Bericht von Superintendent Hartmut Demski für die Herbstsynode

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Tagung der Kreissynode am 13./14.11.2015
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Hohe Synode,
im Sommer dieses Jahres hat eine Gruppe von 17 Theologinnen und Theologen aus der
Ökumene die EKiR besucht. Jeweils zwei von ihnen kamen aus Indonesien, aus Afrika und
den USA, sieben aus europäischen Kirchen und vier aus internationalen Gemeinden in
Deutschland bzw. der VEM. An 10 Tagen haben sie Einrichtungen und Gemeinden in der
EKiR besucht, bis nach Lennep sind sie leider nicht gekommen. Über die Eindrücke dieser
ökumenischen Visitation haben sie einen Abschlussbericht angefertigt, der allen Beteiligten
eine interessante Außensicht auf die uns manchmal ja nur allzu bekannten Zusammenhänge
und Fragestellungen ermöglicht.
In den zehn Tagen, in denen wir die EKiR und ihre Regionen besucht haben, sind wir
begeisterten ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern begegnet. Wir haben viel
gute Arbeit und lebendige Gemeinden gesehen. Das hat uns überrascht! Vorher hatten
wir gehört, dass viele Gemeinden um ihre Zukunft und Existenz ringen. (S.4)
Ich möchte diese Beobachtungen gerne mit eigenen Anmerkungen zu den Ereignissen in
unserem Kirchenkreis ins Gespräch bringen.
(A) Verwaltungsstrukturreform
Zum Sachstand und notwendigen Beschlüssen werden wir einen eigenen
Tagesordnungspunkt haben. Ich möchte mich auf einige Punkte beschränken, an denen wir r
andere
Wege
gegangen
sind
als
z.B.
unsere
Nachbarkirchenkreise.
Das betrifft (1.) die Vor-Ort-Büros (VOB`s). Je nach aktueller Entwicklung wird es im
Kirchenkreis 11 oder 12 Vor-Ort-Büros in sehr unterschiedlicher Größe geben. In den
kleineren gibt es nur 8-12 Mitarbeitendenstunden oder weniger, die größeren sind teilweise
doppelt besetzt und haben 30 oder 40 Wochenstunden. In den meisten anderen
Kirchenkreisen sind diese Büros Einrichtungen der Kirchengemeinden; wir haben uns in
Lenkungsgruppe und KSV recht früh für ihre Anbindung an das Gemeinsame Amt
entschlossen. In der Umsetzung der letzten Monate haben wir diese Entscheidung mehrfach
infrage gestellt, weil gerade die VOB`s im Moment Fragen aufwerfen. Andererseits liegt darin
eine große Chance: die Mitarbeitenden der Büros sind eingebunden in die
Dienstgemeinschaft des Amtes, es wird Dienstbesprechungen und Absprachen geben, die
einen guten Austausch zwischen Zentrale und Filialen ermöglichen. Die VOB`s werden in
das Telefonsystem und Netzwerk des Amtes integriert. Gemeinsam mit der
Gemeindesachbearbeitung können die VOB`s die Möglichkeiten und Angebote des Amtes
in die Gemeinden vermitteln und von den Gemeinden her kurze Wege in das Gemeinsame
Amt sicherstellen. Sie könnten so die notwendige dezentrale Umsetzung einer stärker zentral
organisierten Verwaltung darstellen.
Eine zweite (2.) wichtige Entscheidung war die frühe Anstellung einer neuen Amtsleitung.
Wir haben auf die Beteiligung einer externen Beratungsfirma verzichtet und den designierten
Amtsleiter beauftragt, die wesentlichen Schritte zum Aufbau des neuen Amtes
voranzutreiben. Die gute Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde Lennep und des
Verwaltungsamtes Lennep-Lüttringhausen hat das möglich gemacht. Nach meiner
augenblicklichen Einschätzung der Situation würde ich die Entscheidung für dieses
Vorgehen als ausgesprochenen Glücksfall bezeichnen. Die Entscheidungen sind unter hoher
Beteiligung aller Betroffenen ausgehandelt worden. Die besonderen Bedingungen kirchlicher
Strukturen waren stets präsent. Ein entscheidender Faktor war und ist die Praktikabilität
auch nach Gründung des Amtes: das muss funktionieren, auch wenn das Amt errichtet ist.
So ergaben sich eine Vielzahl an Gesprächen, die oftmals weiteren Gesprächsbedarf nach
sich zogen. Das Konzept ist hin- und hergewälzt und im Prozess korrigiert worden.
Nun stehen Umzug und Start des neuen Amtes bevor. Bei den beteiligten Mitarbeitenden ist
neben der Sorge vor dem neuen Arbeitsplatz auch eine gewisse Ungeduld und Erwartung
festzustellen, wann es denn nun endlich soweit ist. Viele bekommen neue Kollegen und
Vorgesetzte, manchmal auch ein neues Arbeitsgebiet.
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Verwaltungsstrukturreform ist, so darf man befürchten, mit dem 1.1. nicht vorbei. Es wird
Übergangsprobleme und wahrscheinlich auch Fehlplanungen geben. Aber im Blick auf die
bisher gegangenen Wege sehe ich auch viele positive Signale und Zukunftsperspektiven.
