Gesamtintentionen der behandelten Werke im Leistungskurs 2014 (überarbeitete Entwürfe von Benedikt Heinz und Julia Mauel) Thomas Mann: „Buddenbrooks“ Thomas Manns 1901 veröffentlichter Roman „Buddenbrooks“ veranschaulicht anhand der Geschichte des allmählichen Niedergangs einer Lübecker Kaufmannsfamilie und deren über vier Generationen beschriebenen Verfall den Niedergang eines auf gesellschaftlichen Privilegien und ökonomischer Vormachtstellung beharrenden Besitzbürgertums im fortschreitenden 19. Jahrhundert. Weiterhin zeigen sich der Kontrast zwischen Konservativismus und aufkeimender Moderne in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und das damit einhergehende Spannungsverhältnis zwischen Besitzbürgertum und Künstlertum, durch das der Künstler an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird. Zudem wird der Konflikt zwischen individuellen Glücksansprüchen und den vorherrschenden Konventionen einer auf bürgerlichen Besitzansprüchen fußenden Gesellschaft des fortschreitenden 19. Jahrhunderts deutlich. Joseph Roth: „Hiob - Roman eines einfachen Mannes“ Joseph Roths 1930 veröffentlichter Roman „Hiob.Roman eines einfachen Mannes“ veranschaulicht anhand der Lebens- und Leidensgeschichte des immer weiter ins Unglück stürzenden jüdischen Bibellehrers Mendel Singer, in der Motive des biblischen „Hiob“-Stoffes aufgegriffen werden, die Krisen sowie die Konflikte zwischen Glaube und Zweifel, denen der gottgläubige Mensch ausgesetzt sein kann. In diesem Kontext wird der Kontrast zwischen traditionsbewusstem orthodoxen Judentum und individueller Assimilation an andere Gesellschaften deutlich. Dabei wird vor Augen geführt, dass das entschiedene Festhalten an orthodoxer Glaubensgewissheit – insbesondere in einer als fremdartig, abweisend und feindselig erlebten Gesellschaft – als Versuch gewertet werden kann, die eigene Identität entgegen allen Widerständen zu wahren. Gleichwohl erscheint dieses Festhalten an den orthodoxen Traditionen, wie der Roman zeigt, nicht als vollkommener Schutz gegen die Gefahr des Scheiterns und des Selbstverlustes. Darüber hinaus führt der Roman jedoch ebenso vor Augen, dass auch die unterschiedlichen Möglichkeiten des Ausbrechens aus der Tradition – etwa durch Assimilation an die Mehrheitsgesellschaft oder durch radikale Verabsolutierung der Sinnlichkeit – die Gefahr des massiven Scheiterns und des damit einhergehenden Identitätsverlusts in sich bergen. Mit der Konfrontation höchst unterschiedlicher Lebens- und Glaubensvorstellungen fokussiert der Roman Phänomene, die im 20. Jahrhundert – und bis in unsere Zeit hinein – eine bedeutende Relevanz haben. Der hoffnungsvolle Schluss des Romans bringt zur Geltung, dass das Künstlerische – hier repräsentiert durch die Musik – eine Möglichkeit bietet, Ausgrenzung zu überwinden und Versöhnung unter den Menschen zu ermöglichen. Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“ Wolfgang Koeppens 1951 veröffentlichter Roman „Tauben im Gras“ veranschaulicht anhand der multiperspektivischen Darstellung eines Tages in einer süddeutschen Großstadt der Zeit nach dem 2. Weltkrieg die Perspektivlosigkeit, die soziale Desintegration und die Identitätskrisen der Menschen im Nachkriegsdeutschland. Es werden unterschiedliche Versuche der Bewältigung des Krieges und des Nationalsozialismus dargestellt. Es zeigt sich, dass viele Menschen massive Verluste durch das totalitäre System und durch den 2. Weltkrieg erlitten haben, welche Ängste, Orientierungslosigkeit und finanziellen Ruin hervorrufen. Zugleich wird deutlich, dass viele dieser Menschen eine massive Prägung durch gesellschaftliche Ressentiments aufweisen und Fluchtbewegungen in Alkohol, Drogen, oberflächliche Sexualität und Traumwelten erkennen lassen. Hoffnung spendet manchen Menschen in dieser Nachkriegsszenerie die Vorstellung eines Neuanfangs, beispielweise in Amerika, wobei solche Hoffnungen nicht selten von Klischeevorstellungen der nordamerikanischen Welt geprägt sind. Zudem