8.Mai 2014: Stimme aus Thailand 2 Seit gestern gibt es also diese Frau Shinawatra, geschäftsführende Premierministerin, und neun ihrer Kumpanen der Pheu Thai Party nicht mehr. Das oberste Gericht von Thailand hat sie der Zuwiderhandlung gegen die Verfassung für schuldig gesprochen und sie und ihre damaligen Mitstreiter des Amtes enthoben. Ihr könnt Euch an den Newsletter erinnern, also die Frau mit der „One child, one Tablet“ Politik. Dafür gibt es jetzt seit heute und bis zu den nächsten Wahlen, oder was auch sonst noch passiert, den ehemaligen Handelsminister Niwatthamrong als geschäftsführenden Premierminister. Und morgen Freitag gibt es zudem den D-Day in Bangkok, also die finale Demonstrations-Schlacht des „People’s Democratic Reform Committee (PDRC), welcher, aufgrund der Ereignisse von gestern, vom nächsten Mittwoch vorverlegt wurde (da habe ich wieder einmal Glück gehabt, denn nächste Woche muss ich wieder ins Spital nach Bangkok) mit dem Ziel, zu erreichen, dass bevor etwelchen Neuwahlen, grundlegende politische Reformen durchgeführt werden müssen. Doch wieder schön der Reihe nach: An was ist sie denn nun letztendlich doch noch gescheitert, diese Frau Shinawatra, obwohl sie sich doch in den letzten 7 Monaten streng an die demokratischen Regeln und an die Verfassung gehalten hat? An einer vergleichsweise kleinen undemokratischen und verfassungswidrigen Handlung aus dem Jahre 2011. Sie hat eigenmächtig den damaligen gewählten Generalsekretär der nationalen Sicherheitsbehörde versetzt und durch ihren Schwager ersetzt. Dies mit der Begründung, dass er mehr Erfahrung im Umgang mit dem unendlich grossen Drogengeschäft in Thailand besitze und deshalb für die Regierung besser geeignet sei, um eines der primären Ziele der Regierung, dem Kampf gegen die Drogen, zu erreichen. Es ist paradox, ja beinahe verrückt, genau in diesem Punkt hatte sie ausnahmsweise Recht, aber weil ihre Vorgehensweise verfassungswidrig war, scheitert sie jetzt daran, auch weil sie damit der Opposition die Mittel einer Anklage in die Hände gespielt hat. Solltest Du den Newsletter noch in Erinnerung haben, merkst Du vielleicht schon, auf was es herauslaufen könnte. Ich mache es wieder stichwortartig: In Thailand gibt es 53 Parteien, aber vor allem zwei grosse Lager, die Gelbhemden, die Königstreuen, angeführt durch die Demokratische Partei, welche mehrheitlich die kleine Mittel- und Oberschicht (5% der Bevölkerung) vertreten. Einfach zur Erinnerung, dazu zählt sich auch die Polizei, obwohl sie mit einem durchschnittlich sehr tiefen Salär ausgestattet ist, aber eben mit dem durch die Korruption erwirtschafteten Geld, trotzdem zur Mittelschicht gezählt werden kann. Daneben gibt es die Rothemden, die Thaksin-Treuen (Du erinnerst Dich, denjenigen Premierminister der 2006 vom Militär mit Unterstützung des Königs aus seinem Amt geputscht worden ist und der anschliessend wegen grober Korruption, Anstiftung zum Mord, usw, verurteilt worden ist und nun in Dubai lebt), also die Pheu Thai Party, welche seit den letzten Wahlen die Premierministerin Shinawatra gestellt hat, ihres Zeichens die Schwester von Thaksin. Die Rothemden vertreten die arme und ungebildete Bevölkerung von Thailand (ca. 85%). Doch was lief nun schief? Frau Shinawatra hat mit ihrer Wahl angekündigt, dass sie ganz entschieden gegen das Drogengeschäft angehen wolle und hat deswegen ihren in diesem Geschäft bewanderten Schwager eingesetzt. Die Kontrollen auf der NordSüdachse und den Einfallsstrassen der umliegenden Länder wurden in den letzten zwei Jahren massiv verstärkt, etwas das wir hier gespürt haben, allerdings sind wir als Farangs unberührt