(3) Die Finanzierung der neuen gemeinsamen Verwaltung war auch in den
Nachbarkirchenkreisen ein Problem. Durch die neuen Anforderungen im Bereich Bauwesen
und Controlling sowie die jetzt spürbaren Mehranforderungen durch NKF im Bereich
Kasse/Buchhaltung mussten zusätzliche Kosten geschultert werden. Wir standen unter der
Vorgabe, dass die Kosten des neuen Amtes nicht höher sein durften als die Gesamtkosten
der vier einzelnen Ämter zuvor. Ein spezielles Problem entstand dann, als sich bei
Anwendung eines Fallzahlen bezogenen Verteilungsschlüssel eine sehr unterschiedliche
Umverteilung der gleichgebliebenen Gesamtkosten ergab. Ausgleichsmaßnahmen wurden
berechnet und verabredet, ein Stellenabbau von drei Stellen in den ersten drei Jahren
vereinbart. Diese Diskussionen sahen nicht immer so aus, als ob eine Einigung erreichbar
wäre.
Das Ergebnis bleibt zweispältig: Einige Beteiligte werden für Verwaltung in Zukunft mehr
bezahlen müssen als zuvor. Doch Verwaltungskosten sind keine dem kirchlichen Auftrag
fremden Kosten, die gegenüber anderen Bereichen der Gemeindearbeit abgewertet werden
dürften.
Unser Verteilungsschlüssel hat auch über den Kirchenkreis hinaus Interesse und
Anerkennung gefunden. Ich bin dankbar für die derzeit erreichten Verabredungen. Die
Perspektiven auf das neue Amt sind sehr konkret. Bei manchen Beteiligten wecken sie
inzwischen auch Zustimmung und positive Erwartungen.
Die ökumenischen Visitatoren warnen allerdings, und ihre Warnung sollte bei allem Planen
ein kritisches Element bleiben:
Die EKiR ist eine Kirche, die sehr gut organisiert und professionell-spezialisiert arbeitet,
auch jenseits der Grenzen der klassischen Gemeinde. Es gibt viele etablierte Strukturen,
die einmal sehr hilfreich waren, heute aber nicht mehr mit den Herausforderungen
mithalten.
Manchmal
wirkt
die
Arbeit
sogar
überprofessionell.
(S.6)
B) Flüchtlingsarbeit
Es war bewegend zu erleben und ist bis heute ein vielstimmiges Zeugnis des Glaubens, in
welcher Entschlossenheit und Selbstverständlichkeit auch die Gemeinden in unserem
Kirchenkreis sich der Unterstützung und Hilfe für Flüchtlinge annahmen. Im letzten Jahr
haben wir angesichts der Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer Schritte zu einer
Willkommenskultur bedacht und entwickelt, in diesem Sommer erreichten in großer Zahl
Flüchtlinge
unser
Land
und
leben
in
unserer
Nachbarschaft.
Vielen Beteiligten ist inzwischen klargeworden, dass wir inmitten eines gewaltigen
Veränderungsprozesses leben und noch nicht abzusehen ist, wohin uns das führt. Dass die
Weltlage einen solchen Prozess längst erahnen ließ, wollte man vielerorts nicht wahrhaben.
Die Sorgen und Bedenken, die manche unserer Zeitgenossen heute angesichts dieser
Situation formulieren, sind im Grund eine Fortsetzung der Verleugnung und Verdrängung der
Wirklichkeit.
Die Gemeinden haben unterschiedliche Formen und Schwerpunkte entwickelt: In
Wermelskirchen hat sich eine überkonfessionelle, christliche Flüchtlingsinitiative gebildet
„Willkommen in Wermelskirchen“, deren Schwerpunkt bisher die Unterstützung der länger
vor Ort verweilenden Flüchtlinge ist. Im Gebiet der Stadtkirchengemeinde Remscheid und in
Lennep liegen große Erstaufnahmeeinrichtungen, in deren Betreuung Gemeindeglieder
vielfach involviert sind. In Radevormwald wird das Fehlen einer Gesamtorganisation beklagt,
doch viele einzelne Gemeindeglieder und Mitarbeitende der Gemeinden sind überaus
engagiert tätig. Die Stelle des Kreiskirchlichen Flüchtlingsberaters, Herrn Donkor, konnte mit
Hilfe der Mittel der Landeskirche um 5 Wochenstunden auf 24 aufgestockt werden. Das ist
im Vergleich zu Caritas und anderen Wohlfahrtsorganisationen nicht viel, aber Herr Donkor
hat sich gut in die Zusammenarbeit bei der Betreuung der Ehrenamtlichen einbringen
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können und steht als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine Besonderheit seines
Engagements ist die persönliche Zuwendung zu den Menschen in den
Übergangswohnheimen, die er vielfach persönlich aufsucht und in zahlreichen Einzelfällen
betreut.
Leider wird das hohe ehrenamtliche Engagement und der Einsatz vieler Hilfsorganisationen
auf eine unerträgliche Weise konterkariert durch einzelne politische Stellungnahmen, die das
angebliche Kippen der Stimmung und die Grenze der Belastbarkeit förmlich herbeireden.
