Seite - beim Kanton Aargau

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GROSSER RAT
WORTPROTOKOLL
64. Sitzung vom 18. August 2015 von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr (Art. 0994-1000)
Vorsitzender:
Dr. Markus Dieth, Wettingen
Protokollführung:
Rahel Ommerli-Peyer, Ratssekretärin
Präsenz:
Anwesend 134 Mitglieder (Sukhwant Singh-Stocker bis 15.00 Uhr)
Abwesend mit Entschuldigung 6 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Adrian Ackermann, Kaisten; Flurin Burkard,
Waltenschwil; Maya Meier, Auenstein; Gottlieb Trachsler, Gontenschwil; Trudi Huonder, Egliswil; Jeanine Glarner, Möriken-Wildegg
Behandelte Traktanden
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0994 Interpellation der CVP-Fraktion (Sprecherin Marianne Binder-Keller, Baden) vom 18. August
2015 betreffend zeitgemässe und familienfreundliche Stundenplangestaltung, respektive neue
"Öffnungszeiten" unserer Schulen; Einreichung und schriftliche Begründung
2795
0995 Robert Obrist, Grüne, Schinznach; Fraktionserklärung
2796
0996 Postulat Viviane Hösli, SP, Zofingen, und Irène Kälin, Grüne, Lenzburg, vom 24. März 2015
betreffend Auswirkungen des Entscheides der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf die
Aargauer Volkswirtschaft den Mindestumwandlungskurs aufzugeben; Überweisung an den
Regierungsrat und gleichzeitige Abschreibung
2797
0997 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Viviane Hösli, Zofingen) vom 24. März 2015
betreffend Lohndruck im Kanton Aargau aufgrund des Entscheides der Schweizerischen
Nationalbank (SNB) zum Umwandlungskurs; Beantwortung und Erledigung
2804
0998 Interpellation Maja Riniker, FDP, Suhr, vom 24. März 2015 betreffend Zusatzaufwand durch
die Erstellung von Statistiken an den Familiengerichten im Zusammenhang mit dem Kindesund Erwachsenenschutzrecht (KESR); Beantwortung und Erledigung
2808
0999 SVA Aargau; Jahresbericht und Jahresrechnung 2014; Genehmigung
2813
1000 Ergänzungsbotschaft zur Botschaft 14.197; Neuregelung der familienergänzenden
Kinderbetreuung; Aargauische Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende
Betreuungsstrukturen; Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz, KiBeG) (Gegenvorschlag); Bericht und Entwurf zur 1. Beratung; Eintreten und
Beginn der Detailberatung
2819
2794
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie zur 64. Sitzung der Legislaturperiode 2013/2016.
0994 Interpellation der CVP-Fraktion (Sprecherin Marianne Binder-Keller, Baden) vom 18. August 2015 betreffend zeitgemässe und familienfreundliche Stundenplangestaltung, respektive
neue "Öffnungszeiten" unserer Schulen; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der CVP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Das Thema Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsleben beschäftigt die politische Agenda. In
knapp 75 % aller Familien gehen beide Elternteile neben der Familienarbeit (in unterschiedlichen
Pensen) einer Erwerbsarbeit nach. Gefragt ist folglich ein gutes Angebot an ausserhäuslichen Betreuungsstrukturen.
Für diese sollen im Aargau gemäss dem Willen grosser politischer Kreise die Wohngemeinden besorgt sein, (siehe Initiative des Lehrerverbandes, Gegenvorschlag der Regierung, Volksinitiative der
CVP). Diese Vorschläge zur familienergänzenden Betreuung enthalten ein Obligatorium, unterscheiden sich jedoch in den Vorstellungen bezüglich Auflagen und Kosten für das Gemeinwesen.
Die CVP ist überzeugt, dass gute familienergänzende Betreuungsstrukturen der gesellschaftlichen
Realität entsprechen, und – im Besonderen auch bedingt durch den zunehmenden Druck, Fachkräfte
im Inland zu rekrutieren – volkswirtschaftlich notwendig werden und zur Standortpolitik gehören.
Deshalb ist es vertretbar, die Gemeinden in die Verantwortung einzubeziehen bei der Sicherstellung
der Tagesbetreuung für diejenigen Kinder, welche eine solche benötigen.
Möglichst tiefe Kosten für das Gemeinwesen bilden jedoch eine Voraussetzung. Ein zentraler und
einfacher Hebel dazu liegt bei den öffentlichen Schulen und verbesserten Stundenplänen.
Wenn die Gemeinden schon verpflichtet werden sollen, Betreuungsangebote sicher zu stellen, bilden
bezüglich Kostenoptimierung zeitgemässe Stundenpläne und eine familienfreundliche Tagesorganisation eine wesentliche Rolle. Diese Organisation muss so gestaltet sein, dass möglichst wenig zusätzliche Betreuung neben der Schule anfällt. Wer Kosten sparen will, sollte sie am besten gar nicht
entstehen lassen.
Die Schweizerischen Stundenpläne an den öffentlichen Schulen, insbesondere an den Aargauischen, erfordern anders als im Ausland einen grossen organisatorischen Aufwand für die Eltern unabhängig davon, ob diese einer ausserhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehen. Sie könnten ohne grosse zusätzliche Kosten von den Schulen abgefangen werden mit anderen "Öffnungszeiten" in den
Mittags-und Randstunden und einem möglichst kostenneutralen Betreuungsmanagement, das jede
Schule zusammen mit der Gemeinde gemäss den individuellen lokalen Bedürfnissen übernimmt.
Das bedeutet: auch die Schulen werden in die Verantwortung einbezogen, eine sinnvolle Tagesbetreuung sicherzustellen, indem sie verpflichtet werden, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden
Stundenpläne zu gestalten, die familienfreundlich sind. Es bedeutete den längst fälligen Paradigmenwechsel wonach sich nicht nur Eltern nach der Schule zu richten haben, sondern die Schulen
auch nach Eltern. Ausserdem ist ein verlässlicher Tagesrhythmus wie weltweit an allen Schulen üblich mit geregeltem Tagesplan für Kinder auch pädagogisch sinnvoll. Sich täglich auf einen neuen
Zeitplan einzustellen, bringt sicherlich dem Familienalltag keinen Mehrwert.
In Konsequenz dieser Überlegungen bitten wir den Aargauischen Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Teilt der Regierungsrat die Meinung, dass bei der Gestaltung der Stundenpläne grosses Optimierungspotenzial herrscht und dass diese den heutigen Bedürfnissen der Eltern hinsichtlich der
besseren Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsleben angepasst werden müssen? Sind
für solche Stundenpläne neue rechtliche Grundlagen nötig? Wenn ja, ist der Regierungsrat bereit, solche zu schaffen?
2. Ist der Regierungsrat bereit, den Schulleitungen eine aktivere Rolle in der Schulorganisation im
Hinblick auf die Tagesgestaltung der Kinder zu gewähren? Dazu müssen die Stundenpläne op-
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timiert und in Absprache mit den Gemeinden gestaltet werden. Diese Tagesgestaltung soll den
lokalen Bedürfnissen angepasst sein.
"Offene Schulhäuser" bilden eine organisatorische Massnahme im Dienste der besseren Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsleben. Sie sind ein Angebot für alle Kinder, die teilweise
oder täglich eine Tagesbetreuung benötigen. Teilt der Regierungsrat diese Haltung? Sieht der
Regierungsrat Möglichkeiten, den Schulgebäuden eine bessere Nutzung aufzuerlegen, indem
diese Schülerinnen und Schülern auch über Mittag und in den Randstunden zur Verfügung stehen.
Ist der Regierungsrat bereit, analog zur Stadt Zürich mit möglichen Schulen Schulversuche zu
starten, welche einen Ganztagesbetreuung sicherstellen analog zu Privatschulen mit eventueller
Einbindung von Lehrpersonen (Prüfung von anderen Präsenzzeiten) und Privatpersonen.
Sieht der Regierungsrat Möglichkeiten in Public Private- Partnerschaftsmodellen (PPP) Vereinbarungen zu schliessen mit Privatschulen, welche eine Tagesbetreuung anbieten?
Im Kanton Aargau entscheiden die Gemeinden über Blockzeiten. Welches sind die Überlegungen, weshalb diese nicht generell zur Stundenplangestaltung gehören? Wäre der Regierungsrat
gewillt, generell Blockzeiten einzuführen?
0995 Robert Obrist, Grüne, Schinznach; Fraktionserklärung
Robert Obrist, Grüne, Schinznach: Der Klimawandel äussert sich mit zunehmend extremen Wetterkapriolen. Der Sommer 2015 wird als weiteres Extremereignis in die Geschichte eingehen. Die
Landwirtschaft im Kanton Aargau ist von Ertragseinbussen betroffen. Die ganze Schweiz vom wegschmelzenden Gletschereis. Erfahrungsgemäss werden solche Ereignisse mit einem Schulterzucken
quittiert. Solange, bis die Gletscher ganz weg sind und extreme Wettereignisse noch dramatischere
Folgen zeigen. Mit demselben Schulterzucken wurden und werden unsere Forderungen nach einer
gerechteren Verteilung des Wohlstands in der Welt quittiert. Heute werden die Folgen dieser Ignoranz drastisch sichtbar. Heute und in naher Zukunft suchen immer mehr Menschen, die in ihren Heimatländern keine Perspektiven haben, den Weg dorthin, wo aus ihrer Sicht Milch und Honig fliessen.
Abgestempelt als Wirtschaftsflüchtlinge verwehren wir ihnen den Zugang. Selbstverständlich, wenn
die Schweiz, wenn Europa die Schranken öffnet, schmälert das unseren Wohlstand. Ob es unsere
Kultur bereichert oder zerstört, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wir in der Schweiz haben es verpasst, bereits vor vielen Jahrzehnten die Weichen für eine gerechtere Welt zu stellen.
Heute sind wir mit den Folgen konfrontiert. Mauern hochzuziehen oder Menschen ins Meer zurückzustossen kann keine Lösung sein. Ebenso wenig eine unbeschränkte Zuwanderung. Wir werden
einen Weg finden müssen, der sich zwischen humanitärer Tradition und unseren beschränkten materiellen und kulturellen Ressourcen bewegt. Kurz, ein Weg zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit. Schwierige und herausfordernde Entscheide!
Ebenso schwierige Entscheidungen werden uns und kommenden Generationen nicht nur in der Zuwanderungspolitik sondern auch in der Umwelt- und Klimapolitik bevorstehen. Nehmen wir den Hitzesommer 2015 als Zeichen! Als Zeichen zum Handeln, jetzt, wo absehbar ist, dass Handeln dringend notwendig ist.
Wir können hier und jetzt mit einer vorausschauenden Politik das Schlimmste noch abwenden. Die
Analyse der Wissenschaft ist klar und unmissverständlich: Handeln tut not. Die Verantwortung liegt
bei uns. Wir sind gefordert, eine Klima- und Umweltpolitik zu betreiben, welche die Warnungen berücksichtigt und nicht ignoriert. Nehmen wir die Flüchtlingssituation im Jahr 2015 auch als Warnruf
für andere Politikbereiche. Handeln wir in der Klima- und Umweltpolitik, bevor wir vor solch schwierige Entscheide, wie sie in der Flüchtlingspolitik anstehen, gestellt werden! Dass unsere kantonale
Umwelt- und Klimapolitik zunehmend einer finanziell begründeten Raubbaupolitik zum Opfer fällt, ist
eine Katastrophe. Wir erwarten, dass der Wille des Aargauer Volkes respektiert wird.
Eine stattliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Kantons hat sich am 8. März dieses
Jahres gegen den finanzpolitischen Kahlschlag ausgesprochen. Ein Kahlschlag, der nicht nur Bildung und Kultur betrifft, sondern es auch verunmöglicht, unseren Verpflichtungen gegenüber
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Mensch und Umwelt nachzukommen. Wir fordern deshalb den Regierungsrat und Sie alle auf, entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Gelegenheit dazu wird sich anlässlich der Behandlung der
2. Etappe des Programms Natur 2020, des Budgets 2016 sowie des Aufgaben- und Finanzplans
2017 – 2020 bieten. Wir fordern Sie auf, eine verantwortungsbewusstere Politik zu betreiben. Gegenüber unseren Mitmenschen, aber auch gegenüber der belebten und unbelebten Natur.
0996 Postulat Viviane Hösli, SP, Zofingen, und Irène Kälin, Grüne, Lenzburg, vom 24. März
2015 betreffend Auswirkungen des Entscheides der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf
die Aargauer Volkswirtschaft den Mindestumwandlungskurs aufzugeben; Überweisung an
den Regierungsrat und gleichzeitige Abschreibung
(vgl. Art. 0797)
Mit Datum vom 17. Juni 2015 erklärt sich der Regierungsrat bereit, das Postulat entgegenzunehmen
und beantragt die gleichzeitige Abschreibung, da mit der vorliegenden Beantwortung die im Postulat
aufgeworfenen Fragen zur Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage durch den Regierungsrat beantwortet und die begrenzten Handlungsmöglichkeiten auf kantonaler Ebene erläutert werden:
Der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat auch auf die Volkswirtschaft des Kantons Aargau negative Auswirkungen. Grundsätzlich sind fast alle Branchen davon betroffen. Ganz
besonders trifft er naturgemäss Branchen mit einem hohen Exportanteil wie die Maschinen- und
Elektro- sowie die Pharmaindustrie. Aber auch Unternehmen, die hauptsächlich im Inland ihre Produkte anbieten, sind stark gefordert. Ihre Produkte haben sich Mitte Januar auf einen Schlag gegenüber ausländischen Konkurrenzprodukten deutlich verteuert. Der Detailhandel und die Gastronomie
spüren unmittelbar, dass die Kunden ihren Bedarf vermehrt im Ausland decken. So ist die Beschäftigung in den ersten drei Monaten des laufenden Jahrs im Detailhandel (-0,6 %) und im Gastgewerbe
(-1 %) am stärksten gefallen und nicht etwa in der Industrie (-0,1 %).
Im Kanton Aargau mit seinem hohen Anteil an exportorientierten Unternehmen ist nebst der Höhe
der Wechselkurse auch die Frage von Bedeutung, wie sich das weltwirtschaftliche Umfeld entwickelt.
Die Prognosen dazu sind für das Jahr 2015 und voraussichtlich auch 2016 grundsätzlich günstig. Im
Dollar-Raum sind es insbesondere die USA, welche das Potenzial für eine positive Nachfrageentwicklung begründen. Im Euro-Raum ist es Deutschland, wo sich nach einem kleinen Rückgang im
Jahr 2014 in den nächsten Jahren aufgrund aktueller Prognosen voraussichtlich eine positive Wirtschaftsentwicklung abzeichnet. Während sich die Währungsrelationen im Dollar-Raum eher zugunsten des schweizerischen Exports entwickeln werden, ist die weitere Entwicklung des Euro-Aussenwerts schwierig abschätzbar. Eine Rückkehr zu einem Eurokurs von 1.10 oder sogar 1.20 ist ohne
Interventionen der Nationalbank unwahrscheinlich. Die grosse Abhängigkeit des Exports vom EuroRaum wird weiterhin einen hohen Druck auf die schweizerische Exportwirtschaft ausüben. Diverse
Prognoseinstitute haben in unterschiedlichem Mass entsprechend ihre Konjunkturprognosen nach
unten korrigiert. Gegenüber der Dezemberprognose hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
im März 2015 das prognostizierte Wachstum des Bruttoinlandprodukts für das Jahr 2015 von 2,1 %
auf 0,9 % gesenkt. Für das Jahr 2016 wird wieder ein beschleunigtes Wachstum erwartet, allerdings
wurde die Prognose von 2,4 % auf 1,8 % zurückgenommen. Andere Prognoseinstitute wie beispielsweise die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) rechnen mit signifikant tieferen
Werten. Die vom SECO für das Jahr 2015 erwartete Arbeitslosenquote liegt bei 3,3 %, diejenige für
das Jahr 2016 bei 3,4 %.
Auch für den Arbeitsmarkt im Kanton Aargau ist mit der Aufhebung der fixen Franken-/Eurorelation
eine neue Ausgangslage geschaffen worden. Der hohe Anteil des zweiten Sektors wird negative
Effekte im Vergleich zum Rest der Schweiz eher verstärken. Es zeichnet sich eine steigende Arbeits-
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losigkeit ab. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit hat bereits im Januar die Prognosen zur Arbeitslosenquote vom Herbst 2014 korrigiert. Anfang 2015 kam es zu mehreren Massenentlassungen, welche
zwar nicht direkt mit dem SNB-Entscheid in Verbindung gebracht werden können, aber zumindest
teilweise mit der Aussicht auf eine längerfristige Frankenstärke zu tun haben. Die Anfang April aktualisierte Planung des Amts für Wirtschaft und Arbeit liegt bei einer Arbeitslosenquote von 3,1 % (Vorprognose: 2,9 %) im Jahr 2015 und bei 3,2 % (Vorprognose: 2,7 %) im Jahr 2016. Die Entwicklung
im März und April dieses Jahrs zeigt zwar ein abweichendes saisonales Muster von früheren Jahren.
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit geht aber vorläufig nicht von einem massiven Anstieg der Arbeitslosenquote aus. Die aktuelle Planung geht von 15'500 registrierten Stellensuchenden Ende 2015 aus
(Dezember 2014: 14'662).
Die Anmeldungen für Kurzarbeit lagen in den ersten vier Monaten 2015 mit Ausnahme des Februars
nicht signifikant höher als in den Vorjahren. Mehr als die Hälfte der Voranmeldungen von Kurzarbeit
gehen von Unternehmen ein, die in der industriellen Fertigung tätig sind. Eine Mehrzahl dieser Unternehmen gibt die Euro-Schwäche als Grund an.
Kurzarbeit, aber auch Arbeitszeiterhöhungen können zur Überwindung einer Krisensituation oder
einer besonderen Auftragslage angezeigt sein. Dem Regierungsrat sind einzelne Unternehmen bekannt, die in den letzten Monaten die Arbeitszeit erhöht haben. Rechtlich ist darauf hinzuweisen,
dass für die Betriebe keine Meldepflicht besteht, wenn die Arbeitszeit im Rahmen des Arbeitsgesetzes angepasst wird. Wird für die Verlängerung der Arbeitszeit eine Änderungskündigung vorgenommen, müssen gegebenenfalls die Regeln bei Massenentlassungen beachtet werden.
Unter dem Druck der Frankenstärke wird es mit grösster Wahrscheinlichkeit auch Betriebe geben,
welche Lohnkürzungen vornehmen, um ihre Kostenstruktur zu verbessern und im Preiswettbewerb
mit der ausländischen Konkurrenz zu bestehen. Sofern Gesamtarbeitsverträge oder Normalarbeitsverträge keine allgemeinverbindlichen Mindestlöhne vorschreiben, sind die Löhne zwischen den
Arbeitgebern und Arbeitnehmenden auf privatrechtlicher Basis festzulegen. Der Regierungsrat hat –
unter Vorbehalt von spezifischen ausländerrechtlichen Bestimmungen – keine Kompetenzen, hier in
die Lohnfestlegungen einzugreifen. Auch besteht diesbezüglich keine Meldepflicht, weshalb dem
Regierungsrat nicht bekannt ist, ob und in welchen Betrieben es zu Lohnreduktionen gekommen ist.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht erachtet der Regierungsrat generelle Lohnsenkungen und die damit
verbundene Abnahme der steuerbaren Einkommen privater Haushalte als problematisch. Diese würden sich negativ auf den Konsum auswirken, der in den vergangenen Jahren eine grosse Konjunkturstütze darstellte. Zudem würden die Steuererträge entsprechend geringer ausfallen, was die ohnehin sehr angespannte Situation bei den Kantonsfinanzen verschärfen würde. Bei niedrigen Löhnen
führen Lohnsenkungen dazu, dass die finanziellen Vorteile einer Erwerbsarbeit gegenüber den Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe abnehmen oder gar nicht mehr bestehen würden, was den Anreiz zur Weiterführung oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mindern würde.
Die rechtliche Zulässigkeit der Auszahlung der Löhne in Euro als Massnahme gegen die Frankenstärke ist Gegenstand von laufenden Gerichtsverfahren. Der Regierungsrat erachtet Lohnzahlungen
in Euro – unter Vorbehalt besonderer Konstellationen – für verfehlt. Bei den Arbeitnehmenden in der
Schweiz fallen die Lebenshaltungskosten in Schweizer Franken an. Eine Lohnzahlung in Euro käme
deshalb einer erheblichen Lohnsenkung gleich, die sich aus den genannten Gründen negativ auf die
Konjunktur und das Steueraufkommen auswirken würde. Die Auszahlung der Löhne in Euro würde
zudem zu einer generellen Ausrichtung auf den Euro-Raum führen, und die Lohnempfängerinnen
und Lohnempfänger geradezu zum Bezug von Waren und Dienstleistungen im Ausland animieren.
Eine solche Entwicklung wäre aus Sicht des Regierungsrats gesamtwirtschaftlich und politisch unerwünscht. Rechtlich und bezüglich des Arbeitsmarkts besonders heikel sind Lohnzahlungen in Euro,
wenn sie nur einen Teil der Arbeitnehmenden, zum Beispiel nur die Grenzgängerinnen und Grenzgänger betreffen. Denn die Beschäftigung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern wird dadurch
gegenüber derjenigen der inländischen Arbeitskräfte attraktiver, was eine Verdrängung der ansässi-
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gen Arbeitnehmenden aus dem Arbeitsmarkt zur Folge hätte. Ungeachtet der privatrechtlichen
Rechtslage erachtet der Regierungsrat eine solche Massnahme deshalb als verfehlt. Dem Regierungsrat ist bisher denn auch nur ein Betrieb im Kanton Aargau bekannt, der die Auszahlung der
Löhne für Grenzgängerinnen und Grenzgänger in Euro beschlossen hat.
Im Gegensatz zur Krise von 2008 ist auf den Weltmärkten die Nachfrage nach Produkten und
Dienstleistungen weiterhin vorhanden. Spezifische kurzfristige Unterstützungsmassnahmen für die
Wirtschaft sind deshalb schwierig zu ergreifen. Eine allfällige staatliche Unterstützung müsste unter
diesen Rahmenbedingungen die Kostenseite der Unternehmen betreffen, um den Preisnachteil
durch den starken Franken auszugleichen. In diesem Zusammenhang ist der Bürokratieabbau als
staatliche Daueraufgabe wichtig. Allerdings gibt es hier auf kantonaler Ebene kaum noch Potenzial
für Verbesserungen, mit denen kurzfristig Wirkung erzielt werden könnte. Indirekte Subventionen wie
Gebühren- oder Strompreisreduktionen führen zu Marktverzerrungen und sind ordnungspolitisch
nicht erwünscht. Steuernachlässe bringen genau denjenigen Firmen am wenigsten, die es am Nötigsten hätten, weil diese ja keinen Gewinn erzielen. Direkte Subventionen kommen aus den genannten Gründen und vor dem Hintergrund der knappen Kantonsfinanzen aus Sicht des Regierungsrats
ohnehin nicht infrage. Der Regierungsrat setzt sich für die Schaffung und Erhaltung von guten Rahmenbedingungen ein. Hier hat der Kanton Aargau mit "Hightech Aargau" und der Gründung des
PARK innovAARE schon wichtige Vorleistungen erbracht, welche die Innovationskraft der kleinen
und mittleren Unternehmen (KMU) stärken und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Gerade
auch in der aktuellen Situation zeigt sich, dass vor allem hochspezialisierte Schweizer Firmen mit
ihren Produkten und Dienstleistungen trotz der höheren Preise weiterhin auf den Weltmärkten mithalten können.
Der Kanton Aargau hat keine Kompetenzen und wirksame Instrumente, um gegen eine allfällig erhöhte Gefahr einer Immobilienblase vorzugehen. Im Rahmen der Zinspolitik ist dies Aufgabe der
Nationalbank und allenfalls des Bundes.
Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses hat sowohl einnahmeseitige als auch ausgabenseitige Auswirkungen auf den Staatshaushalt.
Aufgrund der prognostizierten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums mussten die Steuerprognosen nach unten angepasst werden. Hinzu kommen wegfallende oder reduzierte Beteiligungserträge, wie beispielsweise bei der Axpo oder vermutlich auch bei der SNB. Im Weiteren fallen die Zinseinnahmen aufgrund des sehr tiefen Zinsniveaus noch tiefer aus als vor der Aufhebung des EuroMindestkurses. Gleichzeitig sinkt aber aus demselben Grund auch der Zinsaufwand. Die anhaltend
negative Teuerung kann schliesslich auch eine dämpfende Wirkung auf den Sach- und Personalaufwand des Kantons Aargau haben.
Tiefere Aufwände könnten theoretisch auch bei Beschaffungen aus dem Euro-Raum resultieren.
