Bericht des Superintendenten - Evangelische Kirche im Rheinland

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Bericht des Superintendenten
zur Kreissynode am 9. / 10. November 2007
Hohe Synode,
liebe Schwestern und Brüder !
Begonnen wurde das Jahr vielerorts mit einer Besinnung auf die Jahreslosung:
Gott spricht: Ich will ein Neues schaffen. Schon wächst es auf. Erkennt ihr`s denn nicht?
(Jes. 43,19)
Es ist ja das eigentlich Aufregende und Wegweisende an diesem Wort, dass der Prophet es
in einer Zeit der Bedrückung und der äußeren Not spricht. Er sieht da etwas wachsen und
entstehen, wo es vielen anderen noch verborgen ist. Er weiß Gott am Werke, wo
vordergründig betrachtet andere Mächte und Gewalten die Richtung bestimmen.
“Schon wächst es auf. Erkennt ihr`s denn nicht“ ist also eine Einladung zum Glauben; zum
Vertrauen darauf, dass Gott sein Volk nicht aufgibt und, manchmal auch in großer
Verborgenheit, schon die Wege vorbereitet, die er es führen will. Fast meint man eine
gewisse Ungeduld oder Fassungslosigkeit des Propheten mitzuhören: wie kann es denn
sein, dass ihr das nicht seht?
Blicken wir heute auf Entwicklungen und Vorgänge in Kirche und Gemeinde innerhalb des
vergangenen Jahres zurück, ergibt sich kein einheitliches Bild. Was wächst dort heran?
Welche Zukunft von Kirche und Gemeinde ist dort schon im Werden?
Die Frage verschärft sich noch in dem Moment, wo wir erkennen, dass wir in dem Prozess
des Werdens von Kirche und Gemeinde nicht Unbeteiligte sind. Wo ereignet sich in unserem
Tun und Planen wirklich jenes Vorbereiten und Planen Gottes – und wo stehen wir ihm mit
unserem Tun eher im Wege?
Die Zusage des Propheten will ja gerade nicht zu abwartender Untätigkeit oder Passivität
verleiten, sondern zu einem vertrauensvollen Handeln und Einstimmen in das Tun Gottes.
Versuchen wir also zu erkennen, was da wächst und was unser Beitrag dazu sein könnte.
1.Wir sind Kirche
Einer der meist diskutierten Sätze im Leitbild des Kirchenkreises war die Feststellung: Der
Kirchenkreis ist Kirche. Im Widerstand gegen diesen Satz sprach sich damals die Sorge aus,
der Kirchenkreis würde hier in den Auftrag der Gemeinden hineingreifen und sich als eine Art
Überkirche aufbauen wollen. Verständlicher wird der Satz, wenn man sich mögliche
Alternativen überlegt. Hätten wir wirklich besser damit leben können zu sagen: Der
Kirchenkreis ist Verwaltungsebene. Oder: Der Kirchenkreis ist Dienstleistungsbetrieb.
Gewiss ist er das auch; aber das Entscheidende ist damit doch noch nicht getroffen. Die
Aufgabe des Kirchenkreises ist nicht allein in betriebswirtschaftlichen oder
verwaltungstechnischen Kategorien zu beschreiben. In erster Linie ist der Kirchenkreis
Kirche und partizipiert an dem der Kirche gegebenen Auftrag. „Das Evangelium auszurichten
allem Volk“ (Barmen V): daran orientiert sich das Handeln der Menschen, die im Kirchenkreis
Dienst tun; darauf ist alles Tun des Kirchenkreises auszurichten.
Wenn wir also fragen, wohin dieser Kirchenkreis wachsen und sich entwickeln will, dann
müssen wir von diesem Kriterium ausgehen: Was dient der Erfüllung dieses Auftrages? Was
hilft uns, bestehende Beschränkungen auf Milieus und Zielgruppen zu überschreiten? Wie
lernen wir es, unser Zeugnis des Evangeliums elementarer, eindeutiger und zugänglicher zu
machen? Zu welchem Handeln und Eintreten werden wir befreit im Dienste dieses Auftrags?