Das offenbare Versagen der deutschen Bürokratie in dieser Situation wird m.E. bewusst
verschleiert durch immer neue und immer unrealistischere Vorschläge zur Begrenzung,
Verlangsamung, Dezimierung, Kanalisierung dieser Flüchtlingsbewegung. Schlimm ist es,
wenn durch solche Beiträge andere ermutigt werden, ihre fremdfeindlichen Hassparolen
offen und ohne jedes Gefühl für Scham und Humanität zu verbreiten.
Angst macht mir in dieser Situation weniger die Zahl derer, die bei uns Zuflucht suchen;
vielleicht denke ich hier zu positiv über unser Staatswesen und seine Leistungsfähigkeit.
Aber Stimmen nicht zuletzt aus Industrie und Wirtschaft lassen mich annehmen, dass wir
hier im Moment noch viel Luft nach oben haben. Angst macht mir allerdings die tiefe
Zerrissenheit, die durch unsere Gesellschaft geht und vielerorts Diskussionen unmöglich
macht; Angst macht mir die Dunkelziffer an Mitmenschen, denen offenbar die Maßstäbe von
Humanität, Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft völlig verloren gegangen sind.
Angst macht mir das Versagen Europas, auf das man als Friedensordnung und Ort von
Humanität und Demokratie so viel Hoffnungen setzen durfte. Hier ist es wichtig, dass wir als
Christen und Kirche nicht nachlassen, durch unser Handeln und Reden zu zeigen, wofür wir
einstehen und was christlicher Glaube heute bedeutet – z.B. auch in den monatlichen
ökumenischen Friedensgebeten.
Ich habe den Bericht einer jungen Frau von einem Sonntagnachmittag am Drehkreuz KölnBonn zusammengefasst:
Am Anfang war alles recht einfach Unter www.koelnhilft.de kann man sich anmelden für
bestimmte Zeiten und Tätigkeiten am neuen Drehkreuz: dem Bahnhof am Flughafen
Köln Bonn. Am vergangenen Sonntag war es dann soweit: Meiner Schicht ging von
16.30 bis 19 Uhr in der Kleiderausgabe.
Du stellst dein Auto in eines der Parkhäuser und stellst dich deiner neuen Aufgabe in
den Zelten. Einweisung der Freiwilligen: eine Mitarbeiterin der Stadt erklärt uns Aufgabe
und Ordnung. Die Schicht vor uns hat die Kleidung schon sortiert: nach Größen,
Kleidungsstücken, Schuhen, - eine extra Abteilung für Kindergrößen. Unglaublich viel
gespendete Kleidung. Wir räumen ein. Verschaffen uns einen Überblick.
Anfangs stehen sich die vielen Helfer fast auf den Füßen. Um 17.33 Uhr kommt der Zug
aus Passau. Fast auf die Minute genau. 679 Menschen heute, nahezu ausschließlich
aus Syrien, Irak, Afghanistan. In einem langen Zug trotten sie hinter den
Bundespolizisten her über den Bahnsteig zu den Zelten. Alle schauen nach unten.
Wenige blicken die Helfer an, die den Zug flankieren. Einige der Helfer versuchen
Brücken zu schlagen: Welcome. Hallo! Salaam. Verhaltene Reaktionen. Eine junge
Helferin hat Tränen in den Augen. „Don`t cry. Smile,“ tröstet sie ein junger Mann, der
hinten aus den Schuhen getreten ist. Das hatten sie uns schon gesagt: Achtet auf die
Schuhe. Wenn die Kinder Sandalen anhaben. Die Erwachsenen haben oft zu kleine
Schuhe und treten sie hinten einfach platt. Wir haben viele Schuhe.
Die Afghanen gehen in ein Zelt, die anderen in das Zelt daneben. Afghanen sind
grappschig, sagt ein Nachbar. Ist das schon rassistisch? Wir sind zuständig für ca. 50
Personen im Zelt nebenan. Zwei Kölner gehören noch zum Team, dazu drei
Dolmetscher, nun ja, zwei türkische Mädels unter Kopftüchern und ein Checker aus
Marokko oder so: ich muss mich erst daran gewöhnen, ihn zu verstehen. 10 oder mehr
solcher Teams sind heute im Zelt im Einsatz. Wir schreiben auf, was die Menschen
brauchen: dicke Winterjacken, Schuhe, Hosen, und – mit viel Scham und noch mehr
Übersetzungsproblemen begreifen wir es endlich: Unterwäsche. Dann holen wir es in
Plastiktüten aus der Kleiderkammer, schätzen die Größen und händigen aus.
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Umlagert ist die Handyladestation für bestimmt 50 Handys, trotzdem ist kein Platz mehr
frei. Ein junger Mann kommt gestikulierend mit einem Handy auf mich zu; der Checker
erklärt: Er hat einen Bruder in Dortmund, aber mit seinem Handy erreicht er ihn nicht.
Schon den ganzen Tag nicht. Ich nehme mein Handy, wähle die Nummer und reiche es
ihm. Atemlose Spannung. Erster Kontakt nach Tagen der Ungewissheit. Freudentränen.
