Daya Kurkovskaya. Farben des Sonnenuntergangs

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Darya Kurkovskaya
Farben des Sonnenuntergangs
Ich zeichne gern. Es ist meine Lieblingsbeschäftigung, meine Weise, aus der Realität zu fliehen, ,
meine Tür zur zauberhaften Phantasiewelt. Von Kindheit an sind Bleistift, Papier, Pinsel,
Aquarell und Gouache meine besten Freunde. Die besten Quellen der Inspiration waren und
waren immer Menschen und Natur. Ich beobachte gerne Menschen. Sie sind auf ihre Weise
interessant. Aber die beste Quelle bleibt immer die Natur, für mich von Kindheit an.
Ich erinnere mich daran sehr gut. Ich war damals elf oder zwölf und lebte mit meiner Familie
noch in Russland. Wir wohnten im Dorf, in einem ganz kleinen Dorf, nicht mehr als 200
Einwohner. Wir wohnten am Rand, gerade in der Nähe des Waldgürtels an einem Teich und
einer Wiese, so konnte ich stundenlang dort spazieren, reine Luft atmen und Kaulquappen im
Wasser des Teichs mit meiner besten Freundin bewundern. Sie war die Tochter unserer
Nachbarn und drei oder vier Jahre älter als ich. Aber sie wusste so viel über die Natur, sie
wusste überhaupt viel über die Welt und konnte es mir lange erzählen. Ich fand es immer mit
ihr interessant, ich lief ihr hinterher wie ein Welpe und bat sie, mir noch etwas zu erzählen. Sie
erzählte immer interessante und spannende Dinge. Und sie malte schön, sehr schön. Viel
schöner als ich.
Aber nicht nur irgendwo weit weg konnte ich die Natur genießen. Unser Haus hatte eine
Dachstube, deren Tür nach Westen schaute. Jeden Abend, wenn das Wetter gut war, stieg ich
in dieses Stübchen mit der Leiter , und beobachtete von dort oben den Sonnenuntergang aus
der geöffneten Tür.Es war immer wunderschön – der hellblaue Himmel wurde allmählich
orange, dann rosa und dann blutrot, und die Sonne versank langsam am Horizont. Ich liebte
dieses Stübchen. Ich konnte dort stundenlang sitzen, zeichnen, lesen, in meine Traumwelt
versunken. Das war für mich fast der beste Ort der Welt.
Aber nichts ließ sich mit dem See im Sommer vergleichen! Mit dem Abstand der vergangenen
Jahre sehe ich, dass er ganz klein war. Sogar damals reichte das Wasser in der Tiefe in der Mitte
des Sees uns kaum bis zum Hals. Aber für uns war der See der ganze Ozean. Ach, so lustig war’s
im Wasser zu spielen, am Ufer Burgen zu bauen, die Tiefe des Sees zu ertasten und schwimmen
zu lernen! Die Erwachsenen haben diesen See nie besucht, er war für sie zu klein. Aber für uns –
mich, meine Freunden und die anderen Kinder des Dorfs – war das der beliebteste Spielort.
Amm Abend konnten uns unsere Eltern nur mit Mühe aus dem Wasser nach Hause schleppen.
Und wir, mit Gänsehaut und vor Kälte blauen Lippen, aber so zufrieden und glücklich,
schleppten uns widerwillig nach Hause, um am nächsten Morgen schon wieder am Ufer zu sein.
Meine Heimat, so viel in diesem Wort. Jeder hat seine Heimat. Und ich weiß nicht, was ich dazu
zählen kann: ich habe in drei Ländern gewohnt, drei verschiedene Abschnitte meines Lebens.
Jedes Land ist für mich etwas Besonderes, und ich liebe jedes Land auf eine besondere Weise.
Man meint, dass die Heimat ein Land ist, in dem man geboren ist. Ich stimme dieser
Vorstellung nicht zu. Heimat ist wie Eltern: die Eltern sind keine, die dich geboren haben, Eltern
sind die, die dich erzogen haben. So auch das Land: Ein Ort, an dem deine Seele sich warm
fühlt, an dem sich deine besten Erinnerungen und Lebensmomente befinden - das ist Heimat.
Für mich ist das Russland und Weißrussland. Die Länder, die meine schönen Erinnerungen in
sich bewahren, wie meine Eltern.
