Bettler um Licht Weihnachtsbotschaft des Generalsuperiors 2014 Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. (Joh. 1. 1. 4-5) Licht und Finsternis sind zwei Grundelemente, die in die Psychologie des Menschen tief eingegraben sind, zwei Grundelemente, die den Kontrast zweier unvereinbarer Wirklichkeiten voll zum Ausdruck bringen. Wo das Licht herrscht, ist die Finsternis ausgeschlossen. Wo Finsternis ist, ist das Licht verbannt. Auf der anderen Seite scheint es unter der Voraussetzung der Bedeutung des Lichts für die verschiedenen Ökosysteme der Erde, logisch, dass schon immer das Licht mit dem Leben verbunden ist und die Finsternis mit dem Tod. Aus diesem Grund haben die Völker der Antike den Triumph der Sonne über die Nacht auf verschiedene Weise, besonders mit großen Freudenfeuern, gefeiert. Das geschah bei der Wintersonnenwende, dem Datum, nach dem die Tage wieder länger werden. Die Kirche legte die Feier der Geburt Jesu in die Nähe der Wintersonnenwende im Dezember und gab ihr dabei den gleichen symbolischen Charakter: Mit der Geburt Jesu werden die Hoffnung und das Licht in der Welt neu zum Leben erweckt. Am kommenden 25. Dezember werden wir dies mit Freude feiern: Jesus, den wir als Licht der Welt bekennen, wird zu uns kommen. Weihnachten ist nicht einfach die Erinnerung an ein Ereignis vor mehr als 2000 Jahren, sondern ist zu tiefst mit den größten und intimsten Erwartungen des menschlichen Herzens verbunden, das sich nach Licht sehnt und dem vollen Leben für sich selbst und für alle Menschen auf diesem Planeten. Unsere alltägliche Erfahrung konfrontiert uns jedoch mit Situationen, wo im Herzen eines jeden von uns das Licht und die Finsternis miteinander existieren, wie auch das Gute mit dem Bösen: Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein. (Mt 6.23) Dieses Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht auslöschen können. Gegen allen Anschein glauben wir fest daran, dass das Leben stärker ist als der Tod, dass das Licht die Finsternis besiegt, obwohl die tägliche Erfahrung dagegen zu sprechen scheint. Ich glaube, dass die Erbauer von New Grange, das nördlich von Dublin in Irland liegt, etwas Ähnliches erfahren haben. Es handelt sich dabei um ein Hügelgrab mit einem Durchmesser von etwa 80 m, das vor etwa 5000 Jahren in der Jungsteinzeit errichtet wurde. Es ist gebaut aus nahezu 280.000 Tonnen von großen weißen Steinen, die man von der etwa 80 km entfernten Küste herangeschafft hat. Dieses Grab ist vor allem wegen eines besonderen Ereignisses berühmt geworden, das man jedes Jahr am 21. Dezember, dem Tag der Wintersonnenwende auf der nördlichen Halbkugel, beobachten kann. Über dem Eingang zum Grab gibt es eine kleine Öffnung, die genau auf den Sonnenaufgang an diesem Tag ausgerichtet ist, so dass die Sonnenstrahlen dort eindringen können, um dann direkt durch den Gang ins Zentrum der inneren Kammer vorzudringen. Dieses Phänomen dauert kaum 20 Minuten, aber dort, wo das ganze Jahr über Finsternis herrscht, ist jetzt alles in Licht getaucht. Seit 5000 Jahren hat am 21. Dezember das Licht die Finsternis im Inneren des Grabes besiegt, so wie es die Erbauer von New Grange geplant haben. Mir scheint dies ein wunderschönes Bild dafür zu sein, um unseren tief liegenden Wunsch nach Licht auszudrücken, der in uns lebt, und die Überzeugung, dass die Finsternis nicht das letzte Wort hat. Luigi Verdi sagt in einem Kommentar zum Evangelium von der Heilung des blinden Bartimäus: Bartimäus ist ein Mensch, der um Licht bettelt, wie wir alle. Er sitzt in einem Winkel am Weg und schreit, wie wir es auch tun. Was immer nicht fähig ist, durch die Blüte der Lippen oder die Blüte der Haut zum Ausdruck zu kommen, schreit er aus der Tiefe seines Herzens. Wir kennen alle den Schrei, den wir im Innern tragen. Jeder von uns verbirgt in seinem Herzen die Klage des Schmerzes, den Ruf, dass jemand unser Leid beachten möge und innehält, um uns anzublicken. Das Dunkel in Bartimäus bittet um liebevolle Aufmerksamkeit, so wie wir in unserer eigenen Dunkelheit. Wir sind Bettler um Licht, wir erkennen in unserem Innersten eine Leere, eine unheilbare Verletzung, einen nicht zu löschenden Durst. Oft geben wir der Versuchung nach, diese Leere durch materielle Besitztümer oder intellektuelle Befriedigungen auszufüllen. Unsere Frustration ist dann noch größer, wenn wir keinen Erfolg dabei haben. Die kommende Feier von Weihnachten bietet uns die wunderbare Möglichkeit, in der Überzeugung zu wachsen, dass unsere Finsternisse nichts anders sind als eine tiefe Sehnsucht nach Licht. Ich wünsche dir ein glückliches Jahr 2015 bei der gemeinsamen Suche nach diesem Licht. Auf uns wartet ein Weg, auf dem wir schnelle Antworten von uns weisen, die nur einfache schmerzstillende Wirkung haben, und die auf geduldige und friedvolle Ruhe ausgerichtet sind, sondern ein Weg mit Antworten, die nach und nach die Oberflächlichkeit durchdringen und uns zu unserem tiefsten Selbst führen. Wir eilen durch die Nacht ohne Licht, ohne Licht. Auf der Suche nach der Quelle kann uns nur der Durst voranleuchten. Luis Rosales, Retabel von Weihnachten Mit meinen besten Wünschen für dich und deine Angehörigen, frohe Weihnachten!