Er kommt sofort, holt ihn. Nein, er soll nicht in die Busse steigen. Ob das erlaubt ist? Wie
gut, dass ich das nicht entscheiden muss.
Die Kinder sind aufgetaut. Ganz normale Kinder, Kinder überall. Vorher hatte man sie
gar nicht gesehen. Kinder, denen man nicht anmerkt, was hinter ihnen steckt. IKEA hat
mehrere Bällebäder bereitgestellt; die Tüten, in denen wir die Kleidung verteilen, sind
von dm. Auch das Essen ist schnell herumgereicht und deckt wohltuend andere Gerüche
zu. Nein, nicht alle sind freundlich zu uns. Manche sind ungeduldig, wenn nicht passt,
was wir bringen; weisen schroff zurück, was wir anbieten. Ich weiß nicht warum. Aber die
meisten sind anders: die Frauen und Kinder fast alle. Schamhaft und dankbar. Müde vor
allem.
Und dreckig. Oh je, man brauchte 100 Duschen hier. Dann kommen die Busse. Uschis
Reisen oder so. 15 Busse. Sie fahren die unterschiedlichsten Städte und Dörfer in NRW
an, wo Erstaufnahmen eingerichtet sind. Das Drehkreuz leert sich unfassbar schnell. 2
Stunden, dann ist der ganze Spuk vorüber. Wir bleiben allein zurück. Aufräumen ist noch
angesagt: die Zelte liegen voll. Alte Kleidung, Plastiktüten, Müll – wer wollte, könnte da
Parolen und Bilder draus machen, um sein Süppchen zu kochen. Große Besen und viele
Helfer: nach 30 Minuten ist alles bereit. Für Dienstag: dann kommt der nächste Zug.
Montags fährt der Zug nach Düsseldorf.
Als ich gehe, händigt der „Schichtleiter Kleidung“ mir eine Parkhauskarte aus. Ich schaue
ihn fragend an: Der Flughafen wollte auch helfen, sagt er. Für alle Helfer ist das Parken
umsonst.
Auf dem Heimweg höre ich Nachrichten im Auto. Die Stimmung würde kippen, sagen sie
da. Die Helfer wären am Ende. Und man müsste die Flüchtlinge aufhalten, abhalten,
fernhalten; dezimieren die Zahlen. Was wollt ihr bloß tun mit diesen Menschen?
Die Besucher aus der Ökumene schreiben uns :
Wir erlebten Gemeinden, die sich seit Jahrzehnten ganz bewusst und zum Teil mit
großen Opfern für die Schwachen, Flüchtlinge und sozial bedürftigen Menschen in ihrem
Ort einsetzen. …. Die Arbeit in den Bereichen der globalen Verantwortung für
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist kein Extra, sondern diese
gehört zum Wesen der Kirche. Wo sie aber lediglich als Zusatzarbeit empfunden wird,
führt das zu raschem Erlahmen.
Wir empfehlen: Die Gemeinden brauchen eine klare missionstheologische Begründung
dafür, dass der Einsatz für Teilhabe, für Flüchtlinge, für Menschen ohne Arbeit sowie für
die Schöpfung zu ihrem missionarischen Auftrag gehört. Wir empfehlen der EKiR, die
Gemeinden zu befähigen, nicht nur diese sinnvolle Arbeit zu tun, sondern auch den
Grund und das Ziel vor Augen zu haben. (S. 20 f.)
Zwei weitere Schwerpunkte möchte ich ansprechen:
C) Partnerschaft
Im Rahmen eines Partnerschaftsbesuches in Rwanda haben wir im Mai dieses Jahres die
trilaterale Partnerschaft zwischen der GKJTU in Indonesien, der Diözese Kigeme in Ruanda
und dem Kirchenkreis Lennep begründet. Erfahrungen aus diesem Besuch kamen schon im
Eröffnungsgottesdienst zur Sprache und werden auch in einem separaten
Tagesordnungspunkt verhandelt. Darum kann ich mich hier dazu kurz fassen:
Aus Ruanda flieht niemand mehr. Obwohl es ein armes Land ist und die Überbevölkerung
auch zu Mangelernährung führt. Vor 20 Jahren war das anders: da flohen die Menschen zu
hunderttausenden vor dem Genozid. Doch sie kamen zurück, in das arme Land, das nun
zusätzlich vom Hass zerfressen und vom Bürgerkrieg zerstört war. Sie kamen zurück und
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haben dann selbst Flüchtlinge aus dem Ostkongo bei sich aufgenommen und das wenige,
was sie selbst hatten, mit ihnen geteilt.
Manchmal hilft der Blick in die Ferne, um auch die eigene Situation zu verstehen. Das gilt
auch in Fragen des Glaubens und des Gemeindelebens: Wer Partnerschaft vor allem unter
dem Gesichtspunkt der Finanzen sieht, verfehlt den eigentlich Sinn dieses Unterfangens und
bringt sich um wichtige Erfahrungen. Gerade die trilaterale Begegnung hat uns das deutlich
gemacht: Auch in der Begegnung zu dritt sind wir die Reichen, aber die trilaterale
Begegnung macht die Fixierung auf die ökonomischen Fragen schwerer; man steht zu dritt –
bildlich gesprochen - nicht direkt gegenüber, sondern eher im Kreis. Man erfährt von dem
Reichtum der anderen und tauscht unterschiedliche Erfahrungen aus, was alle bereichert.
