Der Weltklimavertrag - Klimabündnis Österreich

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Medieninfo
Der Weltklimavertrag von Paris: Was steht drinnen,
was bedeutet das und was fehlt?
Analyse von Peter Molnar, Geschäftsführer des Klimabündnis Österreich
Der 12.12.2015 kann sicher als historisch für die Menschheitsgeschichte angesehen werden.
Höchstrangige PolitikerInnen überschlugen sich deshalb auch gestern in Le Bourget bei
Paris mit Metaphern die sie, wie sie sicher hofften, unsterblich machen würden – ein guter
Kandidat ist allerdings US-Präsident Barack Obama, der, obwohl nicht mehr anwesend,
bereits im September so treffend formuliert hat: „Wir sind die erste Generation, die die
Folgen des Klimawandel spürt – und wir sind die letzte, die etwas dagegen tun kann“. Der
Klimavertrag von Paris gibt dazu erstmals wirklich Hoffnung, dass die Eindämmung des
menschgemachten Klimawandel auch gelingt.
Was steht nun drinnen im ersten „Weltklimavertrag“? Alleine die Wörter „erster“ und
„Weltklimavertrag“ bedürfen dabei einer kurzen Erklärung. Die erste „Weltklimakonferenz“
der UNO erfolgte 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien, 1997 gab es die berühmte Konferenz in
Kyoto, Japan. Seit 2005 gilt das sogenannte „Kyoto-Protokoll“. Es wird oft übersehen, dass
das noch bis 2020 geltende Kyoto-Protokoll (auch das wurde in Paris geklärt) nur für
Industriestaaten gilt, wobei einige Industriestaaten aus dem Klimaschutz wieder
ausgestiegen sind, bzw sogar nie eingestiegen sind. So hat die USA, damals immerhin der
größte CO2-Emittent der Welt, das Kyoto-Protokoll nie ratifiziert und Kanada, Australien und
Japan sind wieder ausgestiegen. Österreich hat das Kyoto-Protokoll zwar ratifiziert, aber als
eines von nur vier Industriestaaten seine Ziele (-13% Treibhausgasemissionen von 19902012) nicht erreicht. Jeder kann nun für sich selbst beantworten, was schlimmer ist: Einen
Vertrag nicht zu ratifizieren oder die Ziele ganz klar zu verfehlen!
Das „Paris Abkommen“ ist jetzt etwas anderes, viel größeres. Es erfasst erstmals alle
Staaten der Welt, und nicht nur die Industriestaaten. Ein eigentlich vorab nicht für möglich
gehaltener Erfolg (auch wenn das von den Klimabündnis-Gemeinden voriges Jahr in einer
Petition gefordert wurde!). Das Abkommen besteht aus 2 Teilen und 32 Seiten. Die ersten 20
Seiten sind die völkerrechtlich verbindlichen Entscheidungen nach der
Klimarahmenkonvention und der Anhang, das „Paris Agreement“, muss von allen 195 UNStaaten national noch ratifiziert werden. Als wichtiger Zeitpunkt hierfür ist im Text der 22.
April 2016 in New York genannt, mit einer Frist bis 21. April 2017.
Die Festschreibung des „well below“ 2 Grad-Zieles (d.h. die Erwärmung der globalen
Durchschnittstemperatur gegenüber der vorindustrialisierten Zeit klar unter 2 Grad Celsius zu
halten) bzw sogar die prominente Erwähnung der so dringend erforderlichen 1,5 GradZielrichtung ist sicherlich die zweite Sensation von Paris. Die Erwähnung des von mehr als
100 Entwicklungsländern geforderten 1,5 Grad-Ziels macht klar, dass der Startpunkt der
weltweiten Klimaschutzbemühungen nicht erst 2020 erfolgen kann, dann wenn der Vertrag in
Kraft treten soll, sondern unverzüglich erfolgen muss, da wir derzeit bei einer Erwärmung
von 0,8-0,9 Grad Celsius stehen!
Und da kommen wir auch schon zum Haken an der ganzen Sache: Der neue
„Weltklimavertrag“ beruht auf freiwilligen Selbstverpflichtungen der einzelnen UN-Staaten
(INDC´s). Rd 180 Staaten haben vor der Konferenz Ihre CO2-Reduktionspläne übermittelt,
darunter erstmals auch die zwei größten CO2-Emittenten der Welt, China und USA. Wenn
man die angeführten CO2-Reduktionen der Länder jedoch zusammenzählt, wird das 2 GradZiel klar verfehlt. Je nach Berechnungsmethode kommt man auf 2,7-3,8 Grad Celsius
Erwärmung bis 2100. Es gibt deshalb einen eklatanten Widerspruch zwischen Anspruch und
Realität und einige meinen, dass die gesetzten Ziele zwar sehr positiv sind, viele
Maßnahmen und Begrifflichkeiten zum Erreichen der Ziele aber schlussendlich
herausgestrichen werden mussten.
