Predigt Pastor Marcus Antonioli zu Rut 1 am Sonntag, dem 27.7.2014 Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Liebe Gemeinde, in diesen Tagen sind viele Menschen auf den Straßen oder auch per Flugzeug, Bahn oder Schiff unterwegs, um für sich den perfekten Ort der Erholung zu finden. Und es ist eine herrliche Freiheit, die wir beim Reisen erleben dürfen. Vielleicht waren Sie ja schon in diesem Sommer unterwegs, oder Sie dürfen sich noch auf eine Reise freuen! Leider sind viele Menschen in diesem Moment eher unfreiwillig unterwegs, weil sie vor Not und Gewalt flüchten müssen. So erging es auch einer Frau aus Israel - Naomi. Sie war mit ihrem Mann und ihren Söhnen vor dem Hunger ins Nachbarland nach Moab geflüchtet. Doch das Unglück verfolgte sie, denn am Ende stand sie verwitwet mit Ihren beiden ebenfalls verwitweten Schwiegertöchtern da. In der Heimat war es unterdessen wieder besser und so wollte sie allein zurück gehen. Doch dann stellt ihre Schwiegertochter Rut klar, dass sie mitkommen würde und mit ihr eine neue Heimat suchen würde! Die Schrift Rut umfasst nur vier Kapitel, aber handelt von der unglaublichen Solidarität, die diese beiden Frauen leben und zugleich erfahren dürfen. Dabei ist ganz ungewöhnlich für die damalige Zeit ( Richterzeit), dass sie ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Eigentlich hatten nur die Männer das Sagen und auch bestimmte Besitzrechte. Doch Rut und Naomi haben Glück, denn Boas behandelt sie fair, ihre Heimkehr wird ein richtiges happy end! Damit nicht genug, die fromme Heidin Ruth wird zur Urgroßmutter des Reichsgründers und legendären Königs David, der in Bethlehem als Hirtenjunge seine Karriere begann! Liebe Gemeinde, diese Geschichte wird bis auf den heutigen Tag zum Wochenfest in den Synagogen gelesen, denn sie macht so viel Mut! Ja, der Glaube bringt Menschen zusammen und lässt sie entdecken, wie diese Erde ein guter Ort für alle Menschen werden könnte! Und Gott weiß sogar die fremde und hilfsbedürftige in seinen genialen Heilsplan einzubauen! Leider sieht es in diesem Moment in Israel, in Syrien und im Irak und auch in der Ukraine und in vielen anderen Orten dieser Welt zur Zeit gar nicht danach aus. Umso wichtiger ist es sich an die ungewöhnliche Frau Rut aus dem Land der Moabiter (heute Jordanien) zu erinnern. Denn zeigt welche Lebenskraft der Glaube entfachen und erhalten kann! Ich stelle mir vor sie käme heute nach Israel, was würde sie heute dazu sagen, dass sich Palästinenser und Israelis Tod und Verderben zufügen! Es wird Zeit sich daran zu erinnern, dass auch Schriften des Alten Testaments ein friedvolles Zusammenleben ersehnen, das jedoch bis heute unerreicht ist. Und wir, wir dürfen dieses Flüchtlingsschicksal von Naomi und ihren Schwiegertöchtern als Gleichnis für die Millionen von Flüchtlingen sehen, die heute einen Ort zum Leben, ja oft auch nur zum Überleben suchen! Diese Geschichte macht auch deutlich, dass Gott seine Geschichte mit allen Menschen weiter schreiben möchte. Selbst die, die keiner sieht, die sich die übriggebliebenen Körner sammeln dürfen, dürfen auf diesen Gott des Lebens hoffen! - Erinnern wir uns, auch Jesus flüchtete mit seinen Eltern ins Nachbarland Ägypten, davon berichtet der Evangelist Matthäus. Er ist es auch, der die Migrantin Rut kunstvoll in den Stammbaum Jesu einflechtet! Liebe Schwestern und Brüder, die frühe Christenheit hat dieses Wissen, dass wir alle Fremdlinge auf