Wir haben auch die Bruchstellen gespürt und berührt: die Frage nach der Homosexualität
z.B. und dem Bibelverständnis. Aber es kann auch hilfreich sein, die eigene Position, die
zuhause schon lange Standard ist, noch einmal begründen zu müssen. Ohne Partnerschaft
wären wir alle ärmer.
Eine andere Partnerschaft hat mich in diesem Jahr sehr beschäftigt: die Städtepartnerschaft
zwischen Remscheid und Kırşehir. Als Vorsitzender des ehemaligen Runden Tisches
„Migration In Remscheid“ ist mir 2009 der Vorsitz im Freundschaftsverein RemscheidKırşehir zugefallen. Nach fünf Jahren intensiver Kontaktarbeit ist es in diesem Jahr
gelungen, beide Städte zur Aufnahme einer offiziellen Städtepartnerschaft zu bewegen. Im
Februar war ich mit einer Ratsdelegation aus Remscheid zur förmlichen Besiegelung der
Partnerschaft in Kırşehir, im August erfolgte der Gegenbesuch aus Kırşehir zum Tag der
Vereine in Remscheid. Im September schließlich haben wir vom Freundschaftsverein aus
eine 10-köpfige Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus Kırşehir 2 Wochen in
Remscheid begleitet.
In Kırşehir gibt es vermutlich keinen Christen. Insofern ist es eine völlig andere Form von
Partnerschaft als die zuvor beschriebene. Doch die Überwindung von Fremdenhass und
Angst vor Fremden setzt voraus, dass ich Fremde kennenlerne, ihre Kultur erlebe, ihre
Religiosität, ihre Heimat. Eine hohe Zahl von Menschen, die einst als Fremde nach
Remscheid kamen, haben Wurzeln in Kırşehir und Umgebung. Die Begegnung mit
Menschen in und aus Kırşehir macht uns offen und neugierig, den in Deutschland lebenden
Menschen mit türkischer Heimat zu begegnen. Das ist die Hoffnung und die tragende Kraft
dieser Partnerschaft, die ich als Christ und Pfarrer und Superintendent zu diesen Menschen
anderen Glaubens suche und pflege. Und ich würde mich freuen, auch bei dieser
Partnerschaft Menschen aus unseren Gemeinden an der Seite zu haben, die darin einen
Weg zur Versöhnung, Überwindung von Fremdheit und Erfahrungen mit Möglichkeiten und
Grenzen religiöser Toleranz sehen.
D) Reformationsjubiläum
Für die Feier des Reformationsjubiläums 2017 hat die Zukunftswerkstatt den Vorschlag
gemacht, die einzelnen Gaben, Interessen und Möglichkeiten der Gemeinden zusammen zu
bringen und eine gemeinsame Festwoche auf die Beine zu stellen. Dadurch werden Vielfalt
und Möglichkeiten erheblich erweitert und auch für die Öffentlichkeit könnte sich ein deutlich
erkennbares Zeichen ergeben. Die Woche kann uns als Gemeinden des Kirchenkreises
zusammenführen, wir können uns gemeinsam freuen an der Vielfalt der durch die
Reformation entstandenen Kirche und wir können einladen über die Grenzen unserer
Gemeinde hinaus, dass Menschen auch neu evangelische Kirche kennenlernen und
neugierig werden.
Wir fragen uns, ob die EKiR insgesamt und auch lokale Kirchengemeinden immer die
richtigen Signale in die Gesellschaft senden. Ihre Selbstanfragen und zu vorsichtige
evangelische Profilierung haben wir als Mangel empfunden. Die starke
sozialgesellschaftliche Prägung geht auf Kosten von Bekenntnis und der mystischen
Dimension der Kirche. (S.21)
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Jede Feier des Reformationsjubiläums trägt in sich die Aufforderung, über die weitere
Gestaltung von Kirche und Gemeinde nachzudenken. Man kann nicht Reformation feiern,
ohne sich ihrem Anspruch zu stellen. Was heißt Reformation heute? Welche Reformation
haben wir nötig? Gerade in den Jahren nach 2017 werden besondere Herausforderungen zu
gestalten sein: die große Pensionierungswelle im Pfarrdienst ab 2020 wird viele Fragen, die
wir heute noch theoretisch diskutieren, ganz konkret werden lassen; die unablässig sinkende
Zahl an Gemeindegliedern wird zwangsläufig auch ein Absinken der derzeit noch gut
eingehenden Kirchensteuern nach sich ziehen. Reformbedarf ist da keine Sache, die mit
einer Festwoche erledigt wäre.