Allerdings plant der Regierungsrat nicht, den Wechselkursvorteil auszunutzen. Das Departement
Bau, Verkehr und Umwelt hat bisher bei den durchgeführten Submissionsverfahren keine Auswirkungen des Entscheids der SNB feststellen können. Die Wertschöpfung der vergebenen Aufträge
erfolgt nach wie vor weitgehend in der Schweiz. Daran hat sich mit dem Entscheid der SNB nichts
geändert. Entsprechend stellt der Regierungsrat im Bereich des Beschaffungswesens des Kantons
keinen Handlungsbedarf fest.
Sollte es anders als heute wegen der konjunkturellen Abkühlung häufiger zu wesentlichen Lohnkürzungen kommen, sind Mehrausgaben bei der Sozialhilfe und der Prämienverbilligung möglich. Die
Mehrausgaben in diesen Bereichen sind jedoch nur zu einem kleinen Teil konjunkturabhängig und
haben eher strukturelle Gründe.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'465.–.
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Viviane Hösli, SP, Zofingen: Der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Mindestkurs aufzuheben, hat für viel Wirbel gesorgt. Der Regierungsrat hat sich in der Aargauer Zeitung –
ich vermute jetzt einmal im Eifer des Gefechts – widersprüchlich dazu geäussert. Der Volkswirtschaftsdirektor befürchtet am 15. Januar eine Rosskur für viele Aargauer Exportfirmen und der Finanzdirektor erwartet eine schnelle Normalisierung der beiden Währungen Euro und Dollar gegenüber dem Schweizer Franken.
Der Regierungsrat hat also anfangs Jahr auf die Frankenstärke vor allem mit fast wöchentlich wechselnden Prognosen und Panikattacken reagiert. Dies war für uns auch der Grund für dieses Postulat.
In der Beantwortung des Postulats geht der Regierungsrat auf einzelne Teilaspekte des geforderten
Berichts ein. Die Arbeitslosenquoten sind natürlich für die beiden Postulantinnen ein wichtiger Aspekt – allerdings nicht der Einzige. Die Auswirkungen auf die Aargauer Volkswirtschaft sind viel tiefgreifender. Zahlreiche Betriebe haben bereits Auslagerungen ins Ausland angekündigt, der Detailhandel in Grenznähe verliert Umsätze und Lohnsenkungen oder Arbeitszeiterhöhungen sind weit
verbreitet.
In einer solchen Situation muss ein Kanton handeln. Er darf vielleicht in einem ersten Moment mit
unterschiedlichen Meinungen nach aussen treten, aber danach ist es wichtig, dass der Gesamtregierungsrat gemeinsam die Situation sauber analysiert, Szenarien entwirft und Massnahmen ergreift.
Dies ist im vorliegenden Bericht nur teilweise geschehen. Wir sprechen uns deshalb gegen eine Abschreibung des Vorstosses aus.
Es muss festgehalten werden, dass die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft im Bericht weitaus
detaillierter festgehalten sind als die Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Gleichzeitig müssen
sowohl der Volkswirtschaftsdirektor wie auch der Finanzdirektor daran interessiert sein, dass diese
beiden Entwicklungen in einem Gleichgewicht stehen. Das ist schliesslich nicht zuletzt eine Forderung, die hier im Grossen Rat von bürgerlicher Seite oft gestellt wird. Wir verlangen, dass der Kanton
Aargau wenigstens finanzpolitisch handlungsfähig bleiben soll.
Im vierseitigen Bericht des Regierungsrats können wir zuerst feststellen, dass die Konjunkturprognosen laufend wechseln. Dies wird ohne Rücknahme des SNB-Entscheids auch künftig der Fall sein –
sie wurden im letzten halben Jahr ausschliesslich schlechter. Die ersten Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt im Aargau zeigen sich im Detailhandel und im Gastgewerbe. Die Industrie wird über kurz
oder lang folgen. Wir rechnen hier spätestens anfangs 2016 mit einem Stellenabbau.
Ich verweise hier noch einmal auf die Prognose des Swissmem-Präsidenten, der 20'000 Stellen in
Gefahr sieht. Auch die Umfrage der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) anfangs
Jahr deutete auf bevorstehende Schwierigkeiten von Aargauer Unternehmen hin. Der aktuell leicht
stärkere Euro, was notabene sehr vorübergehend sein kann, führt laut dem Arbeitgeberpräsidenten
Vogt immer noch zu einem Abbau von 20'000 Stellen in der Schweiz. Der Kanton Aargau wird wohl
überproportional betroffen sein. Wie im Bericht dargelegt wird, hat dies wiederum Auswirkungen auf
die Arbeitslosenzahlen und auf die Lohnentwicklung. Der Privatkonsum würde geschwächt und die
Gastronomie und der Detailhandel wären erneut mit sinkenden Umsatzzahlen konfrontiert.
Dies führt dann wiederum zu tieferen Steuereinnahmen sowohl bei den natürlichen wie auch bei den
juristischen Personen und damit zu fehlenden finanziellen Mitteln für den Kantonshaushalt. Mittel,
welche für den Ausgleich der sinkenden Beteiligungserträge und die vermehrte Prämienverbilligung
dringend von Nöten sind. Ob diese Mehrausgaben dabei konjunkturell oder strukturell begründet
sind, ist unerheblich. Dass Steuersenkungen für betroffene Unternehmungen nicht zielführend sind,
hätte ich selber nicht schöner sagen können, als es der Regierungsrat in seiner Antwort tut: Steuersenkungen helfen eben gerade nicht denjenigen Unternehmen, die es am Nötigsten haben. Auch die
Regulierung, wie sie heute gefordert wird, kann keine Lösung sein.
Soweit decken sich unsere Einschätzungen der Situation von Mitte Januar bis Mitte Juni mit derjenigen des Regierungsrats. Der Bericht ist einigermassen zufriedenstellend. Allerdings legt der Regierungsrat nicht dar, welche Szenarien eintreten können und welche Handlungsspielräume er nutzen
will. Das ist nicht zufriedenstellend. Andere Kantone beweisen, dass es geht. So hat beispielsweise
im Kanton Solothurn ein runder Tisch mit den Sozialpartnern stattgefunden und im Kanton Genf wurde ein Unterstützungsfonds für betroffene Unternehmen ins Auge gefasst.
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Aus Sicht der SP-Fraktion und der Gewerkschaften sollte der Kanton Aargau dringend den von Stellenabbau und Verlagerung betroffenen Menschen helfen, wie ich dies bei meinem Votum vorhin
schon ausgeführt habe.
Weiter sollte vom Kanton Aargau bei der Direktion der Schweizerischen Nationalbank die Wiedereinführung eines aktiv gesteuerten Kurses, wie die SNB dies seit 1978 fast ununterbrochen getan hat,
gefordert werden. Die Ausarbeitung von erwähnten Szenarien und möglichen Handlungsfeldern soll
der Regierungsrat nachholen. Ich bitte Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das Postulat zu
überweisen und noch nicht abzuschreiben. Mit dieser Nichtabschreibung ist noch keine Massnahme
beschlossen und allzu teuer wird es auch nicht werden, wenn ich mir die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses anschaue. Dies ist wirklich nicht viel, um die negativen Auswirkungen auf die
Volkswirtschaft im Kanton Aargau und die Finanzpolitik genauer zu untersuchen. Wir sind besorgt.
Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg: Wenn ich das Votum von Kollegin Hösli höre, bin ich auch besorgt.
Der Regierungsrat nimmt das Postulat entgegen und empfiehlt es gleichzeitig zur Abschreibung.
Dies empfiehlt Ihnen auch die gesamte SVP-Fraktion. Der Regierungsrat antwortet zu Recht, dass
fast alle Branchen vom schwachen Euro betroffen seien, insbesondere diejenigen mit einem hohen
Exportanteil, aber auch die, welche im Inland produzieren. Selbstverständlich hat dies negative
volkswirtschaftliche Auswirkungen. Denen muss ganz klar ins Auge geschaut werden. Die Folgen
der Aufhebung des Euromindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) sind heute
deutlich erkennbar. Die Entscheidung vom Januar war meines Erachtens unumgänglich und auch
richtig. Die Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze sind aber dadurch unter Druck geraten. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für den Werkplatz Schweiz zu verbessern und
auf unsinnige Regulierungen zu verzichten. Sollte es zu einer höheren Arbeitslosigkeit kommen, ist
es zudem von entscheidender Bedeutung, dass die Schweiz die Zuwanderung wieder eigenständig
steuern kann. Ein Inländervorrang und die Beschränkung des Zugangs zu den Sozialwerken sind
dabei zentral. Weiter ist eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die schweizerische Wirtschaft durch eine konsequente Deregulierung und den Verzicht auf wirtschaftsschädliche Ideen und
Vorlagen anzustreben. Ich nenne einige Beispiele: Ein Verzicht auf eine unsinnige Quotenregelung,
keine Verteuerung von Energie- und Transport, Verzicht auf jegliche neue oder höhere Steuern und
Abgaben, stärkere Flexibilisierung des Arbeitsmarkts – das ist sehr wichtig –, Abbau der Regulierungen in der Landwirtschaft und im Gewerbe, Statistiken, Bürokratie, unsinnige Arbeitszeiterfassung
bis weit in den Kaderbereich – das bringt alles nichts, nur Kosten. Weiter muss der Staat abspecken,
die Ausgaben der öffentlichen Hand müssen deutlich gesenkt und auf einem vernünftigen Mass eingefroren werden, Abbau der Bewilligungsbürokratie im Bau- und Umweltbereich und keine übertriebenen Regelungen auf dem Finanzplatz. Ich könnte noch viel aufzählen; das genügt für heute.
Je freier der Staat das Wirtschaftsleben gestaltet, desto grösser und nachhaltiger sind Wohlstand
und Wachstum. Für den Wohlstand der letzten Jahre ist in erster Linie die Wirtschaft verantwortlich,
nicht der Staat. Tatsächlich ist es aber leider so, dass seit der Finanzkrise im Jahr 2008 die öffentlichen Verwaltungen und andere überwiegend öffentlich finanzierte Branchen wie das Gesundheitsund Bildungswesen und eben der staatliche Verwaltungsapparat zu den eigentlichen Jobmotoren
gehören. Diese Aufblähung ist aber alles andere als nachhaltig. Der Staat soll dafür besorgt sein –
und im Besonderen natürlich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie wir sie heute leider haben – die
bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Industrie, das Gewerbe und die Landwirtschaft zu bieten.
Silvan Hilfiker, FDP, Oberlunkhofen: Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung: Als ich das Postulat studierte, bin ich über den Begriff "Mindestumwandlungskurs" gestolpert. In meiner beruflichen Laufbahn bin ich diesem Begriff in diesem Zusammenhang noch nie begegnet. Meine Neugier führte
mich zu Google und brachte neben 57 Treffern folgende Erkenntnisse: Am 19. Januar dieses Jahres
wurde ein identischer Vorstoss im Kantonsrat Zürich eingereicht. Dann musste es wohl stimmen. So
weit, so gut.
Nun zum Inhalt: Die FDP folgt dem Antrag des Regierungsrats. Wir sind der Auffassung, dass ein
neuer Bericht keine wesentlichen Erkenntnisse hervorbringt und es sich deshalb nicht lohnt, weitere
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Steuergelder einzusetzen. Attraktive Rahmenbedingungen für den Standort Aargau zu erhalten und
zu schaffen, erachtet die FDP ohnehin als staatlichen Dauerauftrag. Dies ist aber auch Sache der
gesamten Schweiz und eine bundesweite Aufgabe.
Irène Kälin, Grüne, Lenzburg: Die überraschende Aufgabe des Mindestkurses durch die SNB anfangs Jahr hat ganz offensichtlich auch unseren Regierungsrat überrascht, offenbar sogar die Postulantinnen hier im Kanton Aargau wie auch im Kanton Zürich, die zu neuen Wortschöpfungen ausgeholt haben. Es wurde bereits gesagt: Die Kommunikation von Seiten des Regierungsrats war einigermassen verwirrend. Aber es war ja auch tatsächlich ein verwirrender Entscheid.
Nun ist aber die Verwirrung gewichen, aber eine umfassende Strategie, wie auf die verschiedenen
noch kommenden Situationen zu reagieren sein wird, um den Werkplatz Aargau zu schützen, fehlt
noch immer. Denn, auch wenn wir heute noch nicht wissen, wie grob sich der Frankenschock im
Aargau tatsächlich auswirken wird, so deutet doch alles darauf hin, dass der Frankenschock im Aargau seine negativen Auswirkungen überall zu zeigen beginnt. Zahlreiche Betriebe haben bereits
Auslagerungen ins Ausland angekündigt, der Detailhandel in Grenznähe verliert Umsätze und Lohnsenkungen oder Arbeitszeiterhöhungen sind weit verbreitet und bei Weitem keine Ausnahmefälle
mehr. Die ersten Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt im Aargau zeigen sich im Detailhandel und im
Gastgewerbe. Die Industrie – ein wichtiger Sektor unserer Wirtschaft – wird über kurz oder lang folgen. Darauf muss der Kanton Aargau vorbereitet sein. Warum aber will sich der Regierungsrat nicht
mit möglichen Zukunftsszenarien auseinandersetzen und aufzeigen, welche Handlungsspielräume er
bei welchem Szenario nutzen will und kann?
Der Regierungsrat und wir müssen unsere Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmenden und
Arbeitgebenden in unserem Kanton und gegenüber unserem wichtigen Sektor Industrie wahrnehmen. Das Mindeste, was zu tun ist, ist, sich mit möglichen Szenarien auseinanderzusetzen und nach
Lösungen zu suchen. Gegenüber all jenen, die in den letzten Monaten mit unbezahlter Mehrarbeit
Überstunden und unter stetigem Preisdruck die negativen Folgen des Frankenschocks zu mildern
versucht haben, ist es das Mindeste, dass die Politik ihre Aufgabe erledigt und sich dazu Gedanken
macht, wie den von Stellenabbau und Verlagerung betroffenen Menschen geholfen werden kann,
wie der Werkplatz Aargau vor dem Frankenschock geschützt und wie der Deindustrialisierung des
Kantons Aargau die Stirn geboten werden kann. Den Kopf in den Sand zu stecken, während andere
um ihren Arbeitsplatz und ihr Unternehmen kämpfen, ist keine angemessene Strategie. Dieses Postulat abzuschreiben ist verfrüht. Wir müssen hinschauen, nicht wegschauen.
Dr. Urs Hofmann, Landammann, SP: Der Regierungsrat hat Ihnen in der Beantwortung des Postulats
aufgezeigt, welches die Handlungsspielräume des Kantons und der kantonalen Regierung sind.
Selbstverständlich hat der Regierungsrat in der Zeit seit dem 15. Januar dieses Jahres den Kopf
nicht in den Sand gesteckt, sondern mit vielen Playern der Wirtschaft und auch den Arbeitnehmerverbänden unzählige Gespräche geführt und geschaut, welche Möglichkeiten realistischerweise ein
Kanton hat, um der schwierigen Situation der Aargauer Wirtschaft begegnen zu können. Runde Tische haben stattgefunden. Aber nur mit einem runden Tisch alleine ist selbstverständlich niemandem
gedient. Es geht darum, dort tätig zu werden, wo ein Tätigwerden auch etwas bringt.
Der Regierungsrat ist der festen Überzeugung, dass gerade im Industriekanton Aargau eine technologische Weiterentwicklung unserer Industrie gute Rahmenbedingungen braucht, wie wir sie im Bereich des Technologietransfers mit einem Hightech Zentrum und dem PARK innovAARE beim Paul
Scherer Institut (PSI) schaffen wollen. Diese tragen dazu bei, die Aargauer Wirtschaft auch auf dem
Weg in eine technologische Zukunft zu begleiten. Wie könnten weitergehende Massnahmen zur
Förderung – beispielsweise des Detailhandels – durch den Regierungsrat des Kantons Aargau aussehen? Soll er vermehrte Aufrufe machen, nicht in Säckingen einzukaufen, sondern in Rheinfelden?
Das haben wir schon öfters gemacht. Wie gross ist die Wirkung, wenn der aargauische Regierungsrat solche Aufrufe macht? Nützt es etwas, wenn der aargauische Regierungsrat sagt, die Möbel nicht
in Waldshut zu bestellen, sondern diese bei Pfister zu kaufen oder bei anderen aargauischen Möbelgeschäften und Möbelproduzenten? Auch das tun wir, das tue ich dauernd. Zu schreiben und in
einem Bericht festzuhalten, dass es der aargauische Regierungsrat begrüsse, wenn auch in Gast-
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stätten im Fricktal eine Pizza gegessen wird und nicht zum halben Preis im badischen Laufenburg,
mag vielleicht etwas nützen. Aber handfeste Massnahmen in diesem Bereich sind realistischerweise
nicht möglich. Etwas anderes habe ich auch in vielen Gesprächen von niemandem gehört. Nur plakative Forderungen nach zusätzlichen Berichten zu stellen, damit wird den aargauischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überhaupt nicht geholfen. Das, was der Regierungsrat in seinem Bericht auf dieses Postulat dargelegt hat, sind die Massnahmen, die eben realistischerweise auch etwas bringen. Diese werden vom Regierungsrat auch ergriffen. Auch im Bereich arbeitsmarktliche
Massnahmen durch einen Ausbau der Kapazitäten im Bereich der regionalen Arbeitsvermittlungszentren und der arbeitsmarktlichen Massnahmen hat der Aargau seit dem letzten Frühjahr einiges
getan. Das ist Verschiedenen von Ihnen auch bestens bekannt.
Wenn Sie einen weiteren Bericht wollen, dann macht das insofern höchstens Sinn, dass wir diese
Berichte laufend wieder revidieren müssen, weil sich die Situation nicht immer so entwickelt, wie man
es im Voraus gesehen und gedacht hat. Sie wissen, wie heute der Wechselkurs ist. Vor einigen Monaten war er tiefer. Wir hoffen, dass er in einigen Monaten höher sein wird. Wie sich die Situation
genau entwickeln wird, wissen wir ebenso wenig, wie alle anderen Leute, die in der Schweiz solche
Prognosen erstellen. Wir sind hier auf die Fachleute und deren Einschätzung angewiesen.
Was die Auswirkung der heutigen wirtschaftlichen Situation auf die Kantonsfinanzen betrifft, wird der
Regierungsrat am 28. August dieses Jahres seinen Aufgaben- und Finanzplan (AFP) präsentieren, in
dem die Steuerentwicklung im Budgetjahr 2016 und auch die Prognosen für die Jahre 2017 und folgende im Detail dargelegt werden. Es wird dann an Ihnen sein, diese Annahmen zu diskutieren.
Wenn Sie eine andere Auffassung haben, können Sie diese Annahmen im Rahmen der AFPBeschlüsse korrigieren. Sie werden da auch die Berechnungsgrundlagen und die Überlegungen des
Regierungsrats aufgrund der heutigen Einschätzung im August 2015 zur Kenntnis nehmen können.
Dazu einen zusätzlichen Parallelbericht zu erstellen, macht nach Ansicht des Regierungsrats wenig
Sinn.
Zusammenfassend: Der Regierungsrat beobachtet die Entwicklung und die Veränderungen auch in
den Prognosen laufend und richtet sich, was seine Arbeitsmarktpolitik im Aargau betrifft, laufend
darauf aus und hat mit den Grundlagen der Wirtschaftspolitik im Bereich der Technologieförderung,
der Unterstützung von KMUs im Bereich des Wandels, der gerade auch aufgrund der neuen Kostenstruktur beschleunigt ablaufen wird, schon einiges getan und wird diese Tätigkeiten auch in Zukunft
weiterführen.
Unter diesen Voraussetzungen erachten wir es aber als nicht sinnvoll, nun auch kurzfristig einen
weiteren Bericht zu erstatten. Das wird im Rahmen der AFP-Diskussion und auch im Rahmen der
Berichterstattung über das Jahr 2015 möglich sein. Aber zusätzliche Berichte scheinen uns der Sache nicht dienlich zu sein, sie führen nur zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen und das Postulat abzuschreiben.
Vorsitzender: Wir haben den Antrag des Regierungsrats auf Entgegennahme unter gleichzeitiger
Abschreibung und den Antrag der Postulantinnen Viviane Hösli und Irène Kälin auf Überweisung und
Aufrechterhaltung.
Abstimmung
Für Überweisung und Aufrechterhaltung (gemäss Antrag Viviane Hösli)
28 Stimmen
Für Überweisung und gleichzeitige Abschreibung (gemäss Antrag Regierungsrat) 101 Stimmen
Vorsitzender: Das Postulat wird somit an den Regierungsrat überwiesen und gleichzeitig als erledigt
von der Kontrolle abgeschrieben. Das Geschäft ist erledigt.
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0997 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Viviane Hösli, Zofingen) vom 24. März 2015
betreffend Lohndruck im Kanton Aargau aufgrund des Entscheides der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum Umwandlungskurs; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0799)
Mit Datum vom 17. Juni 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Vorbemerkungen
Mit dem (14.161) Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015–2018 vom 13. August 2014 gab der Regierungsrat letztmals seine Einschätzung zu den künftigen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen
im Kanton Aargau ab. Diese Angaben wurden per 16. März 2015 aktualisiert.
Es ist im Kanton Aargau neu von einer Wachstumsverlangsamung im Jahr 2015 auf 1 % mit entsprechenden Wirkungen auf die Arbeitslosigkeit auszugehen (vgl. Tabelle). Der erstarkte Franken
aufgrund der Aufhebung des Euro-Mindestkurses Mitte Januar 2015 und die schleppende wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum belasten das Wirtschaftswachstum.
Jahr
2015
Datum der Prognose
2016
13.08.2014
16.03.2015
13.08.2014
16.03.2015
Reale Veränderung Bruttoinlandprodukt Kanton Aargau
2,5
1,0
2,0
1,5
Nominale Veränderung Bruttoinlandprodukt Kanton
Aargau
3,6
1,0
3,0
2,0
Teuerung Konsumentenpreise
0,7
-0,8
1,2
0,2
Arbeitslosenquote Kanton Aargau
2,7
3,2
2,7
3,2
Da nach wie vor ein positives, aber abgeschwächtes Wachstum prognostiziert wird, geht der Regierungsrat nicht von einem generell hohen Lohndruck in weiten Kreisen der Wirtschaft aus.
Generell wendet sich der Regierungsrat gegen eine Unternehmenspolitik, die Wechselkursrisiken
einseitig auf die Arbeitnehmenden abwälzt. Er befürwortet dagegen sozialpartnerschaftliche Anstrengungen, welche zum Erhalt des Werkplatzes Schweiz beitragen.
Zur Frage 1: "Wie schätzt der Regierungsrat die Situation bezüglich Arbeitszeiterhöhungen und
Lohnkürzungen im Kanton Aargau ein? Welche Tendenz kann dabei wahrgenommen werden und
welche Entwicklungen erwartet er diesbezüglich?"
Bis jetzt sind dem Regierungsrat nur vereinzelte Betriebe bekannt, welche die Arbeitszeit erhöht
haben. Arbeitszeiterhöhungen können zur Überwindung einer Krisensituation oder einer besonderen
Auftragslage angezeigt sein. Rechtlich ist darauf hinzuweisen, dass für die Betriebe keine Meldepflicht besteht, wenn die Arbeitszeit im Rahmen des Arbeitsgesetzes angepasst wird. Wird für die
Verlängerung der Arbeitszeit eine Änderungskündigung vorgenommen, müssen gegebenenfalls die
Regeln bei Massenentlassungen beachtet werden. Gewisse Gesamtarbeitsverträge wie zum Beispiel
jener der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sehen vor, dass die Zustimmung der Arbeitnehmervertretung oder, wenn keine solche besteht, die Zustimmung der Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmenden ausreicht, um die Arbeitszeit zu verlängern, damit ein Unternehmen seine Konkurrenzfähigkeit verbessern kann.
Eine generelle Tendenz zu Lohnkürzungen nimmt der Regierungsrat nicht wahr. Unter dem Druck
der Frankenstärke wird es jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Betriebe geben, welche
Lohnkürzungen vornehmen, um ihre Kostenstruktur zu verbessern und im Preiswettbewerb mit der
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ausländischen Konkurrenz zu bestehen. Sofern Gesamtarbeitsverträge oder Normalarbeitsverträge
keine allgemeinverbindlichen Mindestlöhne vorschreiben, sind die Löhne zwischen den Arbeitgebern
und Arbeitnehmenden auf privatrechtlicher Basis festzulegen. Der Regierungsrat hat – unter Vorbehalt von spezifischen ausländerrechtlichen Bestimmungen für bestimmte Ausländerkategorien – keine Kompetenzen, hier in die Lohnfestlegungen einzugreifen. Auch besteht diesbezüglich keine Meldepflicht, weshalb dem Regierungsrat nicht bekannt ist, ob und in welchen Betrieben es zu Lohnreduktionen gekommen ist. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht erachtet der Regierungsrat generelle
Lohnsenkungen und die damit verbundene Abnahme der steuerbaren Einkommen privater Haushalte als problematisch. Dies würde sich negativ auf den Konsum auswirken, der in den vergangenen
Jahren eine grosse Konjunkturstütze darstellte. Zudem würden die Steuererträge entsprechend geringer ausfallen, was die ohnehin sehr angespannte Situation bei den Kantonsfinanzen verschärfen
würde. Bei bereits niedrigen Löhnen führen weitere Senkungen dazu, dass die finanziellen Vorteile
einer Erwerbsarbeit gegenüber den Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe abnehmen oder gar nicht mehr bestehen würden, was den Anreiz zur Weiterführung oder Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit mindern würde.
