Predigt GD Verden 1.11.2015 1000 Dinge - worum geht's nochmal? Was ist mir nochmal wichtig? Dieses Thema ist ja für die meisten von uns nichts Neues mehr. Es hat ja Hochkonjunktur und ganz viele Kurse und Seminare an der VHS, in betrieblichen Fortbildungen beschäftigen sich mit der Frage, wie wir durch den Dschungel von Ansprüchen, Aufgaben, Möglichkeiten, Verantwortlichkeiten durchkommen. Entschleunigung ist eines der großen Themen. WorkLife-Balance. Burnout vorbeugen, Burnout heilen, Prioritäten setzen. Der Büchermarkt ist überschwemmt von Ratgebern. Und nicht zuletzt sind unheimlich viele Psychotherapeuten förmlich überrannt von Patienten, die es eben nicht mehr hinbekommen. Hat ausgerechnet der christliche Glaube hierzu noch etwas Neues oder Wichtiges zu sagen? Jepp. Ja, davon bin ich tief überzeugt. Wir sollten uns ja der Frage einmal stellen, warum es eigentlich immer verrückter wird um uns und in uns, obwohl wir ja schon lange wissen, dass ein echtes Problem vorliegt und obwohl es doch schon so viele Tipps gibt. [Es ist übrigens Interessant, dass die Rechtschreibhilfe meines Textverarbeitungsprogramm in meinem Predigtkonzept das Wort "Entschleunigung" rot unterstrichen hat, weil es dieses Wort nicht kannte.] Ist da noch was anderes, vielleicht etwas Tieferes, dem wir auf die Schliche kommen müssen. Ist da noch was, wo wir uns selbst auf die Schliche kommen müssen? Heute stelle ich die banale Frage: "Was ist mir nochmal wichtig?" Wenn wir jetzt eine spontane Interviewrunde machen würden, würde sicher jedem eine ganze Menge einfallen. Euch gehen bestimmt viele Dinge durch den Kopf, die euch wichtig sind. Wenn es nicht gerade kriminelle oder irgendwie sonst fiese Dinge sind, gehe ich davon aus, dass nichts davon Unsinn ist oder falsch ist. Es ist nicht falsch, ein gesichertes Einkommen zu haben. Es ist nicht falsch, eine gemütliche Wohnung oder ein Haus zu haben. Es ist nicht falsch, Freizeitangebote wahrzunehmen, Sport zu treiben, sich fit zu halten. Es ist nicht falsch, seinen Kindern eine gute Bildung mit auf den Weg geben zu wollen. Es ist nicht falsch, sich erholsamen Urlaub leisten zu können. Es ist nicht falsch, gut gekleidet zu sein. Es ist nicht falsch, sich ehrenamtlich zu engagieren. Es ist nicht falsch, sich mit Freunden zu treffen. Es ist nicht falsch, erfolgreich sein zu wollen. Und es ist auch nicht falsch, sich auszuruhen. Nun frage ich weiter: Wozu tust du, was du tust? Das ist ja eine Frage, der sich Organisationen, Betriebe und auch christliche Gemeinden regelmäßig stellen müssen: 1 Ist das, was wir tun zielführend oder tun wir viele Sachen, die zwar ganz nett sind, aber unterm Strich zu viel Zeit, Energie und Geld kosten, ohne dem eigentlichen Ziel, dem eigentlichen Auftrag näher zu bringen? Das ist eine heikle Frage, denn niemand gibt gerne zu, dass etwas, was er tut, nicht wirklich sinnvoll ist. Vor allem dann nicht, wenn er es gerne tut. Wenn wir uns fragen, warum wir tun, was wir tun, haben wir ja auch immer Antworten darauf: Ich arbeite, um Geld zu verdienen. Ich verdiene Geld, weil ich Verantwortung für mich selbst oder auch für eine Familie trage. Ich arbeite, weil ich mir oder meiner Familie neben dem Nötigsten auch etwas gönnen will. Ich mache Sport, um fit zu sein, vielleicht auch, um attraktiv zu sein. Ich schicke meine Kinder neben der Schule wenigstens zu einer Sportart, zu einer Musikschule und vielleicht zur Nachhilfe, weil ich will, dass sie fit werden für ihre Zukunft. Ich verbringe Zeit mit Freunden, weil Freundschaften mir wichtig sind. Ich gehe in den Gottesdienst, weil mir Impulse zum Glauben und Leben wichtig sind und weil ich dort Gott begegnen will und weil mir die Gemeinschaft wichtig ist. Ich gebe Geld für guten Urlaub aus, damit ich mich erholen kann, vielleicht auch meinen Horizont erweitern, mit meinem Partner oder mit Freunden eine gute Zeit erleben will, weil ich einfach mal ganz rauskommen will. Ich hör hier mal auf. Ich glaube nicht, dass wir irgendwas tun, was uns gar nicht wichtig ist. Naja, außer aufräumen vielleicht und putzen :-) Ich hörte aber, dass es sogar Leute gibt, die das lieben :-) Das sind erste Antworten, die jeder ganz schnell aus der Hüfte schießen kann. Wir machen ja keinen Unsinn. Aber sind das schon die letzten Antworten? Sind das schon deine wirklichen Ziele? Ist es das schon, was dir wichtig ist? Darum frage ich weiter: Warum möchtest du gesund und fit sein? Warum pflegst du Freundschaften? Warum machst du deine Kinder fit für ihre Zukunft? Warum möchtest du erfolgreich sein? Was soll ganz unten