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Wir sind Kirche: Das ist gerade kein Machtanspruch, der sich gegen irgendjemanden richten
würde oder den anderen, die wie wir Kirche sind, etwas wegnehmen würde. Das ist Auftrag
und Anspruch: Kirchenkreis soll Kirche sein und muss es immer wieder werden.
Wenn wir also zu erkennen suchen, was da wächst, werden wir zuerst zu fragen haben, ob
wir uns denn unter diesen Anspruch gestellt haben und allen anderen Versuchungen zum
Trotz Kirche geblieben sind.
Ich will einige Beispiele nennen, an denen für mich das Kirche-Sein des Kirchenkreises
spürbar wurde:
An einem lauen Juniabend dieses Jahres trafen sich in Wermelskirchen Chöre aus vielen
Gemeinden des Kirchenkreises zum gemeinsamen Musizieren. Anlass war ein
Chorjubiläum, aber weit über diesen Anlass hinaus war es ein kreiskirchliches Fest der
Kirchenmusik in ihren unterschiedlichsten Variationen, ein fröhliches und gelebtes Zeugnis
gemeinsames Glaubens. Dieses gegenseitige Wahrnehmen und Wiedererkennen, dieses
plötzliche Erstaunen: „Ach, Sie auch hier; na klar, seit zwei Jahren, Tenor“, war nicht nur
eine gute Erfahrung für die Beteiligten, sondern auch eine Einladung für Unentschlossene.
Ein anderes Beispiel: Im Vorfeld des Kirchentages kam es durch das Zusammenwirken der
Kirchengemeinde Hilgen-Neuenhaus, der Lutherkirchengemeinde und des synodalen
Jugendreferates zu einer Begegnungsfreizeit zwischen Jugendlichen der beteiligten
Gemeinden und Jugendlichen aus Brasilien und Tschechien. Auf der letzten Synode haben
sie sich vorgestellt, am Abend der Begegnung in Köln waren sie mit einem eigenen Stand
präsent. Durch das Zusammenwirken der beteiligten Partner entstand für die Jugendlichen
ein eindrucksvolles Erlebnis und eine Erfahrung von Kirche, die grenzüberschreitend
Menschen zusammenführt.
Ein drittes Beispiel möchte ich anführen: Der Kirchenkreis als Kirche feiert Gottesdienste. In
einem Kirchenkreis-Gottesdienst haben wir im Frühjahr den Prädikanten Rüdiger Funk in
seinen Dienst an der Jugendarrestanstalt in Lüttringhausen eingeführt. Es war einer dieser
seltenen Gottesdienste, in die man nur nach Vorlage des Personalausweises Einlass erhält.
Vielleicht waren wir ein Dutzend Leute aus dem Kirchenkreis, die an diesem Morgen mit den
Jugendlichen im Knast Gottesdienst feierten. Es hätten mehr sein können. Aber auch so war
es ein sichtbares Zeichen: die Kirche feiert Gottesdienst im Knast, weil wir diesen Auftrag
haben, das Evangelium auszurichten allem Volk.
Man könnte weitere Beispiel anfügen: die Gottesdienste im Grünen in Schloss Burg, die AntiGewalt-Woche mit der Vielzahl der Mitwirkenden und Beteiligten, den Gottesdienst mit der
Feuerwehr beim NFS-Jubiläum, den synodalen Jugendtag. Was sind wir, wenn nicht Kirche?
Natürlich gab es auch Enttäuschungen, Rückschläge: Zu Pfingsten hatte der
Vorbereitungskreis etwas Schönes geplant, eine Einladung an alle Gemeinden, das
symbolische Zusammenströmen in der Wasseraktion. Im Vorfeld des Kirchentages hatten
wir gemeinsam mit chrismon zwei inhaltliche Veranstaltungen mit Podiumsdiskussion
vorgesehen. Vielleicht war es zuviel, die Chance nicht deutlich genug beschrieben, das
kennen wir alle.
