10-Punkte für mehr Qualität und Gerechtigkeit im deutschen Bildungssystem: Wir müssen Bildung endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten. Eltern und pädagogische Praxis, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft tragen gleichermaßen Verantwortung für Bildung. Wir müssen die Bildungsprozesse radikal umbauen. Sie müssen Institutionen übergreifend gestaltet werden und aufeinander aufbauen. In Deutschland sorgen verschiedene Philosophien auf den einzelnen Bildungsstufen immer noch für individuelle und soziale Ungerechtigkeit. Ein Beispiel: In den Kitas sind die Kinder aktiv, die Fachkräfte hingegen eher passiv. In der Grundschule kehren sich diese Rollen komplett um. So gehen Bildungseffekte verloren und das System benachteiligt vor allem die Gruppen, die unsere Hilfe am nötigsten haben: Die empirische Bildungsforschung spricht von etwa einem Drittel aller Kinder und zählt dazu vor allem die jüngeren Kinder eines Jahrgangs, die Jungen, die Kinder mit Migrationshintergrund und die Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten. Wir müssen Diversität endlich als Bereicherung und als erweiterte Lernchance begreifen. Nur so werden wir das Inklusionsproblem lösen. Gerade der Elementarbereich und die Grundschule können dazu beitragen. Denn Inklusion wird im Bildungsverlauf vor allem dann gelingen, wenn sie früh beginnt. Wir müssen in erster Linie die Stärken eines jeden Kindes identifizieren und diese weiter stärken. Unsere Bildungseinrichtungen sind allerdings primär daran interessiert, die Schwächen der Kinder zu kurieren. Dabei hat die Familienforschung eindrucksvoll bewiesen, dass menschliche Schwächen eine bemerkenswerte Veränderungsresistenz aufweisen. Systeme, die auf Schwächen setzen, tragen zur eigenen Ineffizienz bei. Wir müssen die Fokussierung auf die Bildungsinstitutionen überwinden. Kinder erlangen Kompetenzen vor allem außerhalb der Kitas oder Schulen, insbesondere in den Familien und in weiteren Lernorten. Deshalb müssen wir ein Konzept entwickeln, das alle Bildungsorte einbezieht. Damit wird auch sozialer und kultureller Vielfalt angemessen Rechnung getragen. Davon profitieren die Kinder und die Effizienz des Bildungssystems. Wir müssen eine Partnerschaft von Familien und Bildungsinstitutionen etablieren. Familie und Bildungsinstitution sind Ko-Konstrukteure derselben kindlichen Bildungsbiografie. Deshalb muss den Familien die Möglichkeit eröffnet werden, an dem Geschehen der Bildungsinstitution teilzuhaben und diese mitzugestalten. Die bisherige sogenannte Elternarbeit muss überwunden werden. Wir müssen den sozialen Räumen mehr Aufmerksamkeit schenken. Neuere Forschung bestätigt, dass sich in bestimmten Stadtteilen Faktoren identifizieren lassen, die sich negativ oder positiv auf die kindliche Entwicklung und die schulische Leistung auswirken. Wir benötigen eine kreative Verbindung von Bildungs-, Familien, Jugend- und Kommunalpolitik. Das politische Ziel, jede Gemeinde auf diese Weise zu einem großen Bildungsort werden zu lassen, muss neben der Reform des Bildungssystems und der Stärkung elterlicher Kompetenz, die dritte Säule des (erweiterten) Bildungssystems sein. 1 Wir müssen alle pädagogischen Fachkräfte auf hohem Niveau qualifizieren, mit allen Konsequenzen auch für deren Vergütung. Denn mit der Qualität ihrer Arbeit steht und fällt der Erfolg in den Bildungsinstitutionen, die sich mit stetig steigenden Anforderungen auseinandersetzen müssen. Wir müssen insgesamt mehr in Bildung investieren. Deutschland investiert nach wie vor unzureichend in Bildung. Die Bundeskanzlerin hat zwar die "Bildungsrepublik" ausgerufen, aber die von ihr initiierten Bildungsgipfel blieben weitgehend ohne Erfolg. Deutschland gibt - gemessen an seiner Wirtschaftskraft - mit 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) weniger für Bildung aus als die OECD-Länder im Durchschnitt (6,2 Prozent). Das Ziel, bis 2015 sieben Prozent des BIP in Bildung zu investieren, liegt in weiter Ferne. Wir müssen den Erzieherinnen, Lehrern, Ausbildern und Trainern unterstützende Hilfsmittel zur Hand geben. Auch hier entscheidet die Qualität. Leider entspricht diese längst nicht überall dem Standard, den die Aussteller der didacta präsentieren werden. Deshalb bedarf es einer großen Anschaffungswelle, um die Lernumgebungen auf allen Bildungsstufen zu verbessern. 2