Insbesondere für die etablierten Unternehmen, die auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen sind, wirken sich Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen mittel- und längerfristig bei der Rekrutierung
von neuen Arbeitskräften nachteilig aus. Der Regierungsrat geht aufgrund der mit solchen Massnahmen einhergehenden Nachteile und der aktuell nach wie vor hohen Nachfrage nach Fachkräften
nicht davon aus, dass es in grösserem Umfang zu Lohnkürzungen kommt oder dass die Arbeitszeit
dauerhaft erhöht wird.
Zur Frage 2: "Wird aufgrund von Lohnkürzungen mit sinkenden Steuereinnahmen und steigenden
Ausgaben (beispielsweise Neuanspruch auf Prämienverbilligung und/oder Sozialhilfe) für den Kanton
und die Gemeinden gerechnet?"
Rund zwei Drittel der steuerbaren Einkünfte der natürlichen Personen sind Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit. Entsprechend hat die Lohnentwicklung grossen Einfluss auf das Wachstum der
Steuereinnahmen. Die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze durch die Schweizerischen Nationalbank (SNB) wird sich voraussichtlich dämpfend auf die Lohnentwicklung auswirken. In welchem
Ausmass ist jedoch noch schwer absehbar. Insbesondere im Jahr 2016 dürfte das Wachstum der
Steuereinnahmen betroffen sein. Der Regierungsrat schenkt dieser Entwicklung grosse Beachtung
und ist bestrebt, die voraussichtlichen Auswirkungen für die Prognose der Steuereinnahmen im AFP
2016–2019 möglichst realistisch zu berücksichtigen.
Der Aufwand für die Sozialhilfe wird im Aufgabenbereich 510 'Soziale Sicherheit' und derjenige für
die Prämienverbilligung im Aufgabenbereich 535 'Gesundheitsversorgung' erfasst. Sollte es anders
als heute wegen der konjunkturellen Abkühlung häufiger zu wesentlichen Lohnkürzungen kommen,
sind Mehrausgaben in diesen Bereichen möglich. Die Ausgaben für die Sozialhilfe und für die Prämienverbilligung sind jedoch nur zu einem kleinen Teil konjunkturabhängig und haben eher strukturelle
Gründe:

Der Aufwand in der Sozialhilfe hat sich in den letzten Jahren im Kanton Aargau laufend erhöht.
Der Strukturwandel der Wirtschaft hin zu wissensintensiveren Tätigkeiten führt zu einer vermehrten Nachfrage nach gut ausgebildeten und leistungsfähigen Mitarbeitenden. Parallel dazu sind
Personen mit einem tiefen Bildungsniveau vermehrt gefährdet, arbeitslos und ausgesteuert zu
werden. Bei Lohnkürzungen besteht für Arbeitskräfte im Niedriglohnsegment das Risiko, auch
bei einer Vollzeitarbeit nicht genügend Erwerbseinkommen für den eigenen Unterhalt und denjenigen der Familie zu erzielen und damit möglicherweise Mittel von der Sozialhilfe beanspruchen
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

zu müssen. Inwiefern dies zu spürbaren Mehrausgaben führt, kann aus heutiger Sicht nicht
quantifiziert werden.
Bei der Prämienverbilligung ist davon auszugehen, dass die betroffenen Personen häufig bereits
über einen Anspruch auf Prämienverbilligungen verfügen. Bei Lohnkürzungen kommt es allenfalls zu Erhöhungen der individuellen Prämienverbilligung. Sofern es sich nicht um eine wesentliche Lohnkürzung handelt, wirken sich Lohnanpassungen erst zwei bis drei Jahre später auf die
Höhe der Prämienverbilligung aus.
Die Grenzgänger haben gemäss den geltenden Bestimmungen ihren Unterstützungswohnsitz an
ihrem Wohnort im Ausland, weshalb sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe in der Schweiz haben.
Hinsichtlich des Prämienverbilligungsanspruchs der Grenzgänger sind die Auswirkungen klein,
da nur wenige Grenzgänger Prämienverbilligungen beziehen.
Zur Frage 3: "Gibt es im Kanton Aargau Betriebe, welche ihre Löhne in Euro auszahlen oder an den
Franken/Eurokurs binden? Falls ja, was gedenkt der Regierungsrat dagegen zu unternehmen?"
Dem Regierungsrat ist bisher im Kanton Aargau nur ein Betrieb bekannt, der die Auszahlung der
Löhne für Grenzgängerinnen und Grenzgänger in Euro beschlossen hat. Der Regierungsrat erachtet
Lohnzahlungen in Euro – unter Vorbehalt besonderer Konstellationen – für verfehlt. Bei den Arbeitnehmenden in der Schweiz fallen die Lebenshaltungskosten in Schweizer Franken an. Eine Lohnzahlung in Euro käme deshalb einer erheblichen Lohnsenkung gleich, die sich aus den genannten
Gründen negativ auf die Konjunktur und das Steueraufkommen auswirken würde. Die Auszahlung
der Löhne in Euro würde zudem zu einer generellen Ausrichtung auf den Euro-Raum führen und die
Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger geradezu zum Bezug von Waren und Dienstleistungen im
Ausland animieren. Eine solche Entwicklung wäre aus Sicht des Regierungsrats gesamtwirtschaftlich
und politisch unerwünscht. Rechtlich und bezüglich des Arbeitsmarkts besonders heikel sind Lohnzahlungen in Euro, wenn sie nur einen Teil der Arbeitnehmenden, zum Beispiel nur die Grenzgängerinnen und Grenzgänger betreffen. Denn die Beschäftigung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern wird dadurch gegenüber derjenigen der inländischen Arbeitskräfte attraktiver. Ungeachtet der
Rechtslage erachtet der Regierungsrat eine solche Massnahme deshalb als verfehlt.
Die rechtliche Zulässigkeit der Auszahlung der Löhne in Euro als betriebliche Massnahme gegen die
Frankenstärke ist Gegenstand von laufenden Gerichtsverfahren. Letztlich handelt es sich jedoch bei
den Lohnfestlegungen von ortsansässigen Unternehmen und ihren Beschäftigten – unter Vorbehalt
von staatlichen Mindestlöhnen in Normalarbeitsverträgen sowie den spezifischen ausländerrechtlichen Bestimmungen für bestimmte Ausländerkategorien – um eine privatrechtliche Angelegenheit
zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Soweit gesamtarbeitsverträgliche Regelungen bestehen, ist
es Sache der Sozialpartner, Verstösse gegen das kollektive Arbeitsrecht zu ahnden. Dem Regierungsrat stehen wie dargelegt in diesem Bereich keine Kompetenzen zu.
Zur Frage 4: "Sind aufgrund der neuen Ausgangslage mehr Kontrolltätigkeiten im Rahmen der flankierenden Massnahmen geplant? Werden hierfür mehr Personalressourcen benötigt?"
Sowohl die betroffenen kantonalen Ämter (insbesondere Amt für Wirtschaft und Arbeit, Amt für Migration und Integration Kanton Aargau) als auch die Tripartite Kommission für den Vollzug der flankierenden Massnahmen (TPK) beobachten kontinuierlich die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und
damit auch die Auswirkungen des SNB-Entscheids, soweit diese für ihre Tätigkeiten und Zuständigkeiten relevant sind.
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Die Kontrolltätigkeiten im Rahmen der flankierenden Massnahmen sowie die Bundesbeteiligung an
den entsprechenden Lohnkosten des Kantons sind mittels zweijährlicher Leistungsvereinbarungen
zwischen dem Bund und den Kantonen geregelt. Die aktuellen Vereinbarungen gelten bis Ende
2016. Eine kurzfristige Anpassung der Leistungsvereinbarung mit dem Bund dürfte kaum realisierbar
sein. Je nach der weiteren Entwicklung ist es jedoch möglich, innerhalb der bestehenden Kontrolltätigkeit gewisse Verschiebungen oder neue Prioritätensetzungen vorzunehmen. Im Rahmen der
Arbeitsmarktbeobachtung bei Aargauer Betrieben könnte die TPK beispielsweise beschliessen, dass
ein besonderes Augenmerk auf die vorliegend interessierenden Thematiken zu legen sei. Möglich
sind auch entsprechende Vorgaben der Tripartiten Kommission des Bundes und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), da es sich grundsätzlich nicht um kantonale, sondern um schweizweite
Phänomene handelt. Eine Aufstockung der Personalressourcen hierfür ist unter Berücksichtigung der
Finanzlage des Kantons weder möglich noch angezeigt.
Zur Frage 5: "Sind für die Kontrollen der Tripartiten Kommission allenfalls neue Fokusbranchen festzulegen um der veränderten Ausgangslage gerecht zu werden?"
Die TPK legt jährlich die Fokusbranchen des Folgejahrs fest. Anlässlich ihrer letzten Sitzung vom
23. März 2015 wurde die TPK über die Medienmitteilung von Les Routiers Suisses vom 2. Februar
2015 informiert. Darin wird auf Lohndruck in der Strassentransportbranche und sinkende Löhne sowie Euro-Lohnzahlungen bei Grenzgängerinnen beziehungsweise Grenzgängern, ausgelöst beziehungsweise verstärkt durch den SNB-Entscheid, hingewiesen. Es liegt nun in der Verantwortung der
TPK, anlässlich der Festlegung der Fokusbranchen 2016 darüber zu entscheiden, ob diese Thematik
verstärkt untersucht werden soll und falls ja, in welcher Branche beziehungsweise in welchen Branchen. Da davon auszugehen ist, dass die Auswirkungen der Frankenstärke auch in der Tripartiten
Kommission des Bundes diskutiert werden, ist wie erwähnt möglich, dass die kantonale TPK vom
SECO entsprechende Vorgaben für Kontrollen und Berichterstattungen zuhanden des Bundes erhält.
Es gilt jedoch darauf hinzuweisen, dass auch die TPK weder Euro-Lohnzahlungen noch Lohnkürzungen oder Arbeitszeiterhöhungen verbieten oder gar sanktionieren kann. Bei der Arbeitsmarktbeobachtung gemäss Art. 360b des Obligationenrechts (OR) geht es vielmehr darum zu prüfen, ob innerhalb einer Branche oder eines Berufs die ortsüblichen Löhne wiederholt und in missbräuchlicher
Weise unterboten werden. Nur wenn die üblichen Löhne von mehreren Betrieben (oder einem marktbeherrschenden Einzelbetrieb) einer Branche markant und in missbräuchlicher Weise unterboten
werden, kann die TPK den Erlass von verbindlichen Mindestlöhnen im Rahmen von Normalarbeitsverträgen durch den Regierungsrat beantragen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Thematik
dürfte es oft nicht einfach sein, objektiv nachzuweisen, ob ein Unternehmen aus wirtschaftlicher Notwendigkeit und in einem legitimen Ausmass die Lohnbedingungen seiner Angestellten angepasst hat
oder ob es die aktuelle Situation ausnützt, um auf Kosten seiner Angestellten missbräuchlich Einsparungen zu erzielen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'982.–.
Viviane Hösli, SP, Zofingen: Wir danken dem Regierungsrat für die Beantwortung unserer Interpellation. Unsere Einschätzungen der Situation decken sich in vielen Bereichen. Allerdings gibt es einige
Vorbehalte, die ich hier ausführen werde.
Lohnkürzungen oder Arbeitszeiterhöhungen sind, wenn sie von den Sozialpartnern gemeinsam zur
Rettung eines Unternehmens erarbeitet werden, tatsächlich ein letztes Mittel, welches auch in einigen Gesamtarbeitsverträgen vorgesehen ist. Allerdings kann nur bei einem kleinen Teil der den Gewerkschaften bekannten Fälle davon ausgegangen werden, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die
Voraussetzung für das Einverständnis zu diesen Massnahmen wäre nämlich, dass es sich um eine
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befristete Massnahme handelt, welche regelmässig dahingehend überprüft wird, ob sie noch notwendig ist und es müssten die Bücher offengelegt werden. Dies passiert aber kaum. Oft wird mit den
Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen pure Renditeoptimierung betrieben.
Da die aktuelle Frankenstärke, wie bereits erwähnt, ganze Branchen betrifft, stimmen die Angestellten diesen Verschlechterungen gehäuft zu, da sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Sie tun dies,
obwohl das nachweislich, wie der Regierungsrat ausführt, auf lange Frist für die Rekrutierung von
dringend benötigten Fachkräften, für den Privatkonsum als Konjunkturstütze und nicht zuletzt für die
Lebenssituation der Betroffenen schädlich ist. Die Gewerkschaften bekämpfen darum solche Vertragsänderungen gemeinsam mit den Betroffenen, wenn diese organisiert sind.
Für den Kanton Aargau haben Lohnsenkungen weitreichende Folgen: sinkende Steuereinnahmen,
mehr Working Poor und damit steigende Ausgaben in verschiedenen Bereichen, wie soziale Sicherheit und Gesundheitsversorgung. Dies war unter anderem ein Grund, warum wir das vorherige Postulat aufrechterhalten wollten.
Wir teilen die Einschätzung des Regierungsrats nicht, dass es sich um Einzelfälle handelt. Denn den
Gewerkschaften sind um die 20 Betriebe bekannt, welche Löhne gesenkt, Arbeitszeiten erhöht und
Personal entlassen haben. Dieser Auswirkung wird zwar vom Regierungsrat grosse Beachtung geschenkt, wie er schreibt, aber ob dies genügt, ist fraglich. Die Politik muss und soll solche Vorgänge
genauer beobachten und dann aktiv dagegen vorgehen.
Dringenden Handlungsbedarf sehen wir bei den Kontrollen im Rahmen der flankierenden Massnahmen. Die Entwicklung, Grenzgängern andere Löhne auszurichten als Angestellten, die in der
Schweiz wohnhaft sind, muss – egal, wie dies rechtlich beurteilt wird – entschieden bekämpft werden, genauso, wie Schwarzarbeit und ausländische Subunternehmen verstärkt kontrolliert werden
müssen. Dass hier für die Personalressourcen nicht genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, ist
für den Aargau als Grenzkanton ein gefährliches und fatales Signal. Da helfen – und dies geht an die
Adresse der SVP – geschlossene Grenzen für Asylsuchende und Inländervorrang wenig.
Weiter zeigt die Erfahrung, dass, auch wenn die Zuwanderung vermeintlich begrenzt ist, die Wirtschaft immer zu ihren Angestellten kommt – entweder legal oder illegal. Wichtig ist darum eine verstärkte Kontrolle der Arbeits- und Lohnbedingungen. Dafür braucht es verstärkte Kontrollen am
Sonntag sowie auch am Abend und die notwendigen finanziellen Mittel.
Die aktuelle Situation lässt sich nicht mit Scheinlösungen, geschlossene Grenzen für Asylbewerber
oder Beschränkung der Zuwanderung, regeln. Es ist konkretes und unverzügliches Handeln gefordert. Wir erklären uns mit der Beantwortung teilweise zufrieden.
Vorsitzender: Viviane Hösli erklärt sich namens der SP-Fraktion von der Antwort teilweise befriedigt.
Das Geschäft ist erledigt.
0998 Interpellation Maja Riniker, FDP, Suhr, vom 24. März 2015 betreffend Zusatzaufwand
durch die Erstellung von Statistiken an den Familiengerichten im Zusammenhang mit dem
Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR); Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0806)
Mit Datum vom 10. Juni 2015 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
1. Vorbemerkung
Das Anliegen der Interpellation fällt in die Zuständigkeit der Gerichte Kanton Aargau. Aus diesem
Grund wurde die Justizleitung der Gerichte des Kantons Aargau zur Stellungnahme aufgefordert.
Diese wird nachfolgend wiedergegeben. Der Regierungsrat äussert sich ausschliesslich zu den Fragen 7–10 der Interpellation, die sich an ihn richten.
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2. Stellungnahme der Justizleitung der Gerichte Kanton Aargau
Vorbemerkung 1: Statistik der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz
(KOKES-Statistik)
Im Kindes- und Erwachsenenschutz wurden bereits unter dem alten Vormundschaftsrecht, das bis
Ende Dezember 2012 in Kraft war, statistische Erhebungen über die Art der durchgeführten Massnahmen durchgeführt. Die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES), der alle Kantone der Schweiz angehören, erhob diese Angaben jeweils über die kantonalen Aufsichtsbehörden im
Vormundschaftswesen. Im Kanton Aargau wurden die Daten durch die Gemeinden den Bezirksämtern und von diesen dem Obergericht als Aufsichtsbehörde im Vormundschaftswesen übermittelt.
Diese Daten waren denn auch die wesentliche Grundlage für die Berechnung der Ressourcen bei
der Neuorganisation des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts.
Bei den zuständigen Behörden waren und sind derartige Datenerfassungen wenig beliebt, weil sie
für die Lösung des Falls nicht erforderlich sind und damit einen für das Kerngeschäft unnötigen Zusatzaufwand verursachen. Demgegenüber sind diese Daten nicht nur für gesamtschweizerische
Vergleiche und Untersuchungen unabdingbar, sondern auch für die Leitung der verantwortlichen
Behörden ein unverzichtbares Führungsinstrument. Die Datenerhebung der letzten gesamtschweizerischen KOKES-Statistik unter altem Vormundschaftsrecht ist im Internet abrufbar (vgl. Schweizerische Statistik der Massnahmen im Kindes- und Erwachsenenschutz 2012 [alle Kantone]) in:
www.kokes.ch > Dokumentation > Statistik > 2012 – Details alle Kantone).
Es ist unabdingbar, auch im neuen Recht weiterhin statistische Erhebungen über die Art der getroffenen Massnahmen vorzunehmen. Nur mit der regelmässigen Analyse der im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht getroffenen Massnahmen lässt sich die Entwicklung sowie die Effizienz des
neuen Rechts und der neuen Behördenorganisation beurteilen, um allenfalls die notwendigen Anpassungen in die Wege zu leiten.
Der Bundesrat antwortete am 17. Juni 2013 im Rahmen einer parlamentarischen Fragestunde eine
Anfrage zur Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzgesetzes von Nationalrätin Silvia
Schenker wie folgt:
"Am 1. Januar 2013 haben die neuen Fachbehörden im Bereich Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in sämtlichen Kantonen ihre Arbeit aufgenommen. Die Umsetzung des neuen Rechts ist Sache
der Kantone. Die Konferenz der Kantone für Kindes- und Erwachsenenschutz hat die Kantone bei
dieser Aufgabe aktiv begleitet und insbesondere den fachlichen Austausch unter den Kantonen gefördert und die Professionalisierung der neuen Behörden durch Empfehlungen, Veröffentlichungen
und Weiterbildungen unterstützt. Die Konferenz der Kantone für Kindes- und Erwachsenenschutz
erhebt im Übrigen die Daten betreffend die Erwachsenenschutzmassnahmen in den Kantonen und
erstellt jährlich eine Statistik. (…)"
Der Bundesrat hat damit zwar die Erhebung der Statistik nicht formell an die KOKES delegiert, faktisch ist seiner Antwort jedoch zu entnehmen, dass er offenbar selbstverständlich davon ausgeht,
dass die KOKES diese Statistik erhebt und die Kantone mitmachen. Falls die Kantone nicht mitmachen würden, müsste der Bund voraussichtlich im Rahmen von Art. 441 Abs. 2 des Schweizerischen
Zivilgesetzbuchs (ZGB) eine entsprechende Vorgabe prüfen.
Die KOKES-Statistik verfolgt grundsätzlich drei Ziele:



Den Behörden (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden und kantonale Aufsichtsbehörden)
sowie den politischen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern soll ein Informationsinstrument zur Verfügung gestellt werden.
Es sollen statistische Grundlagen für eine Qualitätsentwicklung bereitgestellt werden.
Es soll ein schweizerisches Monitoring installiert werden.
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Die Kantone haben an verschiedenen KOKES-Plenarversammlungen unter anderem beschlossen,
ein Statistik-Tool zu entwickeln. Dies impliziert indirekt auch, an den Erhebungen für die Statistiken
teilzunehmen.
Die KOKES hat zuhanden der Kantone einen Vorschlag für eine umfassende Erfassung der gewünschten Daten und die einheitliche Art der Erfassung unterbreitet, um eine möglichst breite Datenbasis sowie eine Vergleichbarkeit unter den Kantonen sicherzustellen. Dazu hat sie auch eine
elektronische Übermittlung dieser Daten mittels eines einheitlichen Standards vorgeschlagen.
Vorbemerkung 2: Umsetzung der KOKES-Statistik im Kanton Aargau
Der Kanton Aargau hat den soeben geschilderten Standard im Gerichtsinformatiksystem zwar implementiert, jedoch den Umfang der zu erhebenden Daten auf ein Minimum reduziert und damit der
Anregung der KOKES auf weit umfassendere Datenerhebungen eine Absage erteilt.
Die personellen Mittel für die Aufgaben im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht im Kanton Aargau
machten diese Reduktion der zu erfassenden Daten unvermeidlich.
Im Kanton Aargau haben die zuständigen Familiengerichte äusserst bescheidene personelle Ressourcen und daraus resultierend Kapazitätsengpässe, was die Begründung der Interpellation als
Ausgangslage anerkennt. Die Justizleitung und die Kindes- und Erwachsenenschutzkammer des
Obergerichts als Aufsichtsorgan sind sich dieser Ausgangslage bewusst und setzen alles daran, Zusatzbelastungen für die Familiengerichte nach Möglichkeit zu vermeiden. Der gänzliche Verzicht auf
statistische Erhebungen und auf eine Vergleichbarkeit mit anderen Kantonen erscheint aber keine
Option. Vielmehr suchten die Leitungsorgane einen Weg, die Zusatzbelastung soweit als möglich zu
minimieren und gleichwohl die Zusammenarbeit mit der KOKES und damit den Zugang zu einer gesamtschweizerischen Auswertung der Daten sicherzustellen.
Statistische Angaben werden im Übrigen nicht in allen Geschäften erhoben. Insbesondere bei den
Massengeschäften wie "Berichtskontrollen" und "Hinterlegungen" sind aufgrund der Vorgaben der
KOKES keine Statistikangaben notwendig.
Zusätzlich ist es gelungen, den Detaillierungsgrad der statistischen Angaben zu senken und die Erfassung von Angaben, die nach dem Entscheid eine erneute vertiefte Analyse des Falls erfordert
hätten, wegzulassen und diese reduzierte Datenerfassung gleichwohl mit der gesamtschweizerischen Erhebung zu verknüpfen, damit die aargauischen Daten mit den Daten der anderen Kantone
vergleichbar werden. Im Kanton Aargau werden nun neben den Arten der Massnahmen (wie die
altrechtliche Statistik) mit den ihnen zugeordneten Gesetzesartikeln nur noch drei Zusatzdaten erfasst: (1) Art des Mandatsträgers, (2) Herkunftsort der ersten Gefährdungsmeldung und (3) Grund
der Aufhebung der Massnahme.
Damit wurde der Überlastungssituation der aargauischen Familiengerichte weitgehend Rechnung
getragen.
Vorbemerkung 3: Statistikangaben Kanton Aargau
In den beiden Startjahren 2013 und 2014 – seit der neuen Behördenorganisation im Kindes- und
Erwachsenenschutz – sind im Kanton Aargau keine statistischen Angaben über die "Art der getroffenen Massnahmen" aus dem System abrufbar, respektive erfordert die Analyse umfangreiche Einzelabklärungen in den Systemen der einzelnen Gerichte.
23 Kantone waren demgegenüber bereits für das Jahr 2013 in der Lage, diese Daten zu liefern, auch
wenn diese Zahlen in den anderen Kantonen ebenfalls noch unvollständig sowie unzuverlässig waren, weshalb die KOKES auf eine Publikation für das Jahr 2013 verzichten wird.
Die Analysen im Kanton Aargau beschränken sich schliesslich auf die "Anzahl der einzelnen Geschäftsarten", ohne dass ersichtlich wird, welches Resultat das Verfahren ergeben hat. Dies führte
dazu, dass die Argumentation in den Diskussionen um die Vergleichbarkeit mit früheren Jahren (beispielsweise das Erkennen eines Trends, welche Massnahmen sich in der Praxis erforderlich er-
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scheinen oder wie sich die neuen Instrumente der Selbstvorsorge auswirken) ausserordentlich
schwierig oder gar unmöglich ist.