Mit den Gemeinden teilen wir nicht nur das finanzielle Auf und Ab; sorgenvoll schauen wir
auf die Entwicklung der Anzahl der Gemeindeglieder. Für den Kirchenkreis entscheidet sich
daran z.B. die Anzahl der zugewiesenen m.b.A.-Stellen. Im Blick auf die letzten 5 Jahre
gehört Lennep zu den rheinischen Kirchenkreisen, die am meisten Gemeindeglieder verloren
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haben. Schwerpunktmäßig hat das demographische Ursachen, aber es zeigt auch die
Aufgaben, die vor uns liegen, wenn unser Auftrag der kirchliche Auftrag insgesamt ist: Das
Evangelium auszurichten allem Volk.
2. Wir sind gemeinsam Kirche
Wohin entwickeln sich Kirche und Gemeinde?, haben wir am Anfang gefragt. An keinem
anderen Punkt wird das derzeit so kontrovers diskutiert wie in der Frage nach den zentralen
und dezentralen Formen von Kirche-Sein.
Es ist ein wichtiger Teil des geschichtlichen Erbes unserer rheinischen Kirche, dass die
Bedeutung der Einzelgemeinde, ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit einen hohen
Stellenwert haben. Im Idealbild schart sich eine zahlenmäßig überschaubare Gemeinde um
Kirche und Gemeindehaus, hat ihren Pfarrer/ihre Pfarrerin, möglichst im Pfarrhaus wohnend,
und verwaltet ihre auskömmlichen Finanzen unabhängig. Zweifellos hat dieses Bild seinen
eigenen Charme. Einer Gemeinde bieten sich in dieser Konstellation gute Möglichkeiten.
Über mehrere Jahrzehnte hat daher dieses Bild von Gemeinde unser kirchliches Dasein
geprägt.
Sicher darf man es aber auch nicht verklären. In den letzten 25 Jahren hat die Kirche sich
über reichlich fließende Mittel und eine umfangreiche Ausstattung an Gebäude und Personal
freuen können. Dadurch wurde diese intensive Form von Gemeindearbeit und manchmal
auch Gemeindebetreuung ermöglicht. Doch gerade in diese Zeit fällt auch die schleichende
Erosion in der Teilnahme und der einschneidende Traditionsabbruch in der Weitergabe des
Evangeliums. Die gute finanzielle Ausstattung und die dadurch geförderte intensive
Gemeindebetreuung führen allein offenbar nicht zum Ziel.
In unserem Kirchenkreis ist dieses Bild von Gemeinde auch im Vergleich zu anderen
Kirchenkreisen nach wie vor stark ausgeprägt. Erst ansatzweise gibt es Formen
übergemeindlicher Zusammenarbeit, in Remscheid auf Grund der früheren
Zusammengehörigkeit der Gemeinden stärker als in den anderen Gemeinden. Einen
Fortschritt stellt sicher schon die derzeit favorisierte Regionalisierung im Kirchenkreis dar,
wobei vier voll ausgebaute kirchliche Verwaltungsämter, dazu die Kirchenkreisverwaltung, in
diesem überschaubaren Bereich kaum zu vertreten sind. Im Kindergartenbereich gibt es
erste Überlegungen zur Überwindung der Insellösungen, die gerade angesichts des neuen
Kinderbildungsgesetzes erhebliche Probleme aufwerfen. Bei den Pfarrstellen wird es durch
die auf Kirchenkreisebene angesiedelte Aufgabe der Personalplanung notwendig zu einer
stärkeren Zusammenarbeit kommen: dass Gemeinden sich Pfarrerinnen und Pfarrer teilen,
Funktions- und Gemeindepfarrstellen ineinander greifen und das „knappe Gut Pfarrstellen“
innerhalb des Kirchenkreises sehr sorgfältig zu- und aufgeteilt werden muss, sind
notwendige Konsequenzen.
Auch im Blick auf die kirchenkreisinterne Kirchensteuerverteilung gehört Lennep zu den
Kirchenkreisen, in denen die Höhe des Kirchensteueraufkommens in der einzelnen
Gemeinde stark von Wohlstand oder Armut ihrer Gemeindeglieder abhängt. Bei der
geplanten Umstellung des Finanzausgleichsgesetz und der Verteilsystematik werden in den
meisten Kirchenkreisen die Gemeinden überhaupt nicht oder alle gleichmäßig betroffen sein.
