Textblock I - Eine Geschichte von Lisa… und Lena Die Kindergruppe übt in der Kirche für die Osternacht. „Halt die Kerze grade, Lisa!“ ruft Frau Sander. Lisa zuckt zusammen. Sie hat nicht aufgepasst. Sie muss die ganze Zeit noch an den Streit mit ihrer großen Schwester Lena denken. Wenn Lene deswegen nicht mit zur Osternacht kommt, dann ist das ganze Fest verdorben. ich ist richtig zum Heulen zumute, aber vor der Gruppe reißt sie sich zusammen. „Lisa, ist was mit dir, du siehst so traurig aus?“ fragt Frau Sander. „Nein, nein, alles in Ordnung!“ „Das wird ganz toll heute Abend, wirst schon sehen, Lisa. Wenn in der Dunkelheit alle Kerzen angezündet werden, wird man ganz froh!“ Abends treffen sich alle im Gemeindehaus wieder. Die Kinder haben sich dunkel angezogen, damit man die Kerzen besser sehen kann. Lisas Stimmung ist immer noch so dunkel wie ihre Kleider. Den ganzen Tag hat Lena kein Wort mit ihr gesprochen. Lisa hat das Gefühl, ein dicker schwerer Stein liegt in ihrem Bauch. Wie soll das nur wieder in Ordnung kommen? Dann beginnt die Osternachtsfeier. In der dunkeln Kirche sind alle Plätze besetzt. Lisas Eltern und auch Lena sitzen an der Seite. Der Pastor sagt ein paar Worte in die dunkle Kirche hinein, aber Lisa hört kaum zu. Erst als er davon spricht, dass es nicht nur dunkel ist, weil kein Licht brennt, sondern dass es auch in vielen Herzen dunkel ist, horcht sie auf. Woher weiß er das? „Bei vielen Menschen ist es ganz dunkel“, wiederholt der Pastor. „Aber Ostern bedeutet: auch in der tiefsten Dunkelheit kann es wieder hell werden, kann neues Licht aufscheinen. Das wollen wir mit dieser Osternachtsfeier zeigen: DAS LICHT JESU MACHT DAS DUNKEL UNSERES LEBENS HELL.“ Dann zündet er die neue Osterkerze an. Ein kleines Licht, das sich langsam in der Dunkelheit ausbreitet. „Das Licht Christi!“ ruft er voller Freude. Lisa hat ganz große Augen. Der schwere Stein in ihrem Bauch ist plötzlich nicht mehr da. Sie ist ganz gespannt. Jetzt beginnt nämlich der Tanz ihrer Gruppe um das Licht. Leise tönt Musik durch die Kirche und die Kinder bewegen sich in langsamen ruhigen Schritten. Alles klappt prima. Alle Kinder zünden nacheinander an der Osterkerze die Kerze an, die sie in der Hand tragen. Auch Lisa. Die Flammen der Kerze sind warm und hell. Lisa dreht sich im Kreis der Kinder ruhig weiter und sie spürt: da wo der dicke Stein war, ist jetzt etwas Warmes und Angenehmes. Es geht ihr wieder gut. Als die Musik zu Ende ist, wird es erst ganz still und alle schauen die Lichter an. Dann setzt die Orgel ein und die ganze Gemeinde singt ein Osterlied, laut und kräftig. Es ist wunderschön. Der Gottesdienst dauert noch lange. Zu lange, findet Lisa. Eigentlich ist das Wichtigste ja schon passiert: Licht in der Dunkelheit, Freude gegen Kummer, Leben gegen den Tod. Sie ist froh, als endlich der Schlusssegen kommt und alle hinaus gehen. Draußen trifft sie auf ihre Eltern und auf Lena. „Frohe Ostern!“ ruft sie. „Frohe Ostern!“ sagen ihre Eltern. „Frohe Ostern,“ sagt auch Lena. Dann schaut sie Lisa an und sagt: „Euer Lichtertanz war richtig schön, ich bin wirklich froh geworden!“ Und sie legt den Arm um Lisa und drückt sie an sich. (nach Hermann-Josef Frisch, Vorlesebuch „Erzähl mir vom Glauben“) Textblock II - Zwei Flüchtlingsgeschichten Ostern geschieht dort, wo das Leben wieder hell wird, wo es einen neuen Anfang gibt. Auferstehung kann heißen: den Weg zurück ins Leben finden. Dazu hören wir zwei Geschichten von Menschen, die neu zu uns gekommen sind: Ein Jugendlicher erzählt: Meine Heimat ist ein Dorf in Nigeria. Dort bin ich zur Schule gegangen. Ich war ein guter Schüler. Aus Angst vor der Terrorgruppe Boko Haram hat mich meine Familie nach Europa geschickt. Meine Mutter lebt noch in Nigeria. Mit anderen Flüchtlingen bin ich über das Mittelmeer nach Italien gekommen. Von