Die Gerichte Kanton Aargau können deshalb nicht länger auf die Erhebung von standardisierten Daten verzichten und der Kanton Aargau wird sich den schweizweit zu Vergleichszwecken nötigen Datenerhebungen nicht verschliessen können. Die KOKES hofft, nach einer Einführungszeit von
2–3 Jahren, zu verlässlichen und vergleichbaren Zahlen aller Kantone zu kommen.
Ab 2015 wird der Kanton Aargau deshalb diese Daten systematisch erheben, sich an der schweizerischen Statistik beteiligen und die Daten auch intern vergleichen und auswerten.
Beantwortung der Fragen
Zur Frage 1: "Ist es richtig, dass ein Kreisschreiben existiert, welches die Familiengerichte zur Führung einer umfangreichen Statistik verpflichtet?"
Es besteht ein Kreisschreiben des Obergerichts, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, vom
1. Januar 2015. Darin werden die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) als Abteilungen
der Familiengerichte verpflichtet, neben den Fallerfassungen eine Statistik in der Fachapplikation
JURIS über die Art und gesetzlichen Grundlagen der Entscheide nach – gegenüber der KOKES-Statistik – reduzierten Anforderungen zu führen.
Zur Frage 2: "Wie lautet diese Verpflichtung?"
Die Umsetzung der KOKES-Statistik im Kanton Aargau wurde in der Vorbemerkung 2 dargelegt. Die
Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz des Obergerichts hat ein Handbuch erstellt.
Zur Frage 3: "Mit welchem Ziel werden diese Statistiken erhoben?"
Die Erhebung von statistischen Daten ist als Führungsinstrument und als Vergleichsgrösse im interkantonalen Vergleich unabdingbar.
Zur Frage 4: "Führt das Führen von dieser Statistik zu Zusatzaufwand? Wenn ja, in welchem Umfang?"
Das Erfassen der Daten erfordert weniger als fünf Minuten pro Fall.
Zur Frage 5: "Hätten im 2014 schon alle Fälle auf Papier ausgefüllt werden müssen, resultierten bei
18'127 Fällen rund 15 Bundesordner Volumen. Wie viel Aufwand braucht es auf der Seite der Datenerfassung ins 'Juris'?"
Eine solche Rechnung ist nicht nachvollziehbar, es werden keine Papierstatistiken geführt. Die genannte Zahl beruht vermutlich auf der Summe aller Geschäfte, davon ist ein beachtlicher Teil nicht
statistisch zu erfassen.
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Zur Frage 6: "Wenn die Daten im 'Juris' erfasst sind, finden elektronische Transfers dieser Datensätze statt. Wie werden diese Übermittlungen vollzogen und wie ist der Datenschutz gewährleistet?"
Die Daten werden elektronisch mit einer XML-Datei auf eine Plattform der KOKES übermittelt. Zugang ist mittels Login und Passwort nur den Verantwortlichen der Kantone möglich. Die Daten enthalten keine Personendaten und werden nur gesamthaft publiziert.
Dem Datenschutz wird höchstmögliche Beachtung geschenkt. Das Generalsekretariat der Gerichte
Kanton Aargau hat mit der kantonalen Datenschutzbeauftragten die Frage des Datenschutzes, insbesondere der theoretisch möglichen Rückverfolgbarkeit analysiert und vorerst als unproblematisch
beurteilt. Vor der ersten Datenlieferung – voraussichtlich anfangs 2016 – wird dies anhand der konkreten Daten aber trotzdem nochmals überprüft.
3. Stellungnahme des Regierungsrats
Vorbemerkung
Die Erhebung und Auswertung von Falldaten ist aus Sicht des Regierungsrats ein unverzichtbares
Führungsinstrument, damit ein Vergleich unter den einzelnen KESB, aber auch gesamtschweizerisch
möglich wird. Die Gerichte Kanton Aargau haben eine gegenüber der KOKES-Statistik reduzierte
Datenerfassung zur Art der Massnahmen entwickelt, die den benötigten Vergleich dennoch ermöglicht (vgl. dazu Vorbemerkung 2 der Justizleitung der Gerichte Aargau unter Ziffer 2).
Beantwortung der Fragen
Zu den Fragen 7–9
"Teilt der Regierungsrat die Meinung der Interpellantin, dass die Familiengerichte nicht mit Zusatzaufwänden, welche gesetzlich nicht vorgeschriebenen sind, belastet werden sollen?"
"Erachtet der Regierungsrat den zusätzlichen Mehraufwand nicht auch als unverhältnismässige
Massnahme?"
"Verstärkt die Führung von solchen Statistiken zusätzlich die Kapazitätsengpässe? Dies speziell
auch vor dem Hintergrund der regierungsrätlichen Aussage in der Botschaft 14.221, 'dass Kapazitätsengpässe beseitigt werden müssen'."
Für den Aufwand für das Erfassen kann auf die Beantwortung zur Frage 4 durch die Justizleitung
verwiesen werden. Der Regierungsrat schliesst sich der Beurteilung der Justizleitung an, wonach
eine Statistik über die Art der Massnahmen ein unverzichtbares Führungsinstrument darstellt.
Zur Frage 10: "Sieht der Regierungsrat weitere Möglichkeiten und ist er bereit, die Familiengerichte
von gesetzlich nicht vorgeschriebenen administrativen Plichten, wie beispielsweise das Führen von
Statistiken, zu befreien?"
Der Regierungsrat hat im Rahmen von zwei Interpellationsbeantwortungen vom 11. März 2015 dargelegt, mit welchen Massnahmen er den Kapazitätsengpässen bei den Familiengerichten begegnet
wird: Einerseits mit dem Ausbau der Einzelzuständigkeiten im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht
(KESR), andererseits mit dem Projekt "Optimierungsmassnahmen KESR" (vgl. [14.216] Interpellation
Annerose Morach, SVP, Obersiggenthal, vom 18. November 2014, betreffend Anwendung ZGB Artikel 440 Abs. 2, zweiter Satz, bei der Umsetzung des neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrechtes
an den Familiengerichten und [15.5] Interpellation der Fraktionen der BDP, der EVP und der GLP
vom 13. Januar 2015 betreffend Zeitplan und Bericht zum Auftrag zur Verbesserung der Prozesse
des Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes [KESR])
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Der Grosse Rat hat am 2. Juni 2015 gestützt auf die Botschaft des Regierungsrats zur 2. Beratung
der Änderungen des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB) im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts den Katalog der
Einzelzuständigkeiten stark ausgebaut. Damit diese Rechtsänderungen rasch möglichst ihre Wirkung
entfalten, hat der Grosse Rat ferner dem Antrag des Regierungsrats auf vorzeitiges Inkrafttreten
dieser Änderungen auf den 1. Juli 2015 zugestimmt.
Zudem werden im Projekt "Optimierungsmassnahmen KESR", dessen Kernteam auf Gemeinde- und
Kantonsseite mit je vier Mitgliedern paritätisch zusammengesetzt ist, weitere Optimierungen geprüft
und erarbeitet. Das Projekt basiert auf dem Auftrag des Grossen Rats vom 16. September 2014, der
wie folgt lautet:
"Der Regierungsrat und die Justizleitung werden aufgefordert, zusammen mit den Gemeinden Vereinfachungen und Standardisierungen der Verfahrensabläufe zu beantragen, die in den entsprechenden Verfahren auch Gesetzesänderungen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene enthalten
sollen."
Bis Ende 2015 soll im Sinn des Auftrags des Grossen Rats ein Bericht vorliegen, der die Ergebnisse
der Ist-Analyse und konkrete Lösungsvorschläge/Empfehlungen enthält. Auch sollen die Weiterbearbeitung und Umsetzung (inklusive Priorisierung) aufgezeigt werden.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'653.–.
Maja Riniker, FDP, Suhr: Meine Fragen sind nachvollziehbar beantwortet worden. Ich verstehe, dass
die KOKES-Statistik für ein schweizerisches Monitoring und die Vergleichbarkeit nötig ist. Leider
aber werfen einige der dargelegten Sachverhalte neue Fragen auf und hinterlassen nach wie vor den
Eindruck, dass die KOKES-Statistik teilweise unnötige Nebeneffekte hat. 1. Es geht meiner Meinung
nach bei der Erhebung nicht nur um eine statistische Auflistung der bearbeiteten Fälle. Nein, es geht
auch darum, Datenfutter zu sammeln, um weitere Begehrlichkeiten begründen zu können. Die gleiche Statistik hat gemäss Justizleitung schon als Grundlage für die Berechnung der Ressourcen bei
der Neuorganisation des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts (KESR) gedient. 2. Welche Qualitätsentwicklungen erhofft man sich seitens der Justizleitung durch die Datengrundlage zu erlangen?
Mich würden da die Messgrössen interessieren. 3. Ich zweifle daran, dass diese demnach rudimentäre Statistik als das in der Beantwortung mehrfach gepriesene Führungsinstrument gelten kann.
Kann man aus Fallzahlen die Führungsqualität der Justizleitung ableiten? Meine Befürchtung, dass
diese Statistik letztlich zur Aufstockung des Personalbestands verwendet wird, nimmt dadurch sogar
zu. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich meine, dass wir grundsätzlich genau hinschauen müssen, wohin uns das KESR führt. Der Regierungsrat sagt in seiner Antwort zur Frage 10 selber, dass
im Rahmen von Projektoptimierungsmassnahmen KESR uns konkrete Lösungsvorschläge und Empfehlungen bis Ende 2015 vorliegen werden. Ich hoffe sehr fest, dass diese Massnahmen nicht einfach beinhalten, durch mehr Stellen das heute schon ächzende System zu stärken, sondern dieses
zu vereinfachen und so zu verbessern. Ich bin mit der Antwort teilweise zufrieden.
Vorsitzender: Die Interpellantin erklärt sich von der Antwort teilweise befriedigt. Das Geschäft ist
erledigt.
0999 SVA Aargau; Jahresbericht und Jahresrechnung 2014; Genehmigung
Behandlung der Vorlage-Nr. 15.100-1 des Regierungsrats vom 27. Mai 2015 samt Jahresbericht
2014 der SVA. Auf der Regierungsbank nimmt Frau Nancy Wayland Bigler, Direktorin der SVA Aargau, Einsitz.
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Die Kommission GSW hat den Jahresbericht und die Jahresrechnung 2014 der Sozialversicherung
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2813
Aargau an ihrer Sitzung vom 22. Juni 2015 im Beisein von Frau Landstatthalter Susanne Hochuli,
Frau Sibylle Müller, Stv. Generalsekretärin des Departements Gesundheit und Soziales (DGS), und
Herrn Andreas Farkas, Mitarbeiter DGS, behandelt. Die SVA war vertreten durch Frau Elisabeth
Meyerhans, Präsidentin der Verwaltungskommission, und Frau Nancy Wayland Bigler, Direktorin der
SVA.
Wie gewohnt verzichte ich darauf, in meinem Referat Ausführungen zu wiederholen und Zahlen zu
kommentieren, welche Sie ja dem vorliegenden Jahresbericht entnehmen konnten. Vielmehr werde
ich auf einige Aspekte eingehen, die in der Kommission diskutiert wurden.
Ich möchte aber bereits einleitend erwähnen, dass sich die SVA im vergangenen Jahr weiter positiv
entwickelt hat. Die Kaderstellen, allen voran jene der Direktorin, konnten besetzt werden und die
Führungsstruktur bewährt sich. Auch die eingeschlagene Strategie greift. Deren Umsetzung wird in
den kommenden Jahren nun konsequent weiterverfolgt.
Auch die finanzielle Situation ist erfreulich. Wie schon in den Vorjahren, konnte eine Rückvergütung
von 1,2 Mio. Franken an die Arbeitgeberbetriebe vorgenommen werden. Erneut konnten zudem die
Beiträge bei Ausgleichskasse und Familienausgleichskasse gesenkt werden.
Bei der Umsetzung der übertragenen Aufgaben zeigten sich Zunahmen bei den Ergänzungsleistungen und bei der Prämienverbilligung. Ebenso haben die Familienzulagen für Selbständigerwerbende
zugenommen. Die Umsetzung der Säumigenliste erfolgte bisher reibungslos.
Frau Elisabeth Meyerhans, Präsidentin der Verwaltungskommission SVA, berichtete zusammen mit
der neuen Direktorin, Frau Nancy Wayland Bigler, über den Bericht 2014. Die Präsidentin zeigte sich
erfreut darüber, dass die Strukturen nun soweit bereinigt sind, dass sich die Kommission mit strategischen Aufgaben befassen kann. Ziel ist es, die Qualitäts- und Kostenführerschaft zu erreichen. Die
Direktorin erklärte, dass die SVA sehr gut am Markt positioniert ist und es möglich ist, neue Aufgaben, wie die Führung der Säumigenliste, kompetent umzusetzen. Derzeit noch unklar sind die Auswirkungen eines Bundesgerichtsurteils im Bereich der somatoformen Schmerzstörungen.
Von den Mitgliedern der Kommission wurden der gute Abschluss und die hohe Qualität dankend zur
Kenntnis genommen. Es wurden aber auch verschiedene Fragen aufgeworfen. Beispielsweise zur
Performance und deren Entwicklung und zu den Strafanzeigen gegen Arbeitgeber, welche es versäumen, Lohnmeldungen einzureichen. Und schliesslich wurde auch über die Zuständigkeit der
Kommission und des Grossen Rats bei der Behandlung dieses Berichts diskutiert. Die Kommission
ist eher der Meinung, dass dem Grossen Rat in Anbetracht der Rechtslage eigentlich ein Antrag auf
Kenntnisnahme und nicht auf Genehmigung zu stellen wäre.
Namens der Kommission GSW danke ich Frau Regierungsrätin Susanne Hochuli, Frau Meyerhans,
Frau Wayland und allen Vertretern des DGS für die umfassenden Ausführungen und die kompetente
und offene Beantwortung unserer Fragen. Ebenso herzlich danke ich im Namen der Kommission den
Mitgliedern der Verwaltungskommission und allen Mitarbeitenden der SVA für ihr grosses Engagement und ihre wertvolle Arbeit.
Die Genehmigung des Jahresberichts und der Jahresrechnung 2014 der SVA war für die Kommission GSW unbestritten und erfolgte einstimmig. Im Namen der Kommission GSW empfehle ich Ihnen,
dasselbe zu tun.
Allgemeine Aussprache
Renata Siegrist-Bachmann, GLP, Zofingen: Die Fraktion der Grünliberalen verdankt die anschauliche
Präsentation des Jahresberichts und der Jahresrechnung 2014. Wir entnehmen den Unterlagen ein
positives Jahresergebnis von 200'000 Franken und zusätzlich eine Rückstellung von 3,1 Millionen
Franken, von denen im Verlauf des Jahres aber wieder 1,3 Millionen Franken rückgängig gemacht
werden mussten. Somit konnten insgesamt 1,8 Millionen Franken Rückstellungen verbucht werden.
Dem Bericht kann ebenso entnommen werden, dass bis Ende 2014 rund 92,0 Prozent der IVRentenrevisionen abgeschlossen werden konnten. Die hohe Zahl von 315 Rentenaufhebungen wird
im Bericht besonders gewürdigt. Wir wissen aber nur allzu gut, dass nicht wenige dieser Aufhebungen sich in den Statistiken der Gemeinden bei den Sozialhilfekosten wiederfinden. Damit möchten
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2814
wir nicht Kritik an der SVA generell üben; sie macht nicht mehr und nicht weniger, als ihren Auftrag
zu erfüllen. Es ist aber in diesem Zusammenhang auch die hohe Anzahl von Wiedereingliederungen
zu würdigen. Wir anerkennen die stetigen und auch erfolgreichen Bemühungen der SVA, Menschen
mit Einschränkungen im Arbeitsprozess zu behalten oder eine schnelle Wiedereingliederung anzustreben, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen ausfallen. Wir erachten dies als den Königsweg,
bei dem letztendlich die Betroffenen ihre Würde und Wertschätzung als Mitglied der Gesellschaft
beibehalten können. Daneben hilft es, die Kosten niedrig zu halten. Wir möchten es auch nicht unterlassen, den neuen Mitgliedern der operativen Führung, Herr Christoph Schmugge und Frau Nancy
Wayland Bigler, zu danken und ihnen ein gutes Gelingen bei ihren verantwortungsreichen Aufgaben
zu wünschen. Wir sind froh, dass nach einem Jahr der Unsicherheit auf der Führungsebene nun
wieder Klarheit herrscht. Wie der Botschaft entnommen werden kann, ist auch die Einführung der
Säumigenliste erfolgreich auf Kurs und kann termingerecht umgesetzt werden. Zusammen mit den
von uns beschlossenen Anpassungen der Parameter bei den Prämienverbilligungen wird sich dies
hoffentlich bald kostensenkend auswirken. Schlussendlich gratulieren wir der SVA noch zu ihrem
zwanzigjährigen Jubiläum und zur Auszeichnung mit dem Prix Egalité, welcher sie als verantwortungsvolle und fortschrittliche Arbeitgeberin auszeichnet. Die Grünliberalen folgen den Empfehlungen
der Revisionsstelle PricewaterhouseCoopers AG und werden den Jahresbericht dankend genehmigen.
Wolfgang Schibler, SVP, Buchs: Die SVP-Fraktion bedankt sich für den einmal mehr neugestalteten
Jahresbericht und die Jahresrechnung 2014 und gratuliert auch dieses Jahr wieder zu diesem sehr
guten Ergebnis. Das Layout überzeugt, der Inhalt überzeugt – auf den ersten Blick. Auf den zweiten
Blick stellen wir dann einige Doppelspurigkeiten fest, von welchen wir erwarten, dass sie im nächsten
Geschäftsbericht nicht mehr vorkommen. Der dritte Blick zeigt uns oder stellt uns vor die Frage, ob
nicht doch weniger Information eigentlich mehr Information wäre. Ich komme zurück zum Inhalt, zu
den durchaus positiven Punkten. Die SVP ist sehr beruhigt, dass die operative Führung der SVA
komplett ist. Als Arbeitgeberin mit Engagement wird die SVA für Vielfalt ausgezeichnet. Vielfalt und
Respektierung der Bedürfnisse der Mitarbeitenden, dieses Engagement wird mit dem Prix Egalité
anerkennend hervorgehoben, Kompliment. Der Marktanteil konnte durch den Neuzugang einer Abrechnungsstelle nochmals markant erhöht werden, von 54,0 Prozent auf über 60,0 Prozent. Die
Rückerstattung wurde bereits erwähnt: 1,2 Millionen Franken an die Arbeitgeberbetriebe und 560'000
Franken an die Kunden. Mit der Senkung des Beitragssatzes der Familienausgleichskasse per 2015
von 1,45 Prozent auf 1,35 Prozent wird die Wirtschaft im Kanton Aargau um rund 9 Millionen Franken entlastet. Bei einem fünfjährigen Planungshorizont führt dies zu einer Entlastung von 45 Millionen Franken. Im Bereich der Umsetzung, auch das haben wir gehört, konnte die SVA einen neuen
Auftrag übernehmen, nämlich die Säumigenliste. Schlussendlich wurde eine Kommunikationsverantwortliche engagiert, mit der Aufgabe, unter anderem die Bereichsleiter zu entlasten. Wir hoffen,
dass dies bereits heute schon gelungen ist. Unser spezieller Dank geht jedoch an alle Mitarbeitenden der SVA, ohne engagiertes und motiviertes Personal könnte das vorliegende, äussert positive
Resultat nicht erreicht werden. Obwohl eine Kenntnisnahme des Jahresberichts und der Jahresrechnung anstelle der Genehmigung richtiger wäre – dem Grossen Rat fehlt die Kompetenz, über vom
Bund übertragene Arbeiten oder Aufgaben zu befinden – bitten wir Sie gleichwohl, das Zweite zu tun,
nämlich zu genehmigen.
Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau: Auch die SP-Fraktion bedankt sich für den detaillierten und trotzdem
übersichtlichen Jahresbericht, welchen wir gerne zur Kenntnis nehmen. Ebenfalls nehmen wir gerne
zur Kenntnis, dass die personellen Lücken in der Führung der SVA nun vollständig und zufriedenstellend gefüllt werden konnten und danken allen Mitarbeitenden für die geleistete Arbeit. Dies hat den
positiven Jahresabschluss erst möglich gemacht. Wir möchten allerdings auch darauf hinweisen,
dass bei der individuellen Krankenkassenprämienverbilligung die Sparschraube erneut auf dem Buckel der Schwächsten unserer Gesellschaft weiter angezogen wurde, was sozialpolitisch inakzeptabel ist und bleibt. Ebenso darf nicht unerwähnt bleiben, dass die neu eingeführte Säumigenliste zwar
bereits mehr als 7'000 Einträge aufweist, bisher jedoch nur Mehrkosten verursacht hat. Einsparun-
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2815
gen sind, wenn überhaupt, erst bei gleichzeitiger Betreuung von potenziell Betroffenen möglich, was
bisher von den Befürwortern der Liste leider konsequent abgelehnt wurde. Hier besteht Nachbesserungsbedarf. Nochmals herzlichen Dank an die Führungscrew der SVA und das ganze Mitarbeiterteam für die geleistete Arbeit.
Andre Rotzetter, CVP, Buchs: Neun Zehntel unseres Glücks allein beruhen auf der Gesundheit, sagt
der Philosoph Arthur Schopenhauer. Oft als selbstverständlich angenommen, ermessen wir ihren
wahren Wert erst durch ihren Verlust. Denn: Wie schnell schränken Unfall oder Krankheit die eigenen Möglichkeiten spürbar ein. So wird der Jahresbericht der SVA eingeleitet.
Auch Mutterschaft, Militäreinsatz oder Alter führen zu Lebenssituationen, bei der wir auf die gesellschaftliche Solidarität angewiesen sind. Das Unternehmen SVA organisiert in acht verschiedenen
Sozialversicherungsbereichen Beratung, Lösungsfindung und finanzielle Solidarität. Die CVP ist
deshalb froh, das Unternehmen SVA wieder in kompetenten Händen zu wissen. Der Geschäftsgang
ist stabil und die Finanzen solide.
Auf einige Details im Jahresbericht möchten wir speziell hinweisen.
Durch schlanke Strukturen der Ausgleichskasse konnten die Verwaltungskosten bis zu 40,0 Prozent
gesenkt worden. Wichtig ist aber auch, dass man aus dem Bericht Tendenzen in den Sozialversicherungen frühzeitig erkennt. Im Auge behalten werden muss die Entwicklung in der Ergänzungsleistung. Die Ausgaben sind um 15,0 Prozent gestiegen. Wichtig scheint, dass in der Altersvorsorge
endlich auch teilstationäre Angebote finanziert werden. Es kann nicht sein, dass der teure Pflegeheimaufenthalt finanziert wird und der günstigere Aufenthalt in den teilstationären Angeboten nur
teilweise. Dies führt zu unnötigen Eintritten in Pflegeheime und letztlich zur Steigerung der Ergänzungsleistung.
Dass die Baby-Boomer ins Rentenalter kommen, sehen wir an Hand der Zunahme der Renten.
Spannend ist auch zu sehen, dass es offensichtlich immer mehr ältere Väter gibt. Seit 2011 ist eine
Zunahme der Kinderrenten um ein Drittel festzustellen.
Die IV-Renten sind leicht zurückgegangen. Zeitnahe berufliche Wiedereingliederungsmassnahmen
sind der Schlüssel zum Erfolg. Weniger erfolgreich ist die Eingliederung nach der Rentenprüfung.
Von den 315 Personen, denen die Rente abgesprochen wurde, konnten die wenigsten in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dies ist letztlich nur eine Verschiebung in andere Sozialversicherungen
oder auf die Gemeinden. Leider fehlt eine konkrete Zahl im Jahresbericht. Wir erwarten diese im
nächsten Jahr.
Erwähnenswert ist die Missbrauchsbekämpfung. Es bestand bei 186 Personen ein Verdacht auf
Missbrauch. Bei einer Person ist es zu einer Strafanzeige gekommen. In der gleichen Zeit ist es zu
77 Strafanzeigen gegen Firmen gekommen. In 26 Fällen sogar wegen Zweckentfremdung der Gelder.
Erfreulich ist auch die Erfahrung mit der Säumigenliste, obwohl wir hier eine andere Sichtweise haben. Offensichtlich bezahlen die meisten Personen, welche angeschrieben werden, nachher ihre
offenen Krankenkassenrechnungen und landen somit nicht auf der Liste. Wir sind gespannt, wenn
dann die ersten Zahlen auf dem Tisch liegen. Momentan sind diesbezüglich keine Aussagen möglich.
Zum Schluss bedankt sich die CVP bei der SVA und ihren Angestellten für die sehr gute Arbeit im
Jahr 2014. Die CVP wird den Jahresbericht genehmigen.