Aufgrund der Verteilsystematik des übersynodalen Finanzausgleichs in unserem
Kirchenkreis kommt es bei uns zu unverhältnismäßig hohen Mehr- und Mindereinnahmen
einzelner Gemeinden. Unser innersynodaler Finanzausgleich kommt da als ausgleichendes
Instrument nicht zum Zuge; die Frage nach wirklicher Solidarität von armen und reichen
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Gemeinden ist damit nicht beantwortet. Der KSV wird sich mit dieser Problematik nach
Vorliegen des tatsächlichen Kirchensteueraufkommens 2007 beschäftigen und nach
Lösungen suchen.
Wir sind gemeinsam Kirche, und in dieser Gemeinsamkeit liegen viele Möglichkeiten, die wir
noch nicht entdeckt haben.
3. Wir sind Kirche in Strukturen
Die Kirche ist immer auch Kind ihrer Zeit. Sie ist Organisation und gehorcht den
Entwicklungsgesetzen von Organisationen. Darum haben wir die Aufgabe, nach den der
Kirche und ihrem Auftrag jeweils angemessenen Formen und Strukturen zu suchen.
Als Ergebnis des Leitbildprozesses hat sich unser Kirchenkreis im Jahre 1998 eine
differenzierte Struktur gegeben, die auf den Grundsätzen der Delegation von
Entscheidungskompetenz und eigenverantwortlichen Entscheidungen in überschaubaren
Bereichen beruht. Die Wahrnehmung der kreiskirchlichen Dienste wurde vier Abteilungen
zugewiesen, die jeweils von Fachausschüssen geleitet werden. Diese Konstruktion hat ein
hohes Engagement und lebhafte Aktivitäten in den Abteilungen freigesetzt. Gleichzeitig ist es
bisher gelungen, die Einnahmerückgänge aufzufangen, ohne erhebliche Einschnitte in den
Diensten hinnehmen zu müssen.
Im vergangenen Jahr hat der KSV in einem intensiven Beratungsprozess mit Begleitung
durch die Gemeindeberatung der EKiR (GO) die Ergebnisse des Leitbildprozesses und die
daraus entstandene Struktur des Kirchenkreises ausgewertet. Die Ergebnisse liegen der
Synode zur Beratung vor. Der KSV hat unter hoher zeitlicher Belastung einen äußerst
schwierigen, zum Teil sehr kontroversen Beratungsprozess durchgeführt und mit der jetzt
vorliegenden Beschlussvorlage zum Abschluss gebracht.
Zu der Struktur unseres Kirchenkreises gehört die dem KSV zugeordnete Verwaltung. Ich
sagte, dass Kirchenkreis nicht nur und auch nicht vor allem Verwaltungsebene sei. Ein
Kirchenkreis als Verwaltungs- und Aufsichtsebene enthält keine Einladung zum Mitmachen.
Da heißt es eher: nicht schlecht auffallen, nicht anecken, sich keinen Rüffel einfangen. So
hat ein Kirchenkreis keine Zukunft. Ein Kirchenkreis muss einladen zum Mitmachen,
Zusammenarbeit fördern und Verknüpfungen schaffen. Dazu hilft uns auch die Verwaltung,
und soweit ich das einschätzen kann, tut sie das gut. In Zusammenarbeit mit der Abteilung
Diakonie wurden unter fachkundiger Anleitung Schnittstellen und Prozesse gesichtet und
verbessert. Neben sorgfältiger Arbeit und guter Kenntnis der Bestimmungen gibt es da
immer die Bereitschaft, auch noch möglich zu machen, was so eben noch geht.
Die Verwaltung tut das in einem bescheidenen Rahmen: Das Rechnungsergebnis 2006
weist aus, dass die Überschüsse in den Abteilungen auch dadurch entstanden sind, dass die
Kosten für die Verwaltung deutlich niedriger ausfielen als erwartet. Ich hoffe, dass das auch
weiterhin so möglich ist.