Die EKiR ist eine Kirche, die über Ressourcen (Räume, Offenheit und Mittel) verfügt, so
dass sich die Glieder der Kirche um Arme und Fremde kümmern können. Wir nehmen
aber die Sorge wahr, in Zukunft mit weniger Personal auskommen zu müssen, ohne
dass die Arbeit weniger würde. Wir stellen fest, dass ihr das Schrumpfen Sorge macht
und dass auch das theologische Verständnis und die konfessionelle Identität nur selten
zur Sprache kommen. (S.5)
Wenn es um quantitatives Wachstum geht, sollte es nicht nur um die Zahl der
Kirchensteuerzahler gehen, sondern auch um die der Gottesdienstbesucher und aktiven
Gemeindeglieder, denn das spiegelt die Situation der Kirche besser wider.
Die theologische Rede der Kirche sollte stärker trinitarisch sein, d.h., sie sollte auch
wieder klarer und deutlicher von Jesus Christus und dem Wirken des Heiligen Geistes
sprechen. (S. 14)
Nach diesen thematischen Punkten würde ich gerne einen zweiten Teil anschließen mit
Gemeinde-Fragestellungen, die mich im vergangenen Jahr besonders beschäftigt haben:
E) Gesetzesfolgenabschätzung
Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich ein grundsätzlich höchste sinnvolles Unterfangen: alle
Gesetze oder Gesetzesänderungen, die durch die Landessynode beschlossen werden,
zielen auf eine Veränderung von Struktur, Organisation oder Verhalten im Sinne der
gewollten Gesetzgebung. Manche Gesetze haben erhebliche Auswirkungen, so dass man
gut daran tut, den hervorgerufenen Aufwand noch einmal gegen das angestrebte Ziel
abzuwägen. Wieder andere Gesetze haben so wenig bis gar keine Auswirkungen, dass man
sich im Grunde genommen die Mühe sparen kann. Darum hatte die Landessynode das
Landeskirchenamt gebeten, ein Verfahren zu entwickeln, um frühzeitig Folgen und
Auswirkungen eines Gesetzesentwurfes abzuschätzen: ein sinnvolles Verfahren, das durch
das
deutsche
Forschungsinstitut
fachlich
begleitet
wurde.
Als Probegesetz wählte das Landeskirchenamt die aktuellen Vorüberlegungen für ein Gesetz
zur Einhaltung von Tariftreue und Sozialstandards. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, in
welchem Umfang Gemeinden und kirchliche Einrichtungen Aufträge im Bereich
Dienstleistungen, Bau und Beschaffung vergeben. Das Gesetz könnte die Gemeinden dazu
verpflichten, nur mit solchen Partnern zusammen zu arbeiten, die sich zur Einhaltung der
Tariftreue und Sozialstandards verpflichten. Um einzuschätzen, in welchen Bereichen, bei
Geschäften welcher Größenordnung und in welchem Umfang sich ein entsprechendes
Gesetz auswirken würde, bat das Landeskirchenamt um Einsichtnahme in alle Mach-Konten
von Gemeinden, in denen Aufträge im Bereich Dienstleistungen, Bau und Beschaffung
gebucht waren. Diese Einsichtnahme geschah auf elektronischem Wege ohne jeden
Mehraufwand für die Betroffenen; nur bei einigen Freiwilligen wollte man gerne etwas
genauer nachfragen.
Für die einfache Einsichtnahme in die Daten der betroffenen Gemeinde erbat man die
Zustimmung der Gemeinden. Die jetzt eintretende Reaktion verweist meines Erachtens auf
ein schwieriges Problem innerhalb unseres gemeinsamen Kirche-Seins in dieser Region: In
großer Breite lehnten Gemeinden diese Anfrage ab. Einige befürchteten doch anfallende
Mehrarbeit, andere sahen den Sinn der Nachfrage nicht ein, einige sprachen ganz offen das
Misstrauen aus: Wer weiß, wozu die diese Daten nutzen. In einigen Gesprächen wurde die
Ablehnung ganz offen mit dem entstandenen Misstrauen aufgrund der Fehlleistungen im
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Rahmen von bbz oder NKF begründet. Es fanden sich dann irgendwie doch ausreichend
Beteiligte, aus unserem Kirchenkreis knapp die Hälfte der Gemeinden und der Kirchenkreis,
und das Ganze war innerhalb von vier Wochen vorüber.
Aber wohin soll das führen, wenn es wirklich mal ernst wird? Wir sind Kirche auf drei Ebenen
und jede Ebene hat ihren Auftrag an dem Ganzen. Es geht um die klassische Anwendung
des Bildes vom Leib mit den vielen Gliedern.
Damit wir gemeinsam aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen sind, ist ein
neuer Vertrauensvorschuss gegenüber allen Beteiligten nötig. Fehler passieren und kauzige
Typen gibt es hier und dort. Allerdings nehme ich gerade unter der neuen Kirchenleitung
eine Transparenz und Einbeziehung von allen Beteiligten wahr, wie man sie vorher
manchmal vermisst hat. Die Stimmung hat sich deutlich geändert, auch wenn das noch nicht
in alle Ämter vorgedrungen ist. Oft ist es hilfreich, zusammen nach Düsseldorf zu fahren und
persönlich die Angelegenheiten zu besprechen; nur selten befördert das die gegenteilige
Reaktion. Gerne sind wir als mittlere Ebene auch in der Gestaltung solcher vertrauensvollen
Zusammenarbeit unterstützend tätig.