Stefan Haller, BDP, Dottikon: Neues Jahr, neues Glück, könnte man fast sagen – so erfrischend wie
der Jahresbericht daherkommt. Erfreulich ist, dass die operative Führung wieder vollständig ist. Wir
hoffen, dass dies auch über einen längeren Zeitraum so bleibt. Ebenso stimmt positiv, dass die Familienausgleichskasse trotz einer Zunahme von 4,65 Prozent immer noch einen Ertragsüberschuss
erzielen konnte. Allerdings zeigen die Zahlen doch auch, dass eben nicht ganz alles so glücklich
verläuft, wie man es sich vielleicht wünscht. Gerade die Zahlen bei den Ergänzungsleistungen scheinen weder stabil zu sein, noch ist ein Trend nach unten ersichtlich. Bei der Invalidenversicherung
gibt es mittlerweile mehr als 2'100 pendente Anmeldungen. Gegenüber 2012 also ein Anstieg von
500 Anmeldungen. Wir wären diesbezüglich froh um eine kurze Stellungnahme der Geschäftsleitung.
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Trotzdem kann gesagt werden, dass das Gesamtbild sehr gut aussieht. Die BDP bedankt sich bei
der Führung und allen Mitarbeitenden der SVA für ihre zielorientierte, kompetente Tätigkeit und
wünscht für die Zukunft alles Gute.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Von den vielen möglichen Diskussionsthemen des SVA-Jahresberichts möchte ich insbesondere zwei Punkte erwähnen, die uns als Grossräte und Gesellschaft in
der kommenden Zeit doch beschäftigen werden. 1. Bei der Altersstruktur der IV-Bezüger ist der Mittelwert innerhalb von fünf Jahren von 42 Jahren auf 34 Jahre gesunken. Eine schlechtere psychische
Verfassung, gerade bei jungen Menschen, nimmt zu. Diese Tatsache dürfen wir nicht ausblenden.
2. Assistenzbeiträge werden zwar ausbezahlt, doch laut dem Jahresbericht haben es diese im Kanton Aargau nur zwei Personen ermöglicht, das Heim zu verlassen. Wir sind überzeugt, dass es hier
noch eine Aufgabe zu erledigen gilt, dass man diesen Punkt also umfassender angeht und der Frage
nachgeht, was hier noch möglich wäre, allenfalls auch kostengünstiger. Wie uns mitgeteilt wurde,
liegen wir bei diesen Auszahlungen im schweizweiten Vergleich weit unter dem Durchschnitt. Aus
unserer Sicht erfreulich und erwähnenswert ist folgender Punkt aus dem Jahresbericht: Ein Drittel
der Jugendlichen, die mit Unterstützung der Invalidenversicherung (IV) eine Ausbildung machen,
finden anschliessend auch eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt. Hier wäre eine noch höhere Aufnahmequote erwünscht – trotz des grossen Efforts, der geleistet wurde. Herzlichen Dank. Zum Jahresbericht generell erwähne ich zwei Punkte. 1. Bei der SVA wird gute und wichtige Arbeit geleistet.
Dafür bedankt sich die EVP-Fraktion auch dieses Jahr wieder. Hier möchte ich noch anmerken, dass
sich die SVA auf die gesetzlichen Grundlagen abstützen muss. Da gibt es nichts wegzudiskutieren.
Trotzdem möchte ich es nicht unterlassen, den Erfolg ein wenig zu relativieren. Bei der Prämienverbilligung konnten beispielsweise Einsparungen gemacht werden, weil die Richtprämien gesenkt und
der Einkommenssatz erhöht wurden. Eine Aufhebung von Renten führt zu höheren Sozialhilfekosten,
das haben wir heute auch schon gehört. 2. Auch wir sind froh, dass die Geschäftsleitung der SVA
wieder komplett ist. Wir nehmen den Bericht zur Kenntnis.
Titus Meier, FDP, Brugg: Angesichts des Umstands, dass wir erstens den Bericht nicht genehmigen
müssen oder dürfen, sondern nur zur Kenntnis nehmen können und zweitens die meisten Ausgaben
primär durch Bundesgesetze vorgegeben sind und ich drittens annehme, dass Sie entweder die Botschaft oder den Bericht gelesen und mindestens meinen Vorrednerinnen und Vorrednern zugehört
haben, kann ich Ihnen mitteilen, dass die FDP ebenfalls allen Beteiligten dankt und den Antrag des
Regierungsrats unterstützen wird.
Eva Eliassen Vecko, Grüne, Turgi: In Anlehnung an meinen Vorredner werde ich mich kurz halten.
Die Grünen nehmen den sehr gut aufgemachten Jahresbericht der SVA sehr gern zur Kenntnis. Die
SVA feiert ihr zwanzigjähriges Bestehen, dafür gratulieren wir herzlich. Und die Institution hat auch
den Prix Egalité zugesprochen bekommen. Dies ist besonders erfreulich, da sie in den letzten zwei
Jahren durch eine Zeit der personellen Unsicherheit gehen musste, die sie mit Erfolg durchgestanden hat. Der Geschäftsgang ist erfreulich, auch mit den zunehmenden Aufgaben, die der SVA zugeteilt werden. Die Jahresberichterstattung ist ausführlich und schön präsentiert. Wir danken deshalb
den Mitarbeitenden und der neuen Leitung der SVA Aargau für das gute Resultat.
Franziska Graf-Bruppacher, SP, Aarau Rohr: Wir haben es gehört: Der Jahresbericht tönt sehr gut.
Wenn ich lese, was auf Seite 36 über die hohe Priorität der Berufsberatung von Jugendlichen steht,
dann ist das wirklich toll. Wenn ich aber höre, was im Leben dann wirklich passiert, stimmt das überhaupt nicht überein. Meine Erfahrung ist leider völlig gegenteilig. Eltern und Lehrmeister finden eine
gute Lösung und die zuständige Mitarbeiterin oder der zuständige Mitarbeiter bei der IV unterstützt
das nicht. Teurere Lösungen, die auf den Jugendlichen weniger gut zugeschnitten sind, würden aber
bezahlt werden. Ich verstehe das nicht und wünsche mir, erstens, dass nach diesen Worten im Bericht gelebt und praktiziert wird und zweitens hoffe ich doch sehr, dass der Rest des Berichts, über
den ich nicht so genau Bescheid weiss, dann tatsächlich den Tatsachen entspricht.
18. August 2015
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Rosmarie Groux, SP, Berikon: Ich erlaube mir einige Bemerkungen aus Sicht der Gemeinden, welche pendente Fälle der IV in der Sozialhilfe betreuen. Ich anerkenne die Bemühungen der SVA, die
Abklärungen für Leistungen der IV zeitnah und kompetent zu bearbeiten, den Missbrauch zu bekämpfen und die bestehenden Renten zu überprüfen. Leider sind in den Gemeinden bei den hängigen IV-Anträgen die fehlenden Gutachter, wie auf Seite 37 des Jahresberichts erwähnt, spürbar. Es
sind Personen auf Sozialhilfe angewiesen, welche 100 Prozent arbeitsunfähig sind und sich mit ihrem Hausarzt und einem Rechtsvertreter für eine IV-Rente wehren müssen. Dabei stören uns nicht
die Ausgaben in der Sozialhilfe, welche bei einem positiven IV-Entscheid rückvergütet werden. Es ist
für uns störend, dass sich arbeitsunfähige Personen jahrelang für eine Rente wehren müssen und
während dieser Zeit auch keine Integrationsmassnahmen oder Umschulung möglich sind. Dass diese Zeit des Wartens und Rekurrierens mit der SVA-Stelle keine optimale Voraussetzung für eine
mögliche Genesung oder Besserung der körperlichen oder psychischen Leiden bietet, ist verständlich. Die Überprüfung aller Rentenentscheide mit unklaren Beschwerdebildern innerhalb von drei
Jahren sollte Gewähr bieten, dass keine IV-Leistungen an arbeitsfähige Personen ausbezahlt werden. Wir fordern dringend schnellere IV-Verfahren. Mit einem Verwaltungsaufwand von über 30 Millionen Franken sollte das möglich sein.
Nancy Wayland Bigler, Direktorin SVA: Vielen Dank für die Erteilung des Wortes. Ich würde gerne
direkt antworten auf die Frage, die vonseiten der BDP aufgeworfen wurde. Es ist richtig, dass wir bei
den Neuanmeldungen Pendenzen haben. Diesbezüglich verweise ich auf das letzte Votum, wo es
um die Wartezeiten ging. Wartezeiten sind für die Betroffenen belastend und sie sind nicht förderlich
für eine rasche Wiedereingliederung. Es wird nicht besser, sondern schlechter. Damit möchte ich
zum Ausdruck bringen, dass bei unseren Abklärungen und Entscheidungen kurze Fristen – es ist
unsere Kernkompetenz, in einem Massengeschäft gut und schnell zu entscheiden – absolute Priorität geniessen, und zwar in allen Bereichen, in denen die SVA tätig ist. Fakt ist, dass wir in den vergangenen drei Jahren intensiv damit beschäftigt waren, die Revision 6a umzusetzen. Sie erinnern
sich, es ging darum, Erkrankungen anzuschauen und Diagnosen zu beurteilen, also um Situationen,
wo eine unklare Kausalität zwischen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Erwerbseinschränkung vorhanden ist. Das heisst, wir mussten laufende Renten prüfen, das war sehr aufwendig.
Es waren über 3'000 Renten, die wir hier anschauen mussten. Wir haben Gespräche mit diesen Personen geführt, weil uns bewusst war, wie schwierig die Situation ist. Das hat Zeit gekostet und daraus resultiert nun diese Pendenzenlast, die wir so schnell wie möglich abzubauen gedenken. Ich
möchte Ihnen für Ihre Voten und für Ihr Vertrauen ganz ganz herzlich danken. Ich habe am 1. Dezember letzten Jahres meine Arbeit bei der SVA aufgenommen und vertrete hier mit einer gewissen
Demut dieses Geschäftsjahr 2014, das erfolgreich ausgefallen ist. Ich verspreche Ihnen, dass wir
diesen Weg weitergehen. Eine wesentliche Priorität ist für uns, den Erwartungen des Kantons, des
Eigners, gerecht zu werden. Wie Sie wissen, wurde im Juni letzten Jahres die Eigentümerstrategie
verabschiedet. Diese legt den Fokus auf Kostenführerschaft, wirkungsvolle Begleitung – das war das
Thema der Leistungsbezügerin – sowie Mitwirkung in Projekten, die für den Kanton wesentlich sind.
Die vernetzte Zusammenarbeit zwischen der Sozialhilfe, der IV und der Arbeitslosenversicherung
wurde heute auch schon angesprochen. Diese ist wichtig, damit bei Personen, die Sozialhilfe erhalten, getroffene Massnahmen greifen können. Dies, weil warten ganz sicher die schlechteste Option
ist. Ganz wichtig ist mir auch eine gezielte Missbrauchsbekämpfung. Wir wollen sicher sein, dass
dort, wo Leistungen zugesprochen werden, diese auch berechtigt sind. Ich danke Ihnen namens der
SVA sehr herzlich für Ihr Vertrauen.
Detailberatung
Keine Wortmeldungen.
18. August 2015
Art.-Nr. 0999
2818
Antrag gemäss Botschaft/Abstimmung
Der regierungsrätliche Antrag gemäss Botschaft wird mit 113 gegen 0 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
Der Jahresbericht und die Jahresrechnung 2014 der SVA Aargau werden genehmigt.
1000 Ergänzungsbotschaft zur Botschaft 14.197; Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung; Aargauische Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen; Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz, KiBeG) (Gegenvorschlag); Bericht und Entwurf zur 1. Beratung; Eintreten und
Beginn der Detailberatung
Behandlung der Vorlage-Nr. 15.89-1 des Regierungsrats vom 20. Mai 2015 samt dem Prüfungsantrag der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW) vom 22. Juni 2015, dem der Regierungsrat zustimmt.
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Die Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW) hat die Botschaft 15.89 Neuregelung der
familienergänzenden Kinderbetreuung, bestehend aus der Beurteilung der Volksinitiative "Kinder und
Eltern“ und dem Kinderbetreuungsgesetz als Gegenvorschlag an ihrer Sitzung vom 22. Juni 2015 in
1. Lesung behandelt. Anwesend waren neben Frau Regierungsrätin Susanne Hochuli, Frau Sibylle
Müller, stellvertretende Generalsekretärin des Departements Gesundheit und Soziales (DGS) und
Herr Andreas Farkas, Mitarbeiter DGS.
Dieses Geschäft hat eine sehr lange Geschichte. Ich bemühe mich um Effizienz bei der Berichterstattung, wie dies die Kommission bei der Behandlung auch getan hat. Letztlich hat sich seit der
Botschaft 14.197 wenig verändert. Diese wurde bekanntlich am 20. November 2014 mit konkreten
Anträgen zurückgewiesen. Die vorliegende Botschaft 15.89 wird daher zu Recht als Ergänzungsbotschaft bezeichnet. Darin vergleicht der Regierungsrat nun zusätzlich detailliert die Varianten Gegenvorschlag und Rückweisung und hält an seiner Variante Gegenvorschlag fest.
Pendent ist aber auch die Volksinitiative "Kinder und Eltern“ für familienergänzende Betreuungsstrukturen des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (alv) vom 9. April 2013, zu welcher der
Grosse Rat Stellung nehmen muss. Dieser Initiative will der Regierungsrat den oben erwähnten Gegenvorschlag entgegenstellen. Es mag erstaunen, aber wir sind noch immer in der 1. Lesung. Daher
wurde in der Kommission auch ein Prüfungsantrag gestellt und überwiesen.
Das Thema ist nach wie vor emotional. Umso mehr bedanke ich mich bei allen, dass in der Kommissionssitzung jederzeit fair und auch sehr effizient diskutiert wurde. Konkret wurde darauf verzichtet,
generell die allseits bekannten Argumente aus den Vorbehandlungen zu wiederholen.
In der Kommission wurde ein Antrag auf Nichteintreten gestellt, welcher aber mit 9 gegen 4 Stimmen
abgelehnt wurde.
Ich empfehle Ihnen im Namen der Kommission GSW ebenfalls einzutreten.
Allgemeine Aussprache bzw. Eintreten
Vorsitzender: Ich weise Sie darauf hin, dass ein Nichteintretensantrag nur hinsichtlich des Kinderbetreuungsgesetzes gestellt werden kann. Das Eintreten auf die Volksinitiative ist obligatorisch. Wir
haben einen Antrag auf Nichteintreten seitens der SVP.
Fredy Böni, SVP, Möhlin: Die SVP will keine neue Staatsaufgabe, bei der die Gemeinden die Rechnung zu bezahlen haben. Ich nehme es vorweg: Die SVP wird der neuen Vorlage unter keinen Umständen zustimmen und stellt hiermit den Antrag auf Nichteintreten auf die Ergänzungsbotschaft
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15.89 zur Botschaft 14.197. Für uns ist klar: Die bestehende Gesetzgebung über den § 39 SPG (Sozialhilfe- und Präventionsgesetz) ist absolut genügend und lässt den Gemeinden den nötigen Spielraum. Sollte das Eintreten beschlossen werden, werden wir in der Schlussabstimmung den Anträgen
1 und 2 zustimmen und die Anträge 3 und 4 ablehnen.
Zur Begründung: 1. Für die SVP ist es nicht nachvollziehbar, warum der mehrheitlich bürgerliche
Regierungsrat beschlossen hat, überhaupt einen Gegenvorschlag zur völlig überrissenen Volksinitiative "Kinder und Eltern" des alv vom 9. April 2013 auszuarbeiten. Die Begründung mit den überwiesenen Postulaten hinkt, denn das Parlament hat die ursprünglichen Motionen nur als weniger verbindliche Postulate überwiesen.
2. Wie im Grossen Rat schon mehrfach vorgebracht, betrachten wir die Taktik des unbedingten
Durchboxens eines sozialpolitischen Anliegens als absolute Zwängerei. Gerne erinnere ich Sie daran, dass das Aargauer Stimmvolk im Mai 2009 den dritten Teil des Bildungskleeblatts, die Tagesstrukturen, abgelehnt hat und der Grosse Rat am 10. Januar 2012 die SPG-Revision mit der familienergänzenden Kinderbetreuung in 2. Lesung ebenfalls mehrheitlich zurückgewiesen hat. Zusätzlich hat das Parlament einem Rückweisungsantrag der Botschaft 14.197 grossmehrheitlich zugestimmt und damit erneut ein Zeichen gesetzt. Spätestens hier hätte der Regierungsrat eine weitere
Möglichkeit gehabt, einen sogenannten Marschhalt einzulegen.
Der in der Zwischenzeit angelaufenen CVP-Volksinitiative zum gleichen Thema hätten wir gelassen
entgegensehen können, um dem Lieblingskind von Regierungsrätin Susanne Hochuli eine durchaus
willkommene Verschnaufpause zu gönnen.
3. 70,0 Prozent der aargauischen Gemeinden – also der grosse Teil unseres Kantons – haben sich
im Anhörungsverfahren negativ zur Botschaft 14.197 und zum neuen Vorschlag geäussert. Insbesondere haben sich drei Viertel der 119 Gemeinden, geschätzte Damen und Herren, also 85 Gemeinden, klar gegen einen weiteren zwangsweisen Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung ausgesprochen. Das wurde vom Regierungsrat in keiner Art und Weise gewürdigt.
4. Die in der Vorlage aufgezeigten Angebote sind bereits bei zahlreichen Gemeinden teilweise oder
ganz umgesetzt worden, und dies freiwillig. Es braucht deshalb gar keine neue Gesetzgebung, die
unsere Gemeinden noch strenger als das bisherige Recht verpflichtet, für die ersten zwölf Lebensjahre eines Kindes die entsprechenden Angebote zu schaffen. In den letzten zehn Jahren haben
nämlich viele Gemeinden ihre Angebote an Kinderkrippen, Tagesmüttern, Tagesstrukturen usw.
deutlich ausgebaut, was zeigt, dass die Gemeinden auch künftig bei Bedarf selber und in sehr guter
Qualität handeln können.
5. Die familienergänzende Kinderbetreuung muss freiwillig bleiben, damit die Selbstverantwortung
gestärkt wird. Gerade die kürzliche Berichterstattung in der Sendung "10 vor 10" hat deutlich aufgezeigt, dass die heutige Generation der Grosseltern viel vitaler und fitter als früher ist, sich die Betreuung der Grosskinder deutlich verbessert hat und die Grosseltern eine grosse Verantwortung übernehmen. Übrigens leisten sie schon heute Freiwilligenarbeit in der Grössenordnung von 2 Milliarden
Franken.
6. Der Verwaltungsapparat wird mit dem neuen Rahmengesetz unnötig weiter ausgebaut. Der Ausbau der Infrastrukturen und der Personalressourcen sowie die Kostenbeteiligungen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit werden die Gemeinden, trotz Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten, Millionen von Franken kosten. Man schätzt gegen 40 bis 50 Millionen Franken.
Fazit: Wer glaubt, dass nur der Kanton sparen muss, der irrt sich gewaltig. Auch die Gemeinden –
das zeigen ihre Budgets jetzt – müssen den Rotstift massiv ansetzen. Deshalb dürfen den Gemeinden keine weiteren unnötigen Lasten auferlegt werden. Da die Ergänzungsbotschaft lediglich eine
Gegenüberstellung des Rückweisungsantrags – damals der SP – mit dem Gegenvorschlag des Regierungsrats darstellt und keine wesentlichen Verbesserungen zur Botschaft 14.197 auszumachen
sind, lehnen wir sowohl das Kinderbetreuungsgesetz, die Volksinitiative des alv, die Begehren aus
dem Rückweisungsantrag und den Gegenvorschlag des Regierungsrats vehement ab. Wir werden
uns in der Detailberatung zur Rechtsetzung noch punktuell mit Anträgen melden. Ich bitte Sie, unseren Antrag um Nichteintreten zu unterstützen.
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Renata Siegrist-Bachmann, GLP, Zofingen: Auch wir sind der Meinung, dass wir hier heute nicht
mehr über gesellschaftliche Grundhaltungen diskutieren müssen. Der Rat hat dies in den vorangegangen Sitzungen zur Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung bereits ausgiebig
getan. Obwohl sich die Mehrheit der Aargauer Parteien grundsätzlich für eine gesetzliche Regelung
der Kinderbetreuung einsetzt, scheint dieser Rat aber nicht imstande zu sein, ganz pragmatisch eine
mehrheitsfähige Lösung zu finden. Die beiden Pol-Parteien stehen sich dermassen fundamental
gegenüber, dass wohl keiner der kommenden Vorschläge zur Ergänzung im Rahmengesetz mit Erfolg gekürt sein dürfte.
Die Grünliberalen haben bei allen Diskussionen im Vorfeld den regierungsrätlichen Gegenvorschlag
zur Volksinitiative des alv als etwas mutlosen Versuch erachtet, die Kinderbetreuung im Aargau gesetzlich zu regeln. Wir verstehen, dass der Fokus des Departements auf dem Erarbeiten eines möglichst mehrheitsfähigen Gesetzes lag. Darin liegt aber wohl auch die Krux. Wer es allen recht machen will, kommt nie zum Ziel.
Wir haben uns immer für eine verbindlichere Gesetzgebung zum Schutz der Kinder und zur Wahrung
ihrer Chancengleichheit, unabhängig von Wohnort und Familie, eingesetzt. Diese Meinung hat sich
auch mit der Ergänzungsbotschaft nicht geändert. Stellt man, wie von der Kinderbetreuungsverordnung (KiBeV) beabsichtigt, das Wohl des Kindes ins Zentrum der Betrachtungen, sind die Ansprüche
an einen Betreuungsplatz immer dieselben. Es geht in jedem Fall um eine qualitativ gute Betreuung,
um die Sicherheit der Kinder und deren Finanzierbarkeit für die Eltern. Etwas frustriert nehmen wir
zur Kenntnis, dass diesen Ansprüchen auch im Gegenvorschlag des Regierungsrats nicht Rechnung
getragen wird. Weder die Qualität noch die Finanzierung sind im Rahmengesetz verbindlich geregelt.
Für die Grünliberalen ist dies ein absolutes No-Go.
In der vorliegenden Ergänzungsbotschaft wird uns ein Auswahlmenu zum Rahmengesetz vorgelegt.
Die Verantwortung liegt also nun bei uns im Grossen Rat. Das wäre ja eigentlich so weit so gut.
Bloss ist uns allen bewusst, dass wir mit keinem einzigen Ergänzungsantrag eine Mehrheit erreichen
werden. Wenn womöglich noch die Verpflichtung der Gemeinden wegfallen sollte, können wir die
ganze Vorlage nämlich in die Schublade legen. Denn dann wären wir beim Status von heute.
Noch ein Wort zur Haltung der Gemeinden: Ich kann die Haltung der Gemeindeammännervereinigung nicht nachvollziehen. Heutzutage haben mehrere Studien hinlänglich bewiesen, dass sich jeder
investierte Franken zwei- bis dreimal lohnt. Einen besseren Cash-Back, meine lieben Damen und
Herren, kann es ja wohl nirgends geben. Dafür braucht es aber eine längerfristige Denkweise. Es ist
wie beim Gärtner: Er muss zuerst in die Samen investieren und die Pflänzchen hegen und pflegen,
bevor er dann Früchte ernten kann. Persönlich wünsche ich mir gerade bei den Verantwortungsträgern in den Aargauer Gemeinden mehr Menschen, die nicht nur bei den Strassen oder den Investitionen über einen grösseren Zeithorizont hinaus denken können.
Nach langer Diskussion sind wir intern zur Überzeugung gelangt, dass der einzige Ausweg aus der
Patt-Situation die Variante Volksabstimmung ist, also die Initiative des alv mit Gegenüberstellung des
Rahmengesetzes ohne Ergänzungen. Damit hätte das Aargauer Stimmvolk eine echte Auswahl zwischen der Minimal- und der Maximalvariante in der Kinderbetreuung.
Ich muss anfügen, dass wir uns nicht aus inhaltlichen Gründen für die Minimalvariante entscheiden.
Wir hätten gerne mehr bezüglich Qualität und Finanzierung drin gehabt. Wir machen diese Überlegungen nur aus taktischen Gründen und auch nicht, weil wir uns um die Entscheidung drücken. Wir
sind vielmehr der Auffassung, dass die Haltung hier im Saal nicht die Meinung in der Bevölkerung
widerspiegelt. Den Grünliberalen ist eine geregelte und qualitativ gute familienergänzende Kinderbetreuung ein echtes Anliegen, für das wir schon lange und vergeblich einstehen. Das Wohl des Kindes
und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind uns wirklich wichtig. Dabei kommt die Initiative des
alv unseren Vorstellungen näher als das Rahmengesetz. Wir möchten aber fair sein, eine Alternative
bieten können und sowohl das Rahmengesetz als auch die Initiative an die Urne bringen. Damit hätte dann wohl das so viel gelobte Volk das letzte Wort gehabt.