geblieben. Wichtig ist noch zu verstehen, dass die Wähler von Frau Shinawatra (also die arme Bevölkerungsschicht) die grösste Anzahl an Drogenkonsumenten stellen. Ebenso wichtig wäre es aber für Frau Shinawatra gewesen, zu verstehen, dass ihre Opposition, die grösste Anzahl an Profiteuren des Drogengeschäftes stellt, nämlich die Polizei. Was ist nun passiert? Der „Schwager“ hat also die Kontrollen massiv verstärkt, d.h. täglich grossangelegte Fahrzeug- und Personen-Überprüfungen durchgeführt. Weil er eben ein Kenner der Szene war, hat er das nicht alleine die Polizei durchführen lassen, sondern hat die Kontrollen durch ein ganzes Heer von Sicherheitsleuten aus seinem Stab überwachen lassen und damit der Polizei (also den politischen Gegnern seiner Schwägerin) tüchtig ins Handwerk gepfuscht und in den Geldbeutel gespuckt. Vorher lief das so (ich würde es ja auch nicht glauben, wenn ich nicht zufällig einmal dabei gewesen wäre): Die Polizei hat schon immer Kontrollen durchgeführt. Die dabei konfiszierten Drogen wurden anschliessend von der Polizei einem Zwischenhändler unter der Bedingung der Gewinnaufteilung angeboten, welcher die Drogen wieder einem interessierten Händler weiterverkauft hat. Dem ursprünglichen Drogenkurier wurden zudem natürlich noch als Entgelt, dass er nicht angezeigt wird, einige tausend Bath abgenommen. Selbstverständlich ohne Quittung. Auch so kann man es, trotz eines lumpigen Salärs von 6'000 Baht (also ca. CHF 180/monatlich), in die Mittelschicht schaffen. Damit ich mich hier nun nicht einer Gefahr aussetzte (Du kannst dich erinnern, in Thailand wird nicht leer gedroht), schreibe ich nichts von meinem Erlebnis, aber ich kann es gerne einmal erzählen. Zur Beruhigung nur soviel: Ich habe bis heute noch nie etwas mit Drogen zu tun gehabt, smile. Würde ich die Geschichte hier wiedergeben, welche ich nur als zufälliger Zeuge miterlebt habe, könnte sich womöglich einer der Beteiligten wiedererkennen und dafür kannst du schon auch einmal umgebracht werden. So ist das Leben nun mal hier. So einfach kann man also hier in diesem Land und trotz besten Absichten, den Posten des Premierministers verlieren. Das weiss natürlich auch das oberste Gericht, aber die verfassungswidrige Handlung war zuerst. Das erinnert mich dann doch schon fast wieder ein wenig an die Finanzwelt. Und schon wieder bin ich am Schmunzeln. Heute entscheidet die nationale Anti-Korruptionskommission noch darüber, ob die bisherige Premierministerin Shinawatra beim Subventionsprogramm für Reisbauern ihre Pflichten vernachlässigt hat. Wenn sie zu einem positiven Urteil gelangen, würde Frau Shinawatra dann vom obersten Gericht Ende des Monats nochmals vorgeladen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass spätestens dann Schluss mit ihrem „Job“ gewesen wäre. Das sogenannte „Rice-Pledging-Program“ wird von Korruption überschattet und hat dem Staat bisher Verluste in dreistelliger Milliardenhöhe gebracht. Das spezielle daran ist, dass dies nicht nur Frau Shinawatra treffen würde, sondern auch den für die Umsetzung dieses Programms verantwortlichen Handelsminister. Wer war das nun schon wieder, ah ja, den eben erst heute als geschäftsführenden Premierminister eingesetzten Herr Niwatthamrong. Schon ein lustiges Land, dieses Thailand, wird haben es unter uns erst kürzlich in „IdiotCountry“ umgetauft, haben es aber bisher unterlassen, die entsprechenden Behörden darüber zu informieren. Kurz zusammengefasst zu diesem Subventionsprogramm nur soviel: Frau Shinawatra wurde vor allem deshalb zur Premierministerin gewählt, weil sie den Reisbauern zugesichert hat, dass sie den Reis für einen Preis von 15'000 – 20'000 Baht je Tonne dem Staat verkaufen können, natürlich zu einem weit über dem Marktpreis liegenden Preis. Der Staat wollte dann, trotz vehementer Warnungen von allen Experten, durch zurückhaltendes Exportverhalten den Welt-Marktpreis in die Höhe treiben (zur Erinnerung: Thailand ist Weltnummer 1 im ReisExport, oder war es zumindest). Das Vorhaben ging aus zwei Gründen buchstäblich in die Hosen. Einerseits haben die Reisbauern nur noch schnell wachsenden, aber qualitativ minderwertigeren Reis, angepflanzt, welcher dann auf dem Weltmarkt auch noch zu viel tieferen Preisen gehandelt wird. Ich habe ja im Newsletter beschrieben, sie sind clever diese Thais, Thai-Clever eben, oder aber auch einfach Blitz-Dumm, Du kannst auswählen. Andererseits hat das natürlich sofort wieder die überall vorhandenen durchwegs korrupten Beamten zu neuen Ideen gebracht. So haben die grenznahen thailändischen Gemeinden Reis zu tiefen Preisen von den umliegenden Ländern aufgekauft, um ihn dann der eigenen Regierung als eigenes Erzeugnis zu höheren Preisen zu verkaufen. Der Staat Thailand sitzt zur Zeit auf ca. 20 Millionen Tonnen Reis, welcher nicht, oder nur mit einem unglaublichen finanziellen Schaden, verkauft werden kann, welcher zum Teil allerdings jetzt schon durch die notwendige Lagerbewertung eingetreten ist. Zudem haben die Reisbauern ihr Geld auch noch nicht, oder nur teilweise gesehen. Die notfallmässig erstellen Lager sind zudem auch wieder von Korruption belastet, da sie völlig ausser Kontrolle geraten sind. In Kürze nur soviel, sonst wird es gleich wieder zu einem halben Buch und ein Buch über Reis wollte ich nun im meinem Leben ganz bestimmt nie schreiben. Vielleicht noch dies, mögt ihr Euch aus dem Newsletter erinnern, es gäbe da ja noch die Kautschuk-Farmer, die Zuckerrohr-Farmer, die Ananas-Farmer, die Bananen-Farmer, die Maniok-Farmer, die Kokosnuss-Farmer, die Sojabohnen-Farmer, die Rettich-Farmer, die Aloe-Vera-Farmer, usw., die alle auch mehr Geld sehen möchten von der Regierung. Weshalb also ist es gegenwärtig so einfach hier, hunderttausende auf die Strasse zu locken, um zu demonstrieren. Wie geht es jetzt weiter? Zu erst ist jetzt einmal der morgige Freitag, der D-Day, schauen wir einmal was der uns bringt. Dann wäre da noch die heutige Entscheidung der Anti-Korruptions-Behörde. Sollte Frau Shinawattra auch deswegen noch angeklagt werden, was wahrscheinlich erscheint, sind auch alle Reis-Farmer wieder auf der Strasse. Dann wäre allerdings der „Übergangs-Premier“ auch schon wieder nicht mehr haltbar. Dann wäre dann endlich der König als Oberhaupt gefragt, aber der kann aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr. Nach wie vor halte ich es für unwahrscheinlich, aber ein Bürgerkrieg kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Der Chef der Demokratischen Partei und ehemalige Premier hat einen ganz vernünftigen Plan vorgelegt, wie man aus der Krise kommen könnte. Er hat auch gleich mitgeteilt, dass er keine Ambitionen auf das Premierministeramt hegt. Nur wurde dieser in den letzten Tagen von Frau Shinawatra abgelehnt. Vielleicht kriegt er eine neue Chance. Allgemein kann man nur hoffen, dass die Situation morgen und in den nächsten Tagen nicht eskaliert und das Militär einschreiten muss, denn die sind, wie im ersten Rundschreiben schon beschrieben, selber stark zerstritten. Ein Bürgerkrieg würde dann immer wahrscheinlicher. Es bleibt auf jeden Fall spannend hier. Liebe Gruesse aus Thailand Christian P.S. Sowohl das erste Rundschreiben zur politischen Situation hier als auch der Newsletter sind jederzeit auf meiner Homepage „christian-bruetsch.ch“ abrufbar.