Famulatur in Tokushima im August 2012 Von dem Austauschprogramm der Medizinischen Hochschule Hannover und der Partneruniversität in Tokushima erfuhren wir in einer Informationsrundmail Anfang Januar 2012. Da wir uns schon zuvor eigenständig an ausländischen Universitätskliniken für einen Studienaufenthalt beworben, jedoch zu der Zeit keine Zusagen bekommen hatten, nahmen wir die Gelegenheit war und bewarben uns im akademischen Auslandsamt der MHH. Die Bewerbung gestaltete sich unkompliziert, da man lediglich einige Formulare ausfüllen musste. Nach kurzer Zeit bekamen wir über Frau Bargsten die Zusage aus Japan. Frau Bargsten war während unserer Vorbereitungen unsere Ansprechpartnerin und half gerne bei Problemen und Fragen. Nach kurzer Vorfreude ging es dann schon mit den Vorbereitungen los. Wir nahmen Kontakt mit Frau Murasawa, der Internationalen Koordinatorin am Universitätsklinikum in Tokushima, sowie mit Herrn Prof. Nakaya, dem für uns verantwortlichen Betreuer auf der japanischen Seite, auf. Der Austausch erfolgte per Mail und gestaltete sich reibungslos. Zunächst mussten wir klären in welchen Fachbereichen wir uns fortbilden wollten und einen groben Zeitrahmen nennen, in dem wir uns an der Universität aufhalten wollten. Wir teilten unsere Zeit in 15 Tage Neurochirurgie und weitere 15 Tage Pädiatrie auf. Als nächstes mussten wir einige Formalitäten klären bevor es zur Buchung des Fluges kam: Eine Immatrikulationsbescheinigung, einen Leistungsnachweis sowie eine Impfbescheinigung inklusive eines Röntgenthorax, jeweils in englischer Sprache, wurde gefordert. Hierbei hatten wir unsere ersten Schwierigkeiten, da wir keine wirkliche „Indikation“ für den Immunitätsnachweis und das Röntgenbild hatten. Im Endeffekt mussten wir diese Untersuchungen aus der eigenen Tasche zahlen (Röntgen an der MHH 55€ und Impftiter beim Hausarzt etwa 50 €). Einen Tuberkulintest, der zunächst auch gefordert wurde, aber in Deutschland nicht mehr angeboten wird, mussten wir dann doch nicht durchführen. Als auch diese letzten Formalien geklärt waren, machten wir uns daran den Flug zu buchen. Nach langen Recherchen und Preisvergleichen, entschieden wir uns für Turkish Airlines von Frankfurt Airport nach Osaka/Kansai International Airport über einen Zwischenstopp in Istanbul. Der Rückflug sollte von Tokio Narita Airport gehen. Während der Vorbereitung sollte man frühzeitig an eine Haftplicht- und Auslandskrankenversicherung denken. Wir entschieden uns für den Marburger Bund, welcher eine Kooperation mit der Allianz hat. Für Studenten der Medizin kann man so beide Versicherungen zum Nulltarif bekommen. Hier gerieten wir aber etwas unter Zeitdruck, da wir uns viel zu spät drum gekümmert hatten. Im Grunde genommen sollte man sofort nach der Zusage eine Versicherung abschließen. Abgesehen davon sollte man sich evtl. um eine Kreditkarte kümmern. Wir hatten Prepaidkarten von der Volksbank. Es sollte sich später aber herausstellen, dass diese nicht überall funktionierten, dazu später mehr. Nachdem auch das geklärt war, konnte die Reise beginnen. Unterkunft: Nachdem wir Herrn Prof. Nakaya unsere exakten Flugdaten mitteilten, kümmerte er sich um alles Weitere bezüglich unserer Unterkunft. Wir wohnten in zwei getrennten Zimmern auf dem Campus in einer Art „Hotel“ für ausländische Gäste, so dass wir einen Anfahrtsweg von wenigen Minuten zu Fuß hatten. Zahlen mussten wir für die Unterkunft nichts. Sie war mit einem Kühlschrank, eigenem Bad, Klimaanlage und Internetzugang sehr gut ausgestattet. Lediglich eine Küche ließ sich vermissen, wobei wir immerhin einen kleinen Wasserkocher auf dem Zimmer hatten. Famulatur: Am 01.08.2010 ging es dann endlich los. Der Flug startete am frühen Morgen, so dass wir noch am selben Tag gegen Abend, mit einer Zeitverschiebung von sieben Stunden, am Kansai International Airport ankamen. Diese Zeitverschiebung sollte uns in den kommenden Tagen noch ein wenig quälen. Von Osaka sollten wir, wie im Voraus mit