unterm Strich stehen? Gibt es eine Ziellinie, die du irgendwann auch erreichst? Das österreichische Trio STS sang in den neunziger Jahren in seinem steirischen Dialekt ein Lied darüber. Sie erinnerten sich an den letzten entspannten Griechenlandurlaub und sangen Folgendes: Irgendwann fragst di wieso, streng i mi do so schrecklich o und bin net längst scho weiß Gott wo? Irgendwann bleib i dann dort, lass alles liegn und stehn, gehe von daham für immer fort. 2 Darauf gib i dir mei Wort, wieviel Johr a no vergehn, irgendwann bleib i dann dort. Dann erzählen sie aus ihrem Leben und kommen zu dem Schluss: "Doch bevor der Herzinfarkt mi mit vierzig in die Windeln pragt, lieg i scho irgendwo am Strand, a Bottl Rotwein in der Hand und auf meim Rücken nur dei Hand. Irgendwo in Griechenland, steck die Fiaß in weißen Sand... Wie sagte es Andreas de Vries mal vor über 20 Jahren zu mir: "Man lebt, als käme irgendwann der Punkt, an dem alles gut ist, aber er kommt nicht." Die drei Männer aus Österreich waren irgendwann selbst über vierzig. Dann veränderten sie ihr Lied in: "Doch bevor der Herzinfarkt mi mit fuffzig in die Windeln pragt..." Was ist unser Ziel und uns wirklich wichtig? Ich behaupte, es sind drei Dinge: KLICK Frieden und Ruhe Bedingungslose Liebe Sinn Ich bin davon überzeugt, dass dies die drei großen Dinge sind, die hinter allem uns antreiben. Und uns treibt die Hoffnung, es auch zu erreichen. Dafür lohnt es sich, zu strampeln, dafür lohnt es sich, etwas zu tun. Und darum haben alle Angebote, die uns dabei helfen - die tausend Möglichkeiten unserer Zeit - auch so viele Abnehmer und Inanspruchnehmer. Frage an dich: Hast du Frieden gefunden? Hast du bedingungslose Liebe gefunden? Hast du Sinn gefunden? Ganz sicher sagen sich jetzt einige durchaus: Ja. Ich liebe meinen Beruf, ich habe ein gutes Einkommen. Meine Familie oder mein Partner oder meine Freunde lieben mich. Was ich tue ist sinnvoll. Ich bin im Reinen mit mir und meiner Umwelt. Ich bin angekommen. Gratulation. Ich werde dir das jetzt nicht schlechtreden. Was hast du erreicht? Du hast erreicht, dass deine Aktivität belohnt wurde. Am Ende hat es sich doch gelohnt... Am Ende? Aber du bist ja noch nicht am Ende. 3 Vielleicht sitzt hier auch jemand, der sagt: Da war ich auch schon mal. Doch, das hatte ich schon. Aber dann machte mein Arbeitgeber Pleite und es war schwer, was Neues zu finden und zufrieden bin ich immer noch nicht. Dann stand plötzlich die Hausabzahlung in Frage und ich musste es verkaufen Aber dann betrog mich mein Partner. Oder dann wurde ich krank und konnte das alles nicht mehr aufrechthalten. Viele sind ja erneut dabei, Frieden, bedingungslose Liebe und Sinn zu suchen. Manche auch schon zum x-ten Mal. Was wäre wenn... Ich drehe hier mal unseren üblichen Weg um. Was wäre, wenn Frieden/Ruhe, bedingungslose Liebe und Sinn gar kein Lebensziel wären? Wir würde mein Leben aussehen, wenn diese drei nicht mein Ziel, sondern mein Ausgangspunkt wären? Wie würdest du dein Leben gestalten, wenn du es mit Frieden und Ruhe, mit bedingungsloser Liebe und mit der Gewissheit: "Mein Leben hat schon Sinn." im Rücken angehen könntest? Was wäre, wenn diese drei Hauptsachen, die uns wichtig sind, nicht der Lohn für unsere Anstrengung wären, sondern der Proviant für den Weg? Was wäre, wenn wir sie uns gar nicht erarbeiten müssten, sondern wenn sie einfach geschenkt würden? Zu Beginn... Was wäre, wenn weder Geldmangel, noch Krankheit, noch Erfolglosigkeit, noch intrigante Chefs oder Freunde oder untreue Partner mir das nehmen könnten? Es ist ja so, dass keine Work-Life Balance, kein Urlaub, kein Geld der Welt, keine Wohnung und kein Haus, kein Seminarreferent, keine Einsicht mir das geben kann. Jedes dieser Angebote, jede dieser Möglichkeiten verspricht ja Frieden und Ruhe, Liebe und Sinn immer erst NACHDEM ich dies oder jenes das getan, gelassen oder erreicht habe. Gibt's das? Ein Startpaket mit dem, was mir am wichtigsten ist? Und gibt es das auch für mich heute noch - wo ich doch nicht mehr am Start bin, sondern schon mittendrin? Gibt es einen Proviant, der mir geschenkt wird die Mamas Pausenbrot und Trinkflasche für die Schule? Ja, tatsächlich. Das gibt es. Aber du kannst es dir nicht selbst machen. Anfangs fragt ich, ob der christliche Glaube zu diesem ganzen Thema etwas Neues und Anderes beizutragen hat. Ja, das hat er. In dieser Predigt ist Gott noch gar nicht vorgekommen. Nicht, weil er nichts damit zu tun hat. Nein, nur aus einem Grund: Ich muss für heute aufhören, sonst wird's zu lang. Nächste Woche geht's weiter... 4