4. Wir sind Kirche im ökumenischen Kontext.
Im Juli hat die Glaubenskongregation des Vatikan ein Papier veröffentlicht, in dem wieder
einmal den protestantischen Kirchen bestritten wird, „Kirche im eigentlichen Sinne“ zu sein.
Den aus der Reformation hervorgegangenen christlichen Gemeinschaften könne nach
katholischem Verständnis kein Kirchenstatus zuerkannt werden, heißt es in dem Dokument.
Grund sei die fehlende "apostolische Sukzession im Weihesakrament". Ohne sakramentales
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Priestertum gebe es jedoch keine "vollständige Wirklichkeit des eucharistischen
Mysteriums", so das Papier. Da die Orthodoxen im Unterschied zu den Protestanten "trotz
ihrer Trennung wahre Sakramente besitzen", seien sie als Kirchen anzuerkennen.
So sieht man das von Rom aus seit 490 Jahren. Längst gibt es Absprachen über
Formulierungen, die die Unterschiede nicht verschweigen, aber das Gemeinsame betonen.
Dass es jetzt erneut so gesagt wird, kann nur noch ein ratloses Achselzucken hervorrufen.
Im Dialog der Kirchen, z.B. auf europäischer Ebene, ist das allerdings nicht unproblematisch.
Im Sommer fand eine Vollversammlung der GEKE (Gemeinschaft ev. Kirchen in Europa) in
Sibiu, Hermannsstadt in Rumänien statt. Unsere Vertreter auf dieser Versammlung
beschreiben die schwieriger werdende protestantische Position im Gespräch mit der
römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen. Gerade bei der Frage nach dem
Kirchenverständnis finden sich Katholiken und Orthodoxe relativ nah beieinander in der
Betonung des Charakters der Kirche und ihrer Aufgabe als Hüterin der Tradition. Unser
protestantisches Kirchenverständnis richtet sich weniger auf die Institution Kirche und ihre
Tradition, sondern geht davon aus, dass Kirche sich ereignet, dadurch dass Christus jeweils
neu gegenwärtig wird in Wort und Sakrament. Das muss nicht unbedingt ein Widerspruch
sein, markiert aber deutlich unterschiedliche Perspektiven.
Innerhalb der rheinischen Kirche ist die Betroffenheit unterschiedlich. Vor allem in
überwiegend katholischen Gebieten haben evangelische Gemeinden und deren Vertreter
das Gefühl, dass man sie die in solchen Formulierungen mitschwingende Mißachtung
durchaus spüren lässt: Ihr seid doch gar nicht richtig Kirche. Es ist immer die Gefahr der
Mehrheit, herablassend und arrogant zu werden und die Anliegen der Minderheit zu
übersehen. Wir sollten diese Gefahr dort, wo wir als Protestanten die Mehrheit stellen, auch
im Blick auf unser Verhalten deutlich wahrnehmen.
Erfreulich nehmen wir wahr, wie innerhalb der katholischen Kirche auch von leitender Seite
(Lehmann, Mussinghoff, Kaspar) die schroffen Töne aus Rom deutlich relativiert werden.
Dass die ökumenischen Beziehungen auch auf Ebene der Ortsgemeinden von dieser
Situation nicht unberührt bleiben, zeigten die Ereignisse um das ökumenische Gemeindefest
der Remscheider Citykirchen. Seit Jahren beginnen die Stadtkirche und St.Suitbertus ihr
ökumenisches Gemeindefest mit einem Gottesdienst am Sonntagmorgen. Mit Rücksicht auf
das katholische Messverständnis wird von St. Suitbertus vor dem ök. Gottesdienst eine
eigene Messfeier angeboten. Trotzdem wurde der ök. Gottesdienst am Sonntagmorgen vom
Bistum verboten, schließlich zum letzten Mal für dieses Jahr noch zugestanden. Von den
Beteiligten wurde diese kleinliche Vorgehensweise mit Enttäuschung und Verbitterung
aufgenommen. Dieser Rückzug auf die Richtlinien, andernorts seit Jahren so üblich,
bedeutet für Remscheid einen deutlichen Rückschritt; das Verbot eines gemeinsamen
Gottesdienstes ein schwer hinnehmbares Vorgehen. In einem gemeinsamen Pfarrkonvent
haben wir versucht, den katholischen Seelsorgern und Seelsorgerinnen den Rücken zu
stärken und beschlossen, nun um so intensiver die bestehenden Möglichkeiten der
Gestaltung von Ökumene wahrzunehmen.