Prof. Nakaya abgesprochen, den Bus nach Tokushima nehmen. Der Bus startet direkt vor dem Ausgang des Flughafengebäudes. Die Fahrt dauert ca. drei Stunden und kostet 45 Euro pro Person. Nach Ankunft wechselten wir zunächst ein wenig Geld in japanische Yen in der Ankunftshalle. Die Tickets für die Busfahrt kann man aber auch mit VisaCard zahlen. Bevor die Fahrt los ging, kontaktierten wir Herrn Prof. Nakaya über ein Münztelefon und teilten ihm unsere Ankunftszeit mit. An der Endhaltestelle Tokushima Station wurden wir von ihm herzlich empfangen. Nach einer kurzen Fahrt durch die Stadt, um schon mal einen Eindruck zu bekommen, gelangten wir schließlich nach 22 Stunden Fahrt in unserer Unterkunft. Herr Prof. Nakaya zeigte uns noch den Weg in die Klinik, unsere Zimmer und gab uns eine Kleinigkeit zu Essen und Trinken. Am nächsten Morgen wurden wir von den Neurochirurgen schon erwartet. Sie zeigten uns ihre Abteilung, stellten uns jeden vor und gaben uns einen eigenen Raum für das Selbststudium. Wir lernten schnell den Tagesablauf kennen. Jeden Morgen gab es zunächst eine Besprechung der Patienten, bei der uns jeweils ein Arzt alles, was besprochen wurde, ins Englische übersetzte und genau erklärte. Allgemein gaben sich die Neurochirurgen viel Mühe uns alles Mögliche zu verdeutlichen. Im Anschluss folgte die Visite auf den neurochirurgischen Stationen. Daraufhin begannen meist die ersten Operationen oder angiographischen Eingriffe, bei denen wir gelegentlich zuschauen durften. Aktiv Eingriffe durchführen darf man in Japan als Student leider nicht, dafür wurde einem um so mehr beim Unterricht am Krankenbett beigebracht. Wir lernten nicht nur Krankheitsbilder kennen, sondern wurden auch über das Gesundheitssystem und über die Medizin in Japan unterrichtet. Wenn wir nicht gerade im OP oder bei anderen Engriffen zuschauten, waren wir in Gesprächen mit der Krankenhausführung, durften an Übungsmikroskopen im Skills-Labor neurochirurgische OPs üben oder schauten in den Laboren vorbei, wo uns Forschungsprojekte erklärt wurden. Unsere Betreuer waren stets bemüht uns möglichst Vieles und Verschiedenes zu zeigen. Bei seltenen Eingriffen wurden wir hinzugezogen und auch zu einem Neurochirurgenkongress wurden wir mit eingeladen, wo wir uns mit Professoren aus dem ganzen Land in gemütlicher Atmosphäre unterhalten konnten. Abgesehen davon nahmen wir an den Vorlesungen teil, welche die Dozenten aus unserer Abteilung extra in Englisch hielten. Wir verbrachten insgesamt sehr viel Zeit in der Klinik, teilweise länger als 10 Stunden, jedoch hatten wir viel Leerlauf zwischendurch, in dem wir uns über kulturelle Unterschiede unterhalten konnten, essen gingen oder japanische Studenten kennenlernten. Am Montag der dritten Woche stellten wir uns in der Pädiatrie vor. Auch hier wurden wir bereits erwartet, da man in der Klinik schon von uns gehört hatte. Die Pädiatrie teilt sich in sechs Arbeitsgruppen: Kinderkardiologie, -onkologie, -neurologie, -endokrinologie, -nephrologie sowie die Frühchenbetreuung. Jede dieser Gruppen hat einen vorstehenden Bereichsleiter. Hauptverantwortlich war für uns Dr. Hayabuchi aus der Kinderkardiologie. Am ersten Tag hat er uns in jeder Abteilung vorgestellt und uns einen Rotationsplan für unsere Zeit in der Pädiatrie aufgestellt. Dr. Hayabuchi war stets bemüht uns alles zu erklären und alles so zu organisieren, dass unser Aufenthalt reibungslos verläuft. Insgesamt verlief die Zeit in der Pädiatrie anders als in der Neurochirurgie, da hier keine chirurgischen Eingriffe vorgenommen wurden. Jeden Tag sollten wir um 9 Uhr morgens in der ambulanten Klinik eintreffen. Hier hatte jeder Bereich ein Arztzimmer und eine Sprechstunde von 9-12 Uhr, wo Kinder ambulant versorgt wurden. Im Wesentlichen bestand unsere Aufgabe vormittags darin, den Patientengesprächen beizusitzen. Ein großes Problem war hier die Sprache. Zwar waren alle Ärzte stets bemüht uns das meiste ins Englische zu übersetzen, doch gab es einige