dort habe ich mich alleine nach Deutschland durchgeschlagen. Insgesamt war ich fast ein Jahr unterwegs. Seit einem Jahr bin ich jetzt in Deutschland, gehe in die Berufsschule und lerne vor allem die Sprache. Ich habe schon ein Praktikum im Kindergarten gemacht und mache bald ein weiteres in einer Spedition, denn ich möchte LKW-Fahrer werden. Mir gefällt es gut in Deutschland, ich fühle mich wohl in meiner Wohngruppe und habe dort Freunde gefunden. Für die Zukunft wünsche ich mir eine Familie mit Kindern und vor allem ein Leben in Frieden und ohne Angst. Die Geschichte einer jungen Frau: Frau D. wohnt mit ihren zwei Kindern im Containerdorf. Ihr Herkunftsland liegt in Afrika. Warum sich die vierköpfige Familie auf die gefährliche Reise gemacht hat, mag sie dem Berater der Diakonie nicht erzählen. Es stehen sofort Tränen in ihren Augen: Das einzige, was man erfährt, ist – es gab viele, viele Tote. Da es in ihrer Heimat lebensgefährlich war, entschloss sich die Familie zur Flucht mit Ziel Deutschland, um hier ein sicheres Leben zu führen. Die Reise ging wochenlang durch Afrika Richtung Libyen. Von dort sollte es nach Europa über das Meer weitergehen. Das Geld für Schlepper reichte aber nur für die Mutter mit den zwei Kindern. Ihr Mann musste erstmal in Libyen bleiben. Die teuer bezahle Überfahrt ins italienische Lampedusa im überfüllten Boot verlief zum Glück jedoch gut. Über Italien ging es dann mit dem Zug nach München, von dort ins Auffanglager. Nach jetzt fast acht Monaten kam endlich die Nachricht vom Ehemann, dass auch er in München angekommen ist. Die Ausländerbehörde hat nun die Familienzusammenführung genehmigt, so dass die kleine Familie bald wieder vereint ist. Ob dies das Ende ihrer Reise ist, bleibt jedoch fraglich, denn über den Asylantrag ist noch nicht entschieden. Ostern geschieht dort, wo das Leben wieder hell wird, wo es einen neuen Anfang gibt. Auferstehung kann heißen: den Weg zurück ins Leben finden. Textblock III - Ein Mann erfährt Ostern Ein Mann erfährt Ostern Als Gemeindepastor bin oft mit Menschen im Gespräch, die Abschied nehmen müssen. Vertraute und liebgewonnene Menschen gehen und das tut weh. Im manchen Fällen bricht eine Welt zusammen. Der Boden unter den Füßen schwankt nicht nur, sondern scheint sich aufzulösen. Für die Betroffenen selbst ist es dann so, als würde auch ihr Leben mit zu Ende gehen, weil etwas in ihnen gestorben ist. Der Schmerz des Abschiednehmens kann sehr lange andauern. Es braucht manchmal Jahre, bis eine Frau oder ein Mann sich wieder gefangen hat, wenn der Partner, die Partnerin plötzlich gestorben ist. Sich gefangen heißt dann: wieder Boden unter den Füßen zu spüren, neuen Lebensmut zu haben und wieder nach vorne schauen wollen. Diese Momente, von denen mir Menschen dann manchmal erzählen, sind wie Ostern. Jemand spürt das Leben und vielleicht auch wieder die Liebe Gottes. Es ist wieder heller geworden im Herzen dieses Menschen. So ging es auch einem Mann. Es ist Klaus. Klaus erzählt mir: „Das war damals wie der freie Fall, als sie einfach nicht mehr da war. Ich stand plötzlich mit den zwei kleinen Kindern alleine da. Wie ein Schwerverletzter nach dem Unfall musste ich wieder laufen lernen, so kam es mir vor. Doch ich habe es irgendwie geschafft. Gut, dass ich Freunde hatte. Viele haben mir geholfen. So konnte ich viel für die Kinder organisieren, die waren dann ganz gut versorgt. Und Kinder nehmen das Leben ja auch wieder an. Mir selbst fiel das Alleinsein schwer. Das war eine ganz neue Herausforderung. Das kannte ich nicht. Wir hatten immer alles zusammen gemacht. Nach drei Jahren lernte ich eine neue Frau kennen. Es passte so gut zusammen und war wie ein Geschenk des Himmels. Wir heirateten bald. Es kommt mir heute so vor, als hätte Gott mich damals wieder ins Leben gerufen. Es war Ostern in mir geworden.