Allerdings wird in verschiedenen Punkten auch versucht, die Maßnahmen etwas allgemeiner
und subtiler formuliert wieder im Vertragswerk unterzubringen. So sollen die bisher
vorgelegten Reduktionspläne (INDC´s) im Jahr 2018 bezüglich Zielerreichung zum ersten
Mal überprüft werden, und die Klimaziele der einzelnen Länder ggf angehoben werden. Nach
fünf Jahren erfolgen dann weitere Überprüfungen und die INDC´s müssen für die
Zielerreichung immer anspruchsvoller werden. Die Bilanzierung dafür soll auch einheitlich
erfolgen, entwickelte Staaten sollen dabei Entwicklungs- und Schwellenländer unterstützen.
Auch soll eine Wende Richtung klimaverträglicher Weltwirtschaft unverzüglich erfolgen um
„in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts die Emissionen auf Null zu bringen“ (Die Wörter
„Dekarbonisierung“ und „Klimaneutralität“ wurden im Text jedoch vermieden). Das bedeutet
aber mehr oder weniger den kompletten Ausstieg aus den fossilen Energiequellen Kohle, Öl,
Gas ab 2050 inklusive der gesamten Divestment-Problematik (dh die „Werthaltigkeit“ der
Kohle-, Erdöl- und Gasstaaten und –Industrien der Welt, auf dem ein Großteil unseres
gesamten Wirtschafts- und Finanzystem beruht, muss ab jetzt in Frage gestellt werden).
Einer der ganz großen Knackpunkte für den Klimavertrag war (wie schon mehrfach
angeführt) die Finanzierung des green climate fund. Die EU hat gemeinsam mit den USA
und Norwegen umfangreiche Finanzierungszusagen geleistet. Festgeschrieben wurde die
Unterstützung der Industriestaaten von Klimaschutzbemühungen in den Entwicklungsländern
über 100 Mrd Dollar pro Jahr (91 Mrd EUR/a) von 2020 bis 2025. Während dieser Zeit sind
weitere Länder (Brasilien, China, Indien, Saudia-Arabien, …) dazu eingeladen, auf freiwilliger
Basis, ebenfalls Unterstützungen zu leisten. Ab dem Jahr 2026 sollen die Beiträge weiter
ansteigen, und auch der Fonds für „loss and damage“ soll dann behandelt werden (wurde
mit einem eigenen Kapitel bedacht!).
Interessanterweise wird auch eine weitere langjährige Forderung des Klimabündnis im
Vertrag erstmals behandelt. Das Paris-Abkommen verankert auch Maßnahmen zu
Waldschutz im Weltklimavertrag. Der Vertrag verpflichtet alle Länder zur „Bewahrung und
Erweiterung“ von „Senken und Reservoiren“. Das ist der Code für Wälder und andere
Ökosysteme, die der Atmosphäre CO2 entziehen, wie z.B. auch die Ozeane. Der von
unseren Partnern am Rio Negro in Brasilien geforderte REDD+-Mechanismus, der
Zahlungen für Waldschutz an indigene Organisationen ermöglicht, wird auch erstmals im
Vertrag dargelegt. Die genauen Auswirkungen dieser Festlegungen im Vertrag bedürfen
aber noch eingehender weiterer Untersuchungen, da sich einige Mechanismen für
Klimaschutz auch schon zum Gegenteil verkehrt haben (z.B. Palmöl für Agrotreibstoffe,…).
Was fehlt?
Einerseits wird der weltweite Flug- und Schiffsverkehr (der bis über 12% der gesamten
anthropogenen Treibhausgasemissionen ausmacht, und damit der drittgrößte
menschgemachte CO2-Emittent wäre) ins Klimaabkommen wieder nicht einbezogen und
muss deshalb ein wichtiger Punkt bei den nächsten Verhandlungen sein…
Andererseits fehlt natürlich die verpflichtende Umsetzung der großen Versprechungen
z.B. von Österreich in Paris. Die zwei konkret genannten Maßnahmen, 100% Erneuerbare im
Stromsektor bis 2030 und 500 Millionen EUR für den green climate fund bis 2020 müssen
wichtige Leitlinien für die kommende Politikperiode sein…
Die zeitgerechte Fertigstellung des ersten weltweit geltenden (aber noch nicht bindenden!)
Klimavertrages kann als wirkliche Sensation betrachtet werden. Die zweite (hoffentlich nicht
sogar größere!) Sensation wäre, wenn die österreichische Politik die Versprechungen
von Paris rasch in nationales Recht umsetzt und Österreich zu einem Vorzeigeland
des Klimaschutzes macht – die Voraussetzungen dafür sind schon lange vorhanden…
zum KlimaBlog des Klimabündnis
Rückfragen: Hannes Höller, Klimabündnis Österreich, 0664 / 85 39 409, [email protected]
Das Klimabündnis ist ein globales Klimaschutz-Netzwerk. Die Partnerschaft verbindet 23 indigene
Völker in Amazonien mit mehr als 1.600 Gemeinden aus 26 Ländern in Europa. In Österreich setzen
sich 978 Klimabündnis-Betriebe, 951 Klimabündnis-Gemeinden und 479 Klimabündnis-Schulen
& -Kindergärten für Klimaschutz und Regenwald ein. www.klimabuendnis.at
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