Momente, wo man das Krankheitsbild nicht ganz nachvollziehen konnte. Nach einer Mittagspause haben wir je nach Wochentag bei verschiedenen konventionellen Interventionen zugeschaut. Montags gab es eine Chefarztvisite auf allen Stationen. Hier wurden extra für uns die Stationsbelegung und die Diagnosen in Englisch verfasst. Anschließend durften wir bei den Routineuntersuchungen auf der Frühchenstation zuschauen. Die kleinen Säuglinge konnten wir auch mal selbst schallen. An den anderen Tagen durften wir auf den pädiatrischen Stationen bei diversen Untersuchungen zukommen. Zum Beispiel Biopsien an Nieren zwecks Tumorausschluss, Echokardiographie, Ultraschall und Neurologische Untersuchungen. An den beiden Donnerstagen gingen wir mit Herrn Dr. Hayabuchi in die Angiographie, wo kongenitale Herzfehler dargestellt wurden. Insgesamt konnten wir in den zwei Wochen viele Erkrankungen aus fast allen Feldern der Pädiatrie kennenlernen. Wir wurden auf jeder Station immer recht herzlich eingeschlossen und jeder war berühmt uns alles zu erklären und zu zeigen. Gleichzeitig kannte man die meisten Ärzte und Schwestern, da für uns eine Willkommens-Party geschmissen wurde. Alltag und Freizeit: Während unserer Zeit in Tokushima waren wir, in der Woche, die meiste Zeit in der Klinik. Da wir erst sehr spät Schluss hatten, kamen wir in der Woche nicht sehr oft dazu großartige Ausflüge zu machen. Allerdings wurden wir stets von den japanischen Ärzten zum Essen eingeladen, sodass viele unserer Nachmittage bereits damit „verplant“ waren Essenseinladungen nachzugehen. Wir haben festgestellt, dass es eine Eigenart der Japaner ist Gäste einzuladen, denn uns ist es nur selten gelungen den Spieß auch einmal umzudrehen. Zum Beispiel wurden wir sogar von einem japanischen Bundesabgeordneten zum Essen eingeladen, dem wir zufällig begegnet sind. Herr Prof. Nakaya hat uns sogar zu sich nach Hause eingeladen, wo wir seine Frau und Enkelkinder kennenlernen durften. Wir wurden im Endeffekt so oft zum Essen eingeladen (auch in den Mittagspausen), dass es uns sogar irgendwann unangenehm wurde. Wenn wir uns dann doch mal selbst um ein Mittagessen kümmern mussten, gingen wir am liebsten bei „Nikuniku“, einem kleinen, aber feinen und vor allem preiswerten Restaurant direkt neben dem Campus, essen, das auch viele einheimische Studenten besuchten, besorgten uns ein Lunchbox, die man sich überall kaufen kann oder aßen Nudelsuppe in einem der Zahlreichen Lokale in und an der Klinik. Da wir allerdings auch einen Kühlschrank und einen Wasserkocher in unseren Zimmern hatten, gingen wir häufig in größeren Supermärkten in der Nähe einkaufen, wo wir uns mit Vorräten für die gesamte Woche versorgten. Besonders beliebt, weil einfach zu zubereiten, waren Fertignudelsuppen. Unsere, von netten japanischen Freunden geliehenen, Fahrräder gestalteten den Einkauf bequem. Auf dem Campus gibt es eine für Studenten kostenfrei zugängliche Sport- und Fitnesshalle, welche wir häufig aufgesucht haben. So konnte man sich während des Aufenthaltes fit halten. Es gab auch Gruppen, die Teamsportarten zu bestimmten Zeiten trainiert haben, denen man sich sicherlich hätte auch anschließen können. An Wochenenden unternahmen wir auch mal größere Ausflüge auf der Insel Shikoku. Wir besuchten Wasserfälle, bestiegen Berge, gingen Surfen oder erkundeten andere Sehenswürdigkeiten. Das Highlight unseres ersten Monats in Japan war allerdings das „Awa Odori“, ein traditionelles Tanzfest mitten im August, das vor allem in Tokushima sehr groß zelebriert wird. Mit der Neurochirurgieabteilung nahmen auch wir, traditionell gekleidet, am Fest teil und feierten mit den japanischen Ärzten in ausgelassener Stimmung. Da das Fest allerdings über mehrere Tage verteilt ist, konnten wir auch eigenständig mitfeiern und die mit Menschenmassen aus ganz Japan überfüllte Stadt erleben. Abgesehen von diesem Fest ist Tokushima nicht gerade die Stadt, in der man abends so häufig ausgeht. Viele Geschäfte schließen