Darya Kurkovskaya
Farben des Sonnenuntergangs
Ich zeichne gern. Es ist meine Lieblingsbeschäftigung, meine Weise, aus der Realität zu fliehen, , meine
Tür zur zauberhaften Phantasiewelt. Von Kindheit an sind Bleistift, Papier, Pinsel, Aquarell und Gouache
meine besten Freunde. Die besten Quellen der Inspiration waren und waren immer Menschen und
Natur. Ich beobachte gerne Menschen. Sie sind auf ihre Weise interessant. Aber die beste Quelle bleibt
immer die Natur, für mich von Kindheit an.
Ich erinnere mich daran sehr gut. Ich war damals elf oder zwölf und lebte mit meiner Familie noch in
Russland. Wir wohnten im Dorf, in einem ganz kleinen Dorf, nicht mehr als 200 Einwohner. Wir wohnten
am Rand, gerade in der Nähe des Waldgürtels an einem Teich und einer Wiese, so konnte ich
stundenlang dort spazieren, reine Luft atmen und Kaulquappen im Wasser des Teichs mit meiner besten
Freundin bewundern. Sie war die Tochter unserer Nachbarn und drei oder vier Jahre älter als ich. Aber
sie wusste so viel über die Natur, sie wusste überhaupt viel über die Welt und konnte es mir lange
erzählen. Ich fand es immer mit ihr interessant, ich lief ihr hinterher wie ein Welpe und bat sie, mir noch
etwas zu erzählen. Sie erzählte immer interessante und spannende Dinge. Und sie malte schön, sehr
schön. Viel schöner als ich.
Aber nicht nur irgendwo weit weg konnte ich die Natur genießen. Unser Haus hatte eine Dachstube,
deren Tür nach Westen schaute. Jeden Abend, wenn das Wetter gut war, stieg ich in dieses Stübchen
mit der Leiter , und beobachtete von dort oben den Sonnenuntergang aus der geöffneten Tür.Es war
immer wunderschön – der hellblaue Himmel wurde allmählich orange, dann rosa und dann blutrot, und
die Sonne versank langsam am Horizont. Ich liebte dieses Stübchen. Ich konnte dort stundenlang sitzen,
zeichnen, lesen, in meine Traumwelt versunken. Das war für mich fast der beste Ort der Welt.
Aber nichts ließ sich mit dem See im Sommer vergleichen! Mit dem Abstand der vergangenen Jahre sehe
ich, dass er ganz klein war. Sogar damals reichte das Wasser in der Tiefe in der Mitte des Sees uns kaum
bis zum Hals. Aber für uns war der See der ganze Ozean. Ach, so lustig war’s im Wasser zu spielen, am
Ufer Burgen zu bauen, die Tiefe des Sees zu ertasten und schwimmen zu lernen! Die Erwachsenen
haben diesen See nie besucht, er war für sie zu klein. Aber für uns – mich, meine Freunden und die
anderen Kinder des Dorfs – war das der beliebteste Spielort. Am Abend konnten uns unsere Eltern nur
mit Mühe aus dem Wasser nach Hause schleppen. Und wir, mit Gänsehaut und vor Kälte blauen Lippen,
aber so zufrieden und glücklich, schleppten uns widerwillig nach Hause, um am nächsten Morgen schon
wieder am Ufer zu sein.
Meine Heimat, so viel in diesem Wort. Jeder hat seine Heimat. Und ich weiß nicht, was ich dazu zählen
kann: ich habe in drei Ländern gewohnt, drei verschiedene Abschnitte meines Lebens. Jedes Land ist für
mich etwas Besonderes, und ich liebe jedes Land auf eine besondere Weise. Man meint, dass die
Heimat ein Land ist, in dem man geboren ist. Ich stimme dieser Vorstellung nicht zu. Heimat ist wie
Eltern: die Eltern sind keine, die dich geboren haben, Eltern sind die, die dich erzogen haben. So auch
das Land: Ein Ort, an dem deine Seele sich warm fühlt, an dem sich deine besten Erinnerungen und
Lebensmomente befinden - das ist Heimat. Für mich sind das Russland und Weißrussland. Die Länder,
die meine schönen Erinnerungen in sich bewahren, wie meine Eltern.
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