Sechs Stunden hämmern für hauchdünnes Gold Von Christiane Oelrich, dpa Mit tonnenweise Gold werden in Thailand Buddha-Statuen und Tempel verziert. Verwendet wird hauchdünnes Blattgold, im Miniformat für ein paar Cent an den Tempeln zu kaufen. Es fließt viel Schweiß, um das Gold so dünn zu hämmern. Bangkok (dpa) - Wenn der Goldschläger den Hammer schwingt, tanzen die Tätowierungen auf seinen muskulösen Oberarmen. Eine Schweißperle rollt herab, aber er wischt nichts weg. Er schwingt den fünf, sechs Kilogramm schweren Hammer im Sekundentakt, präzise und ohne Unterlass. Das Werkzeug saust mit so viel Wucht auf ein kleines Lederpäckchen, dass der Boden vibriert. Darin ist Gold, in dünnen Blättchen. Bird, wie der junge Mann sich nennt, muss diese Blättchen noch dünner hämmern. Etwa ein zehntausendstel Millimeter ist das Ziel. Der Thailänder arbeitet im Betrieb der Familie Sangwijit, die Tempel in ganz Thailand seit 50 Jahren mit Blattgold beliefert. Blattgold kommt weltweit zum Einsatz, um Türmen und Statuen schimmernden Glanz zu verleihen, wie etwa der Viktoria auf der Berliner Siegessäule, von Einheimischen «Goldelse» genannt. In Thailand und anderen buddhistischen Ländern werden Tempel und Buddha-Figuren vergoldet. Immer wieder und immer mehr. Wie viel Gold dafür verwendet wird, weiß niemand. Blattgold stellen vor allem Familienbetriebe her. Wie viele, ist unbekannt. 2010 hat Thailand nach Angaben des Goldhändlerverbands 196 Tonnen Goldbarren eingeführt. Das Edelmetall wird als Symbol der Reinheit geschätzt und es soll das Böse vertreiben. Ein Unikat ist der drei Meter hohe und fünfeinhalb Tonnen schwere Buddha im Wat Traimet-Tempel in Bangkok aus purem Gold. Die anderen Buddhas sind «nur» vergoldet. Die Tempel verkaufen briefmarkengroße Goldblättchen für ein paar Cent. Besucher können es selbst aufkleben, das Gold haftet von allein. Das ist eine gute Tat, die Meriten für das nächste Leben bringt. Matriarchin der Sangwijit-Blattgoldfabrik in Sainoi 50 Kilometer nordwestlich von Bangkok ist Chujit (57). Die drahtige Frau hat zehn Werkstätten, in denen sie etwa 100 nahe und ferne Verwandte beschäftigt. «Wir verarbeiten etwa 1,5 Kilogramm im Monat», sagt sie, «24 Karat». Sie importiert Gold aus Hongkong und lässt es in einer Fabrik so dünn wie Zeitungspapier walzen. Daraus schneidet sie 50x50-Millimeter-Quadrate, die Bird erst auf Handtellergröße und dann noch einmal auf das Doppelte hämmern muss. Sechs Stunden dauert das. Am Ende hat er 1440 Blatt, rund 30 Gramm, unter dem Hammer. «Ich bin seit einem Jahr hier, ein guter Job», sagt er. Den Riesenhammer sechs Stunden auf das Lederpäckchen knallen lassen? Mit knappen Pausen, weil das Gold sonst abkühlt und weniger dehnungsfähig wird? «Er verdient 100 Baht die Stunde», sagt die Leiterin der Werkstatt, Chujits Schwägerin Penprapa. Das sind rund 2,40 Euro. Der Mindestlohn für Arbeiter liegt in Thailand unter 300 Baht - am Tag. Sein Arbeitsplatz ist ein dunkler Schuppen mit Wellblechdach im Hinterhof des Hauses. Bird steht barfuß in einer Vertiefung im Boden auf Kissen. Das federt die Stöße etwas ab. Der Knall ist ohrenbetäubend. Ohrstöpsel gibt es nicht. «Er muss hören können, ob er das Päckchen richtig trifft», sagt die Werkstattleiterin. Ein Ventilator fächert dem Schwerstarbeiter frische Luft zu. In der rosa gekachelten Werkstatt nebenan ist es dagegen heiß und stickig. Jeder Luftzug würde das hauchdünne Material heillos durcheinanderwirbeln. Vier Frauen sitzen im Schneidersitz vor einer kleinen Werkbank auf den Boden. Auf einem Kissen schneiden sie die Goldblättchen in die verkaufsgerechte Größe. Penprapas Schwiegertochter Jamjan bläst sachte, und das Gold hebt sich vom Papier. Mit einem Holzmesser legt sie es auf eine kleine Pappe. Der Hauch von Nichts kommt in ein Pappkärtchen und ist fertig zum Verkauf. «Ich schaffe etwa 1000 Stück am Tag», sagt sie. 250 Baht bekommt sie dafür. Der hohe Goldpreis macht den Blattgoldbetrieben zu schaffen. «Wenn der Preis weiter steigt, muss ich meine Fabrik zumachen», sagt Wantanee Sriyapai, die Gold in einem Vorort von Bangkok hämmern lässt. Die Tempel wollten für die Blättchen nicht mehr bezahlen. «Dann nehmen sie lieber billigeres Blattgold aus Taiwan», sagt sie. Oder chemisch hergestelltes Falschgold, das viele Tempel nach Angaben von Sangwijit auch anbieten. Es ist nicht alles Gold, was glänzt.