dieser Erde sind, gehütet und so ermahnt der Hebräerbrief uns beispielsweise: Gastfrei zu sein vergesst nicht, denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt! - Genau das dürfen wir erleben, wenn wir die Türen und Herzen öffnen! Und wer mit offenen Augen die Welt betrachtet, weiß, dass wir das Glück haben in einem sehr gesegneten Teil dieser Erde zu leben. Daraus erwächst uns eine besondere Verantwortung für die, die bei uns Schutz und Überleben suchen. Um das zu bekräftigen, nehmen immer mehr Kirchengemeinden Menschen auf, die in unsichere Heimatländer abgeschoben werden sollen. Und selbstverständlich fragen wir dabei nicht nach der Religion oder nach dem Alter oder gar nach dem Geschlecht. Wir lernen selbst an diesen Schicksalen, was für unser Menschsein wesentlich ist. In unserer Gemeinde hat es schon einige Fälle dieses Kirchenasyls gegeben. In diesem Jahr konnten wir einer Frau aus Togo und zur Zeit einem Mann aus Afghanistan helfen. (Aber das geht überhaupt nur, weil unser Staat sich diese Fälle tatsächlich noch einmal genauer anschaut.) Und es ist erstaunlich wer da auf einmal zusammen arbeitet! Denn Vieles ist nötig, von der Unterkunft, über die Kleidung und das Essen, manchmal auch der Arzt und Begegnung! Erst letzte Woche hat unsere Studenten-WG ihren Einfallsreichtum bewiesen und ein Benefizfest organisiert, dass die Versorgung unseres Asylsuchenden für Monate sichert! Liebe Gemeinde, es ist doch ein Hoffnungszeichen, dass Menschen auch heute zu solidarischem Handeln fähig sind. Wir brauchen es für uns selbst, Wege und Möglichkeiten zu finden, um die grenzenlose Zuwendung Gottes weiter zutragen. Manchmal muss man nur die bestehenden Möglichkeiten gut ausnutzen, so hat es auch Boas in unserer Geschichte getan! (Vielleicht haben Sie ja Lust bekommen, dieses kleine Buch der Bibel selbst einmal zu lesen.) - Der Glaube ist eine Kraft, die uns nach solchen Schlupflöchern für das Leben suchen lässt! Ja, unser Glaube baut Brücken und lässt Menschen eine neue Heimat finden. Und ich hoffe, dass das immer wieder Menschen auch hier in unserer Gemeinde erleben dürfen. Die Taufe des kleinen Nazar Davids zeigt uns, dass wir alle in eine Gemeinschaft gerufen sind. In der Nachfolge Jesu können wir lebenshemmende Grenzen überwinden. Kirche ist von Anfang an ein Wunder, denn durch die Taufe werden Menschen aus verschiedensten Ländern und Kulturen vereint. Diese Vielfalt zeichnet unsere christliche Gemeinschaft aus! Wir sind als Christen verbunden mit Menschen anderer Sprache, ja sogar anderer Konfessionen. Und für mich ist völlig klar, dass Jesus selbst auf alle Menschen blickt und keine Mauern in unseren Köpfen und Herzen errichten wollte. Darum können wir uns im Vertrauen auf den einen Gott, der ja wie ein Vater und eine Mutter für alle Menschen ist, für alle Menschen öffnen! Rut kann zu Naomi sagen: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. (Rut 1,16), weil sie gelernt hat zu vertrauen. Es ist schon erstaunlich wie gut sich hier Schwiegertochter und Schwiegermütter verstehen, das ist heute oft eine heikle Beziehung:) - Vielleicht brauchen auch wir nur etwas mehr Gottvertrauen, damit wir uns konsequent als eine Weggemeinschaft der Verschiedenen verstehen, wo nicht das Woher, sondern das gemeinsame Ziel zählt! Rut jedenfalls durfte erleben, wie dieses Vertrauen Herzen zurecht rückt und Wege zu Leben ermöglicht! Warum sollte das heute nicht mehr möglich sein! Amen