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Medienservice Travail.Suisse – Ausgabe vom 17. März 2014
Für eine verbindliche Umsetzung der Arbeits- und
Umweltschutzbestimmungen
Die Schweiz handelt derzeit Freihandelsabkommen (FHA) mit wichtigen Ländern wie Indien
oder der russischen Zollunion aus. Es ist nun an der Zeit, die Arbeits- und
Umweltschutzbestimmungen verbindlich umzusetzen. Das liegt im Interesse der
Arbeitnehmenden in der Schweiz und in den Partnerländern – aber auch im Interesse der
Schweizer Wirtschaft.
Denis Torche, Leiter Steuerpolitik, Travail.Suisse
Die Annahme des Freihandelsabkommens (FHA) mit Costa Rica und Panama durch den Nationalrat
warf nicht gleich hohe Wellen wie das Abkommen, das mit China unterzeichnet wurde. Aber die
Problematik bleibt dieselbe. Wie bei China beantragte eine Minderheit des Nationalrates die
Rückweisung an den Bundesrat, damit die Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung verbindlicher
werden.
Somit ist eine Lobbying-Arbeit nötig, um eine Mehrheit des Parlaments davon zu überzeugen, dass
die Umsetzung der Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen in den FHA verstärkt werden muss. Um
dieses Anliegen zu begründen, müssen wir einen kurzen Blick in die Vergangenheit zurückwerfen: Bis
Mitte 2000-er Jahre lehnte es die Schweiz ab, Bestimmungen zu Menschenrechten, Arbeitsnormen
und Umweltschutz in die FHA einzubinden. Die Wirtschaftskreise wollten nichts von einer Verknüpfung
der FHA mit den Sozial- und Umweltschutznormen hören, was jedoch im Widerspruch zu den
Kohärenzzielen der Schweizer Aussenpolitik steht.
Immer mehr Freihandelsabkommen enthalten Arbeitsbestimmungen
Inzwischen hat die Europäische Union (EU) in ihren FHA ein Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung
eingeführt, was Ausdruck der erhöhten Sensibilisierung für den Zusammenhang zwischen Handel und
Arbeits- oder Umweltschutznormen sowie Menschenrechten ist. Seit Ende der 1990-er Jahre ist auch
eine stetige Zunahme der bilateralen und regionalen Handelsabkommen, die Arbeitsbestimmungen
enthalten, festzustellen. So stieg die Zahl der FHA mit Arbeitsbestimmungen zwischen 2000 und 2013
von 11 auf 58.1
Erst seit 2010 schlagen die Schweiz und andere EFTA-Staaten ihren Freihandelspartnern ein Kapitel
mit dem Titel Handel und nachhaltige Entwicklung vor, das Teil des ausgehandelten FHA sein soll.
1
Siehe "Studies on growth with equity" der ILO und des International Institute for Labour Studies. Social
dimensions of free trade agreements. 119 S. 2013.
Das Kapitel übernimmt in groben Zügen das, was die EU ihren Handelspartnern vorschlägt, ist jedoch
etwas weniger vollständig.
Der Schweiz ist es gelungen, die Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung in sechs FHA
einzubinden, die kürzlich in Kraft getreten sind oder unterzeichnet wurden (FHA mit Montenegro (2012
in Kraft getreten), Hongkong (2012 in Kraft getreten), Bosnien-Herzegowina (2013 unterzeichnet),
China (2013 unterzeichnet) sowie Costa Rica und Panama (2013 unterzeichnet). Bei China und
Hongkong ist jedoch zu beachten, dass die Arbeitsbestimmungen in separaten Abkommen geregelt
sind, was die Reichweite des Kapitels Handel und nachhaltige Entwicklung verringert, da es sich in
den jeweiligen FHA faktisch auf die Umwelt beschränkt.
Von den 28 in Kraft gesetzten oder zumindest unterzeichneten Schweizer Freihandelsabkommen mit
38 Ländern (ohne EU) enthalten derzeit nur sechs vollständige Bestimmungen zu Arbeitsnormen und
Umweltschutz. Deshalb müsste die Schweiz bei den älteren Abkommen ihren Partnern die Einführung
des Kapitels zur nachhaltigen Entwicklung vorschlagen.
