CHRONIK KOLUMBIEN Dieser Text will einen Überblick über die

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CHRONIK KOLUMBIEN
Dieser Text will einen Überblick über die Polizeigewalt in Kolumbien geben. Der
Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Zeit der Präsidentschaft von Álvaro Uribe
Vélez (2002 - 2010).
Diese Präsidentschaft war gekennzeichnet als einer der Zeiträume mit der
höchsten Anzahl an Menschenrechtsverletzungen, Verschwindenlassen von politischen
AktivistInnen, Massengräbern und Menschen, die in Gefängniszellen verbrannt wurden.
Dazu kamen Einschüchterungen, politische Verfolgung und die Kriminalisierung der
Opposition, d.h. von indigenen Bewegungen, Bauern und Bäuerinnen,
Afrokolumbianer_Innen, Gewerkschaftler_Innen, Studierenden u.a. Vor allem aber
wurden in dieser Zeit die sogenannten Sicherheitskräfte mit mehr Macht und Stärke
ausgestattet; nicht nur mit Kriegsgerät wie tausenden von Gewehren, Panzern und
strategischen Konzepten, sondern auch mit einem Schleier der Straflosigkeit, der so
undurchsichtig ist, dass er die Verfolgung und Bestrafung von Verbrechen der
Sicherheitskräfte erschwert. So wurde erreicht, dass ihr Missbrauch, ihre Massaker,
Morde, Vergewaltigungen und der alltägliche Horror unsichtbar gemacht wurden. Somit
entstand eine Atmosphäre des Schmerzes und der Lügen, in dem man es vor Angst nicht
wagt, sich frei auszudrücken, nicht mal um „ich bin anderer Meinung“ zu schreien, es
sich vorzustellen oder es nur zu denken. Widerstand in Kolumbien ist zu einem
Verbrechen geworden, das leider durch die Medien, die Gesetze und viele
MitbürgerInnen unterstützt wird.
Der Missbrauch und die Brutalität von Polizei und Armee werden nicht nur auf
Demonstrationen in den Städten deutlich, sondern dehnt sich auch auf die indigenen und
afrokolumbianischen Schutzgebiete aus und befallen sowohl die ländliche als auch
städtische Bevölkerung, ohne zwischen ethnische Herkunft, Geschlecht oder Alter zu
unterscheiden. Das Gerede von der „demokratischen Sicherheit“ hat es ermöglicht, dass
diese Vorfälle als nötig und unabdingbar dargestellt werden können. Der Staat will die
Guerilla und die Paramilitärs niederschlagen um so der Allgegenwart der Armee Platz zu
machen. Aber mit welchen Methoden will der Staat diese illegalisierten Gruppen
niederschlagen? In Bezug auf die Guerilla sieht er die gewalttätige Vernichtung vor,
während er mit dem Paramilitarismus Allianzen eingeht, die hinter einem parapolitischen
Theater versteckt werden. Es ist eine Konstante in der kolumbianischen Geschichte, dass
politische Skandale und schwere Menschenrechtsverletzungen medial aufgehübscht und
als erwünscht dargestellt werden.
Die folgenden drei Beispiele aus der Regierungszeit von Álvaro Uribe Vélez
zeigen die Brutalität und Straflosigkeit von Armee und Polizei dargestellt.
Zum Einen die Ermordung des Jugendlichen NICOLÁS DAVID NEIRA
ALVARÉZ, der 15 Jahre alt war und vom ESMAD (Sonderkommando der
kolumbianischen Polizei) so lange geprügelt und geschlagen wurde, bis er hirntot war.
Während der Demonstration zum Tag der Arbeit am 1. Mai 2005, wurde der
Schüler brutal von ESMAD-Polizisten mit Schlagstöcken auf den Kopf geschlagen. Als
er bereits auf dem Boden lag, wurde er von acht Beamten umringt und verprügelt. Sie
waren ohne Kennnummer und hatten ihre Gesichter mit Sturmhauben vermummt,
weswegen es bis heute nicht möglich war, die Beamten zu identifizieren. Die Täter hatten
weder einen Krankenwagen, noch ärztliche Betreuung gerufen. Stattdessen wurden
Nicolás' Eltern danach systematisch von der Polizei verfolgt und bedroht. Nach fünf
Jahren Straflosigkeit ist nur ein sehr mildes Urteil rausgekommen: Zwei in den Fall
verwickelte Polizeibeamte wurden für zehn Jahre abgesetzt. Dieser Urteilsspruch wurde
von Eltern und Freunden als absolut unbefriedigend bezeichnet.
Ein anderes Beispiel für Polizeigewalt fand im indigenen Schutzgebiet „La
María“ in Piendamó (Provinz Cauca) statt. Dieses Gebiet ist ein Treffpunkt für Dialog,
Zusammenleben und Selbstverwaltung, in welchem sich verschiedene indigene
Bevölkerungsgruppen aus dem Gebiet treffen, um ihre Aktionen zu diskutieren. Am 17.
Mai 2006 drang der ESMAD gewaltsam in den Ort ein, als verschiedene indigene
Gemeinschaften gerade mit den Planungen für eine große Kundgebung beschäftigt
waren, welche sich gegen die Regierung und die Menschenrechtsverletzungen richtete.
Nach Angaben des indigenen Verwaltungsrat (Consejo Regional Indígena del Cauca)
verschossen ungefähr 1000 Polizisten aggressiv Tränengas und schlugen heftig und
willkürlich auf Leute ein. Die Anzahl der Verletzten und Festgenommenen ist unbekannt,
einige sind in Krankenwagen und Armeepanzern weggebracht worden und es ist unklar,
was mit ihnen passiert ist. Die Polizisten haben das Gesundheitszentrum, die Schule und
die Häuser zerstört, die Fenster rausgebrochen, die Medikamente und Gepäckstücke der
TeilnehmerInnen beschädigt. Die offiziellen Dokumente der indigenen Behörde wurden
verbrannt, das Essen und das Geld geraubt. In den Nachrichten wurde die Situation so
dargestellt, als seien die gewalttätigen Indigenen gewaltätig und mit den Guerillagruppen
verbunden und hätten die Auseinandersetzungen provoziert.
Als letztes Beispiel für die Brutalität der Polizei sei Folgendes genannt: In einer
Polizeiwache im Bezirk Uribe-Uribe im Süden Bogotas wurden zwei 14-jährige wegen
der Nichtbeachtung der Ausgangssperre festgenommen. Sie wurden in den Knast
gebracht, an die Wand gefesselt, mit Benzin besprüht und angezündet – und das nur, weil
sie sich weigerten zuzugeben, dass sie Diebe seien.
Diese Beispiele sind keine Einzel- oder Ausnahmefälle, es sind Situationen, die
im Alltag stattgefunden haben. In diesen Vorfällen kann man ein systematisches Muster
der Menschenrechtsverletzungen und der Angriffe auf die Zivilgesellschaft erkennen. Sie
geschehen regelmäßig Öffentlich, werden durch die Medien, das korrupte Rechtssystem
und der gesamten Staat gestützt.
Durch die Kriminalisierung des politischen Widerstands muss man Kolumbien
heute als ein Land betrachtet werden, in dem die existierende Straflosigkeit durch einen
pseudo-demokratischen Diskurs bedeckt wird. Ein Land, in dem Widerstand leisten ein
Verbrechen sein kann, für das nicht selten mit dem Leben bezahlt werden muss. Die
Opfer werden sowohl in politischen Versammlungen als auch im Alltag häufig als
Terroristen, Guerilleros oder Asoziale verteufelt. Der Frieden im Land ist blutrot gefärbt.
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