5. Wir sind Kirche: Kirchliche Trauerarbeit
Es gehört zu den elementaren Aufgaben der Kirche, trauernden Menschen Trost zu
zusprechen und gerade angesichts des Todes nicht zu verstummen. Dieses war auch das
Anliegen des „Kirchlichen Trauerhauses Emmaus“. Aus verschiedenen Gründen, die bereits
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dargelegt wurden, ist dieses Projekt im Kirchenkreis gescheitert. Im vergangenen Jahr wurde
das Projekt nun auch formal beendet: Die „Trauerhaus Emmaus gGmbH“ wurde aufgelöst
und wird im Februar 2008 aus dem Handelsregister gelöscht. Die Schlußbilanz für das Jahr
2006 liegt vor; es verbleiben ungedeckte Forderungen des Kirchenkreises in Höhe von ca.
4000 EUR. Aus dem aufgebrauchten Darlehen der Landeskirche in Höhe von 120.000 EUR
und der aufgebrauchten Gesellschaftereinlage in Höhe von 25.000 EUR ergibt sich
gemeinsam mit dieser Restforderung der Gesamtverlust. Inzwischen versuchen andernorts
unter z.T. anderen Bedingungen kirchliche Körperschaften im Bestattungswesen kirchliche
Akzente einzubringen. Insgesamt unterliegt das gesamte Bestattungswesen z.Zt. einem
starken Veränderungsdruck mit vielen Erscheinungsformen, die uns als Kirche bedenklich
stimmen.
Die Emmaus oHG, die seit Januar 2005 den Geschäftsbetrieb weitergeführt hat, hat im
Sommer dieses Jahres den Besitzer gewechselt und wird als Emmaus ltd. von dem Bestatter
Thomas Loch; Lennep, weitergeführt. Vertragliche Bindungen an den Kirchenkreis bestehen
derzeit nicht.
6. Wir sind Kirche am Runden Tisch
Dieser Runde Tisch ist mehr als ein Möbelstück: Er ist ein Symbol für den Versuch der
Verständigung. Am runden Tisch schaut man sich an und redet auf Augenhöhe miteinander.
Gesprächspartner des Kirchenkreises am „Runden Tisch Migration“ sind neben Vertretern
der Stadt Remscheid, der Parteien und einiger Einrichtungen vor allem die Vertreter der
muslimischen Verbände und Moscheegemeinden in Remscheid, Lennep und
Lüttringhausen. In diesem Jahr haben wir die Fachtagung „Frauen in der Migration“ vom
Runden Tisch aus mitvorbereitet, das Thema „Friedenspotentiale in den Religionen“
bedacht, über die Städtebausituation am Honsberg und das Thema „Wohnen“ diskutiert
sowie gemeinsam das Iftar-Essen im Ramadan begangen. Zum Martinstag haben wir die
Geschichte von Martin erzählt und Weckmänner verteilt.
Die Gespräche zwischen Muslimen und Christen sind in diesem Jahr nicht einfacher
geworden. Anfangs standen theologische Überlegungen im Mittelpunkt und die gemeinsame
Berufung auf die Abrahamskindschaft. Manche Synodale werden sich an einen
entsprechenden Vortrag von Prof. Klappert in unserer Synode erinnern. Nach der
Handreichung „Zusammenleben mit Muslimen“ (2000) hat die EKD nun eine Handreichung
unter dem Titel “Klarheit und gute Nachbarschaft“ (2006) veröffentlicht, die von manchen
christlichen Kritikern als abgrenzend und bevormundend wahrgenommen wird. Stärker als in
der ersten Handreichung beschreibt die Schrift von 2006 Integration als Aufforderung und
Anforderung an die Migranten. Die Verpflichtung auf das Grundgesetz dürfe nicht nur in
offiziellen Redebeiträgen bejaht werden, sondern müsse sich in konkreten Handlungen,
bürgerschaftlichem Engagement und Abgrenzung von gewaltbereiten Gruppen
dokumentieren. Notwendige Grenzziehungen z.B. beim Gebet und gottesdienstlichen Feiern
werden beschrieben. Diese Klärungen erscheinen mir verständlich nach dem Überschwang
zurückliegender Jahre.