Ausserdem muss man noch einen weiteren Schritt machen, damit das neue Kapitel Handel und
nachhaltige Entwicklung nicht nur ein leeres Versprechen ist, sondern auch tatsächlich umgesetzt
wird: Die Bestimmungen zu Arbeitnehmerrechten und Umweltschutznormen müssen ebenfalls dem
Kapitel über die Streitbeilegung unterstellt werden.
Betrachtet man das FHA mit Costa Rica und Panama, wird im Kapitel Handel und nachhaltige
Entwicklung spezifisch festgehalten, dass keine der Parteien in diesem Bereich auf das
Streitbeilegungsverfahren zurückgreifen kann. Damit wird die Umsetzung des Kapitels untergraben.
Das vermittelt auch den Eindruck, dass Arbeit und Umwelt weniger wert sind als der Handel, denn
dieser unterliegt dem Streitbeilegungsmechanismus, der die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens und,
bei Scheitern der Gespräche, finanzielle Entschädigungen beinhaltet.
Deshalb fordert Travail.Suisse, dass der Ständerat eine Verpflichtung zur verbindlichen Umsetzung
des gesamten FHA mit Costa Rica und Panama vom Bundesrat erwirkt, sobald das Geschäft bei ihm
ist. Es geht also darum, auch das Kapitel Handel und nachhaltige Entwicklung dem
Streitbeilegungsmechanismus zu unterstellen. Der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit
zur Umsetzung dieses Kapitels sind natürlich willkommen, aber in Streitfällen müssen auch ein
Schiedsverfahren und, als letztes Mittel, Sanktionen möglich sein, wenn schwere Verletzungen von
Menschenrechten, Arbeitsbestimmungen oder Umweltschutznormen vorliegen und das betroffene
Land nichts zu deren Behebung unternimmt.
Zum Vergleich: Das Freihandelsabkommen der USA mit Panama (2012) enthält einen solchen
Mechanismus, und die USA haben bereits anlässlich der Aushandlung des Abkommens von Panama
zahlreiche Verbesserungen im Bereich des Arbeitsrechts zugestanden erhalten. Neue Gesetze und
Erlasse in Panama ermöglichten die Lösung mehrerer Probleme mit der Gewerkschaftsfreiheit und
dem Vollzug der Gesetzgebung zur Kinderarbeit. Es wurde ein Gesetz verabschiedet, um Ausnahmen
von den Arbeitnehmerrechten in einer neuen Sonderwirtschaftszone aufzuheben.
Win-Win-Situation
Die Schweiz handelt derzeit neue FHA mit wichtigen Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien,
Thailand, Indonesien, Vietnam und Zollunion Russland-Weissrussland-Kasachstan aus. Das
Geschehen in Russland und der Ukraine erinnert uns daran, wie wichtig die Achtung der
Menschenrechte ist. Deshalb sollte die Schweiz nur dann FHA mit solchen Ländern unterzeichnen,
wenn diese bereit sind, ein Kapitel über die nachhaltige Entwicklung in das Abkommen aufzunehmen,
und wenn dieses Kapitel ebenso verbindlich ist wie die Bestimmungen zu Waren, Dienstleistungen,
Investitionen und geistigem Eigentum.
Schliesslich liegt die Stärkung der sozialen und ökologischen Aspekte in den FHA im Interesse der
Schweiz wie auch der Partnerländer. Die Position der Schweizer Unternehmen und Arbeitnehmenden
wird dadurch gestärkt. Gleichzeitig verbessert sich der Lebensstandard in den Partnerländern, und
Wettbewerbsverzerrungen, die aus Sozial- und Umweltdumping entstehen können, werden
abgeschwächt. In den Partnerländern, insbesondere Entwicklungsländern, verbessern sich
Arbeitsbedingungen und Achtung der Menschenrechte, was Bildung und Konsum fördert und zu einer
Aufwärtsspirale für die Entwicklung führt. Deshalb kann man die Einbindung von Sozial- und
Umweltschutznormen in die FHA und deren verbindliche Umsetzung als Win-Win-Situation
bezeichnen.
Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, [email protected],
www.travailsuisse.ch
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