Wir treten auf die Ergänzungsbotschaft ein. Die Fraktion der GLP wird die Hauptanträge 1, 3 und 4
unterstützen; den Antrag 2 jedoch ablehnen.
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Andre Rotzetter, CVP, Buchs: Ein Kommentar in der Aargauer Zeitung (AZ) zum Polittheater im letzten November lautete: "Das Krippen-Trauerspiel bekräftigt meine Entscheidung: Politik findet ohne
mich statt und ich werde nicht mehr wählen gehen". Ich hoffe, wir schaffen es heute ohne KrippenTrauerspiel. Seit Jahren beschäftigt sich das Parlament mit dem Thema der familienergänzenden
Kinderbetreuung. 2012 wurde im Grossen Rat in 2. Lesung die letzte Vorlage versenkt. In der Folge
kam es zu verschiedenen politischen Vorstössen und eben auch zu der heute diskutierten Volksinitiative: "Kinder und Eltern".
Die CVP hat die Voten der Debatte 2012 über dieses Thema analysiert und daraus eine Motion formuliert. Diese Motion wurde dann in ein Postulat umgewandelt. Das Postulat fordert die Einführung
von bedarfsorientierten Tagesstrukturen mit folgenden Eckpunkten:
- Die Gemeinden haben den Zugang für schulergänzende und bedarfsorientierte Tagesstrukturen
sicherzustellen.
- Das Angebot ist für die Kinder fakultativ.
- Die Gemeinden regeln die Qualitätsstandards und sind verantwortlich für das Monitoring.
- Die Finanzierung erfolgt über Elternbeiträge und Beiträge der Gemeinden.
- Die Beiträge der Gemeinden müssen im Lastenausgleich zwischen Kanton und Gemeinden angerechnet werden.
Unsere Forderungen wurden im regierungsrätlichen Gegenvorschlag aufgenommen und wir stehen
hinter diesem Gegenvorschlag. Im Parlament will eine respektable Mehrheit die familienergänzende
Kinderbetreuung verpflichtend neu regeln. Gescheitert sind wir immer daran, dass wir uns über den
Weg nicht einig waren. Beim Rückweisungsantrag letzten November war es nicht anders. Und heute? Es liegen nach wie vor zwei völlig unterschiedliche Konzepte zur Umsetzung des Anliegens vor:
Auf der einen Seite haben wir die Volksinitiative "Kinder und Eltern" des alv. In dieser wird die Qualität vom Kanton vorgegeben und die Finanzierung zu 50,0 Prozent durch die öffentliche Hand geregelt. Auf der anderen Seite haben wir ein schlankes Rahmengesetz. Es wird dazu führen, dass diejenigen Eltern, die für Kinder eine externe Betreuung suchen, unabhängig wo sie wohnen, eine Lösung finden.
Die CVP vertraut den Gemeinden, dass diese bedarfsgerechte Lösungen finden und der Qualitätsprozess auch wirklich in Gang kommt.
Für die CVP Aargau ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Kernanliegen. Deshalb will die
CVP, dass das Volk darüber entscheidet, ob und wann – und wenn ja – wie diese bedarfsorientierten
Tagesstrukturen eingeführt werden. Die CVP hat nach der Rückweisung des Gegenvorschlags am
25. März 2015 eine Volksinitiative für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lanciert. Diese Initiative
entspricht dem Text des regierungsrätlichen Gegenvorschlags. Sie können sicher sein, dass wir diese 3'000 Unterschriften termingereicht einreichen werden. Es gibt deshalb für uns heute auch keinen
Grund, vom regierungsrätlichen Vorschlag abzuweichen.
Volksinitiativen kommen vors Volk – so oder so. Der Gegenvorschlag muss hier erst noch durch das
Parlament. Kommt der Gegenvorschlag nicht mit einer echten Alternative zur Initiative "Kinder und
Eltern" durch das Parlament, werden wir bald über die Gültigkeit unserer Initiative abstimmen. Spätestens im April 2018 wird dann der Gegenvorschlag vors Volk kommen
All jene, die eine Lösung wollen, fordere ich hiermit auf, heute mit ihren Voten und ihrem Stimmverhalten dafür zu sorgen, dass der regierungsrätliche Gegenvorschlag gleichzeitig vors Volk kommt.
Lassen wir das Volk entscheiden! In diesem Sinn tritt die CVP auf das Geschäft ein.
Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach: Die Positionen hier sind eigentlich klar. Sie kennen auch die
Position der FDP. Wir sind für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit sage ich Ihnen nichts
Neues. Familienfreundliche Rahmenbedingungen sind wirtschaftlich notwendig. Wir wissen auch,
dass Tagesstrukturen eine lohnende Investition sein können. Die FDP ist sich bewusst, dass die
Situation zurzeit in unserem Kanton noch unbefriedigend ist. Wir sind noch weit davon entfernt, ein
flächendeckendes Angebot zu haben. Das beweisen sowohl die Zahlen in der Ergänzungsbotschaft
mit den Wartelisten und das beweist auch die Umfrage der Gemeindeammänner. Aber wir anerkennen, dass sich in den vielen Jahren, in denen wir hier an einer Lösung "herumknorzen", auf Gemein-
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deebene auch viel getan hat. Wir anerkennen auch die Bedenken der Gemeinden, die sich vor Kostenfolgen fürchten. Die Gemeinden sagen, sie seien bereit, die Aufgabe zu übernehmen. Viele Gemeinden haben es schon bewiesen, dass sie diese Aufgabe gut ausführen können. Sie wehren sich
gegen das Obligatorium, das ihnen etwas aufzwingt, das sie vielleicht anders lösen würden. Ehrlich
gesagt, wir glauben nicht mehr an den Erfolg des Rahmengesetzes. Wir können uns nicht vorstellen,
dass es mehrheitsfähig wird. Auch wenn wir es hier im Rat vielleicht knapp schaffen würden, weiss
ich nicht, wie das Resultat bei einer Volksabstimmung aussehen würde. Nach wie vor sind die Fragen der Finanzierung ungelöst. Nach wie vor ist zu befürchten, dass die bestehende Zusammenarbeit mit Firmen Schaden nehmen könnte. Nach wie vor ist zu befürchten, dass die Gemeinden ein
Angebot schaffen, das dann noch nicht richtig genutzt wird und somit noch teurer ist. Und wenn sowohl das neue Rahmengesetz als auch die Initiative des alv abgelehnt würden, dann stünden wir
endgültig vor einem Scherbenhaufen.
Wir – die FDP – haben einen Kompromissvorschlag: Unser Ziel ist nach wie vor, dass die familienergänzende Kinderbetreuung gefördert wird. Für die Familien muss eine Wahlmöglichkeit bestehen.
Die Angebote sollen möglichst flächendeckend vorhanden sein und gute Qualitätsstandards haben.
Wir treten deshalb auch auf diese Gesetzesberatung ein, werden dann aber einen Kompromissvorschlag machen.
Wir nehmen die Gemeinden beim Wort und lassen den Markt spielen. Betreuungsangebote sind
nämlich auch ein Standortvorteil. Aber wir erwarten, dass die Gemeinden fundierte Bedarfserhebungen machen und die Bürger informiert werden. Wir erwarten, dass die Angebote koordiniert werden
und dass eine gute Qualitätssicherung gemacht wird. Diese Bedingungen müssen eingehalten werden. Darauf wollen wir die Gemeinden behaften. Wie wir das machen wollen sage ich Ihnen, wenn
wir das Eintreten wirklich überstanden haben.
Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau: Gestatten Sie mir noch kurz, die Bedeutung der familienergänzenden
Kinderbetreuung zu rekapitulieren. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat enorm an Bedeutung
gewonnen und ist für viele Familien zu einer grossen Herausforderung geworden. Dabei geht es
nicht nur um die Anerkennung und Wertschätzung der verschiedenen Aufgaben, sondern es geht
auch um die Existenzsicherung von Familien mit Kindern. Und es geht darum, dass gut ausgebildete
Arbeitskräfte der Gesellschaft nicht verloren gehen, dass Investitionen in die Ausbildung nicht bereits
mit der Geburt des ersten Kindes abgeschrieben werden müssen. Der Bedarf nach einer familienergänzenden Kinderbetreuung ist heute weitgehend unbestritten und wird, abgesehen von der SVPFraktion und einigen anderen Hardlinern, nicht ernsthaft infrage gestellt. Zahlreiche Studien belegen,
dass der Gesamtnutzen die Kosten bei Weitem übersteigt. Für jeden investierten Franken fliessen
1,5 bis 2 Franken zurück, da das zusätzlich generierte Einkommen zu höheren Steuereinnahmen
und geringeren Sozialhilfekosten führt. Allerdings, und dies ist absolut entscheidend, lässt sich der
angestrebte Nutzen nur unter zwei zentral wichtigen Voraussetzungen erreichen: 1. Eine familienergänzenden Kinderbetreuung muss für alle Bevölkerungskreise gleichermassen zugänglich sein. In
Bezug auf eine breite Zugänglichkeit braucht es zwingend ein flächendeckendes Angebot und eine
sozialverträgliche Finanzierung. 2. Die familienergänzende Kinderbetreuung muss zwingend gewisse
Qualitätsanforderungen erfüllen. Für die SP ist völlig klar, dass es zur Umsetzung eine entsprechende gesetzliche Regelung braucht, wie sie zum Beispiel in der aargauischen Volksinitiative "Kinder
und Eltern" vorgeschlagen wird. Das als Gegenvorschlag präsentierte Kinderbetreuungsgesetz hingegen gibt die erwähnten zentralen Punkte, also die breite Zugänglichkeit und den Qualitätsanspruch, völlig aus der Hand und opfert sie, und damit auch das Wohl von Kindern und Familien, der
Gemeindeautonomie. Die SP tritt selbstverständlich auf die Vorlage ein, wird aber das Kinderbetreuungsgesetz in der vorliegenden Form nicht unterstützen. Wir werden zu den zentralen Punkten, die
gerechte Bedarfsermittlung, die Qualitätskontrolle und die sozialverträgliche Finanzierung, entsprechende Abänderungsanträge stellen und bitten Sie, sehr verehrte Damen und Herren, diese gut und
sachlich begründeten Anträge zu unterstützen. Damit machen Sie den Weg frei zu einer familienergänzenden Kinderbetreuung, welche ihren Namen verdient und nicht zu einer Alibiübung verkommt.
Falls diese Anträge keine Mehrheit finden sollten, wird die SP das vorliegende Kinderbetreuungsgesetz nicht unterstützen und voll auf die Volksinitiative "Kinder und Eltern" setzen.
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Eva Eliassen Vecko, Grüne, Turgi: Die Grünen haben bisher alle Vorlagen zur familienergänzenden
Kinderbetreuung vorbehaltlos unterstützt. Dies aus der simplen Einsicht heraus, dass so ein Angebot
der heutigen gesellschaftlichen Realität entspricht, wo die meisten Frauen gut ausgebildet und fachlich kompetent sind, wo in vielen Fällen das Einkommen in der Familie nicht zum Leben reicht und
wo die Wirtschaft auf das Wissen und Können der Frauen angewiesen ist. Und dann möchte ich
noch beifügen: Man kann jetzt nicht plötzlich diese Aufgabe den Grosseltern anhängen, es gibt nämlich auch Grosseltern, die haben zeitliche, geografische oder berufliche Verhinderungen, um ihre
Enkelkinder zu betreuen. Ich finde, das muss man den Grosseltern überlassen. Der Staat hat eine
andere Aufgabe und die Grosseltern haben auch eine.
Die Grünen waren und sind noch immer überzeugt, dass eine bedarfsgerechte und flächendeckende
Kinderbetreuung eine kantonale gesetzliche Grundlage braucht. Wir betrachten es als selbstverständlich, dass der Staat, der ja auch die Schulpflicht und die Bildung regelt, für diesen Teil der Familienpolitik eine Grundlage schafft. Leider zeigt die Geschichte dieser Vorlage aber auch, dass nicht
alle Gemeinden, wie ja auch nicht alle Parteien hier im Saal, die Notwendigkeit dieses Angebots
gleichermassen erkannt haben. Deshalb unterstützen wir das vom Regierungsrat unterbreitete Rahmengesetz. Wir finden es nach wie vor magersüchtig, wissen nach mehrmaliger Rückweisung dieses
Geschäfts aber, dass die politische Realität in diesem Rat nur schmalbrüstige Würfe erlaubt. Wir
werden auch keine Ergänzungen hineinnehmen wollen, die ja in der Initiative drin sind. Bei einer
Initiative, die ausführliche Bedingungen regelt, und einem Gegenvorschlag kann man zweimal Ja
stimmen; man kann beides gut finden. Die Grünen haben bereits das Teilgebiet Kinderbetreuung des
"Bildungskleeblatts" mit Überzeugung unterstützt. Dieses beinhaltete bereits weitergehende Kriterien,
die jetzt nur noch in der Initiative des alv drin sind: Sozialverträgliche Finanzierung und Qualitätsanforderungen, die festgelegt und kontrolliert werden. Wir teilen diese Forderungen mit den Initianten
grundsätzlich. Deshalb werden wir den Antrag 2 in der Botschaft ablehnen und die Initiative auch zur
Annahme empfehlen. Wir wollen aber das Rahmengesetz, so wie es vorliegt, auch durchbringen. Wir
sind der Meinung, dass sowohl das kantonale Rahmengesetz als Mindestvorgabe wie auch die Initiative mit den weitergehenden Forderungen dem Volk vorgelegt werden sollten. Trotzdem staune ich.
Die Bürgerlichen haben doch meist so ein grosses Vertrauen in das Volk; sie gehen davon aus, dass
das Volk schon wisse, was richtig ist. Dann legen Sie ihnen doch diese Vorlagen vor. Das Volk kann
entscheiden, es soll doch entscheiden können, unter welchen Voraussetzungen die Kinder in Zukunft
betreut werden sollen.
Maya Bally Frehner, BDP, Hendschiken: Wir verzichten darauf, nochmals detailliert zu erläutern,
warum die BDP eine verbindliche Regelung der familienergänzenden Kinderbetreuung als absolut
notwendig erachtet. Dies haben wir im November zu Genüge getan und kann im Protokoll nachgelesen werden. Dahinter stehen wir nach wie vor. Es war für uns eine grosse Enttäuschung, dass wir
nach dem 18. November fast wieder auf Feld 1 waren und es heute immer noch sind. Ich erlaube mir
hier nur eine ganz kurze Antwort auf Fredy Bönis Argument zu den Grosseltern. Schön für alle, die
vitale und auch noch bereitwillige Grosseltern haben, es gibt aber genauso viele, wenn nicht noch
mehr, die keine solchen haben. Aufgrund der vertrackten und verworrenen Situation können wir das
Vorgehen des Regierungsrats nachvollziehen, welches in der Ergänzungsbotschaft klar erläutert ist.
Die BDP steht nach wie vor hinter dem sehr schlanken Rahmengesetz als Gegenvorschlag zur stark
reglementierten Lösung der Initiative. Wir stehen aber auch zur Verbindlichkeit. Das heisst, überall
dort, wo Bedarf ist, soll auch ein Angebot da sein, auch wenn dieses Angebot halt verschieden ausgestaltet sein wird. Wir sind überzeugt, dass es im eigenen Interesse jeder Gemeinde ist, allein oder
im Verbund, ein gutes Angebot zu haben. Von dem her teilen wir die Ängste punkto Qualität nicht.
Wie bereits im November erwähnt, ist uns klar, dass es gerade für kleinere Gemeinden eine nicht
ganz einfach zu bewältigende Aufgabe sein wird. Auf der anderen Seite haben einige kleinere Gemeinden jedoch bewiesen, dass die Aufgabe möglich ist – entweder im Verbund oder auch allein –
und dass sie sich sehr wohl lohnen kann. Die BDP glaubt nach wie vor an den volkswirtschaftlichen
Nutzen und ist auch überzeugt, dass eine solche Unterstützung günstiger kommen wird, da so auch
Familien in Schwierigkeiten die Möglichkeit haben, im Berufsleben integriert zu bleiben, und nicht der
Sozialhilfe zur Last zu fallen. Für uns ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum die Gemeindeam-
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männervereinigung einen solch grossen Widerstand an den Tag legt, wird doch gleichzeitig behauptet, dass sehr viele Gemeinden diese Lösung bereits anbieten würden. Dass die SVP nie vom Gegenteil überzeugt werden kann, muss nicht betont werden. Nun will die FDP das Ganze noch mehr
verwässern, ich behaupte das jetzt mal so. Wir werden beim angekündigten Kompromissvorschlag
aufmerksam zuhören. Aber was ich jetzt im Vorfeld gehört habe, tönt für mich nicht nach einem wirklichen Kompromissvorschlag. Es würden einfach sowohl Gegenvorschlag als auch Initiative abgelehnt – so bleibt es beim Status quo. Diesbezüglich appelliere ich an die SP. Ich bin sehr überrascht,
dass dies jetzt, obwohl ich im Vorfeld anderes gehört habe und mir anderes überzeugend dargelegt
wurde, nun doch wieder nicht der Fall ist. Das scheint mir doch ein ziemlich falsches Spiel zu sein.
Ich appelliere also an Sie, der regierungsrätlichen Vorlage als Gegenvorschlag zur Initiative zuzustimmen und das Rahmengesetz nicht erneut durch zusätzliche Regulierungen zu blockieren. Sie
haben ja die Initiative im Hintergrund und Sie können mit dieser dann die Stimmbürger mobilisieren.
Wenn Sie aber auf einer stärkeren Regulierung des jetzt vorliegenden Gesetzes beharren, kommt es
hier nicht durch und dann sind wir tatsächlich und definitiv wieder für lange Zeit auf Feld 1; vor allem
dann, sollte die Initiative des alv abgelehnt werden. Dies sollten wir tunlichst vermeiden. Die BDP tritt
auf die Vorlage ein, stützt sie und bittet Sie, das Gleiche zu tun, denn es ist für uns ganz wichtig,
dass wir der Stimmbevölkerung einerseits einen Gegenvorschlag und andererseits die Initiative vorlegen können.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Nach der Kommissionsdebatte war ich guten Mutes für die Diskussion, die wir heute bezüglich familienergänzender Kinderbetreuung führen. Mit dem heutigen Tag kam
aber die Ernüchterung. Mir ist das Thema aber zu wichtig und zu zentral, um jetzt einfach den Kopf
in den Sand zu stecken und mich nicht zu beteiligen.
Ich möchte als erstes, bevor ich zu meinen Ausführungen komme, dem Regierungsrat danken, dass
er diese Vorlage überhaupt gebracht und das Thema angepackt hat, denn dieses Thema beschäftigt
uns doch schon sehr lange. Für mich ist es ein überaus wichtiges Thema. Der Regierungsrat hat sich
immer wieder kompromissbereit gezeigt, ganz im Gegensatz zum Grossen Rat, welcher immer wieder spezielle Spielchen spielt. Mir selber tut es leid und weh. Aber dies ist nun mal die Situation.
Meines Erachtens hat der Regierungsrat bis jetzt gut und richtig gehandelt und dafür möchte ich ihm
danken.
Vieles wurde schon gesagt. Trotzdem äussere ich mich zur familienergänzenden Kinderbetreuung:
1. Bei dieser Vorlage geht es nicht darum, die Betreuung der Kinder zu Hause der Betreuung der
Kinder in einer Kindertagesstätte gegenüberzustellen und zu konkurrenzieren. Zentral ist und bleibt –
für das steht die EVP klar ein – dass Kinder zuhause Geborgenheit und gute und liebevolle Erziehung erfahren. Doch manchmal braucht es auch eine ergänzende Betreuung, damit die finanzielle
Sicherheit überhaupt gewährleistet werden kann oder damit das Leben nach dem Auszug der Kinder
geregelter und einfacher ist.
2. Das stetige Vergleichen bringt nicht immer viel. Trotzdem nehme ich das Beispiel Norwegen, weil
ich die dortigen Verhältnisse sehr gut kenne. Norwegen kennt ein gut ausgebautes Betreuungssystem. Ein solches Betreuungssystem – da bin ich überzeugt – wird hier niemals möglich sein. Wir
müssen diesbezüglich keine Bedenken haben. Aber warum haben die Norweger ein so gut ausgebautes Betreuungssystem? Es war ein politischer Wille, aber vor allem auch ein Wille von Seiten der
Arbeitgeber. Die Norweger hätten vor vielen Jahren ohne den Einsatz der Frauen die Arbeitslast in
ihrem Land nicht bewältigen können. Man brauchte die Frauen. Die Frauen haben jedoch gesagt:
Wenn wir arbeiten müssen, dann brauchen wir auch gute Betreuung und gute familiäre Rahmenbedingungen. Darum hat dieses Betreuungssystem im Norden Fuss gefasst.
Ich möchte dies mit unserer Situation vergleichen – mit der Masseneinwanderungsinitiative, die das
Volk angenommen hat. Wir stehen auch vor Herausforderungen. Es müssen Lösungen gesucht werden. Wir haben einen Entscheid. Ich habe dieser Masseneinwanderungsinitiative – das kann ich
sagen – nicht zugestimmt. Nun müssen wir Lösungen finden, weil das Volk so entschieden hat. Ein
Lösungsansatz wäre eben der vermehrte Einbezug der Frauen im Arbeitsmarkt. Die EVP hofft, dass
diese Vorlage durchkommt.
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Nun zur Ausgangslage im Grossen Rat und zum Wunsch der EVP: Die familienergänzende Kinderbetreuung ist rudimentär aufgebaut und erfüllt lediglich geringe Bedürfnisse. Die Gemeinden haben
immer noch grossen Spielraum. Doch dort, wo ein Bedarf ausgewiesen ist, ist es den Gemeinden
nicht möglich, sich dem Thema zu verweigern. Ich appelliere an Sie, dass diese Vorlage durchkommt. Sofern wir den Vorschlag der FDP akzeptieren, bleibt es beim heutigen Zustand, wir sind
also keinen Schritt weitergekommen. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Ich appelliere auch an
die SVP, von der ich weiss, dass sie gegen diese Vorlage ist; das darf sie auch. Gleichzeitig sagt
aber die SVP, dass das Volk die Hoheit habe. Aus diesem Grund bitte ich die SVP, dieser Vorlage
zuzustimmen oder diese zumindest soweit zu unterstützen, dass eine 2. Lesung stattfinden kann.
Danach liegt es am Volk, darüber zu entscheiden. Ich appelliere auch an die Gemeinden, die keinen
Bedarf sehen und die Vorlage, auch aus finanziellen Gründen, ablehnen. Für viele Argumente habe
ich Verständnis. Trotzdem möchte ich nach dieser Debatte im Grossen Rat einmal das Volk hören.
Bitte unterstützen Sie uns, damit wir eine 2. Lesung durchführen und der Initiative des alv einen Gegenvorschlag gegenüberstellen können.
Zu § 2 habe ich einen Kompromissantrag: Andere Anträge wären mir lieber, aber vielleicht führt er zu
einem Ausweg aus dieser Patt-Situation. Beim Prüfungsantrag, den wir in der Kommission noch
einmal besprechen können, geht es darum, festzulegen, ob es für Gemeinden, welche einen Betreuungsbedarf von weniger als zehn Kindern ausweisen, Ausnahmebewilligungen geben soll, diese also
von der Pflicht befreit werden könnten. Das ist wirklich nur ein Brückenschlag, damit wir hier in dieser
Vorlage hoffentlich einen Schritt weiterkommen. Die EVP ist für Eintreten und für eine Gegenüberstellung von Initiative und Rahmengesetz.
Dr. Anna Andermatt, SP, Wettingen: Ich spreche heute als junge Mutter – auch im Namen der SP
Frauen und für viele junge Familien.
"Fang nie an aufzuhören, hör nie auf anzufangen", so sagte einst Marcus Tullius Cicero. Dieses Zitat
wird mich heute begleiten.
Ein Perpetuum Mobile, ein Bumerang, eine Sisyphus-Arbeit, ein "Duracell-Häschen", solche Vergleiche könnte ich heranziehen, wenn es um das heutige Thema des "Gesetzes über die familienergänzende Kinderbetreuung" geht. Es geht weiter und weiter und weiter. Alle Parteien – oder fast alle,
für die SVP ist es ja wohl eine Zwängerei – betonen, wie wichtig das Thema sei. Umso wichtiger ist
es darum, dass es endlich zu einem Rahmengesetz kommt. Doch die Enttäuschung wird gross sein,
denn einmal mehr werden grossen Worten keine Taten folgen. Gerade die Mitteparteien, ausgenommen die EVP, scheinen einmal mehr nicht kompromissbereit zu sein. So werden wohl auch die
vom Regierungsrat erarbeiteten Varianten "Rückweisung" auf taube Ohren stossen.