F) Kirchen
Die Lutherkirchengemeinde hat nach langer Vorarbeit die Renovierung und teilweise auch
Sanierung ihrer Kirche in Angriff genommen. Die hohen Kosten von nahezu 3 Mio EUR
haben im Presbyterium und Bauausschuss zu sehr grundsätzlichen Fragen geführt.
Verschiedene Maßnahmen, die die Bausumme reduziert hätten, waren im Gespräch. Auch
ein Abriss der Turmspitz, ja letztlich sogar die Aufgabe der Kirche waren Gegenstand der
Diskussion. Schließlich liegt ein Steinwurf entfernt das große Gemeindehaus, das auch als
Gottesdienstort durchaus infrage käme.
Durch eine große, solidarische Aktion aller Beteiligten (Gemeinde, Gesamtverband,
Kirchenkreis, Denkmalschutz, Unterstützung von Stadt und Land) kam schließlich ein
Konzept zustande, das die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen ermöglichte und
dem Presbyterium die Entscheidung erleichterte.
Ob die Kirche jetzt und in Zukunft solche Kirchen wie die Lutherkirche braucht, ist damit
grundsätzlich nicht beantwortet. Die ökumenischen Visitatoren schrieben der EKiR ins
Aufgabenbuch:
„Die Kirche sollte mehr darüber nachdenken, wie sie strukturellen Ballast abwerfen und
mit „leichtem Gepäck“ weitergehen kann. ….. Die Investition in Gebäude sollte
dahingehend zielen, dass die Räumlichkeiten und ihre Nutzung zur missionarischen
Offenheit beitragen.“ (S. 14 / 15)
Einerseits glaube ich, dass wir eine begrenzte, aber nicht verschwindende Zahl von
erkennbaren Kirchengebäuden brauchen. Die nach vorn, auf die Schrift konzentrierte Halle,
der nach oben weisende Glocken- Turm, aufstrebende Pfeiler, vielleicht Fenster mit einer
farbigen Glasbotschaft gehören zu der Architektur, die zu unterstreichen vermag, wofür wir
stehen, wenn das alles nicht zu aufwändig, nicht zu groß, nicht abstoßend prunkvoll oder
überreich ausgestattet ist. Sonst tritt genau das Gegenteil ein und das Gebäude widerspricht
der Botschaft, um die es hier geht. An jedem Ort sollten wir bald zu überlegen beginnen, ob
wir hier ein entsprechendes Kirchengebäude brauchen und wollen und es angemessen ist.
„Missionarische Offenheit“ setzt voraus, dass die Kirchen dort stehen, wo Menschen sind
oder hingehen. Nur solche Kirchen sollten wir uns erlauben, die wir mit Leben füllen können,
und zwar so, dass möglichst kein Eintretender ohne die Möglichkeit eines Kontaktes oder
Zuspruches bleibt.
G) Pfarrstellen
Während die Zahl der Pfarrstellen im Kirchenkreis langsam und vorsichtig zurückgeht, hat
die Kirchengemeinde Rade luth. eine schon aufgegebene Pfarrstelle wiederbelebt,
zumindest zu 75%, - nach viel Rechnen und nicht ohne Sorgen, letztlich aber um der
Gemeinde willen. Die Anzahl der Gemeindeglieder macht das notwendig und möglich, auch
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im Rahmen der kreiskirchlichen Pfarrstellenplanung, - zumindest für eine befristete Zeit.
Vorausgegangen waren schwierige Jahre, trotz eines durchdachten Konzeptes für die
Sicherung des pastoralen Dienstes. Die Erkrankung beider Pfarrstelleninhaber hatte sicher
nicht nur eine Ursache, aber eine dauerhaft hohe Belastung trägt natürlich dazu bei, wenn
Menschen krank werden.
Insgesamt haben wir im Rahmen der Pfarrstellenplanung deutlich dazugelernt. Die
anfängliche Zielsetzung hin zu vorgegebenen Kontingentierungen ist in ein anderes Licht
gerückt: In naher Zukunft werden wir nur noch Pfarrstellen besetzen und besetzen können,
für die wir Bewerber oder Bewerberinnen gewinnen können. 75%- Lösungen werden dabei
eher schwierig, weil sie oft doch noch unter dem Anspruch an 100% gesehen werden. Da
sind wahrscheinlich 50% Stellen die realistischere Möglichkeit.
Wir werden es uns auch kaum noch erlauben können, Pfarrerinnen und Pfarrer, die 100%
arbeiten möchten, auf 75% zu beschäftigen, weil wir jeden verfügbaren Prozentsatz an
Pfarrdienst brauchen.
Wahrscheinlich ist also, dass wir uns wieder verstärkt um die Einrichtung von 100% Stellen
bemühen müssen, - alternativ vielleicht 50% Stellen -, und dass wir sorgfältig darauf achten
müssen, dass das selten werdende Gut Pfarrdienst dann auch auf eine genügende Anzahl
Gemeindeglieder aufgeteilt wird.