Insgesamt gibt es schwierige Reflexe: Bischöfin Käsmann spricht zum Reformationstag
davon, dass der Islam auch eine Reformation nötig habe. Die Sprecherin eines
muslimischen Verbandes verwahrt sich gegen die Belehrung. Präses Schneider äußert sich
in einem Interview zu den Moscheebauplänen in Köln: „Diese Architektur ist schon sehr
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triumphierend angelegt“. Man könnte sie sich auch anders vorstellen. Zurückgenommener,
nicht so imperial. Ditib erwidert, Schneider reihe sich mit seiner martialischen Wortwahl in die
Reihe der Kritiker ein, die polemisierten und desinformierten.
In diesem Zusammenhang wird manchmal von deutscher Seite aus auch nach der
rechtlichen Situation christlicher Gemeinden in der Türkei gefragt: dort gibt es zwar eine
individuelle Religionsfreiheit, aber z.B. für die Kirchen und Gemeinden keinerlei institutionelle
Rechte (Bankgeschäfte, Eigentumserwerb) und im Detail eine Vielzahl an Einschränkungen
und Unfreiheit. Das ist beklagenswert und darf nicht verschwiegen werden, kann aber keine
Handlungsanweisung für unser Verhalten sein.
Zum Ende des Ramadan habe ich gemeinsam mit dem katholischen Stadtdechanten und
unserem Islambeauftragten Jochen Robra den Moscheevereinen ein Grußwort zukommen
lassen. Dieses schloss mit dem Satz: Wir wünschen Ihnen Gottes Segen für Ihren hohen
Feiertag. Kann man das so sagen, wurde ich von verschiedener Seite gefragt: Menschen einer
anderen Religion in der Ausübung dieser Religion den Segen Gottes wünschen? Ich erlebe den
ernsthaften Glauben vieler unserer muslimischer Gesprächspartner. Das ist nicht
selbstverständlich: Die muslimischen Gemeinden besonders in Deutschland haben mit
erheblichen Traditionsabbrüchen zu tun und kommen an ihre jungen Leute immer schwerer
heran. Wir haben ganz sicher sehr unterschiedliche Vorstellungen und Bilder von Gott. Die wollen
wir nicht verschweigen und wir wollen auch sagen dürfen, was uns befremdet und
Schwierigkeiten macht in der Wahrnehmung des Islam. Wir müssen auch hören, dass Lebensstil
und Moralvorstellungen vieler Christen die Muslime irritiert. Ich hoffe, dass wir über unseren
Glauben noch stärker ins Gespräch kommen können als es bisher geschehen ist. Im Gespräch
miteinander ist das oft noch anders als in den allgemeinen Diskussionen über Christentum und
Islam. Und vielleicht gelingt es, Verständnis zu wecken und Annäherungen zu erreichen.
Einstweilen wünsche ich unseern muslimischen Gesprächspartnern, dass sie in ihrem Glauben
den Segen Gottes erfahren. Und da bin ich mir ziemlich gewiss, dass Gott seinen Segen weiter
streut als in den Grenzen, die wir ziehen.