Die SVP möchte gar nicht auf die Vorlage eintreten. Sie ist offenbar auch nicht im 21. Jahrhundert
angekommen. Die FDP ärgert sich über den Fachkräftemangel und über schlecht qualifizierte Leute,
bemüht sich aber keinen Deut, um eigene Fachkräfte, nämlich sehr gut ausgebildete, vom Staat fair
bezahlte Fachfrauen, zu rekrutieren, indem sie flächendeckend für Tagesstrukturen sorgen würde.
Nein, sie lassen lieber den Markt spielen, wie wir gehört haben. Die CVP als selbsternannte Familienpartei tut ebenfalls nichts für ein neues griffiges Gesetz, welches den heutigen Familienmodellen
gerecht wird. Welch trauriger Tag für junge Aargauer Familien!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Es geht hier um nichts anderes als die Betreuung von Kindern. Ist
es da für die Eltern nicht selbstverständlich, dass man gewisse Qualitätsstandards erwarten darf?
Und diese auch nach gewissen fixen Kriterien geprüft werden sollen? Es ist mehr als erwiesen, dass
eine gute Qualität auch negative Auswirkungen von familiären Einflüssen kompensieren kann.
Muss ich mir als Familie wirklich den Wohnort abhängig vom Angebot der Tagesstrukturen suchen,
wenn ich mein Kind – aus welchen Gründen auch immer – fremdbetreuen lassen möchte oder
muss? Und das in einer fortschrittlichen Schweiz im 21. Jahrhundert.
Es ist nicht "s Föifi und s Weggli“, was wir uns als junge Familien wünschen – ich sage extra nicht
Frauen, denn Kinderbetreuung ist schon lange nicht mehr nur Frauensache. Es ist nicht "s Föifi und s
Weggli“ was wir uns als junge Familien wünschen, sondern ganz einfach nur ein griffiges und vernünftiges Kinderbetreuungsgesetz! Und dazu braucht es jetzt und heute Ihre Kompromissbereitschaft. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken!
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Edith Saner, CVP, Birmenstorf: Die Schlagzeile in der SonntagsZeitung lässt mich als Gemeindeammann einer Gemeinde mit knapp 3'000 Einwohnerinnen und Einwohner aufhorchen. Ich zitiere:
"Je kleiner eine Gemeinde, desto weniger bestehen Angebote für eine familienergänzende Kinderbetreuung." Kleine Gemeinden, die sich oft auf der Verliererseite sehen, von Abwanderung der jungen
Bevölkerung sprechen, von Schliessung der kleinen Dorfläden berichten, Mühe haben, eine eigene
Schule zu betreiben, von schwindenden Gewerbebetrieben berichten, zugleich aber nicht bereit sind,
die Zeichen der Zeit zu erkennen und zum Beispiel proaktiv für Familien der heutigen Generation
attraktive Angebote bereitzustellen. Frauen sind heute genauso gut ausgebildet wie Männer. An der
Universität ist der Frauenanteil je nach Studienrichtung über 60,0 Prozent. Frauen wie Männer wollen heute im Berufsleben bleiben. Dies ist ja unter anderem ein Zeichen des Wohlstands, dass wir es
uns leisten können, auf gut ausgebildete Menschen zu verzichten und später für Zweitausbildungen
und Wiedereinstieg noch einmal Geld aufzuwerfen.
Aus verlässlichen Gesprächen weiss ich, dass verheiratete Paare gerne auf dem Land, sprich in
kleinen Gemeinden, wohnen würden. Fehlende Strukturen bezüglich Vereinbarkeit von Familie und
Beruf halten sie davon ab. Das Jammern der kleinen Gemeinden ärgert mich manchmal, vor allem
wenn ich sehe, dass diese zu gewissen Entwicklungen nichts oder nur bedingt etwas beitragen wollen. Man hört oft, dass familienergänzende Kinderbetreuung nicht bezahlbar sei. Und gleichzeitig
nutzen wir alle – unabhängig der Gemeindegrösse – Dienstleistungen, die ohne Frauen gar nicht zu
haben wären. Ich denke an all die Pflegeeinrichtungen, an die Schulen, an die Kassiererinnen in
Einkaufszentren, an die Coiffeusen etc. Die Zahlen zeigen jetzt schon klar auf, dass all die Babyboomer, die nach und nach aus dem Berufsleben ausscheiden, ersetzt werden sollten. Es wäre ja
toll, wenn wir dies mit Frauen und Männern aus den eigenen Reihen machen könnten.
Werte Kolleginnen, werte Kollegen, Familie und Beruf ist kein parteispezifisches Thema, sondern ein
Thema des gesunden Menschenverstands, und dieser ist zum Glück in allen Parteien vorhanden.
Es würde mich als Gemeindeammann einer eher kleineren Gemeinde, die erfolgreich mit familienergänzenden Angeboten arbeitet und trotzdem keine Steuern erhöhen musste – und wir haben Zuzug
von jungen Familien – freuen, wenn Sie diesem Geschäft, dem schlanken Rahmengesetz, die Chance geben und zustimmen könnten.
Renate Gautschy, FDP, Gontenschwil: Gesunder Menschenverstand: Ganz genau das hat meine
Gemeindeammann-Kollegin Edith Saner gefordert. Genau das wollen wir alle auch. Ich spreche im
Namen der Mehrheit der Aargauer Gemeinden zur Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Mehr als 50,0 Prozent der Gemeinden sind mit der familienergänzenden Kinderbetreuung
für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gut und aufbauend auf dem Weg. Auch die Gemeinden
unterstützen diese Ausrichtung bei Bedarf. Wir schaffen keine Bedürfnisse, aber wir berücksichtigen
den Bedarf. Es ist uns ein ganz grosses Anliegen, dass die vorhandenen Strukturen, die bereits finanzielle Mittel gekostet haben, bestehen bleiben können. Sie wurden aufgebaut, erweitert, entwickelt, Schritt für Schritt, jedoch ohne Obligatorium. Die ganz unterschiedlichen Systeme funktionieren
in einem einfachen, bezahlbaren und guten Rahmen. Im Vordergrund stehen immer die Kinder. Die
Eltern sollen selber entscheiden können, wie sie ihr Familienleben gestalten. Dies ist nur in Notfällen
Aufgabe des Staats. Die Berechnung mit dem Franken, der selbständig zurückläuft, kann nach Belieben dargestellt werden. Das wissen wir auch. Wir haben ein föderalistisches System. Wie es andere Kantone machen, ist kein Argument. Bergkantone haben zwangsläufig andere Bedürfnisse als
Mittellandkantone. In kleinen Bergkantonen gibt es zum Beispiel keine Kindergärten.
Die Gemeindeammännervereinigung, der Präsident der Gemeindeschreiber und der Präsident der
Finanzfachleute haben sich mit Frau Regierungsrätin Hochuli getroffen. Sie hat uns gesagt, dass der
Regierungsrat das Obligatorium wolle, er wolle diese Vorlage in dieser Form; der Grosse Rat könne
dann entscheiden. Das machen wir heute.
Der Föderalismus ist da, damit der Nutzen für die Gesellschaft optimal berücksichtigt werden kann.
Dann legen die Gemeinden den grössten Wert darauf, dass das Äquivalenzprinzip – wer zahlt, befiehlt – auch gelebt wird. Genau darüber stolpert das Obligatorium. Wir haben beste Beispiele – ich
sehe davon ab, sie Ihnen aufzuzählen. Verantwortung, Bedarfserhebung, Beurteilung, Übersicht und
Kontrolle müssen vor Ort sein.
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Der 100-seitige Leitfaden – und dafür danke ich dem Regierungsrat herzlich – ist wirklich gut und
ausreichend, damit die familienergänzenden Infrastrukturen durch die Gemeinden auch in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weiter ausgebaut werden können.
Lehnen Sie das Obligatorium ab. Lehnen Sie das Rahmengesetz ab. Die fachlichen und finanziellen
Ressourcen müssen zielführend eingesetzt werden können – auch für die Zukunft.
Irène Kälin, Grüne, Lenzburg: Wozu sollen wir ein Kinderbetreuungsgesetz haben, das weder verbindliche Regeln noch qualitative Standards setzt? Ist es, weil die erste Vorlage, die noch etwas
Fleisch am Knochen hatte, vor mehreren Jahren in einem Debakel geendet hat, weil die politischen
Verhältnisse im Grossen Rat nichts anderes möglich machen? Weil man sich weigert, sich an den
gesellschaftlichen Bedürfnissen zu orientieren und weil auch das wenig griffige Gesetz manchen
noch zu weit geht? Betreuungsplätze werden dringend gewünscht, der Bedarf ist gross. Ihr Nutzen
sollte in einer Welt, in welcher Frauen und Männer gleichberechtigt Erwerbs- und Erziehungsarbeit
leisten wollen, auch den Bürgerlichen einleuchten. Wozu brauchen wir also ein Gesetz? Wollen wir
nicht alle einen Kanton Aargau, in dem jede Familie frei entscheiden kann, welches Familien- und
Betreuungsmodell sie sich für sich und ihre Kinder wünscht? Wollen wir nicht alle einen Kanton Aargau, der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle Familien fördert?
Liebe familienfreundliche CVP, habt Ihr auch schon einmal zu Euren Parteifreunden und Parteifreundinnen in Deutschland geschaut? Gerade Euer Widerstand gegen ein griffigeres Gesetz ist unverständlich, wenn man sich vor Augen hält, was Angela Merkel und ihre damaligen Familienministerinnen vorbildlich aufgebaut haben. Das geht nicht ohne finanzielle Beteiligung. Das geht nicht mit einem unkonkreten Stück Papier, das einen schönen Namen trägt, aber kaum dazu im Stande sein
wird, die nötige Wirkung zu entfachen.
Das Kinderbetreuungsgesetz, das wir brauchen, muss für alle Bevölkerungsgruppen, unabhängig
von der Grösse ihres Portemonnaies und unabhängig vom städtischen oder ländlichen Umfeld, in
welchem man lebt, zugänglich sein. Das Angebot muss flächendeckend sein und eine sozialverträgliche Finanzierung nach sich ziehen. Zudem muss ein solches Angebot qualitativ abgesichert sein.
Ohne verbindliche Minimalstandards und unabhängige Kontrollen geht das nicht. Es geht um das
Wohl der Kinder – Ja, aber nicht nur. Es geht auch um Gleichberechtigung: Gleichberechtigung in
der Erziehungsarbeit, Gleichstellung im Berufsleben von Männern und Frauen, Gleichberechtigung
von verschiedenen Familienmodellen. Gleichberechtigung ist keine Frage der freien Marktwirtschaft,
liebe FDP. Kinder sind nichts, womit man den Standortwettbewerb von Gemeinden weiter anheizen
sollte. Ein Gesetz, das nicht allen Familien in unserem Kanton dient, ist ungenügend. Denn auch
wenn die Regelung der Kinderbetreuung im Aargau eine Trauergeschichte sondergleichen ist, darf
das Resultat nicht sein, dass diejenigen Väter und Mütter, die am dringendsten auf einen Betreuungsplatz angewiesen sind, weiterhin einen Krippenplatz suchen müssen.
Deshalb unterstützen wir die Volksinitiative "Kinder und Eltern" und werden allen Anträgen der SP
zustimmen. Wir rufen alle dazu auf, keine weiteren Verwässerungen eines eh schon sehr schlanken
Gesetzes zu unterstützen.
Ruth Jo. Scheier, GLP, Wettingen: Eigentlich wollte ich mich heute zu diesem Thema nicht mehr zu
Wort melden. Dies, weil ich alles, was ich inhaltlich dazu zu sagen habe, schon mehrmals gesagt
habe.
"Seid Ihr eigentlich unfähig, wenn Ihr nicht einmal in der Lage seid, ein Gesetz für die familienergänzende Kinderbetreuung zu erstellen? Wie wollt Ihr denn die "richtigen" Probleme im Kanton Aargau
lösen? Euch soll ich vertrauen?" Diese Fragen wurden mir in letzter Zeit ein paar Mal gestellt. Ich
möchte diese eigentlich nicht mehr so häufig hören, weil ich sie nicht so nett finde.
Keine Angst, die vorliegende Vorlage, die familienergänzende Kinderbetreuung zu regeln, ist nicht
geeignet, die Kantonsfinanzen, auch nicht die Gemeindefinanzen, an die Wand zu fahren. Es besteht
also kein grosses Risiko. Wir können hier für einmal etwas machen, was vielleicht funktionieren
könnte. Aber wenn wir heute diese Vorlage wieder versenken, ist die Vorlage sehr wohl geeignet,
uns lächerlich zu machen.
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Ich wende mich nun nach links (im Saal): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Sie betonen immer,
Sie wollten sparen. Hier haben wir eine Möglichkeit. Wenn wir hier ein Gesetz schaffen, das die Finanzierung regelt, können wir viel Geld sparen. Der momentane Wildwuchs an Finanzierungsmodellen ist eine wahre Sickergrube für die Finanzen. Bitte, bieten Sie Hand.
Ich wende mich nach rechts (im Saal): Der Gärtner wurde von Renata Siegrist schon erwähnt: Wir
sind der Gärtner. Heute spriesst zum dritten Mal in diesem Rat ein kleines Pflänzchen – das Gesetz
zur Kinderbetreuung. Nun wächst es nicht schneller, wenn wir daran ziehen. Auch wir haben ein
Interesse daran, dass es wächst. Wir möchten sehen, wie es wächst. Wir möchten die Richtung des
Wachstums steuern, ebenso die Höhe. Dies, damit wir alle am Schluss die Früchte davon geniessen
können. Auch die SVP wird die Früchte mögen und geniessen lernen.
Bitte hören Sie auf, daran zu ziehen. Verhalten Sie sich wie ein Gärtner: Lassen Sie das Pflänzchen
wachsen! Pflegen wir es, indem wir steuern, wohin die Reise geht, in welche Richtung es wächst und
wie gross es wird.
Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli: Es sind ein paar Voten gefallen, die mich nach vorne gerufen
haben.
Zur GLP: Es erstaunt zwar nicht, aber ist trotzdem spannend, wie man beim Ausgeben sparen kann,
wenn man neue Aufgaben erfindet. Das muss doch erklärt werden. Es spriesst ja hier auch kein
Pflänzchen, es spriessen "Schnäuze".
Da bin ich beim nächsten Thema. Ich appelliere an den Grossratspräsidenten, hier ein bisschen für
Ordnung zu sorgen. Ich glaube, es ist doch der Würde des Parlaments nicht angemessen, hier mit
angeklebten Schnäuzen rumzulaufen. Zudem mussten wir heute Morgen Vorträge der BDP über uns
ergehen lassen, die der Würde dieses Hauses ebenso und absolut abträglich waren. Wir haben uns
schon daran gewöhnt, dass gewisse Kleidervorschriften missachtet werden, aber mit "Schnauz" und
Barfuss erscheinen – das meine ich jetzt ganz im Ernst – das geht hier gar nicht.
Zu Edith Saner: Wir freuen uns natürlich, dass in Ihrer Gemeinde familienergänzende Angebote eingeführt wurden. Aber bitte lassen Sie uns die Freiheit, dies nicht zu tun.
Zu Anna Andermatt: Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen, nämlich bei der finanzpolitischen
Realität, dass wir uns das gar nicht leisten können, was Ihr hier immer fordert. Und wir alle, die noch
arbeiten – am Morgen aufstehen und zur Arbeit fahren – dies bezahlen müssen.
Zu Lilian Studer: Sie dürfen abstimmen. Ich verstehe nicht ganz, warum Sie nicht abstimmen dürfen.
Wenn Sie hier diese unsägliche Vorlage versenken, dürfen wir doch trotzdem alle noch über die
zweifelhafte Volksinitiative abstimmen. Das Volk ist frei.
Lassen Sie uns hier den Wettbewerb spielen. Wenn Oberwil–Lieli, das ich zu vertreten die Ehre habe, keine solche Betreuung möchte, dafür aber eine hervorragende Südwesthanglage mit nebelfreier
Aussicht und hervorragender Anbindung an das Nationalstrassennetz zu bieten hat, dann brauchen
wir keine Betreuungsgeschichten. Vielleicht möchte stattdessen das nicht weit von uns entfernte
Wohlen, das neben Nebel nicht sehr viel mehr zu bieten hat, diese Betreuungsgeschichte anbieten.
So kann dann der Wettbewerb spielen. Die Distanz würde auch wieder ein bisschen wettgemacht.
Zu den Qualitätsstandards, meine Damen und Herren, dies weiss ich aus eigener Erfahrung aus
unserer Gemeinde: Ich habe die Ehre, ab und zu mit der Dame, die den Mittagstisch anbietet, zu
sprechen. Was uns ja hier schon alles aufs Auge gedrückt wurde: Da genügt die von Ihnen gerühmte
Dame, die zum Beispiel von elf bis zwölf Uhr gerne ein bisschen kochen gehen würde, nicht mehr,
weil man gewisse Voraussetzungen erfüllen muss. In Zürich erhält man bereits entsprechende Diplome. Man muss die Schneidbrettchen farblich und auch sonst noch mit Nummern differenzieren,
auch die Putzlappen müssen nummeriert und durchgezählt sein. Dies wird dann unbezahlbar. Solche Standards brauchen wir, weiss Gott, nicht. Wir wollen doch einfach ein günstiges, preiswertes
Angebot anbieten können. Aber es soll freiwillig sein. Also, frei bleiben und nicht eintreten.
Daniel Wehrli, SVP, Küttigen: Mir wurde es vorher ein wenig übel. In Küttigen haben wir uns diesen
Frühling viel Zeit genommen, um die Tagesstrukturen zu erarbeiten. Die SVP hat mitgearbeitet. Wir
haben eine Tagesstruktur konstruiert und diese mit 180 gegen 0 Stimmen an der Gemeindeversammlung bewilligt. Es soll niemand mehr sagen, dass wir im letzten Jahrhundert stehengeblieben
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seien oder irgendetwas in dieser Art. Die SVP hilft mit, wo die Möglichkeit besteht. Aber es braucht
dafür keine zusätzlichen Gesetze. Wir haben das auf einer freiwilligen Basis gemacht, zusammengearbeitet, das Ziel gesehen und wir haben etwas erreicht – und zwar ohne zusätzliche Gesetze. Wir
haben es geschafft; wenn andere Gemeinden ebenfalls Tagesstrukturen schaffen wollen, dürfen sie
es machen. Es geht jedoch auch ohne dieses zusätzliche Gesetz, welches die einzelnen Gemeinden
lediglich unter Druck setzt.
Fredy Böni, SVP, Möhlin: Ich habe heute viel gehört – auch von Lilian Studer und von Anna Andermatt. Das Ganze ist selbstverständlich eine ideologische Sache. Meine Töchter haben das mit zwei
Kindern problemlos geschafft. Sie sind somit definitiv im 21. Jahrhundert angekommen.
Zu Lilian Studer: Wir stimmen über die Initiative des alv ab. Das ist klar. Die CVP hat sich heute klar
geäussert, dass sie dabei ist, eine Initiative mit 3'000 Stimmen einzureichen. Wir werden hier im Parlament darüber befinden und nachher die Empfehlung für diese CVP-Initiative abgeben. Wenn wir es
schaffen, diese beiden Initiativen vors Volk zu bringen, was Andre Rotzetter gesagt hat, dann hat das
Volk folgende Auswahl: Es hat den Gegenvorschlag der CVP, der dem jetzigen Rahmengesetz entspricht, und die Initiative des alv.
Zum Schluss zu Ruth Jo. Scheier: Sie haben gesagt, es bestehe keine gesetzliche Grundlage. Das
ist so nicht richtig. Wir haben das Sozialhilfe- und Präventionsgesetz (SPG) mit § 39 familienergänzende Kinderbetreuung: Die Gemeinde kann, soweit möglich in Zusammenarbeit mit Privaten und
anderen Gemeinden, für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung, wie beispielsweise Tagespflegeplätze, Kinderkrippen und Tagesschulen,
sorgen. Sie regelt die Kostenbeteiligung der Benützenden unter Berücksichtigung sozialer Aspekte.
So ist heute das Gesetz. An diesem wollen wir festhalten, dafür sprechen auch die vielen Erfolgsmeldungen aus den Gemeinden. Das Schöne an den Beispielen ist, dass die Einführung von Tagesstrukturen heute absolut möglich ist.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Zu Fredy Böni: Es ist nicht so, dass das Volk eine Auswahl hat, falls
diese Vorlage nicht durchkommt. Denn die Initiative der CVP kommt – so wie es Andre Rotzetter
gesagt hat – erst im April 2018. Somit könnte das Volk nur über die Initiative des alv abstimmen. Die
Bevölkerung hätte also gar keine Möglichkeit, gleichzeitig über diese Vorlage, die wir jetzt besprechen, zu befinden. Eine Abstimmung wäre erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Dies möchte
ich dem Volk nicht zumuten. Schlussendlich soll das Volk entscheiden, was es will und was nicht.
Geben wir ihm das letzte Wort.
Renata Siegrist-Bachmann, GLP, Zofingen: Eine Frage an die SP: Ich habe sie zwar bilateral schon
gestellt, jedoch nicht beantwortet bekommen. Sie ist vielleicht entscheidend. Wäre denn die SP bereit, die Initiative des alv zurückzuziehen, wenn die zusätzlichen Forderungen im Rahmengesetz, die
sie ja offenbar stellen möchte, einfliessen würden? Das ist etwas ganz Wichtiges und Entscheidendes.
Zu Renate Gautschy: Wir sind kein Bergkanton. Alle Mittellandkantone um uns herum haben ein
Kinderbetreuungsgesetz. Ich habe mit dem Bundesamt gesprochen und gefragt, wie es mit der Subventionierung, also der Anstossfinanzierung, weitergehe, welche auf Bundesebene bis 2019 gesprochen wurde. Dies, weil ich mir nicht sicher war, ob wir ohne ein Gesetz überhaupt qualifizieren dürfen. Da haben sie mir ganz platt gesagt: "Ja, meine liebe Frau Grossrätin aus dem Aargau, wir müssten für Sie schon jetzt eine Ausnahmebewilligung machen, ausser wenn eine Kindertagesstätte (Kita)
neu bewilligt wird oder Gelder für eine neue Kita gesprochen werden oder auch für eine Erweiterung
eines Kita-Angebots". Nimmt man es ganz genau, würden unsere Kitas gar keine Subventionen erhalten.
Wir sind überhaupt nicht innovativ und hinken 15 bis 20 Jahre hinter der Kinderbetreuung her. Wir
könnten dies mit der Initiative des alv auf einen Schlag kompensieren. Aber ich weiss, dass dies
nicht gern gehört wird.
Zur SVP, zu Andreas Glarner: Ein bisschen Kochen ist keine Kinderbetreuung. Kinderbetreuung
beinhaltet mehr, als nur Kinder zu hüten oder das Essen zu kochen; sie umfasst viel mehr. Deshalb
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brauchen wird dieses Gesetz. Es geht um die Förderung der Kinder, um die Sicherheit der Kinder.
Weil gerade Kinder profitieren, die aus sozial schwachen Familien kommen und den Gemeinden
später Kosten verursachen, spart man schlussendlich im sozialen Bereich.
Wenn es ein bisschen Kochen wäre, dann wäre ich Ihrer Meinung. Dann würde ich auch sagen: Das
brauchen wir nicht und dafür auch kein Gesetz.
Kathrin Scholl-Debrunner, SP, Lenzburg: Die SP kann nicht darüber bestimmen, ob die Initiative
zurückgezogen wird oder nicht. Das ist das alv-Initiativkomitee. Da sind Leute der SP dabei, aber
nicht ausschliesslich. Es ist das Initiativkomitee, das sagen kann, ob die Initiative zurückgezogen
wird oder nicht. Wir haben hier im Saal Leute des alv. Wir werden in der Detailberatung sicher aufzeigen, welches der minimalste Kompromiss für uns ist. Wir sind immer noch – und das haben wir
immer so signalisiert – bereit, darüber zu diskutieren, wenn die minimalste Kompromissbereitschaft
da ist. Wir werden in der Detailberatung dazu Stellung nehmen.
Susanne Hochuli, Landstatthalter, Grüne: Ich danke Ihnen für die Eintretensdebatte zum Kinderbetreuungsgesetz, das aber nicht mein Lieblingskind ist, auch wenn Fredy Böni mir das unterstellt. Es
ist eher ein schwieriges und sehr aufwendiges Kind, das viele Nerven kostet, aber das auch für vieles verantwortlich sein soll – zum Beispiel auch für nummerierte Putzlappen.
Lassen Sie mich zu Beginn etwas klarstellen: Es geht um Aussagen von Fredy Böni und Lilian Studer. Es ist tatsächlich so, wenn der Gegenvorschlag jetzt nicht durchkommt, kommt die Initiative des
alv zur Abstimmung. Wir sind unter Zeitdruck, das ist uns bewusst. Aber es gab wegen des Rückweisungsantrags der SP Verspätung. Wir können nicht auf die Initiative der CVP warten, ausser der
alv würde seine Initiative sistieren. Es wäre schwierig, der Stimmbevölkerung zu erklären, weshalb
man so viel Zeit verliert, wenn der Gegenvorschlag, der ja der CVP-Initiative entspricht, abgelehnt
worden ist, man jetzt also wartet, bis wieder das gleiche Rahmengesetz vorliegt.
