen Boom in dem Bereich, der zu sehr hohen Kapazitäten geführt hat. Im vergangenen Jahr betrug die Leistung der Anlagen in den Solarparks nach Angaben der Bulgarian Photovoltaic Association insgesamt 1.010 MW. M.M./NfA/10.6.2014