7. Ausblicke
Ausgehend von den Entwicklungen dieses Jahres scheinen mir folgende Fragestellungen für
das kommende Jahr vorrangig zu sein:
a) Für die Entwicklung des Kirchenkreises ist die Frage nach dem zukünftigen Standort des
Kirchenkreises und der Zusammenarbeit mit der Verwaltung des Gesamtverbandes sauber
abzuklären und zu entscheiden. Sowohl inhaltlich-konzeptionell als auch finanziell ist die
Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung. Überlegungen zur Umsetzung
des Raumbedarfs sind der Synode bereits vorgestellt worden. Unter Begleitung eines
externen Beraters wird bis zum Frühjahr 2008 ein Ist – Soll Vergleich im Blick auf die
Verwaltungszusammenlegung erarbeitet. Bis zur Herbstsynode 2008 soll eine KostenNutzen-Analyse des gesamten Projektes vorliegen, die der Synode als Grundlage für ihre
Entscheidung dienen soll.
b) Angesichts zurückgehender Einnahmen wird der KSV einen intensiven
Beratungsprozesse darüber initiieren, welche Schwerpunkte der Kirchenkreis in seinen
Diensten zukünftig setzen will und muss. Im Gespräch mit den Gemeinden und
Einrichtungen müssen Erwartungen, Notwendigkeiten und Möglichkeiten abgeglichen
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werden.
c) Durch den fortlaufenden Wegfall der bisherigen z.A., i.S. und i.W. Pfarrstellen werden
deutlich weniger Menschen im pastoralen Dienst tätig sein als bisher. Die wenigen m.b.A.
Stellen, die in den Kirchenkreisen zur Verfügung stehen, müssen sorgfältig konzeptioniert
und eingesetzt werden.
Im Jahre 2008 wird die Personalplanung im Pfarrdienst durch die landeskirchliche
Personalplanungskonferenz vorbereitet und dann auf kreiskirchlicher Ebene umgesetzt.
Möglicherweise wird es neben den festgelegten Pfarrstellen als zweite Säule des
Pfarrdienstes verstärkt pastoralen Dienst in anderen Beschäftigungsverhältnissen geben.
d) Die Förderung der Zusammenarbeit innerhalb des Kirchenkreises zwischen den
Gemeinden, Einrichtungen und Mitarbeitenden muss in allen Überlegungen berücksichtigt
werden. Dass Presbyterien aufeinander zugehen, - zumindest in ihrer Region, aber auch
darüber hinaus,- mit Nachbargemeinden über Arbeitsgebiete, Pfarrstellen und
Mitarbeitendenstellen reden: Darin sehe ich eine der grundlegenden Aufgaben auch in
meinem Amt als Superintendent.
Hohe, Synode, liebe Schwestern und Brüder,
am Anfang stand das Prophetenwort mit seiner ungeduldigen Frage: Erkennt ihr`s denn
nicht? Mehrdeutig bleibt unsere Wahrnehmung. Was wächst und was vergeht?
Der
Apostel
Paulus
scheint
darauf
zu
antworten,
wenn
er
sagt:
Ich erkenne jetzt nur stückweise. Wir schauen in einen Spiegel und sehen rätselhafte
Umrisse. Einmal aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. (1. Kor. 12.12)
Glaube, Liebe und Hoffnung sind seine Antwort auf solch ungewisse Wahrnehmung. Ein
Glaube, der auf das Handeln Gottes vertraut; eine Liebe, die in jedem das sieht, was Gott in
ihn hineingelegt hat und eine Hoffnung, die Zeugnis gibt, woher sie kommt und was sie
erwartet.
November 2007
Hartmut Demski, Superintendent
Übersicht: Themen Pfarrkonvente 2007
Dez. 06
Jan. 07
Febr. 07
Mrz. 07
Mai 07
Juni 07
Aug. 07
Sept. 07
Okt. 07
Homiletischer Konvent /Predigttexte zu Weihnachten und Jahreswechsel
Bericht von der Landessynode
Gottesdienst-Workshop zu den Anti-Gewalt-Tagen
Trauerarbeit im Kirchenkreis /
Sondergottesdienste im Zusammenhang mit „verkaufsoffenen Feiertagen“
Bibel in gerechter Sprache
Schulgottesdienste: Chancen und Schwierigkeiten (mit ev. und rk.
Lehrern/innen)
Wanderkonvent
„Missionarische Volkskirche“: anziehend, erfahrbar, einladend (GMD)
Ökumenischer Konvent: Die ökumenische Situation in Remscheid
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