bereits am frühen Nachmittag. Wenn man doch etwas unternehmen möchte, so gehen die Japaner gerne in Karaokebars, die man überall in der Innenstadt findet, in Bowlingcenter oder gerne mal in ein „Isakaya“, ein traditionelles Lokal, in den man kleine Snacks isst während man Bier oder Sake zu sich führt. Und wenn man aus Deutschland kommt, wird man garantiert aufgrund gewisser Vorurteile gefragt, ob man nicht abends einen trinken gehen möchte. Wir hatten schon im Vorfeld unserer Reise entschieden, dass wir nach unserer einmonatigen Famulatur einen weiteren Monat zur Erkundung des ganzen Landes bleiben möchten. So sind wir nach unserer Zeit in Tokushima vom Osaka aus über mehrere Etappen Richtung Süden bis nach Fukuoka gereist, um schlussendlich wieder am nördlichsten Punkt unserer Rundfahrt die Reise in Tokyo zu Beenden. Nördlicher würden wir auch niemandem empfehlen zu reisen, da man sonst Gefahr läuft radioaktive Strahlung abzubekommen. Insgesamt können wir nur jedem empfehlen auch weitere Städte in Japan zu besuchen, wenn man schon am anderen Ende der Welt ist. Wir konnten so die Kultur und Geschichte Japans vollends kennenlernen. Die Erfahrungen, die man beispielsweise an den Gedenkstätten in Hiroshima, in den Tempeln von Kyoto oder in Weltmetropolen wie Osaka oder Tokyo macht, sind unbezahlbar. Fazit: Zunächst einmal muss man sagen, dass dieser Aufenthalt in Japan eine tolle Erfahrung war. Wir können und wollen jedem einen solchen Aufenthalt nur ans Herz legen. Unsere anfänglichen Sorgen, wie Finanzierung, Sprache oder aktuelle Lage, was die radioaktive Strahlung in Japan anbelangt, haben sich bereits in den ersten Tagen gelegt. Die meisten Japaner sprechen kaum Englisch, auch wenn sie es in der Schule lernen. Nichts desto trotz hat sich die Sprache nie als wirkliches Problem heraus gestellt. Die meisten Ärzte im Krankenhaus können Englisch sprechen. Die Menschen sind alle freundlichen und immer bereit einem alles zu erklären, wenn es sein muss auch mal "mit Händen und Füßen". Auch im zweiten Monat, in welchem wir durchs Land gereist sind, war die Sprache nie ein Hindernis, da das Verkehrssystem simpel ist und man sich bestens zurechtfindet. Des Weiteren findet man immer jemanden, der Englisch sprechen kann. Was die Strahlung anbelangt, so wird man von jedem Japaner beruhigt, dass Tokushima doch so südlich von Fukushima liegt (hier hat sich die Katastrophe ereignet), dass man keiner Gefahr unterliegt. Unser Aufenthalt hat uns einen tiefen und authentischen Einblick sowohl in die japanische Kultur, als auch in das dortige Gesundheitssystem ermöglicht. Die Japaner sind wundervolle Gastgeber, die immer freundlich, höflich und nett sind. Wir haben uns durchgehend sehr wohl gefühlt und immer das Gefühl gehabt, dass wir überall mit eingebunden werden. Was das Gesundheitssystem und die Medizin in Japan anbelangt, so ist alles vergleichbar mit dem hiesigen. Uns wurde erklärt, dass man nach dem 2. Weltkrieg das meiste aus Deutschland übernommen habe. Auch das Medizinstudium ist ähnlich wie das unsere aufgebaut. In der Klinik waren alle stets bemüht uns alles zu erklären. Das neurochirurgische Department ist einfach nur toll. Man hat ständig einen Betreuer und ist nie alleine. Man wird ständig aufgeklärt und lernt viele Erkrankungen kennen, teilweise auch solche, die man in Europa nicht vorfindet, wie z.B. Moya-Moya Disease. Das Gleiche gilt auch für die Pädiatrie. Hier muss man aber sagen, dass die Patientengespräche nach einer gewissen Zeit sehr anstrengend werden, da man aufgrund der sprachlichen Barriere, diese nicht immer nachvollziehen kann. Man muss sich im Voraus im Klaren sein, was man von so einem Aufenthalt in Japan erwartet. Wer hier medizinische Fertigkeiten erlernen will, ist fehl am Platz. Man darf als Student größtenteils nur zu schauen. Wer aber einen Einblick in den Arbeitsalltag eines Mediziners in Japan erfahren will und verschiedene Krankheitsbilder kennenlernen will, ist genau richtig hier.