Der Grosse Rat hat im November 2014 auf Antrag der SP-Fraktion den vom Regierungsrat vorgelegten Gegenvorschlag mit 66 gegen 59 Stimmen an den Regierungsrat zurückgewiesen und ihn damit
beauftragt, etwas zu tun. Stellen Sie sich vor, wir hätten nichts getan.
Die SP-Fraktion hat bei der Begründung ihres Rückweisungsantrags auf die Regelung in der Volksinitiative "Kinder und Eltern" hingewiesen. Diese entspricht annäherungsweise dem Vorschlag der
anfangs 2012 vom Grossen Rat abgelehnten Änderung des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes
(SPG). Damals, liebe GLP, wollten wir es nicht allen recht machen und wir sind doch nicht zum Ziel
gekommen. Daraus haben wir gelernt. Sie wissen es, sehr geehrte Damen und Herren. Der Regierungsrat erachtet es als nicht zielführend, einen ausformulierten Gesetzesvorschlag zu empfehlen,
der in wesentlichen Teilen erneut Detailregelungen vorschlägt. Mit der gleichen Argumentation lehnt
er einen detaillierten Gegenvorschlag ab, der sich aus Sicht des Stimmvolks nur unwesentlich vom
Initiativentwurf unterscheiden würde. Den Stimmberechtigten soll wirklich eine Alternative geboten
werden.
Aus diesem Grund hält der Regierungsrat an seinem Gegenvorschlag fest, welcher weitgehend den
Forderungen der Postulanten entspricht, wobei – das habe ich in der Zwischenzeit auch gelernt –
diese Forderungen anscheinend obsolet geworden sind. Sie erinnern sich, im Frühjahr 2012 war es
für alle Motionäre klar, dass es eine Verpflichtung der Gemeinden braucht. Es war auch für die FDP
klar. Deshalb hat der Regierungsrat das sogenannte Obligatorium in seine Vorlage aufgenommen
und hält daran fest.
Der Regierungsrat trägt dem Rückweisungsbeschluss in dem Sinn Rechnung, dass die vorliegende
Ergänzungsbotschaft ausformulierte Bestimmungen enthält, die dem Rückweisungsantrag entsprechen. Es liegt nun in der Kompetenz des Grossen Rats, diese in den Gegenvorschlag zu integrieren,
genauso, wie es in der Kompetenz des Grossen Rats liegt, dem Rahmengesetz den Rahmen zu
entziehen und es damit auch obsolet zu machen.
Mit dem regierungsrätlichen Gegenvorschlag werden die Voraussetzungen geschaffen, dass im Kanton Aargau eine Regelung der familienergänzenden Kinderbetreuung erfolgen kann, welche die
Grundzüge derselben in einem separaten Erlass – also nicht mehr im SPG – und den finanzierenden
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Gemeinden bei der Umsetzung auf der Grundlage von soliden Empfehlungen den notwenigen Spielraum lässt. Es freut mich, dass der Leitfaden so gut ankommt.
Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die dynamische Entwicklung der Angebote der
familienergänzenden Kinderbetreuung zum einen in einem sicheren gesetzlichen Rahmen, zum anderen mit Rücksicht auf unterschiedliche regionale und kommunale Bedürfnisse stattfinden kann –
es ist nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Selbstverständlich ist sich der Regierungsrat bewusst, dass die Ausgangslage schwierig ist – umso
mehr, als uns in der Zwischenzeit ja noch die weitere Volksinitiative der CVP beschäftigt. Diese fordert – welche Ironie des Schicksals, ich habe es vorher schon gesagt – genau das, was der Grosse
Rat an den Regierungsrat zurückgewiesen hat. Diese Volksinitiative könnte ja auch so etwas wie der
letzte Pfeil im Köcher sein – wenn ich an die heutige Detailberatung und an die Schlussabstimmung
denke.
Was zu beweisen war und heute und auch das nächste Mal im Grossen Rat wieder bewiesen wird:
Die Regelung der Kinderbetreuung scheint im Kanton Aargau mitunter zu einem demokratischen "All
you can try"-Vorhaben zu werden. Das finde ich persönlich als überzeugte Demokratin zwar grundsätzlich nicht schlimm. Beklagenswert ist es dort, wo Eltern und Kinder nach wie vor auf die ersehnten Betreuungseinrichtungen warten, weil die verpflichtende gesetzliche Regelung über ein bedarfsgerechtes Angebot fehlt. Genau darum geht es. Ich spreche jetzt zu jenen, die sich für eine Detailregelung einsetzen, wie sie der Regierungsrat schon vor vier Jahren vorgeschlagen hat. Aber ich rede
auch zu jenen, die am liebsten gar nichts geregelt haben wollen. Das Verbindende an diesen beiden
Haltungen ist dies: Die Chance, dass am Schluss bei denen, die auf Kinderbetreuung angewiesen
sind, gar nichts ankommt, ist gross – im einen Fall, weil die Vorlage nicht mehrheitsfähig wird; im
anderen Fall, weil dort, wo bisher nichts gegangen ist, auch künftig nichts passiert. Dies geht unter
anderem aus der Befragung der Gemeindeammännervereinigung, die ich im Übrigen sehr interessant und aufschlussreich finde, schlussendlich hervor. Es wird nicht überall etwas gemacht.
Deshalb mein Appell: Stimmen Sie dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu, damit die grösstmögliche Wirkung entfaltet werden kann für die Familien und Kinder, die in diesem Kanton auf Verbindlichkeit bei der Kinderbetreuung warten, aber auch damit wir einen Beitrag zur Lösung des Fachkräftemangels leisten können. Verhelfen Sie der Vorlage des Regierungsrats deshalb zum Durchbruch,
aber sorgen Sie bitte nicht – und schon gar nicht wegen mir oder meinem vermeintlichen Lieblingskind – für ein neues Krippentrauerspiel.
Sehr geehrte Damen und Herren, geben wir unserer Stimmbevölkerung die Möglichkeit, zwischen
einem schlanken Rahmengesetz und einer ausführlichen Gesetzesvorlage zu entscheiden.
Abstimmung
Eintreten wird mit 85 gegen 46 Stimmen beschlossen.
Detailberatung
Vorsitzender: Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir das Gesetz auf der Basis der Synopse
beraten. Frau Landstatthalter Hochuli hat darauf hingewiesen, dass Sie in der Botschaft jeweils die
Variante Rückweisung zu den einzelnen Paragrafen finden. Wir führen die Beratung anhand der
Synopse durch. Entsprechende Anträge auf die Rückweisungsvariante müssten ausdrücklich gestellt
werden.
Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz, KiBeG) (Gegenvorschlag)
I.
Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach: Wir haben in dieser Eintretensdebatte viel gehört: Wir haben oft
gehört, wieviel Zeit vergangen ist. In dieser Zeit haben die Gemeinden teilweise gehandelt – nicht
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alle, aber viele Gemeinden. Ich bin mit Edith Saner einverstanden, die sagt: "Es ärgert mich, wenn
dann Gemeinden nichts machen. Dann stehen sie da und müssen irgendwie gefördert werden oder
sie verlangen, dass die Schule nicht geschlossen wird." Das ärgert mich auch. Aber wir als FDP setzen auf den gesunden Menschenverstand. Wir erwarten von den Gemeindevertretern, dass sie diesen gesunden Menschenverstand haben. Wir erwarten von den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie
das ihren Gemeindeverantwortlichen auch so mitteilen. Deshalb sind wir diesen Weg gegangen. Wir
sagen heute: Wir setzen auf den gesunden Menschenverstand und wir setzen auf die doppelte Freiwilligkeit. Das heisst, wir wollen dieses Obligatorium für die Gemeinden nicht. Wir sagen, der Markt
muss spielen und wir geben damit nicht die Kinder dem Markt preis. Das ist eine völlig falsche Formulierung. Wir wollen natürlich gute Kinderbetreuungsstätten. Aber wir sagen, die Gemeinden sind
zuständig und diejenigen Gemeinden, die ihre Aufgaben nicht richtig lösen, werden automatisch
bestraft.
In Bezug auf dieses Obligatorium könnten wir Folgendes sagen: Okay, wir machen im § 2 eine KannFormulierung. Aber das, meine Damen und Herren, ist lächerlich. Das bringt nichts. Dann sagen wir:
"Lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz."
Das Schönste wäre ja, wir müssten gar nichts machen. Wenn das alles so ginge. Ich komme noch
einmal auf die Bergkantone zu sprechen: Der Kanton Uri hat es geschafft. Die haben kein kantonales
Gesetz. Die Gemeinden haben sich zusammengesetzt und haben sich geeinigt.
Wir wünschen uns also eine schöne – neudeutsch gesagt – "bottom up"-Entwicklung. Es soll von
unten kommen. Wir haben uns überlegt: Wie können wir das nun fördern? Wir sehen das so: Wir
beantragen die Streichung des Rahmengesetzes, das heisst, die Paragrafen 1 bis 7 des Rahmengesetzes sollen gestrichen werden. Dafür wollen wir eine Ausweitung des § 39 SPG. Wir verlangen,
dass die Gemeinden für die Koordination, für die Information und die Bedarfserhebung zuständig
sind. Zusätzlich ist selbstverständlich die Qualitätssicherung Aufgabe der Gemeinde, wie sie in § 3
des Rahmengesetzes vorgeschlagen ist. Die Gemeinden wissen, dass sie unter Beobachtung sind.
Sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Viele haben bereits bewiesen, dass sie aktiv sind. Der Kanton kann sie zum Beispiel mit diesem Leitfaden, der offensichtlich gut angekommen ist, unterstützen.
Konkret: Wir beantragen hiermit, auf das Rahmengesetz zu verzichten, also unter I. auf die Paragrafen 1 bis 7. Verbunden damit ist eine Änderung des § 39 SPG, in welchem Koordination, Bedarfserhebung und Qualitätssicherung enthalten sind. Das würde dann so heissen: "Abs. 1 bleibt. Die Gemeinde kann, soweit möglich in Zusammenarbeit mit Privaten und anderen Gemeinden für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung, wie zum
Beispiel Tagespflegeplätze, Kinderkrippen und Tagesschulen, sorgen.
Abs. 2: Die Gemeinde ist zuständig für die Koordination der Angebote und die Bedarfserhebung.
Abs. 3: Der Gemeinderat der Standortgemeinde legt Standards zur Qualität des Angebots fest und
ist für die Aufsicht zuständig.
Abs. 4: Die Gemeinde regelt die Kostenbeteiligung der Benützenden unter Berücksichtigung sozialer
Aspekte.
Abs. 5: Der Kanton kann Unterstützung bieten, zum Beispiel durch Erstellen eines Leitfadens."
Dies ist unser Kompromiss. Mit diesem Vorschlag erwarten wir, dass die Gemeinden noch stärker
unter Druck sind. Mit diesem Vorschlag wollen wir auch nicht zur Lachnummer der Schweiz werden.
Das sind wir nicht.
Ich möchte noch für das verbleibende Verfahren in 1. Lesung erwähnen: Wie das genau formuliert
wird und ob dies korrekt ist, kann man auf die 2. Lesung verschieben. Das geben wir gerne an die
Verwaltung weiter. Zusätzlich soll § 51 SPG Abs. 2 trotzdem aufgehoben werden. Das ist nichts als
konsequent und entspricht dem Äquivalenzprinzip. Das heisst: Die Gemeinden sind zuständig für die
Finanzierung. Sie erhalten die volle Verantwortung. Die Paragrafen des Schulgesetzes dürften dann
nicht aufgehoben werden.
Ich bitte Sie, diesem zuzustimmen. Ich bitte auch die CVP, sich das zu überlegen. Damit – ob wir das
als Gegenvorschlag der Initiative gegenüberstellen oder nicht, das können wir noch in der 2. Lesung
diskutieren – haben wir eine Möglichkeit und können sagen: "Okay, Gemeinden, zeigt, was ihr
macht." Wenn dies nicht funktioniert, haben wir immer noch diese Initiative. Ich danke und hoffe auf
Unterstützung.
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Renata Siegrist-Bachmann, GLP, Zofingen: Eigentlich hätte diese Diskussion ihren Platz in der
Kommission gehabt. Heute ist es ist ein bisschen zu spät. Bitte erklären Sie mir Ihren Vorschlag und
wie sich der von der jetzigen Gesetzgebung unterscheidet. Es ändert sich durch Ihren Vorschlag gar
nichts. Es sind keine Verbindlichkeiten vorgesehen, es ist immer eine Kann-Formulierung und es ist
alles genau so, wie wir das jetzt haben. Das brauchen wir jetzt echt nicht. Es ist völlig überflüssig, es
ist eigentlich genau das, was wir jetzt schon leben.
Eva Eliassen Vecko, Grüne, Turgi: Zur Information: Der Kanton Uri hat etwa so viele Einwohner wie
die Gemeinde Wettingen. Also da ist es nicht so erstaunlich, dass man sich noch finden kann. Ich
glaube, die Gemeinde Wettingen hat bereits eine familienergänzende Kinderbetreuung. Meiner Meinung nach hat die FDP eine seltsame Vorstellung von gesundem Menschenverstand, aber da kann
man ja verschiedener Meinung sein. Ich möchte nur daran erinnern, dass der Gegenvorschlag genau
das umgesetzt hat, was die FDP 2013 in einer Motion gefordert hat, dass nämlich die Gemeinden
verpflichtet sind, dieses Angebot zu machen. Er entspricht fast wortwörtlich diesem Vorstoss, welchen der Regierungsrat umgesetzt hat. Nun kommen Sie mit dem nummerierten Putzlappen und
korrigieren wieder ein bisschen daran herum. Also dafür braucht man keinen gesunden Menschenverstand.
Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau: Ich bin erstaunt. Uns wird angedroht, wir verkämen zur Lachnummer.
Ich frage mich, wer hier heute in Gefahr ist, zur Lachnummer zu verkommen. Der handstreichartig
eingebrachte Antrag der FDP, die familienergänzende Kinderbetreuung auf Stufe Gemeinde auf eine
Kann-Formulierung zu reduzieren und damit ein Gesetz vorzuschlagen, welches den Status Quo
nicht verbessert, sondern im besten Falle gleichhält, vielleicht noch verschlechtert, ist schlicht und
einfach unverständlich. Das Regeln von Qualität, Bedarf und Kosten unter der Kann-Formulierung ist
wertlos, das ist Sand in die Augen gestreut, machen wir uns nichts vor. Es ist schlicht unverständlich.
Wie sollen wir das verstehen? Die Vermutung liegt nahe, dass damit ein wahltaktisch motivierter
Schulterschluss mit der SVP zelebriert werden soll. Ein Schulterschluss, der das Wohl von Familien
und Kindern völlig ausser Acht lässt und dieses buchstäblich auf dem Altar der bevorstehenden eidgenössischen Wahlen opfert. Das Ausscheren von Christine Egerszegi im Ständeratswahlkampf
dieser Tage lässt grüssen. Eine solche Politik ist für uns inakzeptabel. Wir lehnen den Antrag der
FDP einstimmig ab und werden, falls er doch eine Mehrheit finden sollte, auch ein entsprechend
untaugliches Gesetz einstimmig ablehnen.
Andre Rotzetter, CVP, Buchs: Die CVP lehnt dieses Angebot dankend ab. Es ist keine Verbesserung
der Situation, meines Wissens hätten wir dann noch andere Probleme zu lösen. Es ist für mich einfach ein Schuss vor den Bug im letzten Moment. Diese Diskussion hätte man schon in der Kommission machen müssen. Da hätten wir das wirklich analysieren und uns einbringen können. Es geht um
nichts anderes, als den Gegenvorschlag zu verhindern. So werden wir nicht zustimmen.
Manfred Dubach, SP, Zofingen: Es ist schon seltsam, was der gesunde Menschenverstand so alles
über sich ergehen lassen muss. Wenn der gesunde Menschenverstand immer funktionieren würde,
dann brauchten wir zum Beispiel kein Strassenverkehrsgesetz. Es ist unbestritten, es gibt Gemeinden, die ihre Aufgabe gut gemacht haben, ich kenne verschiedene solche, und das loben wir. Das
empfinden wir als gute Lösung dieser Gemeinden. Trotzdem, "die Gemeinden", das gibt es nicht. Es
wird immer solche Gemeinden geben, die diese vernünftigen Vorgänge nicht umsetzen werden. Das
Ziel der Politik ist jedoch nicht das Wohl der Gemeinden und schon gar nicht das Wohl der Gemeindeammänner. Das Ziel der Politik ist das Wohl der Gemeinde und der Menschen in diesen Gemeinden. Und in diesem konkreten Fall speziell das Wohl der Kinder und der Eltern in diesen Gemeinden.
Es kann doch nicht sein, dass die Kinder und Eltern weiterhin der Willkür eines Gemeinderats anheimgestellt sind, ob er den Bedürfnissen der Eltern oder der Kinder nachkommen will oder nicht.
Zusätzlich haben die Kinder auch das Recht, in eine Betreuungsstruktur von guter Qualität zu kommen. Und hier muss man nicht von nummerierten Putzlappen sprechen. Qualität wird von den Institutionen selber definiert.
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Sofern sich diese Kann-Formulierung durchsetzt, haben wir nichts Neues und es wird immer Gemeinden geben, die nichts machen wollen.
Man könnte dieses Gesetz dann auf einen Paragrafen reduzieren und schreiben: "Liebe Gemeinden,
machen Sie doch was Sie wollen". Ein seltsames Fragment von Gesetz. Lehnen Sie diesen Antrag
der FDP ab. Schon das letzte Mal hat die FDP mit einem kurzfristigen Antrag, der überhaupt nicht
diskutiert wurde, das ganze Gesetz zum Abstürzen gebracht. So macht man einen politischen Betrieb lächerlich.
Vorsitzender: Ziel ist, dass wir über den Antrag der FDP noch abstimmen können. Dann wissen wir,
wie wir nächste Woche weiterfahren.
Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach: Zu Jürg Knuchel: Dieser Vorschlag beinhaltet ganz sicher keine
Verschlechterung, sondern eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Modell. Die Definition der
Qualität zum Beispiel ist keine Kann-Formulierung, das ist ein Muss für jede Gemeinde. Das ändert
sich. An die Adresse der SP: Ohne Ihren Rückweisungsantrag vom letzten Mal, verbunden in einer
unheiligen Allianz mit der SVP, wären wir heute nicht hier. Wir haben dazugelernt und zugehört, was
die Gemeinden gesagt haben. Wir unterstützen heute diesen Weg. Ja, zurzeit. Ich weiss, wir haben
2012 diese Motion eingereicht, das war nach der letzten Beratung. Die letzte Beratung ist übrigens
nicht an der FDP gescheitert, wir hatten Änderungsvorschläge. Die letzte Beratung ist daran gescheitert, dass keine 3. Lesung zugelassen wurde und dass am Schluss eine Allianz von SP und SVP
alles verhinderte. Deshalb bitte ich Sie, jetzt auf diesen Vorschlag einzugehen.
Renate Gautschy, FDP, Gontenschwil: Geschätzter Manfred Dubach: Ich kennen keinen einzigen
Gemeindeammann, der sich der Verantwortung der Bürger und Bürgerinnen gegenüber nicht bewusst ist. Wir haben allenfalls nicht immer die gleiche Vorstellung wie Sie.
Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli: Ich kenne zwar ein paar "durchgeknallte" Gemeindeammänner,
aber die sind eher in der linken Fraktion angesiedelt, grün, grün. Kollege Dubach, also jetzt muss ich
Ihnen ein bisschen Staatskunde beibringen. Ich lasse mir hier als Gemeindeammann und Vertreter
einer erfolgreichen Gemeinde nicht sagen, wir seien willkürlich mit den Anträgen unserer Bürger. Es
ist nun einfach so, dass bei uns niemand diesen Antrag stellt. Würde jemand an der Gemeindeversammlung, um jetzt bei einer kleineren Gemeinde zu bleiben, einen Vorstoss machen und würde die
Versammlung diesen als erheblich erklären, so müsste der Gemeinderat an einer Gemeindeversammlung Bericht und Antwort erstatten. Und dann würde die direkte Demokratie so funktionieren,
dass die anwesenden Bürgerinnen und Bürger darüber befinden könnten. Das wollt Ihr natürlich
nicht, liebe Sozialistinnen und Sozialisten. Sie möchten dies von oben diktieren, statt dass eine Gemeindeversammlung freiwillig darüber befinden kann. Genau das ist die Differenz zwischen uns: Wir
wollen es freiwillig. Wenn bei uns jemand einen Antrag macht, wird darüber diskutiert. Sie hingegen
möchten, dass es von oben – oder von noch weiter oben – verordnet wird.
Dr. Bernhard Scholl, FDP, Möhlin: Leider hat sich die Debatte von der sachlichen Ebene entfernt. Wir
hören Schuldzuweisungen und Belehrungen, jeder beharrt auf seiner Position. Ein fähiges Parlament
würde sich überlegen, wie man zu einem Kompromiss, zu einer guten Lösung, kommen kann. Die
FDP hat dies versucht. Wir haben versucht, eine Lösung zu bringen, welche von unten her kommt,
also "bottom up". Also etwas, das wächst, akzeptierbar, bezahlbar und doppelt freiwillig ist. Wir meinen, das wäre eine Minimallösung. Darauf können die Gemeinden aufbauen. Wenn es die Gemeindefinanzen erlauben, kann man das Angebot erweitern. Aber wenn wir gar nichts machen, dann
bleibt es so, wie es ist. Die Lösung ist auch für liberale Leute verständlich, weil es eine Marktlösung
ist. Gemeinden, die das nicht anbieten, würden gegenüber den anderen Gemeinden, die das anbieten, einen schlechteren Stand haben. Das hat nichts mit schlechter Kinderbetreuung zu tun. Man
wählt zum Wohnen diejenige Gemeinde, welche die besseren Schulmöglichkeiten oder Tagesstrukturen anbietet. Ich bitte Sie noch einmal: Überlegen Sie sich, was Sie machen. Wollen Sie stur bleiben? Wollen Sie ihre Ziele erreichen, jeder für sich? Dann scheitern wir hier. Unser Vorschlag ist ein
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guthelvetischer Kompromiss. Versuchen Sie mitzumachen und dem Gesetz zum Durchbruch zu
verhelfen.
Susanne Hochuli, Landstatthalter, Grüne: Ja, suchen wir einen Kompromiss. Ich glaube, der Kompromiss liegt vor und zwar in diesem schlanken Rahmengesetz. Blicken wir kurz zurück: Wir haben
eine detaillierte Vorlage gebracht, welche im Grossen Rat gescheitert ist. Der Regierungsrat hat die
Anträge aus Ihren Reihen aufgenommen. Das Rahmengesetz entspricht in etwa dem Postulat der
FDP. Also, wir haben versucht, einen Kompromiss zu machen, damit wir in dieser Sache weiterkommen. Auch wir lernen ständig dazu. Aus diesem Grund bringen wir ein schlankes Rahmengesetz. Und das Gute ist ja, dass wir dem Stimmvolk zwei Sachen vorlegen können: Ein schlankes
Rahmengesetz und eine detaillierte Gesetzesvorlage. Ich persönlich habe heute wieder ein Déjà-vu,
nämlich mit der Debatte, die wir anfangs 2012 geführt haben, damals in der 2. Lesung. Es kamen
Vorwürfe von allen Seiten im Rat, es ging am Schluss gar nicht mehr um die Sache. Im Moment
habe ich das Gefühl, dass wir wieder gleich weit sind. Besinnen wir uns darauf, dass wir schon so
lange daran arbeiten, eine gute Kinderbetreuung zu haben für diejenigen Familien, die sie brauchen,
aber auch für die Wirtschaft, die schlussendlich auf die Fachkräfte angewiesen ist. Weil wir in der
1. Lesung sind, gehe ich jetzt nicht einzeln auf den Vorschlag der FDP ein. Juristisch wäre es machbar, den § 39 zu erweitern, aber es gibt gewisse Absätze, die in sich nicht stimmig sind. Aber das
könnten wir ja dann in der 2. Lesung oder in der Kommissionsberatung diskutieren. Aber ich bitte
Sie, bleiben Sie beim Rahmengesetz, das ist schon Kompromiss genug.
Vorsitzender: Ich lese Ihnen den Antrag von Dr. Martina Sigg nochmals vor: "Auf das Rahmengesetz
sei zu verzichten zugunsten einer Anpassung des § 39 SPG."
Abstimmung
Der Antrag von Dr. Martina Sigg wird mit 66 gegen 65 Stimmen abgelehnt.
Vorsitzender: An dieser Stelle unterbreche ich die Beratung und schliesse die Sitzung. Am nächsten
Dienstag fahren wir mit der Behandlung der Synopse fort.
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