lässt der Roman eine zeittypische Schreibkrise von Schriftstellern erkennen, welche einerseits aus den Gräueln des Nationalsozialismus herrührt, andererseits aus der Dumpfheit der gesellschaftlichen Grundstimmung. Letztlich verbirgt sich hinter der Thematisierung der Krise künstlerischen Tuns aber auch die positive Perspektive des Romans, insofern er angesichts der totalitären Vergangenheit eine Haltung der radikalen Skepsis und des Misstrauens gegenüber jeder Art von Ideologie empfiehlt. Johann Wolfgang von Goethe: „Iphigenie auf Tauris“ Das 1786 von Johann Wolfgang von Goethe verfasste Versdrama „Iphigenie auf Tauris“ thematisiert unter Rückgriff auf den griechisch-antiken und bereits von Euripides 406 v. Chr. dramatisch gestalteten „Iphigenie“-Stoff den Konflikt zwischen den Ansprüchen von Pflicht und Neigung. Dargestellt wird dies mittels Iphigenie, welcher ein harmonischer Ausgleich zwischen diesen Ansprüchen gelingt und die darüber hinaus das klassische Humanitätsideal verkörpert. Es zeigt sich, dass wahre, durch Aufrichtigkeit gekennzeichnete Humanität – anders als ein durch Schicksalsergebenheit und Pessimismus oder ein durch bloße Zweckrationalität gekennzeichnetes Denken - letztlich in der Lage ist, selbst Willkürherrschaft und die damit einhergehenden Machtmechanismen zu überwinden. Außerdem thematisiert Goethes Drama einen Geschlechterkonflikt, insofern der Mann, repräsentiert durch König Thoas, Werte wie Macht, Gewalt, Ruhm und Mut für sich beansprucht, die Frauen verwehrt sind, was Iphigenie beklagt. Sie selbst jedoch erreicht gerade mit ihren weiblichen Werten der Ehrlichkeit und Menschlichkeit Autonomie von diesen traditionellen Wertvorstellungen, insofern nur sie es mit ihrem weiblichen Handeln vermag, die Katastrophe abzuwenden. Friedrich Schiller: „Kabale und Liebe“ Das 1784 von Friedrich Schiller veröffentlichte bürgerliche Trauerspiel „Kabale und Liebe“ thematisiert anhand des scheiternden adeligen Helden Ferdinand und seiner Liebe zu der bürgerlichen Luise die Verabsolutierung des Gefühls in der Doppelepoche Empfindsamkeit / Sturm und Drang durch die unstandesgemäße Beziehung der beiden. Anhand des Konflikts, den diese Beziehung sowohl im Umfeld Ferdinands als auch in Luises Familie auslöst, wird der Kontrast zwischen Adel und Bürgertum im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert thematisiert, welcher auf gegenseitigem Misstrauen und Verachtung beruht. Die Ideologie des überlegenen Adels ist, wie das Drama zeigt, gekennzeichnet durch Verschwendungssucht, Mätressenwesen, Soldatenhandel und eine Willkürherrschaft, die zu allem bereit ist, um seine Machtstellung zu erhalten, was mittels des intriganten Verhaltens des Präsidenten von Walter dargestellt wird. Die Welt des Adels wird mit der Welt des Bürgertums kontrastiert, deren Repräsentanten zumindest partiell einen durch Frömmigkeit und radikale Abgrenzung von der höfischen Welt bestimmten bürgerlichen Tugendrigorismus vertreten, der in seiner Absolutsetzung von Werten problematischen Charakter hat. Zudem zeigt sich, dass die bürgerliche Welt keineswegs einheitlich ist, was ihre Emanzipation gegenüber dem Adel ebenso verhindert wie die Übermacht des Adels selbst. Das Drama führt vor Augen, dass manche Vertreter der höfischen Welt zur radikalen Loslösung von den überkommenen Strukturen bereit sind, allerdings partiell immer wieder selbst in höfische Gepflogenheiten zurückzufallen drohen. Problematisiert wird dabei insbesondere die durch Ferdinand repräsentierte Verabsolutierung des Gefühls, die sich als letztlich blind und hilflos erweist gegenüber den übermächtigen Herrschaftsstrukturen. In dieser Problematisierung einer Verabsolutierung des Gefühls erweist sich das Drama als Spätwerk der Doppelepoche Empfindsamkeit / Sturm und Drang. Durch die für das bürgerliche Trauerspiel typische Kontrastierung wird sowohl Kritik an den adeligen Gepflogenheiten und Intrigen als auch an naiven bürgerlichen Wertvorstellungen geübt.