Bei der Frage nach dem „Wie“ der Umsetzung lassen uns Rückmeldungen auf die
Zusammenlegungen und Bildung von Großpfarreien in der katholischen Kirche gewarnt sein.
Das Ziel müsste es sein, überschaubare und lebbare Gemeindegrößen zu bilden, bei
gleichzeitiger Teilung der Zuständigkeit von Pfarrerinnen und Pfarrern.
Die Frage nach dem Pfarrbild wird m.E. mit der Diskussion über mögliche (Jahres)Arbeitszeiten nicht beantwortet. Was denn das Wesentliche sei, das ein Pfarrer oder eine
Pfarrerin in einer Gemeinde tun soll, ist vielleicht doch nicht in jeder Gemeinde so
unterschiedlich. Natürlich ist das Gespräch und die Einigung darüber das entscheidende
Ziel, aber auf dem Weg dorthin brauchen Pfarrer, Pfarrerin und Presbyterium inhaltliche
Hinweise, Beispiele und Rahmenbedingungen, damit es nicht nur um Zahlenspiele geht.
Wir haben die Frage nach dem Profil des Pfarramtes so wahrgenommen, dass sie
zentral ist für die EKiR. Dies ist vielfach jedoch nicht bewusst und wird selten offen
diskutiert. Das Pfarramt wirkt auf den ersten Blick stabil. Im Hintergrund aber gibt es
viele Veränderungen, Unklarheiten und Fragen. …
Die Aussage, dass jede Pfarrerin und jeder Pfarrer ein eigenes Pfarrbild hat, wirkt
zunächst sympathisch im Blick auf eine Freiheit in der Amtsausübung. Es wird aber
schwierig, wenn darin kein gemeinsamer Nenner mehr erkennbar ist. Damit werden auch
die besondere Stellung und die Zuordnung zu anderen Berufsgruppen in der Gemeinde
schwierig. …
Wir fragen, ob das Pfarrbild nicht eher aus biblischen Vorstellungen heraus entwickelt
werden müsste als aus gesellschaftlichen Begriffen und strukturtechnischen
Notwendigkeiten. (S. 7/8)
H) Entwidmungen
An zwei Entwidmungen war ich in diesem Jahr beteiligt: das Gemeindehaus Sonne der Ev.
Kirchengemeinde Dhünn und die Melanchthonkirche der Lutherkirchengemeinde im Siepen.
Beides waren bewegende Gottesdienste und Abschiede. Mir wurde deutlich, wie für viele
Menschen der Abschied von einer Kirche Anklänge an menschliche Abschiede und das
Ende von Beziehungen hat. Erinnerungen stehen im Raum an Ereignisse, die sich in dieser
Kirche vollzogen; Beziehungen, spirituelle Erfahrungen, Knotenpunkte im Leben der Familie:
es scheint fast, als würden diese Erinnerungen durch die Aufgabe der Kirche erschwert oder
sogar durchgestrichen. Häufig betrifft das auch Menschen, deren Beziehung zu dieser Kirche
ansonsten ehr sporadisch sind.
Wichtig ist daher die einfühlsame und seelsorgliche Begleitung solcher Maßnahmen.
Gleichzeitig wird mir aber auch deutlich, dass unser Tun und Reden in den Kirchen viele
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Menschen doch auf einer Ebene erreicht, die weit über das Maß des Alltäglichen
hinausgehen. Wenn Abschiede von diesen Erinnerungen so existentiell erlebt werden und
Betroffenheit auslösen, muss dort sehr viel mehr passiert sein, als uns bewusst gewesen ist.
Die ökumenischen Visitatoren weisen darauf hin, dass neben die Abschiede auch Aufbrüche
treten müssen:
Wo ist im Pfarralltag der Blick auf Neues und Zeit dafür? Die EKiR versucht, mit viel
Aufwand eine überkommene Gemeindestruktur aufrecht zu erhalten. Wenn aber die
Struktur den Zweck nicht erfüllt, müsste sie dann nicht geändert werden (gemeint ist
mehr als eine bloße Anpassung an sinkende Zahlen)? ….Wo wird neben dem Anpassen
innerhalb der bestehenden Strukturen an deren Veränderung, an zukunftsweisenden
Aufbrüchen und an neuen Formen von Kirche-Sein und Evangeliumsverkündigung
gearbeitet? Wo werden Projekte wie „ im Aufbruch“ konkret? Wo und wie nimmt die
Kirche heutige Aufbrüche außerhalb der Kirche wahr?
Der fremde Blick von außen will uns helfen und ermutigen, unser Kirche-Sein zu gestalten.
Die vielen Worte der Wertschätzung und Dankbarkeit in diesem Bericht sind vielleicht hier
etwas zu kurz gekommen. Aber auch den kritischen und aufrufenden Worten ist
anzumerken, dass sie von innerer Verbundenheit und einer großen Hoffnung auch für
unsere Kirche getragen sind.
Diese Hoffnung für unsere Kirche auch angesichts von Veränderungen und
Herausforderungen möge uns gemeinsam tragen und ermutigen auch bei den nächsten
Schritten, die zu tun sind.
13.11.2015
Hartmut Demski, Superintendent
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